Geheimnisse

 

 

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Kapitel 37: Verzögerungen



Jeder Mensch kann irren.
Im Irrtum verharren jedoch wird nur der Tor.

Cicero


Sie warteten. Sirius konnte es nicht fassen. Sie warteten! Dumbledore und die anderen hatten das wahr gemacht was sich kurz nach der Rückkehr Harrys herauskristallisiert hatte. Der Tag ging langsam zur Neige und sie saßen hier herum und warteten. Dumbledore hatte den Hauselfen befohlen etwas zu essen zu bringen. Jetzt saßen sie alle da, knabberten an belegten Broten und unterhielten sich leise. Hier und da lachte sogar jemand leise verhalten auf.
Sirius saß schmollend etwas abseits wieder auf einer Fensterbank und beobachtete, wie langsam wieder Normalität einkehrte. McGonagall hatte Harrys Zauberstab aus dem Schlafsaal geholt und wollte den Jungen dazu bringen, den Zauberstab von Snape doch ihr zu geben.
Harry weigerte sich, genau so wenig nahm er an dem kleinen improvisierten Essen teil. Für Black war es unheimlich mit anzusehen, wie der Junge sich immer mehr in sich zurückzog. Er sprach mit seinen Freunden und lachte sogar einmal über einen Witz von Ron, aber Sirius sah es genau: das war alles nur Fassade, nur oberflächlich. Da war mehr.
Madame Pomfrey kam auf Black zu, auch ihre oberflächliche Fassade hatte stark gelitten und die Sorge und Angst stand ihr offen ins Gesicht geschrieben.
„Ich weiß wie Sie sich fühlen“, murmelt sie ihm zu und lehnte sich an die Wand neben Black.
„Wir sitzen hier rum und warten, während Snape vielleicht stirbt und Voldemort den ultimativen Angriff plant. Warum handelt Dumbledore nicht, er könnte herausfinden wo Voldemort steckt und wo der ist, ist auch Snape“, grummelte Sirius, wenigsten etwas sollten sie tun.
„Wenn Dumbledore jetzt handelt, jetzt zuschlägt, wird das Ministerium ihn in der Luft zerreißen. Sie wissen wie viel Angst Fudge um seine Stellung hat. Jeder weiß, dass Dumbledore mächtig ist. Jeder weiß, er ist der einzige, den Voldemort je gefürchtet hat. Wenn er jetzt handelt greift er offen nach dem Ruhm und der Macht in Fudges Augen und wir verlieren vielleicht zwei Menschen, die uns ans Herz gewachsen sind“, sagte Pomfrey beschwörend.
Sirius zog den Kopf ein und dachte über das Gesagte nach.
Da legte die Heilerin eine Hand auf Sirius' Schulter. „Glauben Sie mir, ich mache mir auch Sorgen, ich war nie gut im Warten.“
Sirius dachte betrübt. Wer´s glaubt.

***



Langsam tauchte Snape aus der Dunkelheit auf. Der Boden war kalt und steinig. Mit großer Anstrengung öffnete Snape die Augen und sah sich um. Keine Augenbinde versperrte ihm die Sicht. Es war ein altes Gewölbe, hoch und mit Fackeln beleuchtet. Es mußte tief unter der Erde liegen, denn es war kein Fenster im Fackelschein zu sehen. Woher kam dann die Luft? Sie strich über ihn sanft und leicht. Mit pochenden Kopfschmerzen drehte er vorsichtig den Kopf und sah dann doch im Steinboden eingelassene Gitter. Luftzufuhr, aber durch ein unterirdisches System, raffiniert. So war ein Rufen unnötig, man würde ihn nicht hören, denn der Ausgang würde bestimmt nicht in einer sehr bewohnten Gegend sein. Als sein Blick weiter wanderte sah er auch warum diese Vorsichtsmaßname getroffen worden war. An der Wand hingen fein säuberlich aufgereiht diverse Folterwerkzeuge und auf einem Lesepult lag ein aufgeschlagenes Buch. Das hier war eine Verhörkammer und derjenige, der hier sein Handwerk ausübte, wollte wohl auf Nummer sicher gehen. Snape hätte seinen Zauberstab gewettet, dass das Buch auf dem Lesepult das gleiche war, wie er in Voldemorts Kerkern gesehen hatte. Ein verbotenes Buch, das weit oben auf der Liste zu finden war.
Innerlich seufzte er, was hatte er erwartet? Dass Voldemort ihn schnell umbrachte? Dass er ihm verzieh? Nein, ein solcher Fehler kannte nur eine Strafe: den Tod. Kein einfacher schneller Tod, nein, ein langsamer, und unter großen Schmerzen.

Das Licht stach in seinen Augen und so schloß er sie wieder und versuchte mit dem bisschen klaren Verstand, der wie ein Kristall in ihm wohnte, die Lage zu analysieren. Unbekannter Ort, eindeutig eine Folterkammer, und zwar eine von der Sorte: geh rein und komme nie wieder raus. Doch die große Frage blieb, wem gehörte das ganze? Damals, bei Rosier war es mehr ein Provisorium gewesen, das hier sah nicht danach aus. Voldemort? Einem seiner Anhänger, der die Ehre hatte Snape zu töten? Es war ein Unsicherheitsfaktor, der Snape gar nicht gefiel und so gar nicht in seine seelische Vorbereitung auf das Kommende passte. Denn wenn er sah wer der Besitzer war, war es möglicherweise schon zu spät. Er hörte Schritte und die Tür wurde geöffnete, kein übliches Quietschen von alten verrosteten Scharnieren, nein ein leises Gleiten. Die Schritte kamen näher, stoppten neben ihm. Severus gab vor immer noch bewusstlos zu sein, es gab ihm etwas Aufschub seine Kräfte und seinen Verstand, den Kristall, tief in sich zu verbergen. Es kostete seinen ganzen Willen, nicht die Augen zu öffnen um zu sehen wer da stand. Frieden und Ruhe, wenigstens noch etwas. Sich der Illusion hingeben, dass der Schmerz, der immer noch tief in seinen Knochen saß, verging. Ein verächtliches Schnauben und ein leises Klappern einer tönernen Schale und eines Bechers. Schritte, die sich wieder entfernten, die Tür fiel leise ins Schloß. Innerlich zählte Snape bis zwanzig und öffnete dann zaghaft die Augen. Neben ihm stand ein Teller mit etwas Brot, etwas trockenes Fleisch und ein Becher mit Wasser. Essen? Warum bei allen Höllen, die er schon durchwandert hatte, gab ihm der Fremde Essen? Der Todesser in ihm antwortete sarkastisch: Narr, er will dich bei Kräften haben bevor er anfängt.
Der müde Snape überlegte ob er einfach das Essen und Trinken verweigern sollte, dann würde es wenigstens schneller gehen und er könnte endlich sterben. Sein Magen rebellierte gegen diese Überlegung und so rollte sich Severus stöhnend herum und griff mit einer Hand nach dem Brot. Verblüfft stellte er dabei fest, dass seine Hand ein einziger Bluterguss war. Hatte jemand mit einem Stock darauf geschlagen oder war er während eines Folterfluchs gegen etwas gestoßen? Fasziniert betrachtete er seine Hand als wäre sie nicht ein Teil von ihm. Langsam schloss er die Finger und öffnete sie wieder, der Schmerz war da, aber kein Knochen gebrochen. Er konnte sich nicht mehr daran erinnern, wie es dazu gekommen war.

Moray beobachtete Snape durch einen verborgenen Spion. Er war kein Narr und hatte gemerkt, dass der Todesser ihm nur etwas vorgespielt hatte. Sollte er ruhig glauben, er wäre noch sicher.
Lass den Fisch noch etwas zappeln bevor du ihn aus dem Wasser holst, dachte er.
Mit der Geduld eines Jägers, der seine Beute beobachtete, sah sich Moray genau an wie Snape aß, wie er sich bewegte, das gab ihm Aufschluß über seinen gesundheitlichen Zustand. Wann er beginnen und wie weit er gehen konnte. Der Todesser war doch in einem besseren Zustand als er dachte.
Während er den Spion schloß überlegte er, wie er heute Abend beginnen sollte.

***



Die Nacht kam so schnell, dass Sirius überrascht war wie schnell es noch dunkel wurde. Einige fliegende Wächter setzten sich zur Ruhe, während andere wieder aufstiegen zu ihren Patroulienflügen. Langsam begann sich der Raum zu leeren, McGonagall begleitete Mr und Mrs Weasley zu weiteren Gästeräumen. Mad Eye meinte, er wollte noch ein kurzes Gespräch mit McGonagall führen und verließ mit der Weasley-Familie das Büro. Firenze beschloß, noch einige Dinge mit den Tieren des Waldes besprechen und stieg hinab ins Schloß. Wenn auch wiederwillig, wie Sirius zufrieden feststellte. Professor Flitwick bot sich an, die Kinder wieder zurück in den Gemeinschaftsraum zu bringen, und Pomfrey bestand darauf, dass Potter in den Krankenflügel kam.

Black richtete sich auf und wollte endgültig Protest einlegen, er legte sich schon die ersten harten Worte zurecht, doch so weit kam es nicht. Harry war von dem Sofa förmlich geglitten und stand nun sicher im Raum. Die Tür fiel hinter Moody ins Schloß.
„Was passiert mit Snape?“ fragte Harry glockenklar.
Dumbledore wirkte grau und alt als er antwortete: „Wir werden ihm helfen. Nur nicht heute. Morgen sehen wir alles klarer.“
Harry schüttelt energisch den Kopf. „Jede Stunde, die wir warten, bringt ihn näher an den Tod. Jede Stunde, die wir warten, lässt Voldemort aus seinem Zorn, in dem er momentan erstarrt ist, wieder beweglich werden.“
Beruhigend hob der Direktor die Hände. „Mein Junge, ich weiß. Ich weiß es doch. Aber die Erfahrung hat ....“
Potter machte eine wegwischende Handbewegung. „Es war Ihre Erfahrung, alter Mann. Nicht die meine.“
Pomfrey holte zischend Luft und Flitwick fiepte empört: „Mr. Potter, wie können Sie es wagen so mit dem Direktor zu reden!“

Harry drehte sich zu dem kleinen Professor um, und da sah es Sirius. Das war nicht mehr Harry, da stand etwas anderes vor ihnen. Die Verwandlung, die sich in den letzten Stunden langsam vollzogen hatte, war komplett. Harry schien groß, mächtig und alt an Jahren. Hermine hatte die Hand vor den Mund geschlagen und sah ihren Freund voller Schrecken an. Rons Kinnlade war herunter geklappt und auch er schien zu denken, dass Harry nicht mehr alle Tassen im Schrank hatte.
„Zauberer, ich weiß wovon ich rede. Der Direktor der Schule mag in den Dunklen Jahren davor und auch in letzter Zeit weise und klug gehandelt haben, doch jetzt müssen wir handeln. Wir können nicht immer nur reagieren, es ist Zeit zum Agieren“, sagte Harry milde als er sah, wie sehr alle empört waren.
Dumbledore sah Harry neugierig an, auch er hatte allem Anschein nach bemerkt, dass da mehr sprach als nur Harry Potter.
Der Blick des jungen Potters wanderte zu jedem einzelnen und blieb bei Gryffindors Schwert hängen. Ein breites Lächeln stahl sich über das Gesicht und mit festem Schritt ging er zu dem Glaskasten, in dem Gryffindors Schwert ruhte, fast zärtlich strich er über das Kristallglas. Wie, als ob er einen alten Freund begrüßte. Der Phönix war wieder auf seine Stange geflattert und beobachtete die Anwesenden ruhig.
„Ich bin nicht unfehlbar. Es schien mir bis jetzt immer das Beste“, murmelte Albus gütig.
„Ich war es genau so wenig, Direktor. Ihr habt hier Wunderbares geschaffen, einen Ort des Friedens mitten im Krieg, einen Ort der Sicherheit, wo es so lange keine Sicherheit mehr gab.“ Harry seufzte. „Es war mehr als ich zu schaffen vermocht habe.“
Dumbledore stand auf und ging auf Harry zu, gemeinsam betrachteten sie das silberne Schwert, das ruhig und noch ungefährlich in seinem Kasten lag.
„Wer seid Ihr und weiß Harry davon?“ fragte Albus betont ruhig.
Sirius sah verwirrt zu den Zweien hoch.
Harry drehte sich zu dem Direktor um und als er sprach, klang seine Stimme alt und jung zugleich. „Wir wissen wer wir sind. Nur mit unser beider Einverständnis war dies möglich. Ich habe geschlafen seit er das Schwert in die Hand genommen hat, zu lange, wie ich mit Bedauern sagen muss. Der Slytherin hat mir gezeigt, dass mein alter Freund auf dem falschen Weg ist. Dass es immer noch Magier unter der Schlangenfahne gibt, die für die Zauberer, die unter dem Löwenbanner leben, einstehen, mögen die Motive noch so seltsam sein. Im Grunde ist es immer noch eine Herzensentscheidung.“

Harry hob den Zauberstab von Snape an und Sirius ahnte wer da sprach. “Salazar war mein bester Freund, der einzige Freund, mit dem ich eine Schule zusammen bauen wollte, der einzige, mit dem ich es mir überhaupt vorstellen konnte! Helga und Rowena ahnten wohl um unsere Unterschiede und kamen auch in die Schule. Sie warnten uns, eine Schule zu bauen sei etwas neues, etwas komplett anderes als in der Welt umherzureisen und nach Wissen zu forschen. Oder Abendteuer zu erleben. Wir retteten uns oft gegenseitig das Leben und wann immer der Andere Hilfe brauchte, war ein Freund an der Seite. Schlange und Löwe, zusammen ein unschlagbares Team. Salazars Schläue und Gewandtheit, meine Stärke und Mut. Wir glaubten, wir können dies in der Schule vereinen, es anderen auch zeigen. Wie wichtig es ist, ZUSAMMEN zu arbeiten.“
Mit einen tiefen Seufzer, aus dem so viel Trauer und Schmerz klang, dass es Sirius fast das Herz zerriss, drehte sich Harry wieder dem Schwert zu. „Ich hätte auf die Hexen hören sollen. Wo wir in der Freundschaft stark waren, versagten wir doch kläglich in der Schule.“
Albus nickte verständnisvoll, jetzt sah er wer vor ihm stand. „Ihr habt lange auf Euch warten lassen, Gryffindor, aber warum Ihr? Und Voldemort ist nicht Salazar Slytherin?“
„Ich habe damit begonnen, vor über Tausend Jahren. Es ist an mir es zu beenden. Ich hätte ihn nicht von der Schule gehen lassen sollen. Für die Slytherins damals war es furchtbar und die Rache gegen den Löwen, Dachs und Raben steckte zu tief.“ Die Stimme von Harry klang hart, hart gegen sich selbst und seine Fehler.
Halt, verbesserte sich Sirius, das war nicht Harry, jedenfalls nicht ganz, was da im Moment sprach war ein alter Geist, der nun ein Gefäß gefunden hatte, das ihm erlaubte, zu agieren. Es muß das gewesen sein, was Voldemort am meisten an Harry gefürchtet hat, seine Güte und sein Herz für die Freundschaft. Die Vorrausetzung für Gryffindor, zurück zu kommen.
„Wenn Voldemort wüßte..... Er war so versessen darauf Salazar nachzueifern, dass er fast zu ihm wurde. Glauben Sie den wirklich, dass Magier wie wir einfach so sterben? Einfach so gehen? Salazar wußte was er hinterließ und dass sein Erbe so sein würde wie er. Genau so wie er wusste, dass ich ihm wieder im Wege stehen würde.“
„Ich kann das nicht zulassen, und das wisst Ihr“, versuchte es Dumbledore und legte bestimmt die Hand auf den Glaskasten.
Feuer glomm in den Augen des Jungen und er sagte mit einer Kraft in der Stimme, die alles übertraf, was die Anwesenden je gehört hatten: „Das Schwert ist mein! Ihr habt kein Recht mir mein Eigentum vorzuenthalten. Meine Entscheidungen sind die Meinen! Ihr habt kein Recht sie mir zu nehmen!“
Etwas gefaßte sprach Harry/Gryffindor: „Ihr könnt in der Schule bleiben und sie mit euer Macht schützen. Es wird sicher von Nöten sein. Aber WIR müssen gehen! Voldemort ist zu sehr Salazar und wenn wir ihm jetzt die Möglichkeit geben, sich nach diesem Verrat sich zu sehr zu erholen, waren die Dunklen Jahre nur eine Abenddämmerung in der Geschichte der Magie.“
Dumbledore ließ den Kopf hängen, Harry/Gryffindor hatten gewonnen.
Jetzt war die Stimme ganz und gar die von Gryffindor, alt und voll Stärke: „Ich weiß was ich tue, keine Angst.“
Beruhigend legte Gryffindor die Hand auf die von Albus. Das Kristallglas schmolz dahin und gab das Schwert frei.


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