Geheimnisse

 

 

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Kapitel 38: Die lange Nacht

Ich glaube an ein jenseitige Ich, von dem unser diesseitiges Ich nur ein schwaches Bild ist.

Paul Ernst, Der Weg zur Form



Er schlief, und der Schlaf gab ihm die Illusion, dass alles einen rechten Weg hatte. Es hüllte ihn ein wie eine schützende Decke. Doch Peter Moray ließ Snape nicht lange diese Illusion, diese Decke, er riß sie von dem Schlafenden, zerfetzte diese trügerische Sicherheit in tausend Fetzen und gab sich dem Todesser zu erkennen. Mit einem Wink seines Zauberstabes hatte Moray den erschöpften Todesser an die Wand gekettet, bevor dieser überhaupt ganz aus seinen Traumgefilden hervor gekrochen kam. Blinzelnd und irritiert starrte Snape sein Gegenüber an und Moray genoß diese Sekunden des Nicht-Wissens und langsamen Erkennens. Er war zwar nicht so bekannt gewesen wie Mad Eye Moody, auch hatte er nicht diesen markantes Gesicht, aber Snape kannte ihn von dem Zwischenfall bei den Longbottoms.
Die dunklen Augen weiteten sich voll Entsetzen und grausamem Erkennen, innerlich zählte Peter bis Fünf und schoß dann den ersten Verbotenen Fluch auf sein Opfer ab. Den ersten Bruchteil einer Sekunde geschah nichts, dann krümmte sich Snape, ging in die Knie, und hätten die Ketten ihn nicht aufrecht gehalten, würde er vor Moray schreiend auf dem Boden liegen. Moray mochte dieses Rumgekrieche auf dem Boden nicht, er sah seine Opfer gern in gleicher Augenhöhe an. Um die Schreie machte er sich keine Sorgen, seine Kerker waren so abgeschirmt von der Außenwelt, dass niemand je hörte, was in diesen Wänden geschah, und der alte ausgediente Brunnenschacht ein paar Türen weiter, ließ dann die kläglichen Überreste der Informanten verschwinden. Ein perfekter kleiner Mikrokosmos, aus dem immer nur einer heraus kam. Fast als ob er des Fluchs überdrüssig wurde, ließ Moray den Zauberstab sinken und ging einige Schritte auf Snape zu.
"Guten Abend Mr. Snape. Willkommen in meinem Gästequartier", sagte er mit einer Guten-Laune-Stimme und wies dabei allumfassend auf den Raum.
Der Todesser hustete schwer, versuchte sich dennoch in den Ketten wieder ganz aufzurichten. Innerlich nickte Peter, ja er hatte diesen hier richtig eingeschätzt, Voldemort hatte ihn wirklich fast im Vollbesitz seiner Kräfte bei ihm abgeliefert. Der Auror freute sich, das bedeutete mehr Zeit und es forderte seine ganze Konzentration. Das würde endlich einmal eine Herausforderung werden und hier war niemand der ihn retten würde.
Moray lächelte und wandte sich dem Lesepult zu, er würde sich etwas Inspiration holen.

Snape kannte diesen Mann, er erinnerte sich noch zu gut an die Stimme, als er halb verblutet auf dem Wohnzimmerboden der Longbottoms gelegen hatte, vor so vielen Jahren. Noch zu frisch waren die Erinnerungen an Morays Besuch im Schloß. Voldemort wollte sich nicht die Hände an dem Verräter besudeln, er überließ das Foltern und Quälen in seinem Fall anderen. Noch nicht einmal einem Todesser, nein, er überließ es einem Auroren, der alle Todesser wie die Pest hasste. Moray summte leise vor sich hin, während er in den Seiten des altes Buches schmökerte. Snapes Lungen brannten noch von dem Cruciatus-Fluch, den Moray auf ihn losgelassen hatte.
Das Summen stoppte und Moray fuhr wie wild mit dem Finger über eine Seite. Der Auror war fündig geworden. Snape wickelte schnell und gekonnt seinen Verstand, den Kristall, in sich fest ein und vergrub ihn tief..... die Augen von Moray glänzten voll Eifer und Vorfreude..... sehr tief.

***


Ruhig und mit einer Gelassenheit, wie sie nur über die Jahrhunderte kommen konnte, nahm Harry Potter, der nun Gryffindor in sich trug, das Schwert aus dem Glaskasten. Sirius stellte überrascht fest wie gut es dem Jungen in der Hand lag, ja es hatte sogar fast den Anschein, als ob es nur für Harry in diesem Moment in diesem Alter geschaffen worden war. Er schwang es einmal probeweise und nickte zufrieden.
"Und WO sollen wir mit dem Suchen anfangen?" fragte Sirius sein Patenkind.
Gryffindor sah Black scharf und berechnend an. "Sie sind der Pate von Harry?"
"Das ist richtig."
"Und wir sind Harrys beste Freunde", ereiferte sich Ron und Hermine sprang an seine Seite. Gryffindor ging auf Black zu und erst jetzt, so ganz nahe, sah Black auch diesen uralten Schatten hinter den Augen seines Patenkindes. Ron und Hermine stellten sich unterstützend hinter Black.
"Wenn wir Voldemort finden werden Sie an meiner Seite kämpfen?" fragte Godric Gryffindor und wies mit dem Schwert auf Sirius.
Black schüttelte zu aller Überraschung den Kopf. "Nein, nicht für Sie."
Dabei wies er auf das Schwert, das den Namen des Besitzers in die Klinge graviert hatte.
Gryffindor blinzelte verwirrt und Sirius zeigte auf Harry. "Ich bleibe nur in der Nähe meines Patenkindes. Ich weiß zwar nicht warum Harry das zugelassen hat, aber da ist immer noch Harry in diesem Körper und ich lasse nicht zu, dass ein Streit, oder nennen Sie auch Blutsfehde zwischen zwei alten Zauberern, den Jungen ins Verderben stürzt. Ich werde ihn beschützen so gut es geht."
Etwas leiser fügte er hinzu: "Es genügt wenn einer hier sein Leben verbaut und vergeudet hat."
Im Augenwinkel sah er, dass Hermine tröstend die Hand ausgestreckt hatte, Ron sie jedoch zurück hielt.
"Ich verstehe", murmelte Goderic und nickte.
Black sah den Gründer des Hauses Gryffindor herausfordernd an. "Und wo finden wir die alte Fledermaus."
Zu aller Überraschung lachte Gryffindor laut auf. "Alte Fledermaus? Das passt gut! Nun denn Black, Sie fragten nach dem Aufenthaltsort. Ich weiß ihn genauso wenig wie ihr. Ich erwachte erst richtig in dem Jungen als er schon hier war, zuwenig vorhanden war ich in seinem Geist, als er vor der alten Fledermaus stand. ER...", er wies mit dem Daumen auf Harrys Körper, "sagte ja es sei ein altes Gemäuer. Jedoch, so denke ich, gibt es nicht mehr viele alte Gemäuer in diesem Land, die ein solches Hauptquartier, wie es Voldemort geplant hat, zulassen."
Der kleine Professor Flitwick meldete sich nach langer Zeit zu Wort. "Ja schon, aber was ist wenn das Schloß oder die Burg mit Hilfe von Flüchen von den Karten verschwunden ist. So wie Hogwarts? Voldemort kennt Flüche, von denen wir nicht einmal gehört haben!"
Gryffindor lächelte milde und in Dumbledores Augen glitzerte es eigenartigerweise wieder. Der alte Schalk und die Jugend schienen zurück zu kommen.
"Wir haben eins vergessen", sagte Dumbledore lächelnd, er schien zu verstehen was Gryffindor plante. "Wir haben einen Hogwartsgründer hier. Wenn jemand ein verschwundenes Schloß wiederfinden kann dann er."
Der Gründer sah zu ihm auf und fragte: "Und helfen Sie mir bei den Vorbereitungen?"
Albus deutete eine Verbeugung an. "Selbstverständlich. Eine Wegfinderkarte?"
Godric hob die Hand mahnend. "Nein, so einfach nicht, aber der Ansatz ist gut. Es wird eine Mischung aus vielen Flüchen und Sprüchen, gekoppelt mit einer Apparatur."
Zögernd griff er nach einem der filigranen Apparaturen in Dumbledores Büro, er sah zu den noch Anwesenden, seine Augen ruhten etwas länger auf Black und Harrys Freunden, und dann wieder zurück zu Albus.
"Ich verstehe." Der Direktor der Schule nickte. "Ich muss euch nun ALLE bitten zu gehen."
"WAS?" kam es allen gleichzeitig aus den Mündern und eine Protestwelle wurde losgetreten. Ron stampfte mit dem Fuß auf und machte lauthals seinem Ärger Luft. Hermine betete sofort eine Reihe von hochkomplizierten Büchern herunter und erklärte so wie gut sie ihnen helfen könnte, und Black funkelte Dumbledore nur bitterböse an.
"Bitte bitte versteht. Das was wir hier machen würde jedem in der Muggelwelt zeigen, wie er auch Hogwarts finden könnte oder noch so manches Versteck, was lieber den Muggeln und auch Magiern verborgenen bleiben sollte", beruhigte Dumbledore die aufgeregten Freunde.
"UND HARRY?!" polterte Ron.
"Der Junge wird sich an die nächsten Stunden, während wir hier arbeiten, an nichts erinnern", versprach Godric Gryffindor.
Sirius sah Godric warnend an. "Ich warne dich Gryffindor. Wenn dem Jungen etwas geschieht, dann werde ich dir in die Hölle folgen und dich jagen bis in alle Ewigkeit."
Gryffindor warf den Kopf in den Nacken, fast so als hätte er so langes Haar wie Sirius. "Da spricht ein wahrer Gryffindor. Mein Hut muss gewusst haben warum er dich erwählt hat für mein Haus! Ich schwöre dir, ich werde gut auf den Jungen achten!"
"Und Sirius", hielt Dumbledore ihn auf, "bereite die anderen darauf vor. Wenn wir wissen wo Voldemort sich aufhält...."
"...dann haben wir nur wenig Zeit für den Angriff", beendete Godric den Satz des Direktors.
"Ich werde es all jenen sagen, die uns folgen können und wollen", sagte Sirius und schob die immer noch protestierenden Freunde von Harry in Richtung Tür.

***


Moray hatte gefunden wonach er gesucht hatte und Snape erkannte, dass der Auror auch eine gute Karriere bei den Todessern hätte haben können. Moray war ein Spezialist und er wußte genau was er tat. In Sekunden, die wie Minuten, Minuten die ihm wie Stunden vorkamen und Stunden wie eine halbe Ewigkeit waren, erkannte er, dass es hier weit schwerer sein würde zu wiederstehen. Ganz tief ihn ihm fragte eine zaghafte Stimme: 'Warum überhaupt wiederstehen und nicht einfach aufgeben?'
Moray hatte ihn nichts gefragt, überhaupt hörte er die Stimme des Auroren nur wenn er neue Flüche murmelte oder sie zusammenwob. Flüche zu kombinieren war schon immer eine Spezialität des verrückten Auroren gewesen. Einer dieser Flüche war auch daran Schuld gewesen, dass Snape beinahe verblutet wäre. Damals... das Damals schien ganze Leben entfernt und rückte fast völlig ins Vergessen, als ein weiterer verwobener Fluch ihn traf. Seine Nerven schienen zu brennen und wie ein Stück trockenes Pergament in seinem Körper zu versengen. Er versuchte erst gar nicht den Schmerzensschrei zu unterdrücken, doch der Schrei war leise und heiser geworden. Die Ketten an Händen und Hals hielten ihn zurück, erlaubten ihn nicht zusammen zu brechen, sich der Dunkelheit hinzugeben. Die Sicht wurde unscharf, die vor ihm stehende Gestalt verschwamm, wurde ein dunkles Etwas. Der Kristall verlor mehr und mehr an Schutz, stieg langsam nach oben aus seinem sicheren Versteck, und schon vorhandene Risse, die von Voldemort zugefügt worden waren, knackten leise weiter.
Der Fluch verblasste und langsam klärte sich der Blick von Severus und er sah Moray immer noch vor sich. Der Sprung stoppte und verbreiterte sich nicht weiter. Der Kristall blieb noch ganz.
Keuchend sah er seinem Peiniger entgegen, der Mann dachte nach, das konnte Snape sehen. Prüfend sah dieser sein Opfer an, wog ab, prüfte, kontrollierte und setzte neue Grenzen. Diese kalten Augen, die ihn damals bis in seinen künstlichen Tod verfolgt hatten, so kalt und voll Haß.
Dann plötzlich und ohne Grund, drehte sich Moray um und verließ den Raum. Die Tür glitt hinter ihm ins Schloß.
Fast schon wollte Severus ihm hinterschreien: "Warum? Warum gehen Sie jetzt?" Mit dem kleinen bisschen Kontrolle, das er noch hatte, hielt er diese Worte zurück. Kurze Zeit darauf gaben ihn die Ketten wieder frei und wie ein nasser Sack fiel er vornüber zu Boden. Augenblicklich später bereute er dies, denn wo immer er auf dem Boden auflag, schmerzte seine Haut, seine Muskeln. Aber die Kraft sich wieder aufzuraffen hatte er nicht. Dunkelheit.... wo blieb die Dunkelheit? Verwirrt blickte er in sein Innerstes, da lauerte sie ja, da ganz tief in ihm, wie der angesprungene Kristall. Doch sie kam nicht, blieb auf der Lauer wie ein Tier. Sprang nicht über die Grenze. Die Schmerzen fraßen sich fest und mit glasigen Augen ertrug er sie und sehnte sich nach der Dunkelheit in ihm. Die nicht kam. Einfach nicht kam.


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