Geheimnisse

 

 

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Kapitel 18: Unerwartet



Es steht uns bevor die Zeit des Erkennens und der Grausamkeit. Nach ihr kommt die Zeit des Begreifens und der Liebe.

Rathenau (1908)


Er kannte dieses Gefühl bereits, zu oft in seinem Leben hatte er es schon gefühlt und durchgestanden. Diese beruhigende Schwerelosigkeit, diese willkommene Stille, fast so als wollte man ihm nur noch einige Minuten Ruhe gönnen bevor sein Leben weiterging. Er bereitete sich innerlich auf ein Leben vor, das noch nicht einmal ihm gehörte. Einmal, ja einmal da war die Dunkelheit um ihn anders gewesen, nicht wartend, lauernd, bereit ihn jeder Zeit rauszuwerfen wie einen unwillkommenen Gast. Er sehnte sich nach diesem anderen Gefühl, das andere hatte ihn willkommen geheißen, hatte ihn eingehüllt wie eine warme Decke. Damals war er der unfreundliche Gast gewesen und hatte die Dunkelheit aus freien Stücken verlassen. Die Dunkelheit wich einem Grau, und langsam kehrte das Gefühl zurück, der Gastgeber war dabei, seinen Gast recht unfreundlich zurückzubefördern.
Na dann, Willkommen zurück, dachte der sarkastische Teil in Severus Snape und eine Schmerzwelle schlug über ihm zusammen.

Sirius es war als ob er von Wärme umgeben war, doch es war nicht nur eine körperliche Wärme, sie reichte tief in sein Herz. An Stellen, bei denen er befürchtet hatte, dass es dort immer eisig bleiben würde. Es war reinste Glückseligkeit, die ihn durchströmte. Er wünschte, sich dieser Zustand würde ewig andauern. Aber nichts wärt ewig, so sehr man es sich auch wünscht, und Sirius Black spürte plötzlich an seiner Seite ein Zittern.
Mit einem leisen Schrei war er plötzlich hellwach! Die grobe Decke rutschte von ihm herunter und sofort verschwand die Wärme, ein kühler Windhauch streifte ihn. Verwirrt sah er sich um, es dauerte einige Sekunden, bis sich seine Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten.
Es war hell?
Stark blinzelnd sah er sich nach dem Ursprung des Zitterns um. Links neben ihm lag ein Bündel an Decken und das hatte begonnen zu zittern, gleich dahinter ragte der schneeweiße Rücken des Einhorns auf. Sirius wandte den Blick zu seiner Rechten, dort lag der Zentaure, den Pferderücken ihm zugewandt und alle Viere von sich gestreckt, fast so als wäre er erschossen worden. Vorsichtig schob Sirius ein Stück der Decke auf die Seite. Schwarze, fettige Haare kamen zum Vorschein.
"Na klasse!" murmelte der Magier, das war wirklich das Letzte was er gewollt hatte.
Wieder dieses Zittern und Sirius gefiel es gar nicht. Was war nur los mit ihm? Vorsichtig suchte er nach dem Gesicht, hatte dieser Mistkerl etwa Fieber bekommen? Er legte die Hand auf die Stirn, nein fühlte sich eigentlich recht normal an. Snape bewegte den Kopf und Sirius zog die Hand weg als hätte er sich an den Todesser verbrannt. Das Einhorn rührte sich zuerst, wobei Sirius den leisen Verdacht hegte, dass es schon länger wach war. Das Tier richtete sich leicht auf und sah ihn aus seinen unergründlichen Augen an.
"Sieh mich nicht so an! Ich weiß auch nicht was er hat!" raunte Sirius dem magischen Wesen zu.
Zu seiner Rechten bewegte es sich plötzlich Firenze, zog seine vier Beine an und richtete sich gleichsam auf.
Firenze nickte Sirius nur zu und betrachtete Snape. "Hm ich habe das schon einmal gesehen. Ist jedoch lange her."
Der Magier ging nicht darauf ein, stattdessen fragte er den Zentauren unwirsch: "Warum liegt der hier?"
Firenze gähnte herzhaft und streckte sich,."Es wurde kühl, wir hielten es für das Beste. Bei ihr hat es etwas Überzeugungsarbeit gebraucht, aber sie erklärte sich bereit, euch mit zu wärmen."
Das Einhorn schnupperte an Snape, das lange silberne Horn, eine tödliche Schönheit, glitzerte in der Sonne. Das Zittern wurde stärker und gerade als Sirius sich noch mal über Snape beugte schlug dieser urplötzlich die Augen auf.
"Was?" raunte der Todesser und seine Stimme klang dabei wie ein Reibeisen.
Sirius holte tief Luft und wollte gerade eine spitze Bemerkung vom Stapel lassen als die Augen von Snape glasig wurden und sich sein Körper aufbäumte wie unter einem Stromschlag. Erschrocken rutschte Sirius Black vor Snape zurück, bis er an Firenze stieß. Der Zentaure reagierte instinktiv und schubste Sirius nach vorne. "Festhalten!"
"Wie bitte?" Was verlangte da der Zentaure von ihm?
"Halten Sie ihn fest! Sonst bricht er sich noch etwas! Ich komme gleich wieder!" Firenze sprang auf und Sirius wurde es noch kälter.
Das Einhorn blieb liegen und starrte den Magier wartend an.
Black schnaubte angewidert, rutschte aber wieder vor und zog Snape an sich. Er schlang die Arme um den sich immer wieder aufbäumenden und zitternden Körper. Fast schien es als ob Snape beschlossen hätte sich sämtliche Knochen zu brechen und Sehnen zerreißen zu lassen. Mit roher Gewalt versuchte Sirius das Schlimmste zu verhindern, dann warf Snape den Kopf in den Nacken und öffnete den Mund zu heiseren Schmerzschreien. Sie waren überraschend leise, und jemand, der über die Lichtung gegangen wäre, hätte sie vielleicht als einen heiseren Vogelschrei verstanden.
Nach endlosen Minuten beruhigte sich der Todesser, ein letztes Zittern, und dann lag er still da. Das Ende kam so plötzlich, dass Sirius befürchtete, das Herz hätte der Belastung nicht standgehalten, und er tastete mit einer freien Hand nach der Halsschlagader.
"Ich muss dich enttäuschen", flüsterte Snape. "Ich lebe noch."
Sirius sortierte sich und richtete sich auf. Der Todesser lag wie ein Stück lebloses Holz auf dem Boden und starrte mit leeren Augen in den Himmel. Der Atem kam flach und leicht rasselnd. Black strich sich das lange Haar aus dem Gesicht und atmete selber tief durch, erst jetzt bemerkte er, dass Firenze wieder da war.
"Hier, für seine Hände und Arme." Er reichte Sirius einen weiteren Tiegel.
Black warf einen Blick auf Snape, die Hände ähnelten mehr Klauen, die verkrampft sich in die Erde verkrallt hatten.
"Ich helfe Ihnen", sagte Firenze freundlich.
Zögernd griff Black in den Tiegel und begann die Verkrampfungen aus den Armen und Händen von Severus Snape heraus zu massieren. Was immer in dieser Creme war, es half dabei. Bald glichen die Hände mehr denen eines Menschen, als denen eines Monsters. Firenze öffnete die Roben von Snape und strich auch den Brustkorb ein.
Snape war eindeutig bei Bewusstsein, die Augen waren offen und er blinzelte ab und zu, doch er ließ es mit sich geschehen, ohne Widerspruch, ohne zu klagen. Sirius wurde das ganze unheimlich. Zwar hatte Snape vorhin so reagiert wie er ihn kannte, sarkastisch und spitz. Aber jetzt? Alles schien verschwunden zu sein. Als ob jemand den alten Snape genommen und weggesperrt hätte, zurück blieb dieses Ding da am Boden. Sirius beschloß einen Test zu machen, er rutschte zu den Füßen von Snape, zog ihm die Socken aus und begann die kalten Füße ebenfalls mit der Creme einzureiben. Spätestens jetzt hätte Snape, protestiert.
Hätte!
Früher!
Nichts dergleichen geschah. Sirius wagte sich weiter vor und sagte zu Snape, er solle einmal versuchen die Füße zu bewegen, er wolle sehen ob alles in Ordnung war. Immerhin hätte er sich am Rücken schwer verletzen können.
Es war eine schamlose Lüge und dem Blick von Firenze nach ahnte es auch der Zentaure. Snape bewegte die Füße leicht und Sirius zog ihm wieder die Socken an.
Mit einer geschmeidigen Bewegung stand Sirius Black auf und klopfte sich Staub und Moos von der Kleidung.
Snape hob langsam einen Arm, ballte die Hand zu einer Faust und öffnete sie vorsichtig wieder.
Sirius schüttelte den Kopf, zuerst fanden sie ihn entkräftet, dann war da dieser Anfall gewesen und der Kerl begann sich wieder zu bewegen. Snape mußte Kraftreserven haben, die Black nicht einmal erahnen konnte. Oder lag es vielleicht an Firenzes Salbe?
"Sie sollten zurück zum Schloß. Sonst wird man neugierig." Firenze klang selbst nicht sehr begeistert von seinem Vorschlag.
Snape drehte den Kopf zu den Zentauren, dieser sagte weiter: "Auroren! Eine Menge Auroren bewachen das Schloß. Und Sie! Sie sollten sich eigentlich noch etwas ausruhen, Sie waren sehr schwach, Professor Snape. Wir befürchteten schlimmeres."
Bei dem Wort "Wir" wandte sich Snape an Black. Dieser wich seinem Blick aus und begann seine Sachen zusammen zu suchen.
"Ich verstehe", flüsterte Snape und mit Firenzes Hilfe stand er auf.
Der Zentaure stützte ihn, langsam sah sich Snape um. Sirius holte seinen Bogen, der an einem der Findlinge gelehnt stand, und das Einhorn erhob sich mit einem Schnauben. Verwirrt sah Snape das Tier an.
Das Einhorn schnupperte an ihm, fast schien es als ob es sichergehen wollte, dass es auch ja die richtige Person war. Zögernd hob Snape die Hand und strich über die seidige schneeweiße Mähne. Black lehnte sich an den Findling und beobachtete das ganze. Es war schon ein eigenartiges Bild, das sich ihm da bot. Das Einhorn hatte den Kopf schief gelegt und gestattete Snape, weiter mit einer Hand durch seine seidige Mähne zu fahren. Der andere Arm war von Firenze umfasst worden, der ihn stützte und hielt. Der Zentaure hatte einen unergründlichen Gesichtsausdruck aufgelegt und wirkte unerschütterlich. Dieser Kontrast, Snape Schwarz in Schwarz gekleidet, das Weiß-Silberne des Einhornes klar und unbefleckt, und der Zentaure Gold in Weiß; wie ein übergroßer Schutzengel ragte er über den Todesser auf.
'Und wo passe ich da rein?', fragte sich Sirius stumm und starrte auf den Boden.
Die anfängliche Wärme, das Willkommen sein verschwand aus seiner Seele. Ein weiterer Windhauch, der in die Behausung des Zentauren wehte, unterstützte dieses Gefühl.
'Reiß dich zusammen Sirius', schalt er sich selber.
Er sah auf und zuckte zusammen. Das Einhorn stand vor ihm, hatte sich lautlos genähert und betrachtete ihn. Es machte schließlich den Hals lang und hob den wunderbaren Kopf, bis die Nüstern an Sirius' Wange lagen. Ganz vorsichtig, als sei der Magier eine Schneeflocke, die zerbrechen konnte, schnob es und Black schloß die Augen, die Wärme kehrte zurück. Als er sie wieder öffnete bemerkte er, dass Firenze und Snape ihn beobachteten.
"Einem Einhorn kann man nichts vormachen Black", murmelte Snape und Black glaubte, dass etwas in diese kalten Augen zurückgekehrt war, nur kurz, aber da war etwas gewesen.
Sirius Black fühlte sich plötzlich unheimlich alt und er seufzte tief.
"Auf nach Hogwarts!" verkündete Firenze und zerbrach diesen magischen Moment.
"Auf nach Hogwarts", bestätigte Sirius und strich ein letztes Mal sehnsüchtig über die weichen Nüstern des Wesens.
Snape ließ den Kopf hängen und nickte. "Auf nach Hogwarts."
Das Einhorn wieherte hell und der silberne Klang hallte noch lange über die Lichtung.

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