Geheimnisse

 

 

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Kapitel 61: Gedankengänge


Wenn man den Weg verliert, lernt man ihn kennen.

Suaheliweisheit



Sirius zitterte vor Müdigkeit und vor Erwartung. Snape schlief und er schlief ruhiger als erwartet. Sein Körper schien alle Energie aus dem bisschen Essen herauszuholen um sich selbst nun etwas erholsame Ruhe zu gönnen. Das Gefühl in Black sagte, dass nun etwas Hoffnung da war, aber die Ratio, das logische Denken sagte ihm das komplette Gegenteil. Vielleicht hatten sie Severus aus dem Grauen von Morays Kerker herausgeholt - auch im Geiste, aber das Überleben stand auf einem ganz anderen Blatt.
Wenigstens könnte er jetzt in Frieden sterben, dachte Sirius und fuhr sich zitternd durch das lange Haar.
Im nächsten Moment verfluchte er sich selber für diesen Gedankengang, so weit war es noch nicht. So weit dürfte es einfach noch nicht sein. Ganz vorsichtig lehnte er sich an Firenze, der hinter ihm lag und in Gedankenversunken in das Feuer starrte. Noch während er den nächsten Gedankengang fassen wollte schlief Sirius Black ein.

***



Alastor war frustriert. Nicht nur dass sich das Ministerium auf die wenigen noch übrig gebliebenen Todesser konzentrierten oder auf Familien, die mit ihnen zusammengearbeitet hatten. NEIN, sie ließen den entdeckten Kerker von Moray völlig außer Acht! Unter der Hand hieß es, diese Entdeckung würde die Auroren in einem zu schlechten Licht dastehen lassen. Die Bevölkerung brauchte das Gefühl, dass die Zaubererpolizei immer noch ihr Freund und Beschützer war. Ausgerastete oder gar seelisch kranke Auroren passten nicht in das momentane Weltbild des Ministeriums.
So war es an Moody, mit zwei alten Kollegen Morays Kerker weiter zu untersuchen.

Erawin Poll und Isa Jewl waren etwa zur gleichen Zeit wie Moody zu den Auroren gekommen. Erawin Poll hatte die Zeit besser überstanden als Moody, sein graues Haar war kurz und das Gesicht sah bis auf die Falten recht normal aus. Isa hatte dagegen nicht so viel Glück gehabt. Ein Brandfluch hatte ihre rechte Gesichtshälfte entstellt und das Narbengewebe hatte aus der einstmals wunderschönen Isa ein Brandopfermonster gemacht. Am Anfang war es ihr schwer gefallen mit ihrem zerstören Gesicht zu leben, aber als die Heiler in St. Mungos ihr rechtes Auge retten konnten und sie kein künstliches, magisches wie Moody brauchte, hatte sie sich wieder in die Arbeit geworfen. Erawin und Isa hatte das Ministerium auch zur Todesserjagd geholt. Aber Erawin ging schnell die Puste aus und mit Isa taten sich viele junge Auroren wegen ihrer ruppigen Art schwer. Auch gehörten sie zu den wenigen Auroren, von denen Mad Eye wusste, dass sie nicht alles so leicht hinnahmen was vom Ministerium kam und vieles hinterfragten. Alastor hatte auch den leisen Verdacht, dass deswegen Isa und Erawin nie großartig Karriere im Ministerium gemacht hatten. Er, Alastor, hatte Dumbledore als Freund gehabt und war einfach durch Zufall öfter am richtigen Ort zur richtigen Zeit gewesen als Isa und Erawin. Zufälle, die oft Dumbledore eingefädelt hatte, wie Alastor jetzt im Nachhinein wußte.

Jetzt standen die drei mit Aktenkisten über verschwundene Todesser in einem der Brunnenkerker in Morays Haus. Erawin zauberte Tische herbei um die einzelnen Leichen zu untersuchen und Isa war ohne mit der Wimper zu zucken an einer Strickleiter in den Brunnen gestiegen.
"Sag mal Mad Eye", Isa zog ihn gerne mit dem Namen auf, "wie hast du den Kerker gefunden? Und lass mal die Seile runter."
Moody ließ die Seile in den Brunnen herunter und antwortete: "Durch Zufall, ich bin durch Zufall an den Kerzenständer geraten."
"Zufall!" schnaubte Isa rau. "ZUFALL! Deine Zufälle hätte ich mir ab und wann gewünscht!"
Isa knotete die erste mumifizierte Leiche an die Seile und Alastor zog sie hoch. Leichtfüßig kam Isa die Strickleiter hoch und wusch sich an einem nahen Becken, das Moody nicht gleich gesehen hatte, die Hände.
Erawin ließ mit einem Schlenker seines Zauberstabes die Leiche auf den Tisch schweben.
Es wurde sehr still und die drei Auroren starrten eine Weile auf die Leiche.
"Also ich habe viel gesehen...", begann Erawin und ließ seinen Zauberstab nervös herumwirbeln.
"Tja ich auch", murmelte Isa und versuchte zu lächeln.
Der Versuch scheiterte kläglich und ließ ihr Gesicht noch mehr zu einer gruseligen Maske werden, als es schon war.
Mad Eye zuckte nur mit den Schultern. "Ich habe ihn einmal in Aktion erlebt."
Erawin sah zu Moody, und als ob dies das Signal war begannen alle mit ihrer Arbeit.
Isa hatte kein Problem mit Leichen, egal in welchem Zustand. Sie untersuchte den Toten gründlich, während Erawin und Moody die Akten durchgingen.
"Also Moray war ein Metzger", grummelte Isa und hob einen mumifizierten Arm an, die Haut war schrumpelig und stark faltig, aber eindeutig war er mehrere Male gebrochen. "Aber ein guter. Der Arm wurde vier Mal gebrochen, und den Bruchstellen nach sehr sehr langsam."
Isa redete weiter und gab Informationen weiter, mögliches Alter, Geschlecht, Aussehen. Erawin blätterte die Akten danach durch.
Alastor konnte nicht länger hier bleiben, er hatte das Gefühl er bekam keine Luft mehr. Verwirrt von diesem Gefühl wanderte er den Gang entlang und betrat, einem inneren Instinkt folgend, nochmals die Folterkammer. Vielleicht war es gar nicht das Gefühl der stickigen Luft, denn die Luft war in diesen Kerkern überraschend gut! Vielleicht war es vielmehr das Verlangen, noch einmal hier her zurück zu kommen, an den Ort des Schmerzes und Leidens. Ruhig sah Alastor sich um. Hier hatte Snape also die letzten Tage verbracht, der Willkür und den Launen eines verrückten Auroren ausgesetzt. Nachdenklich ging der alte Mann die Folterwerkzeuge ab, kein Wunder dass der Spion in einem so schlechten Zustand gewesen war. Doch das grausamste Werkzeug lag ruhig und sogar relativ unauffällig auf einem Tisch. Morays Folterbuch. Er hatte es schon einmal kurz in den Händen gehabt und es schien darauf zu warten wieder gelesen zu werden.

Moody kam mit dem Folterbuch in den Händen zurück zu Isa und Erawin. Ziellos blätterte er darin, es war als ob man in die tiefsten Abgründe einer Seele starrte. Kopfschüttelnd las er da was Moray zusammengetragen oder kommentiert hatte. Kein Wunder, dass, bis auf Snape, keiner diesem Wahnsinnigen entflohen war. Während er in dem Buch las kam ihm ein altes Muggelsprichwort in den Sinn: Wenn du lange genug in den Abgrund siehst, sieht der Abgrund irgendwann in dich.
Alastor hatte das Gefühl, dass bei jedem Wort Moray in ihn starrte, eine kranke Seele starrte in seine und das jagte ihm einen Schauer über den Rücken. Er klappte das Buch zu und sah zu seinen Kollegen. Erawin suchte gerade einen Aktenberg durch und Isa starrte Moody an.
"Was ist Mad Eye? Du siehst blass aus", fragte sie und ein besorgter Unterton schwang mit.
Moody holte tief und zitternd Luft. "Ihr seht das jetzt mal nicht."
Mit größter Umsicht legte er das Buch auf den steinernen Boden, weit ab von der Leiche und den Akten. Immer noch leicht zitternd hob er seinen Zauberstab und murmelte etwas - das Buch ging in Flammen auf.
Erawin sah nur kurz auf und suchte dann weiter, aber Isa beobachtete das Schauspiel.
"Darf ich fragen was das war?" sagte sie.
"Ein Abgrund, in den ich nicht mehr blicken will, sonst zieht er mich hinein", antwortete Moody und steckte seinen Zauberstab wieder ein.
Isa nickte, sie verstand auch etwas von Abgründen und Moody wusste, er konnte sich auf sie und Erawin verlassen! Das Buch war einfach verschwunden und keiner wußte wohin.
"Darf ich eure philosophischen Gespräche unterbrechen?" kam es von Erawin.
"Ja sag mal was Lustiges. Ich kann etwas Aufmunterung gebrauchen", meinte Isa spöttisch.
"Ich glaube wir haben hier Eric Brown, Todesser." Erawin wedelte mit einer Akte.
"Also das mit dem Todesser hätte ich dir auch sagen können", grummelte Isa und zeigte auf die Überreste eines Todessermals.
Erawin überhörte sie geflissentlich: "Wurde von dir, Moody, geschnappt, ein Jahr vor du-weißt-schon-wer ersten Fall. Verschwand nach drei Tagen im Ministerium, alle Nachforschungen liefen ins Leere. Es ist wegen des verkürzten Zeigefinders, den du gefunden hast, Isa, deswegen habe ich ihn gefunden."
Isa hob nochmals die rechte Hand an und sah sich die Finger genauer an.
Eric Brown, Moody sah den jungen Mann von damals jetzt vor sich, das Haar zerzaust, diesen fanatischen Blick in den Augen, Voldemort ergeben bis in den Tod. Oh, war er damals zornig gewesen, dass der Junge verschwunden war, er war so ein guter Fang gewesen, bekam Befehle direkt von Voldemort und wurde direkt bestraft von Voldemort - deswegen fehlte ein Teil des Fingers.
"Ich glaube wenn wir hier weiter suchen, finden wir Alica Perth, Thomas White, Bernado Tern..." Erawin ging die Akten durch und Moody sah wieder in den Brunnen. So viele und alle so grausam gestorben.
"Das wird lange dauern bis wir alle identifiziert haben." Die Aurorin war lautlos neben Moody getreten.
"Ich glaube wir müssen gar nicht alle identifizieren, aber genug um das Ministerium ins Grübeln zu bringen", sagte Moody nachdenklich.
Erawin las die letzten Namen vor.
Isa sah ihn an und Moody glaubte wieder etwas wie Schönheit hinter dem verbrannten Gesicht zu sehen. "Glaubst du wirklich, das Ministerium läßt so etwas zu? Dass wir so etwas über Auroren verbreiten?"
"Ich hoffe es, denk daran, sein letztes Opfer ist offiziell immer noch nicht gefunden!" Moody hatte es gewagt, er hatte es gewagt anzudeuten, dass er etwas von dem letzten Opfer wusste.
Isa nickte. "Dann laß uns schnell arbeiten Mad Eye, damit das letzte Opfer eine Chance erhält."

***



Firenze wagte es nicht aufzustehen. Black war eingeschlafen und war unbewusst an Firenzes Seite geglitten. Dort lag er zusammengerollt wie ein Hund in Menschengestalt, eng an die Flanke des Zentauren geschmiegt. Firenze konnte es nicht wagen aufzustehen und nach einer Decke zu greifen oder das Einhorn bitten ihm eine zu holen. Denn das Einhorn war mit seiner Magie dabei Snape zu bewachen und zu stützen. Black hatte es nicht bemerkt aber Einhörner konnten so viel mehr als nur Blumen aus einigen Samen wachsen lassen. Allein ihre Gegenwart konnte etwas Hoffnung bringen. Jedoch lag vor ihm ein Korb mit Obst und eine Karraffe mit klarem Wasser. Mit seiner ureigenen Zentaurenkraft zerbrach Firenze einen Apfel und teilte ihn freundschaftlich mit dem Einhorn. Noch wären er aß und dabei nachdenklich ins Feuer starrte überlegte Firenze die nächsten Schritte, die folgen mussten. Es gab so viel zu bedenken. Dumbledore war tot und immer noch war die Welt für Snape sehr gefährlich. Der Zentaur lächelte sanft, er rechnete fest, dass Snape überlebte, er mußte es einfach. Es waren ungewohnte Gedankengänge für einen Zentauren, das wußte Firenze, seine Art wahr eher pessimistisch eingestellt wenn es um Leben und Tod ging. Aber er, Firenze, schlug völlig aus der Art. Er half gerne Magiern und Muggeln, er dachte gern positiv wenn es seine astrologischen Beobachtungen zuließen. Ein sanftes Rascheln und ein leises Schnauben brachten ihn aus seinen Gedankengängen. Langsam drehte er den Kopf und sah in die pechschwarzen Augen von Severus Snape.
"Hallo Professor. Schön, dass Sie wach sind", flüsterte Firenze und lächelte sein unergründliches Zentaurenlächeln.
Snape blinzelte nur und seine Augen wanderten zu Black, der immer noch tief schlafend an Firenzes Flanke lag.
"Er war sehr müde und hat schon einige Tage nicht geschlafen", beantwortete Firenze die lautlose Frage, immer noch flüsternd.
Geschickt angelte der Zentaur nach der Karaffe und schenkte einen Becher Wasser ein. "Durst?"
Wieder nur ein Blinzeln als Antwort. Mit größter Vorsicht rutschte Firenze etwas in Richtung Snape, ohne den warmen Schutz für Black aufzugeben. Mit unübertroffener Eleganz beugte er sich vor und hob sachte den Kopf des Kranken an. Langsam und mit unendlicher Geduld gab er Snape etwas kühles Wasser zu trinken. Es tat den Zentauren gut, zu sehen, wie Snape ohne größere Probleme trinken konnte. Vielleicht war sein Optimismus ja doch nicht so weit hergeholt?
Als der Becher gelehrt war befeuchtete Firenze noch etwas die spröden Lippen mit Wasser und wartete ab. Snape schlief nicht sofort wieder ein, vielmehr wanderte sein Blick im Raum umher, als ob er versuchte zu erfassen wo er war. Das Einhorn an seiner Seite legte freundschaftlich seine Nase an die Wange von Snape, was ihn sofort entspannter aussehen ließ.
"Sie war die ganze Zeit bei Ihnen, Professor. Wir machten uns Sorgen, dass Sie nicht erwachen würden", begann Firenze zu erzählen. "Sie sind im Haus von Alastor Moody, er gab uns sicheren Unterschlupf. Diesen Raum jedoch haben Mr. Black und das Einhorn gestaltet, ich habe nur die Erde herauf getragen. Wir dachten, die Blumen und das Gras würden Ihnen gefallen", erklärte Firenze weiter, die volltönende Stimme sanft, weich und leise wie eine leichte Briese im Wald.
Snape schien sich immer mehr und mehr zu entspannen, als er Firenze zuhörte, und Firenze erzählte weiter. Erzählte wie sie ihn gesucht hatten und ließ wohlweislich den Part mit Dumbledore und Moray aus. Vielmehr erzählte er die witzigen Anekdoten aus der Stadt oder von der Eisenbahnfahrt. Es waren Geschichten wie sie der Wind im Verbotenen Wald erzählen konnte. Sie waren witzig, humorvoll aber auch von einer so tiefen Ruhe, wie sie nur im Wald gehört werden konnten. Es war die Ruhe, die viele Muggel in der Natur oder an mystischen Plätzen suchten. Jedoch gab es dort keine Zentauren, diese berichteten in ihrer ganz eigenen Art und Weise. Nur diese erzählten Geschichten brachten die Vollkommenheit an einen Platz. Das Einhorn drückte noch weiter seinen Kopf an den von Snape und schloß genüsslich die Augen, es war fast so als spürte es die Ruhe und wollte sie doppelt und dreifach an den Kranken weitergeben. Gerade als Firenze zu erzählen begann wie er die Erde für diesen kleinen privaten Garten gesucht hatte, holte Snape zitternd Luft. Sofort stoppte Firenze und beugte sich vor; Snape wollte etwas sagen.
"Es tut gut Sie zu sehen und zu hören Firenze", hauchte Snape mit größter Anstrengung.
Firenze nahm kurz die Hand von Snape und drückte sie sachte. "Es tat gut sie zu finden, Professor Snape."

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