Geheimnisse

 

 

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Kapitel 21: Erkenntnis



Leben ist die Kunst, aus falschen Voraussetzungen die richtigen Schlüsse zu ziehen.

Samuel Butler


Sirius wußte nicht warum er so plötzlich Dumbledore angeboten hatte auf Severus Snape zu achten. Jetzt wo er so am Bett seines ehemaligen größten Widersachers saß überkamen ihm Zweifel ob es eine so gute Idee gewesen war. Unruhig stand er auf und ging am Fußende des Bettes auf und ab. Dabei warf er neugierige Blicke um sich. Die Privaträume von Snape hatten noch nie viele Lehrer, geschweige denn ein Schüler gesehen. Harry hatte ihm zwar von dem Büro des Tränkemeisters erzählt und wie gruselig es dort war. Die anderen Lehrer verloren selten ein Wort über Snape, es sei denn, es ging um Beschwerden, die gab es anscheinend massenweise. Sirius strich über alte Holzmöbel, die aus verschiedenen Epochen stammten und doch irgendwie zusammen passten. Es waren seltsame Räume. Seine Neugier trieb ihn aus dem Schlafzimmer in den größeren Wohnraum. Hier gab es Gegensätze, wie sie teilweise größer nicht seinen konnten. Die kleinen Fenster, die nur spärlich Licht in den Raum ließen, Sessel, die mit dunklem Leder bezogen waren - und der Kontrast des farbenfrohen Wandteppichs und der bunten Decken auf den Sesseln.
Die Schule erwachte langsam wieder zum Leben. Überrascht sah Sirius zu den einzelnen Wänden, das Lachen der Schüler hörte man bis in diese Räume. Langsam setzte das vertraute Summen des Schülerbienenstockes ein und vertrieb die letzten boshaften Schleier, die über der Schule zu schweben schienen. Warum hatte Snape diese Räume gewählt? Räume, die so nah am Leben der Schule lagen und doch so weit entfernt schienen?
Sehnsüchtig dachte er an die Rollen von Hagrid. Er hoffte, darin Antworten zu finden. Sein Blick ruhte weiter auf dem Wandteppich, der in allen hellen Farbtönen schillerte. Während er so den Teppich betrachtete und er versuchte, dadurch etwas Ruhe in seine Gedankengänge zu bringen, brachen stattdessen immer mehr Fragen an die Oberfläche.
Wann hatte Snape angefangen für Dumbledore zu spionieren?
Wie war es überhaupt dazu gekommen?
Warum hatte Firenze gesagt, dass Dumbledore nicht Snapes Freund war sondern Hagrid?
Wie war der Wildhüter dazu gekommen?
War seine Bedeutung wirklich so groß?
Sirius vergrub das Gesicht in den Händen. So viele Fragen, so viele Rätsel und Geheimnisse. Ehe seine Gedanken endgültig beschlossen aus den Bahnen zu geraten, brachte ihn ein Geräusch zurück in die Wirklichkeit. Er eilte zurück ins Schlafzimmer. Snape schien schlecht zu schlafen, er bewegte sich und das Gesicht war verzerrt. Aber er benötigte den Schlaf, wenn er Morgen wieder unterrichten sollte. Sirius sah zweifelnd auf den Mann, konnte er überhaupt in den nächsten Tagen unterrichten?

Die Schwärze der Ohnmacht ließ ihn nicht lange ruhen. Sein Gewissen, seine Erinnerungen ließen ihn selbst in dieser Dunkelheit nicht lange allein, zeigten Grausamkeiten und Fehler. Severus kämpfte dagegen an, er wollte doch nur Ruhe, nur etwas Ruhe und Schlaf. Er glaubte die kalte Stimme von Voldemort zu hören, nur um wenig später die unruhige, leicht panische Stimme von Rosier zu vernehmen. Zu den Stimmen gesellten sich Bilder und der Alptraum begann. Früher hatte er versucht diese Träume mit Tränken und anderen Mitteln zu unterdrücken, jedoch musste er schnell erfahren, dass sich solche Erinnerungen nicht so leicht unterdrücken ließen. Er hatte einfach zu viel erlebt und zu viel gesehen. Panisch versuchte ein Teil seines Unterbewusstseins sich in das helle Licht der wenigen glücklichen, ruhigeren Erinnerungen zu flüchten. Doch die Schreie und Schreckensbilder verfolgten ihn weiter. Er wandte sich dem Licht zu, vergaß alles was er in all den Jahren langsam aufgebaut hatte. Die Dunkelheit und der Schrecken schoben sich weiter vor und Severus Snape suchte Schutz in etwas, was er längst vergessen geglaubt hatte.

Sirius Black wandte sich gerade um, er wollte Pomfrey um ein Mittel fragen, irgendetwas, was den Todesser schlafen ließe, als Snape plötzlich die Augen öffnete und etwas so verzweifelt sagte, dass es Sirius kalt den Rücken runterlief.
"Herr hilft mir!"
Black ließ die Idee mit Pomfrey fallen und ging auf Snape zu. "Snape?"
Die Augen des Professors für Zaubertränke schienen glasig, kein Erkennen war in ihnen zu sehen, dann schloß er sie wieder und flüsterte,:"Herr hilft mir. Es war nicht meine Schuld, ich habe es versucht. Vergebt!"
"Snape?" besorgt beugte er sich über Severus. Was ging da vor sich?
"Vergebt! Vergebt!" flüsterte Snape immer wieder, die Augen nun fest geschlossen. Das Gesicht zu einer Grimasse reinster Verzweiflung und Angst verzerrt.
Zögernd hob Sirius eine Hand, überwand alle Vorurteile und alle alten Erinnerungen und strich sanft über die nun schweißnasse Stirn.
"Scht. Ganz ruhig", flüsterte er beruhigend und hoffte, dass etwas durchkam. "Du bist in Sicherheit, Severus. Ganz ruhig."
"Vergib. Vergib...." Snape sagte es wieder ganz leise, es war kaum mehr als ein Hauch. Doch unter der beruhigenden Berührung verschwanden die Verzweiflung und die Angst aus dem Gesicht, der Todesser wirkte ruhiger, schien sich langsam zu entspannen.
"Es ist in Ordnung. Severus ganz ruhig." Sirius kam sich irgendwie lächerlich vor. Er strich Snape einfach so über den Kopf wie einem Kleinkind, das einen Alptraum gehabt hatte.
Die Augenlieder flatterten und als Snape ihn mit diesen glasigen Augen ansah, versuchte Sirius beruhigend zu lächeln. "Alles in Ordnung."
"Wo ist mein Herr?" fragte er schlicht. Sirius kam sich nun wirklich vor, als ob er ein Kind vor sich hatte, das nach seiner Mutter fragte. Schnell revidierte sein Gehirn dies, kein Kleinkind, hier fragte Snape nach seinem Besitzer, nach seinem Herrn. Verwirrung machte sich langsam in ihm breit. Wußte Snape überhaupt wo er war?
"Nicht da Severus, aber alles ist in Ordnung. Du bist in Hogwarts in Sicherheit." Harrys Pate versuchte ruhig und freundlich zu klingen.
Snape nickte schwach. "Hogwarts, ich weiß." Etwas wie Verzweiflung schwang im weiteren Satz mit." Aber warum ist mein Herr nicht mehr hier?"
Sein Herr? Voldemort? Black wußte von einigen Todessern, die in Askaban waren, dass sie Voldemort ihren Herren nannten. Sie hatten in den ersten Nächten nach Voldemort geschrieen, ihn angefleht ihnen zu helfen. Wobei keiner seinen Namen genannt hatte, Worte wie Herr und Meister waren gefallen. Jedoch nie sein Name.
Aber Severus Snape schien sehr wohl zu begreifen, dass er in Hogwarts war und nicht irgendwo anders. Ein Gedanke schob sich immer weiter vor, Sirius zuckte davor zurück. Das konnte doch nicht wahr sein. Der Gedanke schob sich weiter vor, schien auf das Ausweichmanöver von Sirius nicht zu achten, er wollte erkannt werden. Sirius wehrte sich, wollte davonlaufen, wollte es nicht laut aussprechen und es damit endgültig machen. Voldemort, er musste von Voldemort sprechen, ja so mußte es sein, versuchte er sich einzureden. Doch so recht wollte es nicht klappen, die kühle Logik, die ihm geholfen hatte im Gefängnis nicht den Verstand zu verlieren sagte ihm etwas anderes. Black sah zu Snape und in dessen tiefschwarze Augen. Sie schrieen förmlich nach einer Erklärung, nach etwas, was er selbst, jetzt halb in seinen Alpträumen gefangen, noch erfassen konnte.
"Es stimmt Severus..." Black schluckte, seine Kehle kam ihm plötzlich so trocken vor. "Dumbledore ist nicht hier. Er musste gehen wegen der Schule und den Schülern."
Hinter dem Schleier des Schreckens, der sich über Severus' Augen geschoben hatte, glomm Verständnis. Snape schien plötzlich im Bett förmlich zu versinken, seine Lippen formten einen Namen und die Stimme des Todessers trieb wie ein Lufthauch in Raum. "Hagrid."
Sirius schloß voll Trauer und bitterer Erkenntnis die Augen.
Alles hatte er erwartet, nur das nicht. Er ahnte, dass es genau diese Information war, welche Firenze im vorenthalten hatte. Dass es genau das war was Hagrid ihm nicht gleich in seinem Testament hatte schreiben können. Hatte er es überhaupt niedergeschrieben oder gehofft, dass der Finder von allein darauf gekommen wäre?
Sirius öffnete die Augen und stellte fest, dass Snape nun ruhiger schlief. Zögernd nahm er die Hand von der Stirn des Todessers. Der Tag schlich dahin und Sirius Black sah immer nur in das Gesicht von Severus Snape. Seine Gedanken, die anfangs unruhig durch seinen Kopf geschwirrt hatten, waren förmlich vor dem grausamen Geheimnis, das Snape und Dumbledore umgab, erstarrt. Die Schüler lachten und redeten in den Gemäuern um ihn herum. Hier und da konnte er sogar das Knallen eines Fluches hören. In diesem Moment wünschte er sich seinen Freund James zurück, mit dem er hätte reden können, oder Remus.
James.
Hätte es James Potter verstanden? Nach dem was sie alles Snape in ihrer Schulzeit angetan hatten? Nein, sicher nicht. Sirius schüttelte den Kopf. Bei James und Severus war es beinahe so gewesen wie bei Harry und dem Malfoy-Jungen. Hass von der ersten Minute an. Seine Gedanken wanderten zu Remus Lupin, dem Werwolf. Remus hatte sich nie an ihren Späßen beteiligt. Langsam hellte sich Blacks Gedankenkosmos wieder auf, ja mit Remus konnte er darüber reden. So schnell Licht gekommen war, verschwand es auch wieder. Nein er konnte mit niemandem reden, Hagrid hatte es ihm so gesagt. Verschwiegenheit war hier das oberste Gebot. Aber er mußte darüber reden! Am Abend kam Madame Pomfrey leise in die Räume von Snape.
"Ah, Mr Black. Ich löse Sie ab." Die Heilerin von Hogwarts stellte einige Flaschen auf dem Nachttisch ab.
Sirius sagte zu ihr: "Ich denke nicht, dass er morgen unterrichten wird."
Pomfrey lachte leise. "Unterschätzen Sie Professor Snape nicht. Er wird morgen wieder unterrichten."
"Dank Ihnen?" Black sah sie von der Seite aus an.
"Dank mir." Die Heilerin nickte. "Es ist meine Arbeit und ich werde sie erfüllen."
Sirius sah zu wie Pomfrey begann einige Tränke zusammen zu mixen, während sie das tat sprach sie weiter: "Wissen Sie Mr. Black, einige von uns haben Verpflichtungen, die uns auferlegt worden sind. Verpflichtungen, die gekommen sind ohne dass wir danach gefragt wurden ob wie sie eigentlich wollen. Auch mögen sie uns nicht immer gerecht oder gar leicht erscheinen. Aber wir haben sie und das einzige was wir machen können, ist ihnen nachzukommen."
"Was ist wenn wir ihnen nicht nachkommen." Sirius hoffte sich vielleicht so etwas heraus zu schlängeln, etwas von dieser Bürde abzugeben.
"Wenn ich meinen Verpflichtungen nicht nachkomme, wird Professor Snape morgen nicht unterrichten. Fragen werden aufkommen, das Ministerium wird misstrauisch. Die Auroren werden wieder kommen und zu guter Letzt wird Severus Snape wahrscheinlich sterben." Pomfrey sagte dies ganz klar und sachlich.
Sirius zog scharf Luft.
"Wie ich bereits sagte, nicht alle Verpflichtungen sind leicht. An meiner hängt ein Menschenleben, und vielleicht das von vielen weiteren."
Sie schüttete den Tränkemix in ein Glas und hob es gegen das spärliche Abendlicht. Sirius beobachtete wie das Gebräu seine Farben änderte. Pomfrey wußte von Snape, so recht wollte er mit ihr nicht sprechen. Er mußte mit dem Hauptverantwortlichen reden, auch wenn ihm das nicht leicht fallen würde.
"Wo ist Dumbledore?" fragte Sirius und er bemerkte, dass seine Stimme leicht zitterte.
Ohne von dem Glas wegzusehen, dessen Inhalt sich langsam von Purpur in durchsichtig änderte, antwortete sie: "In seinem Büro."
"Danke", antwortete er knapp und drehte sich um.

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