Geheimnisse

 

 

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Kapitel 27: Das lange Luft holen



Nur wer an die Zukunft glaubt, glaubt an die Gegenwart.

Aus Brasilien.


Sirius überwand sich und begleitete auch in den folgenden Wochenenden Severus in das Büro von Dumbledore. Bis Weihnachten herrschte relative Ruhe. Unter der Woche war eine erzwungene Normalität zu spüren: Severus Snape unterrichtete wie eh und je und Sirius spielte den Gelangweilten und Bücherwurm. Ein Bücherwurm, der jedoch einen wachsamen Blick auf den Tränkemeister hatte und sich nicht nur in Literatur vergrub.

Es geschah kurz vor den Feiertagen, dass Black den Spion nur mit Hilfe des Zentauren ins Schloß zurück bringen konnte. Der Todesser hatte zwei Tage und drei Nächte durchgearbeitet. Es war dieser denkwürdige Sonntagabend, wo Black das erste Mal sah, wie sich ein Zentaure ins Schloß schleichen konnte. Dass er es konnte, hatte Firenze ja schon bei seinem nächtlichen Besuch bewiesen, es aber zu sehen war ein Erlebnis der besonderen Art. Dieses große Wesen legte eine Gewandtheit an den Tag, die Sirius Black nie geglaubt hätte, aber allein hätte er nicht die Kraft gehabt, den erschöpften Snape den ganzen Weg zu tragen, so musste Firenze helfen. Innerlich war er froh, dass Snape nur schlichtweg müde war und nicht verletzt. Eine Verletzung hätte das ganze noch erschwert, wobei Firenze versicherte, sie seien schon einmal damit zurecht gekommen, also würde es auch in Zukunft kein Problem sein.
„Lange ist es her Professor, dass ich Sie tragen mußte und Sie dabei bei Bewusstsein waren“, lächelte der Zentaure.
Sirius, der neben ihnen ging, warf einen Blick auf den Todesser, der in seinen dunklen Roben eher verloren als bedrohlich aussah. Die Augenlieder flatterten als Snape sich zwang den Zentauren anzusehen, ganz leise sagte er: „Lange ist es her und auch selten.“
An Dumbledores Bürotreppe mußte Sirius übernehmen, denn hier wurde es sehr eng und der Zentaure hatte genug damit zu tun, selber die Treppe zu erklimmen. Firenze bestand darauf ihnen zu folgen. Für Sirius war es schon eine Überraschung gewesen, dass sie keiner entdeckt hatte. Firenze war einfach verboten groß im Schloß.
Die Hufe klapperten leise hinter Sirius, der mehr damit beschäftig war Snape nicht fallen zu lassen, als sich einmal umzusehen, um zu beobachten wie Firenze dieses kleine Wunder, ihnen zu folgen, vollbrachte. Gerade als Black überlegte wie er die Tür öffnen sollte, riß der Direktor diese auf. Hektisch sah er sich um, „Ich habe....“, kurz stockte er, „Firenze! Dann haben mich meine Ohren doch nicht getäuscht.“
Während er auf die Seite trat um sie herein zu lassen, murmelte Firenze eine Begrüßung.
Sirius wankte, Snape wurde zu schwer, und so elegant es ging kniete er in der Mitte des Raumes und ließ den Todesser vorsichtig auf den Boden gleiten. Doch ganz wollte er ihn doch nicht einfach so liegen lassen, sicher hielt er den erschöpften Mann in den Armen. Firenze bedeutete dem Direktor zu Sirius und Severus zu gehen. Der Zentaure selber blieb im Hintergrund und spielte den stillen Beobachter. Dumbledore ging zwischen Snape und Black in die Knie. Mit besorgtem Gesicht sah er auf seinen Spion herab.
Black spürte durch Umhänge und Mäntel wie sich der Todesser tiefer in seine Arme fallen ließ. Es war genau diese Art der Anlehnung und Stütze, die Hagrid ihm in solchen Momenten immer gegeben hatte, Sirius hatte genug davon in den Aufzeichnungen gelesen. Er ließ ihn nicht los und erst recht nicht fallen, das hatte er gelernt.
Ohne Aufforderung begann Snape leise zu sprechen, manchmal wurde seine Stimme leiser, wenn er drohte wegzudriften, das Bewußtsein zu verlieren, dann nahm Albus seine Hand und hinderte ihn daran einzuschlafen. Black wunderte sich über dieses Verhalten, nahm es jedoch still hin. Es ging um zu viele interessante Informationen und das erste Mal spürte er auch, dass es hier um Menschenleben ging. Normale Menschen, das wußte er, konnten nicht so erzählen, so Bericht erstatten, so viel riskieren zu erzählen.
„Er wird ungeduldig und meine Informationen nützen ihm nicht mehr viel“, raunte Snape und Black musste schon sehr die Ohren spitzen um etwas zu verstehen.
„Wird er noch vor den Feiertagen zuschlagen? Wird er dich in dieser Zeit rufen?“ fragte Dumbledore ruhig aber bestimmt.
„Nein Herr. Er weiß, dass es für mich zu auffällig wäre wenn ich bei den Feiertagen fehlen würde. Gerade beim gemeinsamen Essen würde es zu stark auffallen.“
Sirius zuckte zusammen, er hatte immer gedacht, dieses gemeinsame Festmahl, von dem Harry erzählt hatte, dass sie immer an Weihnachten hatten, sei eine irrwitzige Idee von Dumbledore. Dass es nun ein berechnendes Ritual war, das Dumbledore eingeführt hatte in weiser Vorrausicht, brachte ihn ins Grübeln. Denn zu seiner Schulzeit gab es zwar über Weihnachten ein besonderes Essen, aber meist hatte man es in den Gemeinschaftsräumen der Häuser zu sich genommen. Nicht in der Großen Halle mit den zurückgebliebenen Lehrern. Diese sahen manchmal kurz vorbei oder waren bei Spaziergängen zu sehen, damals. Aber Snape ließ Sirius keine Zeit in alten Erinnerungen zu schwelgen, er war wieder dabei das Bewußtsein zu verlieren. Dumbledore ließ ihn in Ruhe, sachte legte er die Hand auf Snapes Brust. Sie hatten genug gehört. Albus ließ sich nach hinten fallen und saß nun nachdenklich auf dem Boden.
„Was denken Sie?“ fragte Sirius und spürte wie Snape in seinen Armen wieder sehr schwer wurde.
Dumbledore vergrub kurz sein Gesicht in seinen Händen, ein Zeichen von Schwäche? Dann seufzte er und sah Black an. „Ich bin nicht ganz sicher. Ich persönlich befürchte, dass wir nur mitten im großen Atemholen sind.“
Besorgt sah Sirius auf seinen Schützling, Snape wirkte sehr eingefallen und schwach, die Augen lagen tief in ihren Höhlen und der Atem kam zitternd, unregelmäßig.
„Warum tut Voldemort so etwas seinen Anhängern an? Er verheizt sie ja förmlich“, grummelte Black.
Dumbledore schnaubte verächtlich. „So weit ich feststellen konnte, tut er dies nicht allen an. Er hat Snape gebrochen, in seine Einzelteile zerlegt und nach seinem Willen wieder zusammen gesetzt. Dies alles hier, sein Verhalten seine Weltanschauung, ist von Voldemort geprägt. Es ist so tief in ihm verankert... ich hätte nicht gedacht, dass es so lange überdauern kann. Mittlerweile glaube ich auch nicht mehr, dass es jemals aus seinem Leben verschwindet. Ich kann ihm sein Leben nur erleichtern und versuchen, ihn nicht in Gefahr zu bringen. Andere, wie Lucius Malfoy zum Beispiel, sind immer noch sehr sicher, ergeben ja, aber sehr selbstsicher und selbstherrlich in einer Art und Weise.“
„Was hat Snape denn gemacht, dass Voldemort sich gezwungen sah das aus ihm zu machen?“ fragte Sirius und verlagerte dabei leicht das Gewicht von Severus in seinen Armen.
„Ich kann nur raten, aber genau wissen tue ich es nicht. Aber irgendwie war es auch ein Zeichen, dass er zu wertvoll war, um für den Dunklen Lord verloren zu gehen. Oder es war eine Art von Exempel, frei nach dem Motto: 'Wenn du das nicht tust kannst du so enden.' Selbst innerhalb der Todesser galt er als eine Art unterwürfiger Sklave Voldemorts, ohne Wert oder dass man Rechenschaft ablegen musste, wenn er verschwand. Wenn er wieder auftauchte oder überlebte, schön und gut. Wenn nicht, auch nicht schlimm!“ Dumbledore zuckte mit den Schultern.
Black hatte ähnliches in den Rollen von Hagrid gelesen, es aber zu hören war ein großer Unterschied, als es zu lesen.
„Zum Glück muss er morgen nur eine Stunde unterrichten und dann sind Ferien.“ Albus wirkte erleichtert.
Nach einer kurzen Verschnaufpause stand Dumbledore auf. „Ich hole Pomfrey. Wollen Sie noch etwas hier bleiben Firenze?“
Sirius wandte überrascht den Kopf, den Zentauren hatte er komplett vergessen.
„Ich würde gerne etwas länger bleiben“, sagte Firenze und die unglaublich blauen Augen ruhten auf Dumbledore.
Der Direktor nickte und verschwand leise durch die Tür. Der Boden bebte leicht als Firenze näher kam. Black verdrehte den Kopf und sah zu dem mystischen Geschöpf hoch.
„Wir sollten ihn auf das Bett legen“, meinte Firenze vorsichtig.
„Wo ist hier das Bett?“ Sirius sah sich suchend um.
Der Zentaure ging um den Schreibtisch herum und zog den dahinter sichtbaren Vorhang auf die Seite, eine Art kleines Schlafzimmer kam zum Vorschein.
Der Animagus schüttelte den Kopf. „Firenze, Sie überraschen mich immer wieder.“
Der Zentaure lächelte wissend. Mit Mühe trug Sirius den bewußtlosen Snape zu dem Bett, etwas ungelenkt ließ er ihn darauf gleiten. Mit einem Ächzen richtete sich Black auf.
„Jetzt müssen wir nur noch auf Pomfey warten“, murmelte Sirius und zog den langen Wintermantel aus. Firenze bückte sich und versuchte Snape den langen Todesserumhang auszuziehen, etwas zurückhaltend half ihm Black dabei. Gerade zog Firenze Snape die Schuhe aus als sich die Tür wieder öffnete und Dumbledore mit Pomfrey kam. Verblüfft blieb die Heilerin in der Tür stehen als sie Firenze sah, dann wanderte ihr Blick zu Black und zurück zum Zentauren.
„Heilerin Pomfrey ich grüße Sie.“ Firenze neigte sein Haupt.
„Firenze, was für eine Überraschung“, brachte die Heilerin über die Lippen. Schnell hatte sie sich wieder gefasst. „Ist er stark verletzt?“
Hier fühlte sich Black sicher. „Nein, er ist nur erschöpft.“
Die Heilerin nickte und durchquerte dabei energisch den Raum. Firenze ging geschickt auf die Seite und ließ Pomfrey an Snape heran. Black wich auch etwas zurück. Die Heilerin holte eine Reihe von seltsam aussehenden Instrumenten heraus und begann mit ihrer Untersuchung. Während der Untersuchung kam es bei Snape einmal zu einem zitternden und unkontrollierten Atemholen. Pomfrey zog schnell ihren Zauberstab und murmelte einige Worte, dabei ließ sie den Stab über Snape kreisen. Der Atem wurde ruhiger und kontrollierter. Sie mixte noch einige Tränke und stellte eine Reihe von kleinen Fläschchen auf dem Nachttisch ab.
Die ganze Zeit herrschte eine ruhige Atmosphäre. Ob es an dem sicheren Auftreten von Pomfrey lag oder der standhaften Präsenz des Zentauren? Die Heilerin richtete sich nach einer Weile auf und sah skeptisch auf den Todesser herunter.
„Er sollte die Nacht über hier bleiben. Ihn noch mal bewegen wäre nicht gut. So kann er in Ruhe weiterschlafen, wenn er Morgen noch eine Schulstunde durchhalten soll.“ Sie begann ihre Tasche zu packen.
„Danke Poppy.“ Dumbledore sah dankbar zur Heilerin.
Diese lachte plötzlich leise auf, was ihr die Blicke aller Wesen die bei Bewusstsein waren einhandelte.
„Ach das alles hier, das ist wie in alten Zeiten“, lachte sie. „Es tut so gut.“
Immer noch mit einem Lächeln auf dem Gesicht verließ sie das Büro. Dumbledore zog ein langes Nachhemd aus einer Truhe und Sirius stellte plötzlich fest, dass fast kein Holz mehr im Kamin lag. Er war schwer beschäftigt das Feuer am anderen Ende des Raumes im Kamin nicht ausgehen zu lassen. Sehr sorgfältig schichtete er das neue Holz hinein. Firenze blieb einfach dort stehen wo er war und beschränkte sich auf das stille Beobachten. Als Dumbledore neben Sirius auftauchte und einige Kleidungsstücke zum Trocknen über einen Stuhl nahe dem Kamin legte, stellte der Animagus fest, dass ihm das Feuer kräftig genug brannte. Ein Blick über die Schulter zeigte, dass Snape sicher und warm zugedeckt im Bett lag. Dumbledore ließ sich müde in einen nahen Sessel fallen. Der alte Mann wirkte plötzlich so müde und erschöpft wie Snape. Firenze trat aus dem kleinen Schlafzimmer und ließ sich auf dem großen Teppich vor den Kamin nieder. Mit einem tiefen Seufzer ließ sich der Zentaure auf die Seite fallen und Black merkte, dass sich hier alle irgendwie für die Nachtruhe vorbereiteten. Es war, als ob ein unsichtbarer Befehl erklungen war. Dumbledores Kopf sackte auf die Brust und wenige Sekunden später war er eingeschlafen.

Etwas hilflos sah Black sich um; gehen wollte er nicht, wo konnte er sich hinlegen? Auf dem einzigen großen Teppich vor dem Kamin lag der Zentaure, auf denmeinem Sessel saß Dumbledore, den anderen belegten Snapes nasse Kleidung. Er warf einen sehnsüchtigen Blick auf das Sofa, dann sah er wieder in Richtung Bett. Irgendwie lag der Todesser recht einsam da in dem kleinen Schlafzimmer von Dumbledore. Innerlich wußte er plötzlich, da war der Platz von Hagrid gewesen, in Snapes Nähe. Black seufzte, doch bevor er Hagrids Platz einnehmen konnte, gab es hier noch einiges zu erledigen. Zuerst griff er nach einem Schemel, hob die Füße von Dumbledore hoch und breitete eine Decke über dem alten Mann aus. Auch dem Zentauren gab er eine Decke, dieser zog die Beine an und brummte zufrieden. Selbst bewaffnet mit einer karierten dicken Decke durchschritt er den Raum Richtung Bett.
Eine Weile stand er am Bettrand und sah auf Snape.
„Weißt du überhaupt was du und Hagrid mir angetan haben?“ flüstere er kaum hörbar. „Es war leichter dich zu hassen, als auf dich aufzupassen.“
Er holte tief Luft und sah nach oben. „Oh James, sei froh, dass du das hier nicht mehr siehst. Harry und Remus seit dankbar, dass ihr das hier alles nicht wisst. Manchmal kann Unwissenheit wirklich ein Segen sein.“
Kopfschüttelnd legte er sich auf den Teppich vor den Bett und wickelte sich in die Decke ein. In Askaban hatte er oft nur auf dem blanken Boden geschlafen, ohne Decke oder etwas Stroh, man hatte damals gehofft, ihn durch dieses „Vergessen“ schneller zu brechen und sterben zu lassen. Im Sommer war es halbwegs erträglich gewesen, im Winter wäre er sogar einmal beinahe erfroren. Hier aber war ein dicker Teppich, relativ warm, und das Wichtigste, dies hier war nicht Askaban. Mit diesem tröstlichen Gedankengang war er einige Zeit später eingeschlafen.

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