Herz aus Eis

 

 

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Kapitel 2: Lupin


Als Severus erwachte, zeigte ihm sein Stundenglas, daß der Tag sich bereits der Mittagsstunde näherte. Mühsam erhob er sich von seinem Bett und trat zum Spiegel.
Sein eigener Anblick erschreckte ihn: blutunterlaufene, stumpfe Augen starrten ihn aus einem wächsernen, eingefallenen Gesicht an. Sein Nachtgewand hing noch loser als sonst an seinem mageren Körper. Ihm wurde kalt, und er richtete seinen Zauberstab auf die Feuerstelle, in der augenblicklich Flammen zu flackern begannen. Der Raum erwärmte sich langsam, doch die Kälte in seinem Inneren wollte nicht weichen. Sie betäubte seine Hände und Füße, er zitterte unkontrolliert und seine Lippen wurden blau.
Ein normales Feuer wird mich nicht wärmen, dachte er, und kleidete sich an.
Plötzlich ertönte Professor Dumbledores Stimme aus dem Feuer: “Severus, bitte kommen Sie in mein Büro. Hier ist jemand, mit dem Sie sicher sprechen wollen.”
Einen kurzen Moment lang kam ihm Patricia in den Sinn. Aber er schüttelte nur den Kopf und kräuselte verächtlich den Mund. Warum sollte ausgerechnet sie ihn sehen wollen?
Auf dem Weg in Dumbledores Büro überlegte Severus, wer ihn dort wohl erwarten würde. Vielleicht Lucius Malfoy? Aber würde er sich noch nach Hogwarts wagen?
Severus nannte dem Wasserspeier das neue Passwort zu Dumbledores Büro (“Knallrümpfiger Kröter”), und fuhr auf der Wendeltreppe nach oben.
Als er den Raum betrat, sah er eine ziemlich schäbige, blasse Gestalt auf dem Stuhl vor Dumbledores Schreibtisch sitzen: Remus Lupin.
Er war also Dumbledores Ruf gefolgt, den Kampf gegen den Dunklen Lord aufzunehmen..
Lupin erblickte Severus und stand lächelnd auf. “Severus.. wie schön, dich zu sehen.” Er drückte Snapes kalte Hand, und sofort trat ein besorgter Ausdruck in sein Gesicht. “Geht es dir nicht gut? Du siehst sehr krank aus. Vielleicht solltest du auf die Krankenstation..”
Severus wich vor ihm zurück. “Es geht mir gut, Lupin. Ich entscheide immer noch selbst, wann und unter welchen Umständen ich die Krankenstation aufsuche.”
Lupin musterte ihn noch immer, schwieg aber. Severus bemerkte, daß er noch schlechter aussah als bei ihrer letzten Begegnung vor 2 Jahren.
Er war erstaunt über die warme Herzlichkeit, die Lupin ihm noch immer entgegenbrachte.
Beide Männer setzten sich vor Dumbledores Schreibtisch.
“Wo ist der Direktor?”, fragte Severus.
“Er schickt eine Eule ans Ministerium. Will noch einmal versuchen, ihnen den Ernst der Lage klarzumachen. Aber ich befürchte, da wird er auf taube Ohren stoßen.” Lupin seufzte. “Der arme Cedric. Und Harry.. wie hat er es verkraftet?”
Severus wollte mit Lupin nicht über Harry Potter sprechen. Ihm kam ein Gedanke..
“Weißt du eigentlich schon, wer neuerdings Verteidigung gegen die Dunklen Künste unterrichtet?”
Lupin zuckte kaum merklich zusammen und antwortete dann mit einem leicht wehmütigen Lächeln: “Oh ja, ich weiß es. Ich bin ihr schon begegnet... Sie hat mir nicht verziehen, daß ich nie auf ihre Eulen geantwortet habe in all den Jahren. Nun, ich kann es verstehen.. es war nicht fair von mir, aber trotzdem das Beste für sie. Als meine Frau wäre Patricia nicht glücklich geworden..”
Severus drehte sich ruckartig zu Lupin um, bekam aber schnell die Kontrolle über sich zurück.
Diese Neuigkeit hatte ihn erschreckt, er hatte nicht gewußt, wie nahe die beiden einander einst gestanden hatten.
“Ich stimme mit dir überein, daß Werwölfe nicht heiraten sollten. Vielleicht hättest du sie umgebracht..” Severus musterte Lupin, um dessen Reaktion auf seine Antwort zu sehen.
Lupins Züge verhärteten sich. “Das weiß ich, Severus. Und ich weiß auch, daß du es nicht verstehen kannst, wie es ist, eine Frau zu lieben und sie verlassen zu müssen, weil man ein Monstrum ist und imstande sie zu töten, wenn einen an jedem Vollmond das menschliche Bewusstsein verlässt.”
“Ich denke, daß du dir kein Urteil über mich anmaßen solltest, Lupin. Du weißt so gut wie gar nichts über mich..”
Severus sprach nicht weiter, da Professor Dumbledore in diesem Moment sein Büro betrat. Ihm folgten Professor McGonagall, Professor Flitwick, eine ältere Hexe, die Severus als Arabella Figg erkannte, und Patricia.
Nachdem sich alle begrüßt hatten, setzten sie sich in einen Halbkreis aus gemütlichen Ledersesseln vor ein großes Feuer, wobei Patricia es vermied, neben Severus oder Lupin zu sitzen.
Severus bemerkte, daß sie sich in dieser Situation sehr unwohl zu fühlen schien.
Lag es am Grund dieses Zusammentreffens, in dem Schutzmaßnahmen für das kommende Schuljahr besprochen werden sollten? Oder eher an seiner und Lupins Gegenwart? Der alte Feind und der Geliebte, der sie verschmäht hatte..
Severus war tief in Gedanken versunken und hörte kaum zu, bis Dumbledore seinen Namen nannte: “...Severus war bei Voldemort, er ist dort sozusagen unser Spion. Er schwebt in höchster Gefahr.”
“Was hat er gesagt? Was hat er getan?”, fragte Patricia angespannt und sah Severus zum ersten Mal an diesem Nachmittag direkt ins Gesicht. In ihren dunklen Augen spiegelte sich der Schein des Feuers wider, sie schienen Funken zu sprühen.
Severus Körper versteifte sich. “Das geht nur Professor Dumbledore und mich etwas an.”
Den warnenden Seitenblick von Professor McGonagall ignorierend, bohrte Patricia weiter.
“Aber du warst ein Todesser! Du hast dich von Du-weißt-schon-wem abgewandt und bist zu Dumbledore übergelaufen. Wieso hat Du-weißt-schon-wer dich lebend davonkommen lassen? Was mußt du für ihn tun?”
Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen. Professor Flitwick legte ihr eine Hand auf den Arm und murmelte ihr leise etwas zu. Doch Patricia ignorierte ihn.
Severus hielt ihrem feindseligen Blick stand.
Bevor er etwas erwidern konnte, sagte Lupin eindringlich: “Patricia, das ist hier nicht das Thema. Severus geht diesen Weg allein. Wir müssen uns darauf konzentrieren, wie wir die Schüler und insbesondere Harry schützen können.”
Dumbledore nickte und wandte sich an Patricia: “Remus hat recht. Sie müssen Severus vertrauen. Versuchen Sie zu vergessen, was damals während Ihrer Schulzeit zwischen Ihnen war. Heute sind Sie erwachsen, und dazu noch Kollegen. Sie verfolgen das gleiche Ziel. Das ist auch ein Grund, warum ich Sie jetzt schon nach Hogwarts gerufen habe. Sie werden sich insbesondere der Gryffindors annehmen. Das Leben soll für die Schüler so normal wie möglich weitergehen, darum werden Sie Madam Hooch beim Quidditch unterstützen und alle Trainingsstunden überwachen.”
“Und bei der Verteidigung gegen die Dunklen Künste mußt du ihnen alles über Flüche und Schutzzauber beibringen!”, fügte Professor McGonagall mit einem leicht strengen Unterton hinzu.
Patricia nickte und blieb den Rest des Nachmittags und Abends stumm.
Arabella Figg und Lupin sollten noch in dieser Nacht aufbrechen, um sich mit weiteren Widerstandskämpfern zu treffen.
Professor Flitwick würde die Wachen an den Eingängen zu allen Gemeinschaftsräumen verschärfen und zudem alle Schlafsäle mit zusätzlichen Zaubern gegen Flüche schützen.
Professor McGonagall war aufgebrochen, um in die Muggelwelt zu reisen und dort nach Zeichen des Dunklen Lords zu suchen. Ihre Fähigkeit, sich in eine Katze verwandeln zu können, würde ihr dort sehr von Nutzen sein.
Sie hatten bis zum späten Abend zusammengesessen. Als Dumbledore die Versammlung auflöste und Severus von seinem Sessel aufstand, brach eine Welle der Schwäche über ihm zusammen, und er konnte sich kaum auf den Beinen halten.
Er ignorierte die besorgten Blicke von Lupin und Dumbledore und machte sich auf den Weg in sein Quartier.
Auf halbem Wege hielt er jedoch inne, da er leise Stimmen hinter sich vernahm. Schnell drückte er sich in eine Ecke und verschmolz mit den Schatten. Die Stimmen wurden lauter, und Severus konnte erkennen, daß sie Lupin und Patricia gehörten, die sich in seine Richtung bewegten. Severus drückte sich noch enger an die Wand, als er die beiden um die Ecke kommen hörte.
“..das hättest du nicht tun sollen, Severus so anzugreifen...”, sagte Lupin in ruhigem Ton.
“Wieso nicht, bei der Göttin? Weißt du nicht mehr, wie er mich in der Schule immer behandelt hat? Hat mir 'Schlammblut' und 'Trampel' an den Kopf geworfen, mir im Gang an den Haaren gezogen, mich beim Quidditch fast umgebracht, mir mein ganzes Gesicht voll Pickel gezaubert, mir...”, regte sich Patricia auf. Ihr Atem ging in raschen Stößen. Nun waren die beiden direkt neben ihm. Lupin hielt Patricia am Arm fest und zog sie an sich.
“Ich weiß, daß du dich aufregst. Aber er ist nicht mehr wie früher.”
“Nicht mehr wie früher? Wegen ihm hast du deine Stelle hier verloren, weil ihm zufällig rausgerutscht ist, daß du ein Werwolf bist!” Patricias Atem wurde ruhiger, und sie schlang ihre Arme um Lupins Hals.
Sie hielten sich eine Weile schweigend fest, bis Patricia leise sagte: “Oh Remus.. warum können wir nicht zusammen sein? Ich liebe dich seit ich 14 war, und in all den Jahren bei den 'Dragons' und an der Universität hat mich kein anderer Mann interessiert.
Es gibt doch jetzt diesen Trank, der dich ungefährlich macht.. warum nimmst du ihn nicht einfach wieder und gibst mir endlich eine Chance?”
Lupins Stimme zitterte, als er antwortete: “Ich liebe dich doch auch.. aber ich bin nun mal, was ich bin. Wenn ich nicht so ein Feigling gewesen wäre, hätte ich dir doch sofort gesagt, daß ich ein Werwolf bin. Aber ich habe dich bis zu deinem Schulabschluss in dem Glauben gelassen, daß wir danach heiraten könnten.. ich wollte es genauso wie du! Aber Werwölfe dürfen nicht heiraten, wie mir die Abteilung für Gefährliche Kreaturen dann freundlicherweise mitgeteilt hat. Darum fand ich es am besten, den Kontakt zu dir abzubrechen, um es für uns beide einfacher zu machen..”
“Aber es war nicht einfacher...”, flüsterte Patricia mit tränenerstickter Stimme.
Wieder versanken die beiden in einer Umarmung. Severus wagte kaum zu atmen und hoffte, daß die beiden bald weitergehen würden. Ein schmerzhaftes Gefühl nagte in seinem Magen, und er konnte keine Erklärung dafür finden.. Er wollte einfach nur in seine sicheren Gemächer flüchten und die Worte der Liebenden nicht mehr hören.
Patricia und Lupin küßten sich, dann machte er sich von ihr los. “Es ist an der Zeit für mich, wieder zu gehen. Du mußt nach vorne sehen. In Hogwarts hast du eine Aufgabe, und es wird dir hier gefallen..”
Sie lachte verächtlich. “Gefallen, wenn dieser widerliche Snape hier rumschleicht?”
Lupin seufzte. “Du hast doch gehört, was Dumbledore gesagt hat.. vertrau Severus. Er wird dir nichts tun. Sein Los ist wahrlich schwer genug. Vielleicht braucht er auch einfach nur eine wahre Freundin..”
“Die werde ich ganz sicher nicht!”, schnaubte Patricia und ging schnellen Schrittes weiter.
Lupin eilte ihr hinterher.
Nachdem die Schritte der beiden verhallt waren, schlich sich Severus aus seinem Versteck und ging langsam in seine Privaträume.
Das soeben Gehörte schwirrte noch in seinem Kopf umher, selbst als er im Bett lag und versuchte, sich auf seine Bettlektüre “Die beliebtesten Gifte vom Mittelalter bis in die Neuzeit” von Dimetrius Schierling zu konzentrieren.
Was konnte eine Frau nur dazu bewegen, fast 20 Jahre lang auf einen Mann zu warten, den sie doch nie bekommen würde?
Severus dachte an ihre Liebesworte für Lupin und an den innigen Kuß, den die beiden geteilt hatten, und der stechende Schmerz in seiner Magengegend wanderte weiter nach oben, bis Severus das Gefühl hatte, sein Herz würde gleich explodieren.
Der Schmerz nahm ihn immer weiter gefangen. Severus preßte beide Hände auf die Brust und wälzte sich auf dem Bett, bis ein gequälter Schrei seine Kehle verließ.
Völlig verstört setzte er sich auf und spürte, wie Tränen an seinem Kinn herabtropften und sein Hemd durchnäßten.
Sie flossen und flossen, und Severus machte keinen Versuch, sie zu trocknen. Mit jeder Träne schien der Schmerz in seiner Brust nachzulassen, und nur ab und zu rüttelte ein Schluchzen an seinem Körper.
Irgendwann war es vorbei. Severus wischte sich mit der Hand über sein Gesicht und spürte den salzigen Geschmack seiner Tränen auf den Lippen.
Eine bleierne Erschöpfung legte sich über ihn, und er schlief ein, das erste Mal seit Wochen ohne Schlaftrunk und träumte das erste Mal seit Jahren einen schönen Traum: Licht nahm ihn gefangen, die Sonne tat nicht weh. Der Wind zerzauste seine Robe und sein Haar; er saß auf einem Besen und flog immer schneller und höher über den See und den Verbotenen Wald hinweg.
Neben ihm hörte er ein helles Lachen. Ein zweiter Besen flog neben seinem, er drehte sich zur Seite und sah in Patricias Gesicht. Ihr schwarzes Haar wehte hinter ihr her, und sie drehte einige Loopings in der Luft und lachte laut und voller Lebensfreude.
Severus folgte ihr, bis er wieder an ihrer Seite war. Sie lächelte ihn an und strich eine Haarsträhne aus seinem Gesicht, die sich an seiner Nase verfangen hatte. Er hielt ihre Hand fest und wollte sie nie mehr loslassen.........


Kapitel 1

Kapitel 3

 

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