You Can Always Go Home Again

 

 

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Kapitel 43



Sabina kam wieder zu sich und fühlte sich, als habe sie die ganze Nacht getrunken. Durcheinander. Alles mögliche. Und als habe sie dann noch einen Unfall gehabt. Alles tat ihr weh, jeder einzelne Knochen, jede Sehne, jede Zelle. Es war ein recht beeindruckendes Körpererlebnis. Und es erinnerte sie sehr an den nur mittelbar gefühlten Schmerz in der Badewanne.

Dies musste der Fluch sein, mit dem Severus so überreichlich bedacht worden war. Immer wieder. Sie verstand den Mann immer besser. Oder auch nicht. Sie wusste nicht, wie sie jemals wieder auf die Beine kommen oder auch nur den Willen dazu entwickeln sollte. Severus hatte in dem Zustand unterrichtet.

Na ja, vielleicht hatte er ja ein Geheimmittel. Zaubertrank oder so. Sie hatte das jedenfalls nicht und musste es so schaffen.

Wieso eigentlich?

Warum nicht einfach aufgeben und liegen bleiben?

Was war so schlimm am Sterben?

Am tot sein?

Keine Schmerzen mehr. Keine Sorgen.

Es erschien ihr sehr verführerisch. Verglichen mit der Aussicht auf die Schmerzen, die es bedeuten würde, sich nur aufzurichten. Einen Finger zu rühren. Und wozu? Nur um dann weiter gequält zu werden?

Diese Zaubererwelt war nichts für sie. Sie wollte ihre selige Unwissenheit wieder. Ihre heile Welt. Eine Welt, in der sie sich langweilte, und ärgerte, dass sie arbeiten musste, um Geld zu verdienen, um zu leben. Aber in der sie nicht ums nackte Überleben kämpfen musste.

Das hier war Krieg. Krieg und Folter. Das gab es in ihrer Welt auch. In der Nichtzaubererwelt. Aber nur in den Nachrichten. Sie war nicht mal mehr besonders dankbar dafür gewesen. Sie hatte es als selbstverständlich hingenommen, dass sie genug Essen und Trinken und Arbeit hatte, und niemand sie folterte, verhörte oder Bomben auf ihr Haus warf.

Tja. Und nun das. Nun sah sie mal, wie es großen Teilen auf diesem Erdball ständig ging. In welcher Furcht und welchem Schmerz sie lebten.

Irgendwas sollte sie sicher daraus lernen.

Oh Gott. Tat das der nahe Tod? Brachte solche küchenpsychologischen und philosophischen Gedanken zum Vorschein? Da hätte sie ja noch lieber einen Rückblick auf ihr Leben, einschließlich der demütigendsten Erlebnisse mit ihrem Ex-Gatten gehabt.

Aber anscheinend wurde sie ja nicht gefragt. Diese Gedanken erschienen einfach so.

Wirklich?

Konnte sie das nicht steuern? Wenigstens ein wenig?

Doch. Sie konnte beispielsweise aufhören, sich selbst leid zu tun. Und statt dessen zu kämpfen. Sie wollte nicht sterben, verdammt noch mal. Auch wenn sie sich schon öfters bei Gedanken daran ertappt hatte, dass es doch vielleicht ganz angenehm sein musste, ohne Körper im All zu schweben, ohne kochen zu müssen oder die Steuererklärung abzugeben, so gab es doch Gründe, an diesem körperlichen Dasein zu hängen. Doch. Guten Rotwein. Nudeln. Schwimmen.

Severus.

Oh ja. Severus.

Und wenn sie jetzt starb, würde sie in anderer Gestalt wiederkommen, und wer wusste schon, ob sie ihn dann wieder traf. In anderer Gestalt vielleicht, weil irgendwie und irgendwo waren sie ja alle eins auf dieser Erde und so, aber sie hatte doch ziemlichen Gefallen an seiner Form gefunden.

Doch doch. Durchaus.

Und bevor sie mit ihm oder ohne ihn schwerelos im Raum schweben würde, wollte sie erst noch sehr körperliche Dinge mit ihm machen. Ihn schlagen, weil er sie dieser Gefahr ausgesetzt und sie allein hatte losgehen lassen, beispielsweise. Und dann, ja ... Dann würde sie ihn vielleicht mit einer peinlichen Gefühlsaufwallung überfallen. Und er würde sehr peinlich berührt sein davon. Und dann würden sie ...

Ja sie würde aufstehen. Und wenn es sie ihr Leben kosten würde.

Langsam begann sie, ihre Fingerspitzen zu bewegen. Die Finger. Die Hände. Handgelenke. Unterarme. Ellbogen. Oberarme. Schultern.

Sie arbeitete sich durch ihren ganzen Körper. Die Volkshochschulkurse in autogenem Training und so waren nicht umsonst gewesen. Sie fühlte in jeden Körperteil rein. Jeder einzelne beschwerte sich über die rüde Behandlung, aber als sie sie tröstete und um ihre Mithilfe bat, erklärten sie sich widerstrebend bereit, ihren Dienst noch nicht endgültig aufzukündigen. Vorerst. Sie war ihrem Körper dankbar.

„Zähes Luder.“ Diese Augen sahen sie an. Es waren die Augen des Jungen, wofür Sabina dankbar war. Sie waren nicht ganz so scheußlich wie die anderen.

Auf den Jungen konnte sie irgendwie reagieren. Auf den anderen nicht. Dessen Anblick allein lähmte sie vor Entsetzen.

Der Junge machte sie wütend. Wut war gut. Hielt lebendig. Hieß es irgendwo.

„Dafür, dass du so sehr gegen Muggel bist, musst du dir aber viele schlechte Filme angeguckt haben, um solche Worte zu verwenden.“

Sie hätte sich am liebsten selbst erschlagen, um ihm die Mühe zu sparen. Vielleicht tat es dann nicht so weh. Das tat also ihr Kampfgeist mit ihr. Brachte sie dazu, den Jungen, diesen - Was auch immer - herauszufordern. Diesen Untoten. Auch kein guter Gedanke. Erinnerte an schlechte Filme. Die Nacht der reitenden Leichen und so. Gemetzel. Igitt.

Aber er war doch tot, oder? Severus hatte ihr wirklich zu wenig erzählt, und die kurze Zeit in Hogwarts hatte auch nicht zu ihrer Aufklärung über ihren Gegner beigetragen. Irgendwie war sie immer mit anderen Dingen beschäftigt gewesen. Mit der Vorbereitung auf den Kampf gegen einen Unbekannten. Und nun war der Gegner hier und sie war weder vorbereitet noch sonst was. Mist, verdammter.

Diesen Jungen konnte es eigentlich nicht geben. Er war tot, sein Körper war zu seinen Ahnen gegangen oder so und sein Geist, dieser böse allumfassende und so weiter Geist, hatte von verschiedenen Wirten Besitz ergriffen. In denen er jeweils eine Weile gelebt und Unheil angerichtet und dann wieder vernichtet worden war.

Offensichtlich nicht. Nicht endgültig.

Ihr malträtierter Kopf brummte. Das hatte doch alles keinen Sinn.

Der Feind war hier. Und der Feind lebte und war gefährlich. Wenn sie sich mit Gedanken daran befasste, ob dieser Körper, den sie sah, rechtmäßig an diesem Ort sein durfte, sein konnte, dann würde sie echt durchdrehen.

Und das fehlte ihr gerade noch. Dafür war immer noch Zeit.

Jetzt flog sie erst mal wieder durch die Luft.

Und es tat wieder weh.

Und sie würde sich nie daran gewöhnen.

Und sie konnte nicht verhindern, dass sie aufschluchzte. Möglicherweise schrie sie sogar. Einen Namen. Seinen Namen. Aber sie konnte es nicht mehr genau wissen. Sie war wieder ohnmächtig. So richtig wie eine hilflose Blondine in einem Actionfilm, war ihr letzter unmaßgeblicher Gedanke.




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