Hinter der Maske

 

 

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Kapitel 1: Eine alte Bekannte


Die Sommerferien neigten sich langsam ihrem Ende entgegen. Während der Spätsommer draußen die Ländereien um Hogwarts in ein strahlendes Licht tauchte und die Wiesen und den Verbotenen Wald in sattem Grün leuchten ließ, verbrachte Severus Snape die meiste Zeit in seinem Büro und den dunklen Kellerverliesen von Schloß Hogwarts. Er konnte das grelle Sonnenlicht und die Hitze draußen nicht ertragen, und die Ruhe im fast menschenleeren Schloß tat seinen angespannten Nerven wohl.
Es war ein schlimmer Abschluß des vergangenen Schuljahres gewesen. Der Dunkle Lord war zurückgekehrt und wollte seine Todesser wieder um sich scharen. Severus hatte es gespürt, als das Dunkle Mal auf seinem Unterarm wieder erschienen war und ihn nachts Schmerzen und Alpträume um den Schlaf brachten.
Lord Voldemort hatte Cedric Diggory getötet. Severus hatte Diggory nicht besonders gemocht, denn der war ein brillanter Sucher gewesen, der Schwarm so vieler Mädchen und auch noch Hogwarts-Champion beim Trimagischen Turnier, obwohl er nur aus Hufflepuff kam.
Dennoch hatten die Grausamkeit und Kälte, mit der Voldemort Cedrics Leben einfach vernichtet hatte, Severus tief im Innersten berührt.
Es war ihm klar gewesen, was ihm bevorstand und daß Albus Dumbledore einen Beweis seiner Loyalität von ihm verlangen würde: Severus mußte sich wieder in den Kreis der Todesser einreihen und dem Dunklen Lord gegenübertreten.
Die Erinnerung an seine Begegnung mit dem Dunklen Lord und den anderen Todessern bereitete ihm immer noch körperliche und seelische Qualen. Seine Hände zitterten bei dem Gedanken an den Empfang, den Voldemort, sein Untergebener Wurmschwanz und die anderen Todesser ihm bereitet hatten, und er verschüttete das Eidechsenblut, welches er dem Kopfschmerztrank, an dem er gerade experimentierte, hinzufügen wollte.
Severus war nach dem Ende des Trimagischen Turniers, nachdem Dumbledore ihn gezwungen hatte, sich mit Sirius Black zu versöhnen, dem Ruf Voldemorts gefolgt und hatte Hogwarts in dem Bewußtsein, daß er es mit allergrößter Wahrscheinlichkeit nie wieder sehen würde, verlassen. Er liebte seine Arbeit, auch wenn ihm die meisten Schüler verhasst waren, wie dieser unerträgliche Trampel Neville Longbottom, die nervtötende Alleswisserin Hermione Granger, der Mitläufer Ron Weasley und seine Brüder, die gräßlichen Unruhestifter Fred und George, und nicht zuletzt Harry Potter, der große “Held” der Schule, James´ Sohn, der seinem Vater so aus dem Gesicht geschnitten war, daß Snape ihm am liebsten jedes Mal, wenn er ihn sah, seinen Kessel über den Kopf schlagen würde.
Er hätte sich nie erträumt, daß Dumbledore oder überhaupt irgendjemand ihm jemals eine Chance auf ein normales Leben geben würde, nachdem er sich von Voldemort abgewandt hatte. Doch nun besaß er die endgültige Gewißheit, daß die Jahre der Sicherheit, die er als Lehrer für Zaubertränke und Hauslehrer von Slytherin in Hogwarts unter dem Schutz von Dumbledore verbracht hatte, nur geliehene Zeit gewesen waren, und daß er sich nun seinem unausweichlichen Schicksal würde stellen müssen.
Severus war sich sicher gewesen, daß Voldemort ihn töten würde, denn der Dunkle Lord vergab niemals und kannte keine Gnade.
Albus Dumbledore hatte Severus zum Abschied mit einem Schutzzauber versehen, doch beide wußten, daß er ihn vor dem tödlichen Avada Kedavra-Fluch oder schlimmsten Folterungen nicht wirklich würde retten können.
“Ich weiß, in welch eine Gefahr Sie sich begeben, Severus. Aber das, was heute passiert ist, zeigt mir, daß die gesamte magische Welt wieder in Gefahr ist. Wir alle werden wieder mit der Angst leben müssen, und viele unschuldige Menschen werden sterben. Ich habe die Verantwortung für die Schüler hier. Das Ministerium reagiert nicht, wir müssen handeln.” Dumbledores Gesicht war bleich gewesen, und seine sonst so gütigen Augen hatten ihren Glanz verloren und blickten gehetzt.
Severus war Voldemorts Ruf gefolgt und an dessen Seite appariert.
Der Kreis der Todesser hatte sich um ihn geschlossen, zwei hatten ihn festgehalten, während der Dunkle Lord ihn mit den Worten: “Severus, mein zweifelhafter Diener... Was hat dich von mir ferngehalten?”, begrüßt, seinen Zauberstab auf ihn gerichtet und mit seiner kalten, hohen Stimme “Crucio!” geschrieen hatte.
Der Schmerz war wie ein kalter Blitz durch Severus´ Körper gefahren, doch er wollte gegen ihn ankämpfen, um Voldemort und seinen Schergen nicht die Genugtuung zu geben, ihn weinend und sich vor Qual windend auf dem Boden zu sehen.
Die Erinnerung an den Cruciatus-Fluch war so real, daß sich jeder Muskel in seinem Körper schmerzhaft anspannte und auf seiner bleichen Stirn kalter Schweiß ausbrach. In dem verzweifelten Versuch, die Erinnerungen aus seinem Kopf zu verbannen und sich mit der Arbeit an dem Kopfschmerztrank, den er in letzter Zeit immer häufiger benötigte (Madam Pomfreys Medizin wirkte bei ihm längst nicht mehr) zu befassen, zwang sich Severus dazu, ruhig zu atmen und einige Schritte in seinem Büro zu gehen.
In diesem Moment klopfte es an seiner Tür. Beinahe dankbar für diese Störung rief Severus mit bemüht ruhiger Stimme: “Herein!”
Die Tür öffnete sich und Professor Flitwick trat ein. “Guten Tag, Severus! Wie geht es dir heute?”, piepste er und musterte seinen Kollegen mit besorgter Miene.
“Es geht schon, danke”, murmelte Severus und rückte einen Stuhl für Professor Flitwick heran.
“Was kann ich für dich tun?”
Flitwick kletterte auf den Stuhl und antwortete: “Nun, ich wollte dir Bescheid geben, daß heute Abend ein besonderes Festessen stattfindet, als Begrüßung für den neuen Lehrer für Verteidigung gegen die dunklen Künste. Professor Dumbledore möchte, daß das gesamte Kollegium anwesend ist, damit er uns alle kennenlernen kann.”
“Dumbledore hat doch jemanden gefunden?” Severus war von der Neuigkeit nicht minder überrascht. Alastor Moody, der letzte Lehrer für Verteidigung gegen die dunklen Künste, hatte nach Beendigung des Schuljahres erst einmal einen Erholungsurlaub antreten müssen, nachdem Barty Crouch ihn monatelang in seinem eigenen Koffer gefangengehalten hatte.
So mußte Professor Dumbledore, wie in den Jahren davor, die Stelle neu ausschreiben, und niemand hatte sich wirklich darum gerissen, diese anzunehmen. Severus selbst wünschte sich schon lange, dieses Fach unterrichten zu dürfen. Aber auch in diesem Jahr hatte Dumbledore ihn übergangen. Vielleicht ist es besser so, dachte Severus, nicht ohne Verbitterung. Wer weiß, ob ich das Ende dieses Schuljahres überhaupt erleben werde?
“Wer ist es denn?”, wollte er von Flitwick wissen. Dieser grinste und sagte: “Es ist eine Überraschung. Ich weiß es auch nicht...aber ganz ehrlich: Schlimmer als Lockhart oder ein falscher Moody kann es nicht werden.. oder?”
Severus war sich dessen allerdings überhaupt nicht sicher. Dumbledores Personalwahl hatte er bereits des öfteren nicht wirklich nachvollziehen können...

Nachdem Severus ihm zugesagt hatte, an dem Festmahl teilzunehmen, verließ Flitwick sein Büro (nicht ohne eine gewisse Erleichterung, wie Severus feststellen mußte).

Gegen Abend hatte er die Arbeit an seinem Kopfschmerztrank beendet und gleich einen Becher voll getrunken. Voller Genugtuung stellte er fest, daß es ihm sogleich besser ging.
Er trat aus seiner Tür hinaus in die dunklen Schatten der Kerker und machte sich auf den Weg in die Große Halle.
Dort war er schon lange nicht mehr gewesen. In letzter Zeit hatte er seine Mahlzeiten, wenn er überhaupt so etwas wie Hunger verspürt hatte, allein oder höchstens mit Professor Dumbledore in seinen Privaträumen eingenommen.
Heute dem gesamten Kollegium und einem Fremden gegenübertreten zu müssen, fiel ihm schwer. Er haßte ihre neugierigen Blicke, die nur zu fragen schienen: Was ist mit ihm passiert, als er dem Dunklen Lord begegnet ist? Kann man ihm trauen? Severus wußte, daß die meisten der Schüler (außer seinen Slytherins, die ihn verehrten) und auch die meisten Lehrer ihn fürchteten, verachteten und wahrscheinlich auch haßten.
Doch der Haß hatte ihm in all den langen Jahren geholfen, zu überleben, denn niemand war ihm in irgendeiner Art und Weise näher gekommen.
Aus der Großen Halle drangen warmes Licht und ein fröhliches Stimmengewirr. Severus atmete tief durch, bevor er durch die Türen trat.
Die verzauberte Decke der Halle zeigte einen samtigen, mit Sternen übersäten Sommernachtshimmel. Überall flogen verzauberte Glühwürmchen umher, und man konnte von draußen das Zirpen unzähliger Grillen hören.
“Severus, wie schön, daß Sie sich auch zu uns gesellen. Setzen Sie sich!”, begrüßte ihn ein gutgelaunter Dumbledore.
Er setzte sich neben den Direktor und bekam gleich ein Glas voll Kürbisbowle eingeschenkt.
Severus fühlte sich befremdet. Wie konnten seine Kollegen in Anbetracht der Ereignisse, die sich noch vor kurzem abgespielt hatten, so fröhlich sein?
Zur Linken von Dumbledore war ein Stuhl frei.
“Ich freue mich schon auf unsere neue Kollegin!”, verkündete Dumbledore. Seine blauen Augen blitzten belustigt, als er Severus´ Blick bemerkte. Kollegin?
In diesem Moment öffnete sich die Tür der Großen Halle, und eine Hexe mit einem Reisebesen unter dem einen und einem großen Koffer unter dem anderen Arm trat ein. Sofort flitzten von irgendwoher zwei Hauselfen zu ihr hin, um ihr Gepäck und Besen abzunehmen.
Sie lächelte und trat zum Lehrertisch.
Sofort stürmte Professor McGonagall zu ihr hin und umarmte sie wie eine lange vermisste Tochter. Auch die anderen Lehrer begrüßten sie herzlich, und erst, nachdem Hagrid, der extra zur Begrüßung der neuen Kollegin von seinem Auftrag zurückgekehrt war, die neue Lehrerin aus seiner Umarmung (unter der sie völlig verschwand) entlassen hatte, bot sich Severus die Möglichkeit, sie genauer anzusehen: Sie war für eine Frau sehr groß und kräftig, trug langes, welliges schwarzes Haar und eine kleine Brille, hinter der große, dichtbewimperte schwarze Augen funkelten. Ihre Haut war sehr blaß, aber auf ihren Wangen zeigte sich noch die Röte des Fluges, und ihre Lippen waren voll und dunkelrot. Sie trug einen lilafarbenen Reiseumhang und darunter ein langes, schwarzes Kleid.

Severus durchzuckte das Erkennen wie ein Donnerschlag: Die Hexe war Patricia Knight-Haversham, eine Muggelgeborene, die zu Severus´ eigener Schulzeit im Gryffindor-Hausteam als Jägerin gespielt hatte. Damals war sie die Jüngste im Team gewesen, 4 Jahre jünger als Severus. Sie hatte James Potter, den damaligen Team-Kapitän der Gryffindors, glühend verehrt, und hatte deswegen alles darangesetzt, in das Haus-Team aufgenommen zu werden.
Severus erinnerte sich an erbitterte Spiele zwischen Slytherin und Gryffindor. Er war oft hart gegen Patricia vorgegangen und hatte sie gefoult und blockiert, wo immer sich die Chance dazu bot.
Denn in seinen Augen war sie nur ein wertloses Schlammblut gewesen, plump und häßlich dazu und geradezu lächerlich in ihrer Anbetung für James.
Bei ihrem Schulabschlussball damals war sie auch dabei gewesen, erinnerte sich Severus, aber natürlich nicht als Partnerin von Potter. Remus Lupin hatte sie eingeladen, und so war sie mit ihm gegangen. Severus und seine Slytherin-Kameraden hatten sich damals gehässig gefragt, wer da mit wem Mitleid gehabt hatte.(Insgeheim war Severus jedoch neidisch gewesen, daß sogar Lupin eine Partnerin für den Ball gefunden hatte, während er allein gehen mußte.)
Nachdem Severus die Schule verlassen hatte, war sein Interesse an Patricia verloschen.
Jahre später hatte er öfter ihren Namen im “Tagespropheten” gelesen, als sie als Jägerin mit den “Dublin Dragons”, von denen sie nach ihrem Schulabschluß direkt verpflichtet worden war, einige Erfolge feiern konnte.
Nun stand sie vor ihm, und kam ihm plötzlich überhaupt nicht mehr so häßlich vor wie früher.
Als Patricia Severus erblickte, gefror ihr Lächeln. Dennoch ging sie auf ihn zu.
Er stand langsam auf und reichte ihr seine Hand, die sie nur kurz drückte und schnell wieder losließ.
“Nun, hast du das Quidditch aufgegeben?”, fragte er sie kühl.
Sie musterte ihn abschätzend und antwortete leise: “Severus... Du hier und nicht bei Du-weißt-schon-wem? Ja, ich habe nach neuen Herausforderungen gesucht. Ich wollte schon immer gern unterrichten, und nun war es für mich an der Zeit, den Quaffel an den Nagel zu hängen.”
“Aber nich den Besen, oder, Patty? Fliegst wohl immer noch wie der Teufel, was? Du müßtest Harry Potter mal sehn, fliegt genauso toll wie sein Dad!!”, rief Hagrid.
“James...” Patricias Augen füllten sich einen kurzen Moment lang mit Tränen. Sie hatte sich jedoch schnell wieder unter Kontrolle und gesellte sich zu Hagrid und Professor McGonagall.
Dumbledore klatschte in die Hände, und der Lehrertisch füllte sich mit den leckersten Köstlichkeiten.
“Meine lieben Kollegen! Selbst in der schwersten Zeit gibt es manchmal Lichtblicke am Horizont. Heute gesellt sich eine junge Hexe zu uns, die sich nach Jahren des Profi-Quidditch dem Studium gewidmet hat und nun frischen Wind in unser altes Hogwarts bringen wird! Sie löst Professor Moody ab, der sich zur Zeit in der Südsee erholt. Feiern wir nun mit Patricia Knight-Haversham zusammen und heißen sie in unserer Mitte willkommen. Das kommende Schuljahr wird für uns alle sehr anstrengend werden, darum ist es umso wichtiger, daß wir zusammenhalten! Ich erkläre unser Mahl für eröffnet!”
Professor Dumbledore erhob seinen Becher, und alle Lehrer, auch Severus, taten es ihm gleich und prosteten Patricia zu.
Während sich alle mit Appetit über das Essen hermachten, sah Severus immer wieder verstohlen zu Patricia herüber. Sie hatte sich so sehr verändert.. und trotzdem hatten all die Jahre nichts an ihrer Abscheu ihm gegenüber geändert.
Sie mied seinen Blick und sprach während des gesamten Abends kein einziges Wort mit ihm.
Severus verließ die Runde so früh, wie es die Höflichkeit gerade zuließ und suchte Zuflucht in seinen Privaträumen.
Nun war er wieder allein, doch die Sicherheit, die er sonst aus der Einsamkeit zog, wollte sich nicht einstellen.
Wieder hörte er Voldemorts Stimme. ”Willst du noch mehr, Severus? Ich verzeihe niemals! Du hast nur den Tod verdient, doch so einfach werde ich es dir nicht machen... lebend nützt du mir mehr, noch jedenfalls!”
Die vermummten Todesser hatten gelacht. Diese Feiglinge! Severus wußte, daß die Bedrohung überall lauerte, und daß viele seiner Schüler den Dunklen Lord verehrten oder bereits zu seiner Schar zählten. Auch wenn Draco Malfoy und seine ständigen Begleiter Crabbe und Goyle Severus scheinbar bewunderten, so war doch Voldemort stärker, und wem würde ihre Loyalität letztendlich gehören?
Dann dachte er an Patricia und Lupin. Damals hatte er sich über die beiden lustig gemacht.
Ob er ihr wohl wirklich etwas bedeutet hat? überlegte er. Oder war Lupin nur ein Ersatz für ihren heißgeliebten Potter gewesen?
Severus schüttelte den Kopf über sich selbst. Zwischenmenschliche Beziehungen waren normalerweise das Letzte, worüber er sich Gedanken machte. Liebe hatte es für ihn nie gegeben, denn er hatte sein Leben den Dunklen Künsten gewidmet. Heute war er sich sicher, daß es für ihn zu spät war. Ein dunkler Schatten lag über seinem Leben, und es wäre undenkbar gewesen, einem anderen Menschen Zugang zu den Tiefen seiner Seele zu gewähren.
Der Einzige, der je auf den Grund seiner Seele geblickt hatte, war Professor Dumbledore gewesen.
“Ich sehe das Gute in Ihnen, Severus. Und ich vertraue Ihnen.” Nicht einmal Severus´ eigener Vater hatte jemals so gütige Worte für ihn gefunden.
Es war bereits sehr spät geworden. Eine bleierne Müdigkeit legte sich über ihn, aber er fand keinen Schlaf. Erst ein starker Schlaftrunk half Severus, zu vergessen und in eine traumlose Tiefe zu fallen.


Kapitel 2

 

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