Geheimnisse

 

 

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Kapitel 60: Langsam

Realität ist nicht,
was ist,
sondern das,
was man dafür hält!

Unbekannt



Sirius rieb sich geistesabwesend die Handgelenke. Seine Verbände sahen furchtbar aus und so beschloss er einfach eine neue Lage Mullbinden darüber zu binden. Firenze meinte vorsichtig, er sollte doch lieber neue anlegen, doch Sirius fürchtete sich vor dem was er sehen könnte. So verneinte er höflich und freundlich.
Als ob Snape es gehört hätte sprach er wieder im Fieber, jedoch sehr sehr leise, und Sirius vergaß seine Handgelenke.
"Ruhig, ruhig", flüsterte Sirius und legte eine weitere kühle Mullbinde auf die Stirn des Kranken.
Wenigstens waren in den letzten Stunden keine weiteren Knochen gebrochen, auch hatten sich keine weiteren größeren Wunden geöffnet.
"Sinkt das Fieber?" fragte Firenze und verlagerte leicht sein Gewicht.
Sirius zuckte mit den Schultern. "Ich glaube nicht. Aber wenigstens ist es nicht weiter gestiegen und er lebt noch."
Firenze nickte bedächtig und strich sanft mit einer Hand über das satte Grün des Rasens. Es war schon ungewöhnlich mitten in der Stadt in einem Raum im ersten Stock einen blühenden Rasen zu haben. Selbst die kleine Birke am Fenster trug ein grünes Blätterkleid und raschelte leise. Ächzend stand Sirius auf und streckte sich. "Ich gehe nach unten und sehe nach ob ich etwas zu essen und trinken finden kann."
"In Ordnung, wir wachen hier", sagte Firenze mit seiner tiefen und wohlklingenden Stimme.
Etwas ungelenkt und steif stakste Sirius die Treppen nach unten, die Stunden des Wartens hatten ihn müde gemacht und langsam, so mußte er es sich eingestehen, wurde er halt doch alt. Seine Schritte führten ihn zurück in die Küche, dort gab es bekanntermaßen eher etwas zu essen als in irgendeinem anderen Raum in dem großen Haus. Mad Eye hatte wirkliche ein beachtliches Haus, mit vielen Zimmern und Geheimnissen, wobei Black nicht sehr darauf bedacht war diese Geheimnisse zu ergründen. Jedes Zaubererhaus hatte welche und manche Geheimnisse waren gefährlich wenn man sie ergründete ohne den Besitzer dabei zu haben. So verließ sich Black immer noch auf seine Instinkte wenn er etwas in diesem Haus suchte und mied Türen und Gänge, die ihm nicht ganz geheuer waren. Gerade als er dabei war in eine große Schüssel Äpfel und Birnen zu füllen, kam ein lauter Ruf aus dem ersten Stock.
"BLACK!"
Sirius zuckte zusammen und die blecherne Schüssel fiel mit einem lauten Scheppern auf den Boden. Das Obst kullerte über die steinernen Fliesen.
"SIRIUS BLACK!"
So schnell er konnte rannte Sirius zurück, Firenze stand in der Tür zu Snapes Krankenzimmer und wirkte verstört.
"Was? Was?" keuchte Sirius und hielt sich die Seite.
"Ich glaube er wacht auf!"
Sirius zwängte sich an dem Zentauren vorbei in den Raum und ihm stockte der Atem.
Snape bewegte sich sachte, ganz leicht, für das ungeübte Auge kaum sichtbar, als ob er aus einem ziefen Traum erwachen wollte.
"Snape?" flüsterte Sirius und stolperte weiter nach vorne.
Das Einhorn legte den Kopf leicht schief und schnob den Kranken an. Sirius ließ sich ungelenk neben Snape auf die Knie nieder und nahm sachte die dürre Hand des Kranken in die seine.
Ein kaum wahrnehmbares zitterndes Atemholen, schwach mühevoll, und dann, als ob es ihn unendlich viel Kraft kostete, öffnete Snape die Augen. Die schwarzen Augen waren glasig vom Fieber und er schien Sirius nicht zu erkennen.
"Hallo", lächelte Sirius und strich sanft über die Hand.
Snape öffnete die rissigen Lippen und hauchte etwas, Black beugte sich vor und hielt das Ohr ganz nah an Severus Lippen.
"Alles falsch", hörte Sirius.
Verblüfft riss Black die Augen und sah wie Severus die seinen wieder schließen wollte.
"Nein!" rief Sirius. "Es ist wahr! Ich bin es!"
Severus sah ihn nur an, keine Mimik, es war als ob ein Toter, der zufällig die Augen auf hatte, ihn ansah. Ein Toter, der seinen Frieden nicht gefunden hatte und glaubte, unter Schmerzen wieder in die Realität zurück gerissen zu werden. ‚Verdammt', dachte Sirius, ‚Snape glaubt immer noch er ist in Morays Kerker.'
"Nein!", wiederholte Black. "Du bist in Sicherheit. Sieh wer noch da ist."
Mit der freien Hand angelte Sirius nach dem Einhorn und zog es an dem Horn in Snapes Gesichtfeld. Firenze trat neben Sirius und beugte sich gleichfalls herunter. Doch in Snapes Augen wollte sich noch kein Erkennen einstellen.
"Es ist Realität. Wir haben dich gefunden", stotterte Sirius denn er wusste, er, Black, musste es in kurzer Zeit schaffen einen gebrochenen Mann zu überzeugen, dass er nun in Sicherheit war.
Langsam klärte sich der Blick und etwas fragenden stand in ihnen.
"Gefunden?" hauchte Snape.
"Ja wir haben dich gesucht und gefunden. Ich konnte doch nicht....." Sirius schluckte, sah beschämt weg.
Eine eigenartige Stille trat ein.
Black holte zitternd Luft und sah zurück. "Du bist jetzt in Sicherheit, du bist aus diesem Kerker heraus. Das zählt." Sirius' Stimme klang in seinen eigenen Ohren eigenartig.
Snape keuchte leise und doch, selbst zum leichten Zucken bei einem Husten reichte Severus' Kraft nicht mehr aus.
‚Bei Merlin er ist so schwach, so schwach', dachte Sirius bekümmert.
"Firenze, ich glaube unten in der Küche steht noch etwas Suppe", wandte sich Black an den Zentauren.
Dieser verschwand leise durch die Tür und man hörte wie das magische Wesen die Treppen hinabstieg.
Snape folgte dem Zentauren nur mit den Augen und trotz des glasigen Scheins in ihnen schien sich der Kranke langsam damit abzufinden nicht in Morays Kerkern zu erwachen. Oder vielleicht glaubte er immer noch an eine Illusion von Moray und ergab sich einfach in sein Schicksal? Sirius wußte es nicht, aber wenn er im Moment ehrlich zu sich war, es war ihm egal, Hauptsache er konnte ein wenig Nahrung in Snape rein bekommen. Sein Körper würde es benötigen. Während sie warteten, Minuten die Black wie Stunden vorkamen, strich er sanft über die ausgemergelte Hand. Er fühlte sich paradoxer Weise so hilflos.
"Weißt du ich musste eine Menge Medikamente in dich hineinwürgen", versuchte der ehemalige Gefangene von Askaban ein Gespräch anzufangen. Doch Snape schwieg, wartete ab.
Firenze kam wieder mit dem Kessel in der einen und Teller und Besteck in der anderen Hand. Vorsichtig hängte der Zentaur den Kessel über das Feuer und als die Suppe halbwegs warm war, schöpfte er einen Teller voll und reichte ihn sachte Sirius.
Black kostete vor, ja genau das was Snape jetzt benötigte, leicht verdaulich und doch mit genug Energie für seinen Körper.
Der Kranke hatte die Augen schon wieder halb geschlossen. Sirius ließ nicht locker, sachte, Löffel für Löffel, flösste er ihm etwas von der warmen Suppe ein. Es brach Harrys Paten fast das Herz, zu sehen wie viel Mühe es Severus Snape kostete die wenige Suppe zu schlucken. Der Teller war erst zur Hälfte leer als Severus mehr verweigerte und wieder die Augen schloß. Etwas frustriert starrte Sirius auf den Teller. Firenze nahm ihn ihm vorsichtig ab und schnupperte sachte daran.
"Nun ja wenigstens etwas", meinte der Zentaur und etwas wie Hoffnung glomm in der dunklen Stimme.
"Ich hoffe nur, dass er mir geglaubt hat", murmelte Sirius und ließ den Kopf hängen, das lange Haar fiel wie ein Vorhang vor sein Gesicht.
Er war sich so unsicher.

***



Der Geruch war zu verlockend, es roch wunderbar nach Wald, Blumen und Wildnis. Wie die wenigen ruhigen Stunden seines Leben, Ruhe und Geborgenheit. Natürlich, mit dem Wald waren auch Schmerzen verbunden. Wie oft war er dort aufgetaucht und war nicht mehr fähig gewesen zu stehen oder zu laufen? War er nicht einmal dort beinahe gestorben? Aber dennoch war da ein solcher Frieden so viel Ruhe, Sicherheit. Natürlich konnte das auch alles ein wahnsinniger Witz von Moray sein, eine Illusion. Geschaffen um ihn endgültig in den Wahnsinn zu treiben. Aber selbst wenn es eine Illusion war, so war es doch eine schöne, die man sich einmal ansehen sollte. Einfach so. Vielleicht war Moray dann so wütend, dass er ihn endgültig umbrachte. Das waren doch erfreuliche Aussichten, genauer gesagt waren es die besten, die er im Moment hatte. So kämpfte er sich hoch aus der Dunkelheit und dem Schmerz - die Dunkelheit ging langsam, aber der Schmerz blieb unablässig -, klammerte sich an ihn wie an eine trügerische Geliebte. Dann öffnete er die Augen.
Das Licht tat weh und anfangs waren da nur Schemen, undeutlich, aber da war was. Moray? Der Schatten sprach: "Hallo."
Bitternis machte sich in ihm breit, Moray, und das alles war doch irgendwie falsch.
Mühsam flüsterte er es: "Alles falsch."
Doch dieses Gegenüber ließ nicht locker, sprach drängend auf ihn ein. Sein Blick klärte sich langsam und das Bild wurde scharf. Es war Sirius Black! Insgeheim mußte er Moray Respekt zollen, dieser Sirius Black sah wirklich sehr sehr real aus. Alles passte perfekt, der gehetzte Ausdruck in den Augen, das ausgemergelte und von Askaban gezeichnete Gesicht, die Stimme, ja sogar das wilde unordentliche schwarze Haar. Perfekt. Aber war Moray nicht auch ein Perfektionist gewesen? War sein Kerker nicht die perfekte Todesfalle für jeden Todesser gewesen, der verschwunden war. Doch dann tat diese Illusion etwas völlig untypisches, sie zerrte ein Einhorn in sein Blickfeld. Woher wußte Moray das mit dem Einhorn? Das war wirklich ungewöhnlich für eine Illusion, so herumzuprobieren bis etwas klappte. Sehr ungewöhnlich, und dann diese Worte.
Gefunden!
Er war gefunden worden!
Hatte Hagrid das nicht immer versprochen?
Dass, egal was passiert, er immer gefunden wird?
Aber Hagrid war tot!
Und Sirius Black hatte den Job übernommen.
Ungewollt, ja, aber er hatte ihn übernommen.
"Gefunden?" Er brauchte dieses Wissen, musste sich sicher sein.
Der Sirius Black lächelte jetzt und bestätige es. Ja er war wirklich gesucht und gefunden worden. Aber Sirius Black hatte doch gar nicht das Wissen dazu. Viele Zweifel regten sich noch in ihm, es war einfach zu schön um wahr zu sein. Irgendwie blieb er noch etwas wach, grübelte über das Geschehene und Gesprochene nach. Der Zentaur kam wieder, brachte etwas Suppe und Black gab sie ihm vorsichtig. Suppe. Er hätte ja nie mehr gedacht, jemals noch etwas so banales zu tun wie Essen. Er aß! Einfach so! Es war anstrengend, der ungewohnte Geschmack brannte ihm in Gaumen und Hals, aber es war eindeutig keine Illusion!
Und das allein zählte: das Essen war keine Illusion. Illusionen fühlten sich anders an. Die Müdigkeit zerrte an ihm und die Schmerzen fraßen sich fester in seinen Knochen fest. Dankbar ließ er sich in die Dunkelheit zurück gleiten. Es gab viel nachzudenken.



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