Des Giftmischers Herz

 

 

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Kapitel 6: Der Weihnachtsball

 

James hielt sich auf Sirius' Anraten hin komplett aus der Sache mit dem Weihnachtsball raus und schrieb sich in keines der Hilfskomitees ein. Während die anderen von Tag zu Tag immer fröhlicher schnatternd durchs Schloß streiften, flog er verbissen über das Quidditchfeld.
Lily ging unterdessen voll auf in ihrer Aufgabe, die Große Halle für den großen Tag festlich herzurichten, während Severus' größte Erfüllung es war, ihr dabei zuzusehen, wie sie strahlte. Schon bald war klar, er war den anderen Schülern nicht nur bei den dunklen Flüchen um Meilen voraus, auch bei den normalen Zaubern schnitt er weitaus besser ab, als die anderen Zweitkläßler in der langen Geschichte von Hogwarts. Lily war gerade beschäftigt, mit dem Schwebezauber große in allen erdenklichen Farben schillernde Schleifen an den Wänden zu befestigen. Severus wedelte sachte mit seinem Zauberstab und sofort waren die gesamten Wände von einem warmen glitzernden Schimmer überzogen, als wären abertausend Sterne in die alten Wände von Hogwarts gebannt worden. Lily ließ einen überraschend Ausruf vernehmen. Severus lächelte. Da war sie wieder, ihre kindliche unschuldige Freude.
"Wie hast du das gemacht?!" Ihre Augen leuchteten als sie langsam ihren Blick über die Wände gleiten ließ. Der Anblick war atemberaubend.
"Du hast wohl gedacht, ich beherrsche nur Zauber so richtig gut, die alles dunkel und häßlich machen, was?" lachte er. Lily wurde ein wenig rot. Scheinbar hatte er sie wirklich einmal bei einem Vorurteil ertappt. Sogar das war an ihr richtig niedlich und er hatte sowieso nicht daran geglaubt, daß sie absolut und vollkommen von jeglicher Art von Vorurteil frei war. Dann wäre sie ja gar kein realer Mensch mehr gewesen.
"Aber es gibt da noch etwas, wobei du mir ein bißchen helfen müßtest." Sofort verschwand die Röte aus ihrem Gesicht und sie sah ihn herausfordernd an. Severus kratzte sich verlegen am Hinterkopf.
"Ich bräuchte vor dem Ball noch ein paar Tanzstunden, das gehörte nämlich nicht wirklich zum Ausbildungsplan meines Vaters... wozu auch, schwarze Magier tanzen nicht." Er lachte ein wenig gezwungen.
Lily legte den Kopf schief und sah ihn tadelnd an. "Du wirst kein schwarzer Magier."
Er lächelte. "Nein, werde ich nicht. - Nicht, so lange du da bist und mich vor der dunklen Macht beschützt."
Ein leichter Rosaton legte sich auf Lily Wangen. "Wenn ich das könnte, würde ich es glatt tun."
Severus nahm ihre Hand und streichelte sie sacht mit seinem Daumen. "Du kannst es, glaub mir. Du kannst alles, darauf würde ich schwören."

"Eins, zwei, drei - immer im Takt bleiben, Sev!" Lily kniff die Augen zusammen, als Severus ihr auf den Fuß trat, sagte sonst aber nichts. Severus' Wagen waren ungewöhnlich rot vor Anstrengung und auf seiner sonst so matten porzellanweißen Haut glitzerten Schweißperlen. Er sah unglücklich aus.
"Tut mir leid, das wollte ich nicht."
Lily winkte ab. "Das macht nichts, ist jedem schon mal passiert. - Aber jetzt konzentrier dich. Du mußt im Takt bleiben und laß dich von der Musik tragen. Es ist wie Zaubern. Du mußt die Magie und die Kraft fühlen, dann klappt es von alleine."
Severus nahm wieder die Grundhaltung ein. "Wenn das mal so einfach wäre!" knurrte er. Wenn Tanzen wie Zaubern war, dann war er auf einmal zum schlechtesten Zauberer der ganzen Schule geworden.
Lily übernahm sanft die Führung und bugsierte ihn im Takt der Musik, die im Hintergrund lief, immer im Kreis herum.
"Siehst du, es wird doch schon besser", zwinkerte sie ihm fröhlich zu und er zwang sich zu einem Lächeln.
"Wie man es nimmt", nuschelte er. Lily sah ihn fragend an, doch er schüttelte nur den Kopf.
"Wir werden wahrscheinlich noch ein paar Abende üben müssen, was?" fragte er ein wenig verlegen.
Lily hob die Schultern. "Ist doch egal, oder hast du vielleicht was besseres zu tun?"
"Nein, ganz sicher nicht." Und wieder trat er Lily auf den Fuß.
Etwa eine Stunde später verließen sie das leere Klassenzimmer, in dem sie geübt hatten. Lily humpelte ein wenig und Severus hatte einen äußerst schuldbewußten Ausdruck auf dem Gesicht.
"Weißt du was? Morgen ziehst du die Schuhe aus, dann haben meine Zehen eine größere Chance, heil zu bleiben."
Beschämt richtete er seinen Blick zu Boden, doch Lily stieß ihm liebevoll in die Seite und lächelte ihn an. "Ist wirklich nicht tragisch, du brauchst nicht aus der Wäsche zu gucken wie ein begossener Pudel. Du bist nicht der erste, der mir die Füße beim Tanzen platt getreten hat." Sie zwinkerte.
In Severus' Augen blitzte es leicht. "Wer hat dir weh getan?" fragte er wie aus der Pistole geschossen und wußte im nächsten Moment, daß es albern gewesen war. Lily kicherte.
"Na, der Junge, mit dem ich mal Tanzen gelernt habe. Oder dachtest du, ich wäre mit dem Können geboren worden?" Sie hakte sich bei Severus ein. "Es ist niedlich, wenn der Beschützerinstinkt bei dir durchkommt."
Severus räusperte sich verlegen, sagte dazu aber nichts weiter. Er hatte Angst, daß er anfangen würde zu stottern und er wollte sich nicht noch mehr vor Lily blamieren, als er es ohnehin heute schon getan hatte. Ob man Tanzen wohl mit Zauberei lernen konnte? Er mußte mal in seinen Büchern nachgucken. Es mußte doch einen Weg geben, sich nicht noch mal so lächerlich zu machen...

Während die anderen in Slytherin schon lange in ihren Betten waren, saß Severus noch immer im Gemeinschaftsraum in einem Sessel vor dem Kamin. Auf seinen Beinen, die er im Schneidersitz verschränkt hatte, lag ein dickes Buch - das ultimative Lehrbuch der Zaubertränke Band 3 - und er starrte nachdenklich ins Feuer, das schon fast bis auf die Glut niedergebrannt war. Seine Gedanken wirbelten so schnell durch seinen Kopf, daß er nicht einmal wußte, worüber er gerade nachdachte, aber es war ihm eigentlich auch egal. Er genoß die Stille des Gemeinschaftsraums und ließ seine Gedanken schreien und wirbeln so viel sie wollten.
"Du solltest längst im Bett sein", durchschnitt plötzlich eine ölig tonlose Stimme die Dunkelheit.
Severus versteifte sich ein wenig. "Seit wann bist du meine Mama, Lucius?" fragte er möglichst ungerührt zurück und drehte sich nicht einmal zu Lucius um. Er blätterte in seinem Buch um auf die nächste Seite und tat so als würde er lesen.
Lucius setzte sich in einen der anderen Sessel, stützte seinen Ellbogen auf die Armlehne und den Kopf auf seine Hand. Mit dem Zeigefinger tippte er sich gegen die Nase und sah Severus unverwandt an.
"Was willst du?" fragte dieser nach ein paar Minuten des Schweigens und Starrens.
"Ich gehe wohl richtig in der Annahme, daß du morgen auf dem Ball mit Lily Evans auftauchen wirst?" Seit dem Zwischenfall im Schlafsaal, hatte Lucius so gut wie nie über Lily gesprochen und wenn er es doch tat, traute er sich nicht mehr, das Wort "Schlammblut" zu gebrauchen. Severus hatte das mehr als zufrieden zur Kenntnis genommen.
"Gibt es dagegen etwas einzuwenden - außer deinem üblichen Geschwätz darüber natürlich?" fragte Severus ungerührt zurück. Noch immer hatte er nicht von seinem Buch aufgeblickt, denn er wollte nicht riskieren, daß Lucius all die Gefühle von seinem Gesicht ablesen konnte, die er gerade empfand. Auch wenn er wahrscheinlich mindestens die Hälfte davon überhaupt nicht kennen würde...
"Na ja, deine Eltern werden nicht kommen, wie ich gehört habe..." Einen Moment schwieg er, doch Severus ging auf die Provokation nicht ein.
"Meine dagegen schon", beendete Lucius seinen Satz und ließ ihn wirken.
Severus umfaßte das Buch auf seinen Beinen so fest, daß seine Fingerknöchel weiß hervortraten. Er atmete tief ein, bevor er aufsah und Lucius mit einem eiskalten Blick fixierte. "Soll ich das als Drohung verstehen?"
Lucius hob grinsend die Schultern. Er wickelte eine Strähne seines langen, weißblonden Haares um den Finger und zwirbelte die Spitzen zwischen Daumen und Zeigefinger. Eine Geste der Überlegenheit, wie Severus inzwischen wußte. Wütend schlug er sein Buch zu und legte es neben den Sessel auf den Boden. Er starrte Lucius an.
"Wissen deine Eltern, wer und was Lily ist?"
"Vielleicht, vielleicht auch nicht, keine Ahnung." Obwohl Severus zu subtileren Mitteln als purer Gewalt neigte, verspürte er in dem Moment einen unheimlichen Drang, Lucius mitten in sein dummes Grinsen zu schlagen. "Vielleicht solltest du noch einmal genau darüber nachdenken."
Lucius hob überrascht die Augenbrauen. Severus hatte einen ausgesprochen ungewohnt aggressiven Unterton in der Stimme. "Ist das eine Drohung?" fragte er zurück, mehr unsicher als angriffslustig. Er erinnerte sich ebenfalls noch zu gut an das letzte Mal, als er Severus herausgefordert hatte.
"Durchaus", antwortete Severus schlicht und seine Augen glitzerten eigentümlich.
"Ich meine es nur gut mit dir, vielleicht solltest du darüber mal nachdenken, Severus!"
"Ich meine es auch nur gut mit mir, Lucius. Und wenn du weiter versuchst, mir das einzig Schöne in meinem verdammten Leben zu nehmen, dann kannst du davon ausgehen, daß ich dir nicht glaube, daß du auf meiner Seite bist. - Und ich denke, du weißt selbst, daß es nicht gut ist, mein Feind zu sein, nicht wahr? Ich beherrsche mehr als nur den Cruciatus-Fluch. Viel mehr."
Die Farbe wich aus Lucius' Gesicht. "Was soll ich tun?" fragte er und Severus hörte die Nervosität in seiner Stimme. Eine sanfte Wärme der Zufriedenheit breitete sich in ihm aus und er lächelte kalt. "Im Prinzip nicht viel. Erzähl deinen Eltern einfach nichts von Lilys Eltern. Wenn sie fragen, erzähl ihnen von Lily, daß sie eine gute Schülerin ist und so weiter. Und wenn sie nach Lilys Eltern fragen, dann sagst du einfach nur, daß du nicht genau weißt, wer sie sind, aber daß du dir sicher wärst, daß ich nichts tun würde, was mir schadet."
Lucius' Mundwinkel zuckte nervös. "Das ist gelogen!" knurrte er.
"Nein, ist es nicht. Ich habe schließlich nicht gesagt, daß das gut für mich ist, was meine Eltern für richtig halten, nicht wahr?"
Eine tiefe Falte zeichnete sich auf Lucius' Stirn ab und seine Augen wurden zu wütenden Schlitzen. "Du wirst das nicht ewig durchziehen können, das weißt du!"
Severus hob die Schultern und sah Lucius unbekümmert an. "Aber für den Moment kann ich es noch. Ich werde es meinen Eltern eines Tages sagen, aber ich möchte den Zeitpunkt selbst bestimmen und nicht, daß du oder deine Eltern sich da irgendwie einschalten. Ich hoffe, du hast mich da verstanden!"
Lucius hielt Severus' Blick nur kurz stand. Er war unglaublich wütend darüber, daß er dem jüngeren Schüler so unterlegen war, daß er ihn sogar erpressen konnte, aber er konnte nichts weiter tun.
"Ich werde es tun, aber ich werde das letzte Mal meinen Kopf für dich hinhalten, Severus. Du kannst mich nicht ewig mit deinen Flüchen erpressen und ich werde nicht riskieren, wegen dir riesigen Ärger mit meiner Familie zu bekommen."
Severus griff nach seinem Buch auf dem Boden und schlug die Seite auf, auf der er als letztes gelesen hatte. "Weißt du, Lucius, es ist mir ehrlich gesagt ziemlich egal, ob du Probleme mit deiner Familie bekommst oder nicht. Die Hauptsache ist, daß ich keinen Ärger wegen dir bekomme. Das könnte dir nämlich gar nicht gut bekommen."
Lucius nickte und stand auf. Er versuchte zwar, sich zu beherrschen, aber Severus mußte nicht einmal hinsehen, um zu bemerken, wie wütend er war. Die negativen Schwingungen waren förmlich körperlich spürbar. Er lächelte. Auch die Familie Malfoy würde seine Zukunft nicht zerstören, nicht so lange er Lucius in der Hand hatte.
Lucius ballte bei seinem Rückweg in den Schlafsaal die Hand zur Faust. Seine Fingernägel bohrten sich so tief in seine Handflächen, daß ein wenig Blut hervorquoll. Er mußte etwas tun und konnte es doch nicht, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen. Sagte er nichts, würde seine Familie ihn dafür früher oder später zur Rechenschaft ziehen. Tat er es doch, würde Severus wahrscheinlich die Gelegenheit nutzen und an ihm sämtliche schwarzen Flüche ausprobieren, die ihm gerade einfielen. Und das konnten eine Menge sein, darüber war Lucius sich allzu klar bewußt.
Aber vielleicht packte er die Sache auch falsch an. Vielleicht durfte er nicht bei Severus ansetzen. Er verzog den Mund zu einem Lächeln. Vielleicht war der Schlüssel ja in Gryffindor zu suchen. Das Haus, in dem Mut alles war... natürlich war man dort sicher gerne bereit, die Freundin vor Severus zu retten.
Lucius konnte ja nicht ahnen, daß er das Kapitel live miterlebt und doch verpaßt hatte.

***



Der erste Ferientag brach an. Im Schloß wuselte alles durcheinander, doch nicht, weil sich die Schüler auf die bevorstehende Abreise vorbereiteten, wie jedes Jahr, sondern wegen des Balls, der am Abend stattfinden sollte. Der Hogwarts-Express würde heute still stehen und erst am nächsten Tag in Richtung London aufbrechen.
Severus versuchte, sich so gut wie möglich nicht von der Stimmung im Schloß anstecken zu lassen. Er war zwar ebenfalls nervös, aber er wollte es nicht zeigen, sich nicht vor aller Welt lächerlich machen, weil er sich benahm, wie ein kleines Kind. Er kämpfte sich von der Großen Halle, wo er gerade gefrühstückt hatte, hinunter zu den Kerkern. Das war einfacher gesagt als getan, denn überall stieß man mit anderen Schülern zusammen, die kopflos durch die Gegend rannten. Warum benahmen sich bloß alle so? Warum schnatterten die Mädchen, sie wüßten noch nicht, was sie anziehen sollten und die Jungs, daß sie so fürchterliches Lampenfieber hätten? Wenn man jetzt noch nicht wußte, was man anziehen sollte, war es ohnehin zu spät und die Eltern wußten garantiert schon sehr genau, was sie groß gezogen hatten, also brauchte man auch kein Lampenfieber zu haben.
Severus senkte traurig den Blick. Wahrscheinlich war er aber auch nur so schlecht gelaunt, weil er sich solche simplen Sorgen nicht machen konnte. Seine Eltern würden nicht da sein und das war sogar gut so, aber Severus spürte doch, daß er sich eigentlich Eltern wünschte, die stolz auf ihn waren, daß er einen Menschen wie Lily gefunden hatte und daß er einigermaßen graziös über die Tanzfläche kam.
Aber seine Eltern würden nie solche Eltern sein. Seine Eltern würden erst stolz auf ihn sein, wenn er die rechte Hand des Dunklen Lords war. Jederzeit bereit, einen Muggel einfach aus dem Weg zu räumen...

***



Da es noch recht früh am Tag war, griff James sich gleich, nachdem er vom Frühstück zurück in den Turm gekommen war, seinen Besen. All die Fröhlichkeit und gute Laune machte ihn ganz krank und er brauchte ein bißchen Ruhe. Am besten hoch in der Luft auf einem Besen. Vielleicht würde er einen Klatscher freilassen und sich mal so richtig austoben. Mit etwas Glück war er dann am Abend viel zu ausgepowert, um noch auf den Ball zu gehen. Dann mußte er wenigstens nicht sehen, wie Lily sich den ganzen Abend amüsierte - in der Gegenwart von Severus.
Er kämpfte sich seinen Weg durch die Flure, manchmal unter Einsatz seiner Ellenbogen. Als er vor dem Schloß stand atmete er auf. Wie konnte ein Schloß, das am heutigen Tage nicht voller war, als an jedem anderen Tag auch, nur plötzlich so vollgestopft mit Menschen sein? Er sprang gleich vor dem Tor auf den Besen und flog hinüber zum Quidditchfeld. Eigentlich war es verboten, aber heute würde es sicher niemand bemerken.
Lucius hatte gesehen, wie James mit seinem Besen aus dem Schloß gegangen war. Da alle anderen mit dem Ball beschäftigt waren, war das vermutlich die perfekte Gelegenheit, James alleine zu erwischen. Er schlenderte hinüber zum Quidditchfeld. Als er dort ankam, flog James schon in wildem Zick-Zack herum, schlug Loopings, flog Schleifen und drehte Rollen in der Luft, um einem Klatscher zu entkommen, den er eindeutig verzaubert hatte. Der Klatscher entfernte sich stets nur wenige Meter von ihm, wenn er ihn verfehlt hatte und kehrte sofort wieder zurück, als würde er von James angezogen. Lucius sah dem Schauspiel eine Weile zu. Für einen Zweitkläßler war James überaus schnell und talentiert. Aber er hatte schon gehört, daß der Junge ungewöhnlich viel und hart trainierte.
James wich dem wildgewordenen Klatscher in einer sehr eleganten Aktion millimetergenau aus. Lucius klatschte langsam in die Hände. Wieder wich James dem Klatscher aus, warf dabei aber einen sehr skeptischen Blick nach unten. Er zog den Zauberstab aus seinem Umhang, richtete ihn auf den Klatscher und murmelte etwas. Sofort fiel er wie ein Stein zu Boden und konnte sich scheinbar nicht mehr rühren. James landete und verstaute den Klatscher wieder sicher im Ballkoffer.
"Lucius?" fragte er skeptisch. Der ältere Slytherin hatte noch nie mit ihm gesprochen, geschweige denn, ihm dabei zugesehen, wenn er sein Einzeltraining abhielt.
"Sehr beeindruckend, Potter. - Du scheinst eine echte Kämpfernatur zu sein."
James Miene verdüsterte sich. "Was willst du von mir, Lucius?"
Lucius schlenderte hinüber zur Bande des Feldes und lehnte sich lässig dagegen. Er verschränkte die Arme vor der Brust.
"Ich habe mich gefragt, ob du dir schon einmal nähere Gedanken zu der unschönen Sache gemacht hast, die da zwischen zwei Bewohnern unserer Häuser abläuft." Zufrieden beobachtete Lucius, wie James die Hand zur Faust ballte. Seine Miene blieb jedoch unbewegt.
"Ich wüßte nicht, was es uns beide anginge."
Lucius zeigte seine Überraschung nicht. Er hatte eine andere Antwort erwartet, so viel stand fest.
"Du machst dir keine Sorgen, wenn die kleine Lily ihre ganze Freizeit mit jemandem verbringt, der eindeutig der schwarzen Magie angehört? Severus Snape weiß nicht nur alles über die dunklen Künste, er weiß sie auch anzuwenden und tut es, wenn es sein muß. Ist das wirklich der richtige Umgang für eure süße Gryffindor?"
James linkes Auge zuckte leicht, doch er zwang sich, seinem Gesicht immer noch kein Zeichen der Wut zu gestatten. Natürlich machte er sich Sorgen, natürlich wollte er es am liebsten verhindern, daß die Sache zwischen Lily und Severus immer weiter ging, aber er konnte es nicht. Sirius hatte recht und so schwer es ihm fiel, er mußte sich daran halten, nicht nur weil er gerne wieder mit Lily reden wollte, sondern weil er ihr auch zeigen mußte, daß er sie und ihre Entscheidungen so akzeptierte, wie sie sie traf.
"Weißt du, Lucius, ich sehe das so. Lily hat sich etwas dabei gedacht, ausgerechnet Severus zu ihrem besten Freund zu machen. Sie hätte auch jeden anderen aus Gryffindor haben können, aber sie wollte Severus. Und so wie Severus aussieht, wenn er mit Lily zusammen ist, will er auch nur sie. Du solltest dich in die Sache nicht einmischen, denn wenn sie nicht richtig wäre, würde sie nicht funktionieren." James sprach, ohne wirklich zu registrieren, was er sagte. Bei den Worten, die da aus seinem eigenen Mund kamen, verkrampfte sich alles in ihm und der Magen drehte sich ihm um. Am liebsten wäre er sofort gestorben, so elend war ihm. "Und wenn Lily und Severus keine Freunde sein sollen, dann wird sich auch das noch irgendwann ergeben, aber ohne unser Zutun."
Lucius grinste kalt und legte den Kopf schief. "Und da heißt es immer, die Gryffindors seien so klug und mutig. Ich glaube aber eher, du bist feige. Aber gut, wenn du ihr nicht helfen willst, dann lassen wir die beiden eben in ihr Verderben rennen, nicht wahr?" Er machte eine wegwerfende Bewegung mit der Hand. Während er langsam das Feld verließ, rief er ihm noch zu: "Leute wie du, Potter, sind Narren. Leute, die glauben, daß ihnen alles zugeflogen kommt und daß das, was nicht geflogen kommt unwichtig ist, werden ein schlimmes Ende finden." Er lachte und James lief es kalt den Rücken hinunter.
Es tat ihm in der Seele weh, was er gerade alles gesagt hatte, aber er wußte, daß es nicht schlimm war, denn es tat nur seiner Seele weh und nicht Lilys und das war das wichtigste. Lily war glücklich und so mußte es sein, auch wenn er nicht der Grund dafür war. Auch wenn er litt.
Er sprang wieder auf einen Besen und stieg so hoch er konnte. Blitzschnell zog er seine Kreise und die Tränen, die ihm über die Wangen liefen, als er das tat, liefen nicht wegen dem kalten Flugwind.

***



Severus warf einen letzten prüfenden Blick in den Spiegel. Vermutlich war er wieder viel zu düster angezogen. Schwarze Hosen, ein schwarzes Hemd, schwarze Schuhe. An seinem schwarzen Ledergürtel war eine Zierschnalle aus Silber in Form einer Schlange befestigt. Sie hatte rote Rubine als Augen und kam vor den schwarzen Kleidern dreimal so gut zur Geltung wie gewöhnlich. Eine ähnliche Schlange bildete auch den Verschluß seines schwarzen Festumhanges aus schwerem Samt. Vermutlich würde er aussehen, wie der Gast einer Beerdigung, aber er hatte nichts anderes. Ja, und außerdem war das ja auch er... Das kinnlange schwarze Haar hing ihm ein bißchen wirr ums Gesicht, aber er ließ es so. Er haßte es, die Haare nach hinten zu gelen, lieber sah er aus wie ein Zotteltier.
Leichte Zweifel überkamen Severus plötzlich. Lily würde sicher wunderschön sein und er würde an ihrer Seite sicher nur mitleiderregend wirken. Sie würden sie alle bedauern...
Severus schüttelte energisch den Kopf. Was sollte der Blödsinn? Natürlich würden sie sie bedauern. Sie bedauerten sie schon die ganze Zeit, weil sie ihre Zeit mit diesem fürchterlichen Slytherin verbrachte, statt mit einem gutaussehenden Sunnyboy aus Gryffindor. Was scherte es ihn oder die anderen, wie er aussah? Das war er und sie würden ihn ohnehin nicht akzeptieren, selbst, wenn er sich jetzt kleidete und gab wie ein junger Gott. Er würde doch die ganze Zeit der Typ aus Slytherin bleiben, der es unverständlicherweise geschafft hatte, Lily Evans für sich zu gewinnen. Severus fuhr sich durchs Haar und seine Miene verfinsterte sich ein wenig.
Und er würde der Typ aus Slytherin sein, der Lily Evans für immer glücklich machen würde, was die anderen auch sagten. Er hatte genug von diesen Selbstzweifeln. Sie selbst hatte zu ihm gesagt, daß sie ihn wegen den anderen nicht verlassen würde und er glaubte ihr. Sollten sie sich also ihre Mäuler zerreißen, bis ihre Zungen bluteten.

***



Vor der Großen Halle standen große Trauben von Schülern in Festtagskleidung herum, die sich aufgeregt unterhielten. Einige sahen so nervös aus, daß man meinte, sie würden im nächsten Moment in Ohnmacht fallen. Severus kam eher gemächlich die Steintreppe, die zu den Kerkern führte herauf. Er schaute sich wenig interessiert um. Die Mädchen hatten sich in ihre schönsten Kleider geworfen und den meisten sah man auch an, daß die Eltern dafür sicherlich tief in die Beutel hatten greifen müssen, aber sogar Severus gab zu, daß sich das gelohnt hatte. Der Anblick war wunderbar und erinnerte an Zeiten, die Severus sich manchmal wieder herbeiwünschte, obwohl er sie selbst nie kennen gelernt hatte. Die Zeiten, in denen solche Feste an der Tagesordnung waren und dunkle und weiße Zauberer an einem Tisch gegessen hatten. Auch damals hatten sie schon über ihre Ideologien gestritten und diskutiert, den einen oder anderen ernsteren Disput hatte es gegeben, aber damals war es kein Verbrechen gewesen, wenn man ein dunkler Zauberer war. Nicht wie heute, wo man sogar schon in die Schublade gesteckt wurde, wenn man selbst sich noch gar nicht für eine Seite entschieden hatte. Allein, weil die Eltern bekannt für das waren, was sie dachten und taten. In der letzten Zeit wurde Severus immer sehr bitter, wenn er an seine Eltern dachte, an ihre Träume und Vorstellungen für ihn und wie wenig sie seinen eigenen entsprachen. Wie viel sie ihm doch verbaut und versperrt hatten mit ihrer Art der Erziehung. Und doch, er machte ihnen eigentlich keinen Vorwurf. Sie waren so. Sie waren vermutlich genauso von ihren Eltern erzogen worden und kannten nichts anderes. Es hatte sich einfach vor ihm keiner gefunden, diesen Kreis zu durchbrechen, aber er, Severus Snape, würde der letzte aus der Familie Snape sein, der als Sonderling von allen ausgegrenzt wurde. Er würde den Teufelskreis durchbrechen und alle nach ihm würden genauso glücklich aufwachsen wie die meisten anderen Schüler. - So wie dieser James Potter. Frei in dem, was sie denken und tun wollten in ihrem Leben.
Ja, er würde es beenden... Severus hielt in seinen Gedanken inne. Ein leises Raunen ging durch die Eingangshalle und er sah zur Treppe hinauf, dem Blick der anderen Schüler folgend. Lily kam diese Treppe langsam hinunter und weil sie alle anstarrten, waren ihre Wangen tiefrot. Sie sah verlegen unter sich. Severus schluckte. Er hatte gewußt, daß sie schön sein würde, Lily war immer schön, aber das übertraf seine kühnsten Vorstellungen. Wieder schluckte er. Sein Hals war plötzlich so verdammt trocken. Vollkommen automatisch - fast wie ferngesteuert, ging er Lily entgegen, um sie am Fuß der Treppe zu empfangen.
Ihr dunkelgrünes Kleid raschelte bei jedem Schritt. Das Oberteil war aus einem festen, enganliegenden Taftstoff gemacht, die Ärmel reichten nur knapp über die Schultern. Von dort fiel zarter, durchscheinender Chiffon zu üppigen Magierärmel herab. Die Spitzen der Ärmel streiften fast den Boden, wenn sie die Arme lose herunterhängen ließ. Der Rock bestand aus unendlich vielen Lagen Stoff wie es schien und war doch nicht übermäßig aufgebauscht. Der Unterrock bestand ebenfalls aus Taft, der auch dafür sorgte, daß das ganze Kleid so rauschte und der Überrock war eine Mischung aus dem selben Chiffon, aus dem auch die Magierärmel bestanden und sanft schimmernden Samt. Der Rock lief in einer Schleppe aus, die mit einer Fingerschlaufe an Lilys Hand befestigt war, damit sie gleich beim Tanzen nicht störte.
Ihr Festumhang war nicht mehr als ein dunkelgrüner Hauch von Nichts, um die Schönheit ihres Kleides nicht zu stören oder gar zu überdecken, wie bei den meisten anderen Mädchen, die er heute gesehen hatte.
Ein fast noch größeres Kunstwerk als ihr Kleid war aber Lilys rotes Haar, das ihr fast bis zu den Hüften ging, wenn sie es offen trug. Heute hatte sie es hochgesteckt und vorher eingedreht. Ihren Nacken umspielten glänzende Locken, die frei aus der restlichen Frisur heraushingen und sie so nicht zu streng und altbacken aussehen ließen. Auch ihr porzellanfarbenes Gesicht wurde von einigen kleinen Löckchen sanft umspielt und ihr ganzes Haar war durchzogen von helleren Strähnen. Sie hatten einen goldbronzenen Ton und glänzten im Schein der Kerzen wirklich wie pures Gold.
Ihr Kleid und die Frisur, die ihr Gesicht so perfekt umrahmte, ließen ihre grünen Augen strahlen wie nie. Severus war sprachlos. Mit einem Lächeln nahm Lily die letzte Stufe und hakte sich in seinen Ellenbogen, den er ihr anbot, ein.
"Ich hab etwas für dich", flüsterte Severus ihr zu, als sie immer noch von allen beobachtet in die Große Halle gingen. Ein Flüstern und Raunen hob hinter ihnen an und Severus wußte, daß jetzt das große Gerede über sie beide erst so richtig los ging. Aber irgendwie mußte er bei dem Gedanken über das ganze Gesicht grinsen, ein Bedürfnis, daß er noch nie zuvor gehabt hatte.
"Wirklich?" Aus ihrer Stimme hörte Severus, daß sie fürchterlich aufgeregt war und wahrscheinlich vor diesem Moment hier tausend Tode gestorben war vor Angst. Er streichelte ihr kurz über die Hand und sie drückte zur Antwort sanft seinen Arm.
Die großen Holztische und auch die Holzstühle waren aus der Großen Halle entfernt worden und durch viele kleine Tische ausgetauscht worden, die aussahen, als hätte man sie aus einem Stück Eis herausgemeißelt. Jeder Tisch hatte eine Art Säule als einziges Tischbein und an diesen Säulen rankten sich Eisrosenranken empor. Dazu standen an jedem Tisch zwei passende Stühle aus dem gleichen kristallinen Material. Lediglich an den Wänden der Großen Halle entlang standen lange kristallene Tische, an denen die geladenen Eltern saßen und in kollektives Schluchzen und Seufzen ausbrachen, wenn ein neues Paar die Halle betrat.
Passend zu den von Severus verzauberten Wänden fiel warmer, weicher Schnee in die Große Halle herab, der genauso geheimnisvoll funkelte wie die vielen tausend winzig kleiner Sternchen in den Steinmauern. Der Schnee schmolz nicht, wenn man ihn berührte, er verschwand einfach. Erst als sie schon mitten in der Halle waren, bemerkte Lily, daß auch der Boden nicht mehr so aussah wie sonst. Er sah aus wie die makellose, spiegelglatte Oberfläche eines frisch zugefrorenen Sees. Doch er war nicht rutschig, man konnte auf ihm Laufen wie immer.
Am verzauberten Himmel glänzten die Sterne und der Mond, der erst auf seine halbe Größe angewachsen war und die unendlich vielen Kerzen, die über ihren Köpfen schwebten, tauchten die ganze Halle in ein warmes Licht, das die eisige Optik der Halle wohnlich und behaglich machte und für das überall vorhandene geheimnisvolle Glitzern und Funkeln sorgte.
Obwohl Lily bei den Vorbereitungen geholfen hatte, war sie doch überrascht und überwältigt, wie die Halle jetzt im fertigen Zustand wirkte. So viel Schönheit hatte sie sich doch nicht ausmalen können. Bei all ihrer Vorstellungskraft nicht.
Severus geleitete sie an einen der kleinen Tische, nicht zu sehr im Zentrum des Interesses und doch noch dort, von wo sie alles mitbekommen, was um sie herum geschah. Als Lily sich gesetzt hatte, setzte Severus sich ihr gegenüber und griff in seinen Umhang.
"Ich dachte mir, daß du als das schönste Mädchen hier unbedingt das schönste Geschenk bekommen solltest." Er griff nach ihrem Handgelenk und legte ihr etwas um, was er aus der Tasche seines Umhangs gezogen hatte. Im ersten Moment fühlte es sich sehr kalt an, doch das änderte sich bereits nach Sekunden. Lily betrachtete den Armreif genau und ihre Augen leuchteten. "Das ist ja eine Eisrose!"
Severus lächelte. "Ich hab den Spruch in einem alten Zauberbuch gefunden. Damit hab ich auch die Tische und Stühle verzaubert. - Leider wird der Armreif schon morgen früh, wenn die Sonne aufgeht, schmelzen, aber heute Nacht macht er dich wirklich zur Königin der Balls."
Lilys Wangen färbten sich rosa. "Vielen Dank! Ich hab es gar nicht verdient, daß du immer so schrecklich lieb zu mir bist, Severus."
In Severus' Augen blitzte es auf und im ersten Moment dachte Lily, sie hätte etwas Falsches gesagt, doch Severus griff nach ihrer Hand, sein dunkler Blick hielt ihren fest. "Das darfst du von dir selbst nicht denken, Lily! Du hast alles Gute und Schöne auf dieser Welt verdient wie sonst niemand. Und glaub mir, ich bin ganz sicher nicht das große Glück, das dir gebührt. Ich bin einfach nur jemand, der dich sehr mag und dich mehr zu schätzen weiß, als alles andere."
In Lilys Augen glitzerte es ein wenig feucht, sie war noch nie so gerührt gewesen.

Nach und nach füllte sich die Große Halle und auch die ersten Lehrer kamen. James kam als einer der letzten mit seiner Begleitung - Linda Parker. Linda trug ein sehr auffälliges rotes Kleid, das in einem feurigen Kontrast zu ihrem fast schwarzen Haar stand und sie strahlte über das ganze Gesicht. Sie war scheinbar glücklich über diesen Abend und daß sie den meistbegehrten Partner der ersten drei Jahrgänge für sich hatte gewinnen können. Wenn man dagegen James ins Gesicht guckte, hätte man glatt meinen können, er ginge zu seiner eigenen Beerdigung und nicht zu einem Schulball. Und seine Laune besserte sich nicht, als er Lily und Severus sah, die sich tief in die Augen schauten und dabei über irgend etwas unterhielten, das Lily ein seliges Lächeln auf das Gesicht malte.

Als schließlich Dumbledore mit Professor McGonagall erschien - wie an jedem anderen Festtag auch trug sie ein schottisches Edelgewand - begann das Fest mit dem großen Bankett. Anders als sonst, bestellten die Schüler sich diesmal ihr Essen von einer Karte. Sobald sie sich für etwas entschieden hatten und das gewünschte ihren Tellern nannten, erschien es dort.
Das Essen zog sich sehr lange hin und die Spannung unter den Schülern stieg von Minute zu Minute, denn sie alle konnten es kaum noch erwarten, bis endlich die Musik spielte und sie tanzen konnten. Zumindest den meisten Mädchen ging es so. Unter den Jungs war wohl die Aufregung darüber, sich bloß nicht zu blamieren, weil man über die eigenen Füße fiel, viel größer. Auch Severus schien sich nicht ganz wohl zu fühlen bei dem Gedanken, gleich vor allen hier auf die Tanzfläche zu gehen, trotz des Tanzunterrichtes, den Lily ihm gegeben hatte.
Und dann wurde die Tafel aufgehoben. Die Schüler erhoben sich und die Tische, Stühle und Teller lösten sich in Luft auf, um die Große Halle als Tanzfläche frei zu geben. Severus deutete eine leichte Verbeugung an. "Darf ich bitten?" fragte er höflich.
Lily lächelte und machte einen Knicks. Neben dem Tanzen hatte sie ihm während ihrer Unterrichtsstunden alles beigebracht, was sie über die großen Fürstenhäuser des 17., 18. und 19. Jahrhunderst wußte. Bräuche, Umgangformen, Rituale. Geschichte war schon immer ihr großes Hobby gewesen, darum wußte sie darüber viel und Severus interessierte sich für viele verschiedene Dinge, auch aus der Muggelwelt.
Sie reichte ihm ihre rechte Hand und er legte seine linke Hand auf ihre Hüfte. Obwohl sie das schon hunderte Male gemacht hatten in der letzten Zeit, spürte er heute zum ersten Mal, daß ihm die Hitze ins Gesicht schoß. Er hoffte, daß er nicht wirklich rot wurde - oder daß man es wenigstens nicht sah!
"Und ganz ruhig, Sev, du kannst das!" Sie lächelte aufmunternd. Severus nickte und atmete tief durch, doch er glaubte, daß sein Herz so laut schlug, daß Lily es sicher hören konnte.
Auf der Bühne erschien aus dem Nichts ein ganzes Orchester und setzte sofort zum Spielen an. Nur, daß es keine Musiker gab, die die Instrumente spielten, sie taten es von allein. Schon bei den Proben hatte Lily das sehr fasziniert und auch jetzt konnte sie nur wieder darüber staunen. Das war praktisch wie ein Plattenspieler, der die volle Akustik eines ganzen Opernhauses hatte. - Wenn man es stark simplifizierte.
Als die Musik einsetzte, begannen Lily und Severus, sich schwungvoll über den Boden zu drehen. Zunächst übernahm Lily unauffällig die Führung, weil sie spürte, daß Severus sich zu sehr verkrampfte, doch als er sich mehr und mehr entspannte, nahm auch Lily sich immer mehr zurück. Er hatte wahrscheinlich nicht einmal gemerkt, daß sie ein bißchen eingegriffen hatte und Lily freute es mehr als alles andere, zu sehen, wie er nach und nach begann, sich zu amüsieren.
Auch die anderen Pärchen um sie herum tanzten ausgelassen und die Stimmung in der Halle ging ihrem Höhepunkt entgegen. Einzig James Potter konnte der Sache einfach keinen Spaß abgewinnen oder sich wenigstens dazu bringen, seiner ebenfalls wunderschönen Partnerin ein wenig Aufmerksamkeit zu schenken. Linda war darüber sehr sauer, denn sie hatte natürlich schon lange bemerkt, wo die Aufmerksamkeit ihrer Begleitung ständig hin abschweifte. Obwohl sie rasende Eifersucht verspürte, gab sie Lily aber nicht die Schuld daran, daß James den Blick nicht von ihr lassen konnte. Sie begriff zum ersten Mal wirklich, wie enorm James Potter an dem Mädchen hing, das sich ausgerechnet einen Slytherin zur Lebensaufgabe gemacht hatte.
"Du bist unhöflich, James!" zischte sie ihm zu, als es ihr zu bunt wurde. James sah sie ein wenig verständnislos an. Doch dann nickte er.
"Tut mir leid, Linda." Er versuchte ein Lächeln. "Es wird nicht wieder vorkommen."
"So lange du ständig mit deinem Blick an Lily hängst und dir selbst leid tust, weil du mit mir tanzen mußt, statt an Severus' Stelle zu sein, wird das aber nichts werden."
Er hörte deutlich, wie beleidigt sie war und es tat James auch wirklich leid, doch er wußte, daß er einfach nicht anders konnte. Wahrscheinlich hatte er Linda falsche Hoffnungen gemacht, als er sie gefragt hatte, ob sie ihn auf den Ball begleiten würde.
In Wahrheit war er noch weit davon entfernt, endlich über Lily hinweg zu sein. So lange er sie ansah und er dabei nur Schmerz empfand, konnte er sich für kein Mädchen wirklich wieder öffnen, nicht einmal, wenn es Linda Parker war.

Es war schon weit nach Mitternacht, aber Lily und Severus hatten ihr Zeitgefühl längst verloren. Sie hatten seit dem Essen fast ununterbrochen getanzt und beide fühlten, wie sich langsam die Müdigkeit in ihnen breit machte, aber sie waren einfach viel zu aufgekratzt und glücklich, um einfach aufzuhören und ins Bett zu gehen, als wäre dies ein ganz gewöhnlicher Tag gewesen.
Als die große Uhr in der Eingangshalle eins schlug, mischten sich auch die Geister unter die tanzenden Schüler und Eltern. Lily lächelte traurig. Sie wußte, daß das bedeutete, daß der ganze schöne Zauber gleich vorbei war.
"Nur noch ein paar Minuten und der Abend ist rum, als wäre er nie geschehen."
Severus schüttelte den Kopf und lächelte. "Dieser Abend wird niemals vorbei sein. Ich werde mich ewig daran erinnern, weil ich noch nie in meinem ganzen Leben einen so schönen Abend verbracht habe. Das verdanke ich nur dir, Lily. Du hast mein Leben endlich ins Licht gezerrt und mich gelehrt, was Schönheit ist. Das werde ich dir nie vergelten können."
Lily legte den Kopf schief und sah ihm fest in die Augen. "Das hast du längst getan. Du bist da, das ist alles, was für mich zählt."
Dumbledore erhob sich vom Lehrertisch und reichte Professor McGonagall die Hand. Gemeinsam betraten sie die Tanzfläche und der letzte Tanz des Abends begann.

Eine halbe Stunde später saßen Lily und Severus im Westturm eng aneinander geschmiegt und blickten hoch zu den Sternen. Lily zitterte ein wenig und Severus zog seinen schweren Samtumhang über ihre Schulter. Sie lächelte ihn dankbar an.
"Bringst du mich morgen wieder an den Zug?" fragte er in die Stille hinein und obwohl seine Stimme nicht lauter als ein Flüstern war, klang es überraschend laut.
"Natürlich." Sie drückte sich ein wenig enger an ihn. Kräuter, Zaubertrankzutaten...
"Die zwei Wochen werden ganz schnell vorüber sein, keine Sorge. Und dann haben wir noch sechs volle Monate, bevor das Schuljahr wieder zu Ende ist."
Lily nickte und schwieg. Ein paar Minuten sagte keiner von ihnen etwas, dann räusperte Lily sich leise als steckte ihr das, was sie sagen wollte, wie ein Kloß im Hals. "Die Eltern von Lucius sind da gewesen. Ich hab sie gesehen."
Severus versteifte sich ein bisschen. "Ja, ich weiß, er hat mir gesagt, daß sie da sein würden."
Lily schluckte. "Wissen sie, wer ich bin? Wirst du jetzt vielleicht Ärger wegen mir bekommen?"
Severus lächelte sie an und streichelte ihr sanft über die Wange. "Und wenn schon. Wenn du der Grund bist, dann kriege ich sogar gerne Ärger." Plötzlich fühlte er wieder die gleiche Trockenheit in seinem Hals wie am frühen Abend an der Treppe. Er schluckte schwer und hatte das Gefühl, daß er keinen Ton herausbekommen würde, trotzdem mußte er jetzt etwas sagen, sonst konnte er am nächsten Tag nicht nach Hause fahren, unter keinen Umständen.
"Lily..."
Sie sah ihn fragend an und er schluckte noch mal trocken.
"Es ist absolut nicht wichtig, was mit mir passiert oder was meine Eltern sagen und tun, so lange du bei mir bist. Du bist das einzige, was zählt, weil ich....", er atmete tief durch. Das konnte doch nicht so schwer sein, "...na ja, weil ich dich...liebe."
Lily riß die Augen auf und schlug sich die Hand vor den Mund, um nicht überrascht aufzuschreien. Aber das Glänzen in ihren Augen sagte ihm, daß sie hinter ihrer Hand lächelte und in ihren Augenwinkeln sammelten sich kleine Tränen. Diese Reaktion machte ihn mutiger und er beugte sich zu ihr hinüber. Sie nahm ihre Hand weg und als ihre Lippen sich berührten, war es wie ein kleines Feuerwerk, das Lily zwischen ihnen beiden knistern hörte. Die Tränen liefen ihr über die Wangen, während der Kuß andauerte.
"Ich dich auch!" flüsterte sie glücklich als sich ihre Lippen wieder trennten und Severus wischte sanft die Tränen von ihrem Gesicht.

 

  Kapitel 5

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