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Kapitel 7




Sie hatte recht gehabt und er unrecht, so sehr Snape es hasste, es zuzugeben. Und er hatte es übersehen, hatte diese klaren Hinweise in dem Brief übersehen. Seine Selbstvorwürfe schwangen sich in lange nicht gekannte Höhen auf. Er hatte einen bitteren Geschmack im Mund. Versagt, wieder einmal versagt. Sie waren hier, wer weiß wie lange schon, und er hatte es nicht bemerkt. Seine Arroganz war wieder einmal im Weg gewesen. Er erinnerte sich an den Brief. Er hatte ihn einfach abgetan. Seine Mundwinkel sanken noch weiter, seine schwarzen Augen glühten. Niemand auf Erden konnte Severus Snape so hassen wie er sich selbst. Darin hatte er die längste Übung.

Sabina sah mit gespannter Abscheu auf die Vorgänge tief unter ihr im Theater. Dieses alte römische Theater, das von den Nazis für ihre theatralischen Inszenierungen benutzt worden war, schien auch dieser Gruppe eine angemessene Heimstatt zu bieten. Dies waren keine harmlosen Jugendlichen, die hier quasi als Mutprobe mal übernachteten, mit dem üblichen Lärm- und Drogenkonsum. Nein, das waren Erwachsene, die genau so böse waren wie die Nazianführer damals.

Ihr standen die Haare zu Berge. Irgend etwas stimmte hier ganz und gar nicht. Die Männer, und es schienen alles Männer zu sein, trugen ganz normale Kleidung, und dennoch vermittelten sie den Eindruck, Kutten zu tragen wie der Ku Klux Clan. Sie redeten, aber sie konnte nichts hören, obwohl doch die Akustik so viel gelobt wurde in diesen alten römischen Dingern. Sie schienen nichts besonderes zu tun, diese Männer, sich nur zu unterhalten, aber Sabina schüttelte sich vor Abscheu und Entsetzen. Wenn sie es je für möglich gehalten hatte, dass bestimmte Menschen DAS BÖSE verkörperten - und das hatte sie nie, sie hatte das eigentlich als gerecht auf alle Menschen verteilt angesehen - dann wäre sie hier fündig geworden. Dieser Mann mit den langen weißblonden Haaren, der der Anführer der Anwesenden zu sein schien, sah im hellen Mondlicht wie das reine leuchtende Böse aus.

Sie sah zu ihrem Chef hinüber. Sie war froh, dass er dabei war. Wenn sie auch nicht sagen konnte warum, hatte sie doch das Gefühl, mit ihm sicherer zu sein. Wahrscheinlich eine Folge zu vieler Western. Mann weiß was zu tun ist, Frau schreit. Irgendwie beruhigend, in dieser Angelegenheit. Sie hatte sich noch nie in ihrem Leben so nach Schreien gefühlt. Wenn die dafür nötigen Organe nicht gelähmt gewesen wären.

Snapes Augen verengten sich. Malfoy. Von allen dreckigen ...! Was machte der hier? Weiteten sie ihr Netz aus? Sammelten sie sich? Riefen die Unterfeldwebel die Truppen zusammen, bereiteten sie auf die große Schlacht, wieder einmal, vor? Sie hatten einen Bann um sich gelegt, er konnte nicht verstehen, was sie sagten. Er konnte nicht herausfinden, was sie vorhatten. Er konnte keinen eigenen Zauber anwenden, aus Angst, dass diese Frau ihn sah. Gut, mit der würde er fertig. Aber die Gefahr war zu groß, dass Malfoy und Konsorten ihn bemerkten. Vielleicht hatten sie einen magischen Marker installiert. Er, Snape, hätte das sicherlich getan. Und Malfoy war nicht dumm. Arrogant bis zur Schmerzgrenze, machtgierig ja, aber nicht dumm. Beileibe nicht. Sonst wäre er ja kein Slytherin gewesen.

Er musste wissen, was sie vorhatten. Das war der Fall, für den er ausgeschickt worden war. Auf den er so lange gewartet hatte. Mit dem er nicht mehr gerechnet hatte. Er durfte das jetzt nicht verderben, durch verletzte Eitelkeit oder Angst. Seine Feigheit hatte ihm treue Dienste erwiesen, nur durch sie lebte er noch, aber nun musste er wissen was los war. Seine Begleiterin zupfte ihn am Ärmel. Seine Augen verengten sich noch mehr. „Was?“, fragte er.

„Sie sammeln sich“, sagte sie mit einer sonderbaren Stimme. „Sie sind jetzt noch nicht bereit, noch nicht ganz, aber beim nächsten Vollmond werden sie, sie werden“, sie brach ab.

„Was?“, fragte Snape mit schneidender Stimme.

Sie sah ihn hilflos an - ein Anblick, der Snape unter normalen Umständen sehr erfreut hätte, wenn er eine solche Vokabel natürlich auch nie benutzen würde, aber jetzt irritierte es ihn. Ziemlich. Da spielte ihm das Schicksal schon eine Muggelin in die Hände, die mehr sah als die anderen, ganz ohne Zauberei, dann war sie natürlich nicht ausgebildet. Aber dann wäre sie ja auch kein Muggel mehr, dachte er säuerlich. Er sah sie wütend an. Er musste das Risiko eingehen. Er musste einfach. Das sah seinem Schicksal wieder ähnlich, war mal wieder typisch. Wenn etwas schon mal so aussah, als könnte er Hilfe bekommen, dann sah das natürlich nur so aus. Nur gerade lange genug, dass er vielleicht so etwa wie Hoffnung entwickeln konnte, dass er nicht ganz allein verantwortlich war, um ihm dann mit aller Macht wieder von dieser idiotischen Idee wegzubringen.

Wie sah der Mann sie denn jetzt an? Plötzlich hatte sie Angst vor ihm. Nicht so wie im Büro, wo er so schneidende Bemerkungen machte, nein richtige Angst. Er kannte diese Menschen da unten, das wusste sie plötzlich ohne zu wissen warum. Er kannte sie und hatte irgendwas mit ihnen zu tun. Er sah sie an, als überlege er etwas. Und sie hatte das Gefühl, als habe diese Überlegung großen Einfluss auf ihr weiteres Leben. Ihr war eiskalt. Und heiß. Und wieder eiskalt. Und plötzlich konnte sie sich nicht mehr bewegen. Und nicht sprechen. Sie war gelähmt. Er hatte ein - Ding -aus seiner Jacke geholt, es gegen sie ausgestreckt und irgendwas gemurmelt. Dann guckte er sie mit beinahe so etwas wie Bedauern an und sagte: „Entschuldigung, ich komme wieder, und wenn nicht - werden Sie es nicht mehr merken“, was in ihr ein nie gekanntes Entsetzen hervorrief.

Dann verwandelte er sich vor ihren reglosen Augen in eine Schlange, hob kurz den Kopf in ihre Richtung, züngelte und war verschwunden. Sie blieb stehen, weil ihr gar nichts anderes übrig blieb. Sie konnte nicht mal zittern, um sich Erleichterung zu verschaffen. Glücklicherweise schienen auch ihre Schließmuskeln gelähmt zu sein. Nie im Leben hatte sie eine solche Angst gehabt. Auch noch nie eine solche Wut. Wenn er wieder käme - wenn er wiederkäme, und sie hier heil herauskämen, würde er sich wünschen, die da unten hätten ihn erwischt.

Sie wusste nicht, wie lange sie so gestanden hatte, nur innerlich zitternd vor Angst, lauschend und nichts hörend. Sich vorzustellen versuchte, was er jetzt tat. Ihr Boss - die Schlange. Versuchte, nicht verrückt zu werden. Vielleicht hatte sie in ihrer Jugend doch zu viel mit Drogen experimentiert? Aber daran konnte sie sich nicht erinnern. Ihr Boss hatte sich in eine Schlange verwandelt und belauschte nun Menschen, die irgendwie gefährlich war. Vielleicht würde er zurückkommen. Vielleicht nicht. Und sie stand in einen Stein verwandelt hilflos nachts allein im dunklen Wald. Wenigstens ihr Denken hätte er ihr noch dazu nehmen können. Die Möglichkeit, sich alle entsetzlichen Dinge vorzustellen, von denen sie irgendwann einmal gehört oder gelesen hatte.

Plötzlich konnte sie sich wieder bewegen, ihr Arm fiel nach unten, ihr Kinn auch. Und er stand vor ihr. „Schnell.“ Seine Stimme war nur ein Flüstern, hallte aber in ihren Ohren. „Weg hier“.

Irgend etwas sagte ihr, dass jetzt nicht die Zeit für Diskussionen war. Sie wandte sich gehetzt nach allen Seiten um - waren das Schritte, Rufe? In welche Richtung? Sie sah ihn mit entsetzten Augen an. Ein Tier in der Falle. So fühlte sie sich. Ein Grunzen kam von dem Mann an ihrer Seite. Eine Hand packte sie an der Schulter, hart, und schubste sie in eine Richtung. „Da entlang“. Sie lief. Merkte erst nach einer Weile, als die Hand wieder an ihrer Schulter war, dass sie mit geschlossenen Augen gelaufen war. Sehen konnte sie sowieso nichts, da hatte irgend etwas in ihr wohl beschlossen, sich für die Orientierung auf einen viel älteren Sinn als die Augen zu verlassen. Sie drehte sich um zu ihm, als er sie plötzlich festhielt. „Sie sind nah, wir schaffen es so nicht.“ Seine Stimme machte ihr mehr Angst als alles andere.

Er zog sie an seine Seite, während er innerlich fluchte. Ballast, nichts als Ballast, diese Frau. Wie sie es geschafft hatte, überhaupt bis hierher zu kommen, war ihm schleierhaft. Er verzog das Gesicht. Mit einer verletzten Hand den Unsichtbarkeitszauber zu schaffen, war nicht einfach. Aber es musste funktionieren, es musste. Und das tat es auch. Die Frau starrte ihn an, ihre Augen leuchteten im Dunkeln. Das war aber nur noch für ihn sichtbar. Er legte einen Finger an die Lippen. Eigentlich hätte es ja jedem Idioten klar sein müssen, dass sie auf der Flucht waren und deshalb nicht reden durften, aber bei Muggeln wusste man ja nie. Noch dazu bei weiblichen. Noch dazu bei dieser. Snape verzog wieder das Gesicht. Nicht nur die Hand hatte Malfoy erwischt bei seinem lächerlich unpräzisen Zauber, als er ihn entdeckt hatte, auch sein Bauch hatte etwas abgekriegt. Später, wenn es ein Später gab, würde er sich darum kümmern.

Sie war völlig erstarrt. Wieso standen sie jetzt hier? Wenn sie auf der Flucht waren, sollten sie dann nicht rennen wie Hirsche? Irgendwas hatte er gemacht. Was? Sie konnte ihn noch sehen, auch die Umgebung, aber irgendwie war etwas anders. Sie sah - wie durch Schleier, ihn durch einen, die weitere Umgebung durch mehrere Lagen. Sie hörte Keuchen, Schritte, Rascheln. Sie erstarrte noch mehr und begann zu zittern. Sie konnte nichts dagegen tun. Ein Geräusch entrang sich ihrer Kehle, aber bevor es nach Außen dringen konnte, war eine Hand fest auf ihrem Mund und eine Stimme an ihrem Ohr. Eine seidenweiche Stimme, die sagte: „Wenn Sie einen Laut von sich geben, bringe ich Sie um, und wenn es das letzte ist, was ich tue“.

Sie biss in die Hand, die sie hielt, aber die Wut war gut. Sie kämpfte gegen die Panik. Und sie konnte die Augen öffnen und sehen, was geschah.

Es waren drei. Snapes Augen verengten sich. Nicht Malfoy, nein. Er würde die Drecksarbeit nicht selber machen. Töten, ja, rennen, nein. Seine Lippen verzogen sich zu einem säuerlichen Grinsen. Der Mann war so einfach zu durchschauen. Trotzdem, nicht zu unterschätzen. Er hatte ihn nicht unterschätzt, aber er hatte es einfach tun müssen. Dass er ihn bemerkt hatte, auch wenn er nicht wissen konnte, wer ihn beobachtete, das war Pech gewesen. Sicherlich nicht mehr? Ob Malfoy wusste, dass es nicht ein normaler Muggel war, den er gespürt hatte? Für Sensibilität war Malfoy nicht gerade bekannt. Nicht dass es eine grosse Rolle spielte. Wenn sie sie erwischten, wären sie beide tot.

Er konnte nur hoffen, dass er die Frau noch töten konnte, bevor sie ihn erwischten und unschädlich machten. Das war er ihr irgendwie schuldig. Nicht dass es bei seinem Gewissen noch etwas ausmachte. Töten würden sie ihn nicht, wenn sie ihn erkannten. Das würden sie ihrem - und seinem - Meister überlassen. Die Muggelin bewegte sich und keuchte. Seine Hand war auf ihrem Mund, bevor sie einen Laut von sich geben konnte. Er bedrohte sie und bemerkte, dass sie das wütend machte. Gut! Es war anscheinend doch nicht alles verloren.

Diese Reaktion hatte er in seinen Schülern immer erreichen wollen, dass sie gegen ihn auftraten und die Wut nutzten, um zu lernen. Sich durchzusetzen in der Welt. Leider hatte das nur bei wenigen funktioniert. Und das waren immerhin magisch Begabte gewesen. Irgendwie.

Er beobachtete die drei. Sie verteilten sich, liefen aber weiter. Einer schien irgendwas zu spüren, Snape umklammerte den Zauberstab mit seiner gesunden Hand, den Todesspruch schon auf der Zunge, aber der Mann lief weiter. Snape entspannte, ein kleines bisschen.

Die Hand auf ihrem Mund fühlte sich nicht mehr ganz so angespannt und hart an. Sie wäre beinahe zu Boden gesunken, sie fühlte sich, als ob plötzlich alle Anspannung sie verließ. Sie hatten sie nicht gesehen. Eine Hand war an ihrer Taille. „Reißen Sie sich zusammen“, sagte eine Stimme an ihrem Ohr, leise, gefährlich. „Es ist noch nicht vorbei. Wir bleiben hier stehen“.

Sie konzentrierte sich aufs Atmen. Aufs Atmen und darauf, einfach zu stehen. Und nicht zu sehr zu zittern. Nicht zu denken. Nicht daran zu denken, was alles noch passieren konnte. Was diese Männer mit ihnen tun würden, wenn sie sie erwischten. Nicht über den Mann an ihrer Seite nachzudenken, dessen Hand sie hielt, eigentlich beide Hände, wenn sie jetzt so darüber nachdachte und nachfühlte. Seine eine Hand war in ihrem Rücken, die andere hielt eine ihrer Hände. Sie bewegte sich, unruhig durch die Nähe.

Die Hand um ihre drückte fester, und sie meinte, ein ganz kleines Stöhnen zu hören. „Verdammt“, schnaubte er, „passen Sie doch auf. Ich weiß, dass Ihnen meine Nähe genau so unangenehm ist, wie das umgekehrt der Fall ist, aber das ist nicht zu ändern. Der Zauber funktioniert nur, wenn ich Sie halte. Wenn Sie mir allerdings noch mal ihren Ellbogen in meine Bauchwunden rammen, könnte ich sehr wohl versucht sein, Sie einfach loszulassen. Wenn Sie das wollen?“ Auch ohne seine Augenbrauen zu sehen, konnte sie sich sehr wohl vorstellen, wie er sie ansah.

Sie rückte ein wenig von ihm ab. Und streckte ihre Finger aus, um seinen Bauch zu berühren. „Sie sind verletzt? Wie? Wo?“ Sie hörte ihn scharf einatmen. „Weib, Sie sind wirklich komplett verrückt, was? Oder schwachsinnig. Oder beides. Jetzt ist wirklich nicht die Zeit und der Ort, um ihre mütterlichen Gefühle auszuleben“. Sie fühlte, wie sein Körper sich anspannte. Die Hand in ihrem Rücken war wieder auf ihrem Mund. „Sch“, zischte er in ihr Ohr. Sie zitterte.

Sie kamen wieder. Sie konnte es spüren. Genauso wie sie den starken verletzten Mann hinter sich fühlte. Der nicht aufhörte, sie zu beleidigen. Was sie aber seltsam stark machte. Stark genug, um das hier zu überstehen. Hoffte sie zumindest. Sie sah sie jetzt kommen. Sie waren ganz dicht. Sie hielt den Atem an und konnte nicht verhindern, dass sich ihr Körper, der Feigling, dichter an den Mann hinter ihr presste, als könne ihr das helfen. Ihr Hirn griff ein, um dafür zu sorgen, dass sie mehr an seiner Brust als an seinem verletzten Bauch lehnte. Trotzdem merkte sie, wie er zitterte, als sie ihm näher kam. Der Mann war anscheinend wirklich nicht an Berührungen gewöhnt - wie sollte er auch, so widerlich wie er sich verhielt. Oder er mußte sie so sehr verabscheuen, dass ihre Berührung ihn zum Zittern brachte.

Sie war ihm beinahe dankbar, dass er sie nicht diesen Männern auslieferte. In seiner Gegenwart wurde man dankbar für Dinge, die man bei anderen für selbstverständlich hielt. Wie nicht getötet zu werden, zumindest nicht ohne Grund.

Die Männer sahen eigentlich ganz normal aus, so im Dunkeln. Aber von ihnen ging eine Kälte aus, die sie ergriff. Sie fing zu zittern an. Die Hand, die eben noch ihre gehalten hatte, war jetzt an ihrem Oberarm, der dazugehörige Arm um ihre Brust und drückte sie an den Besitzer. Fest. Aus ihrer Kehle kam ein wütendes Knurren, aber nicht weiter als bis zu seiner Hand.

Er wusste nicht, was schlimmer war. Die Jünger Voldemorts oder diese Frau. Sie brachte ihn dazu, an Dinge zu denken, an die er nicht mehr denken wollte. Die er schon gar nicht tun wollte. Nicht mehr. Er hatte mehr als seinen Anteil daran gehabt, als treuer Jünger, zu seiner Zeit. Er hatte als Doppelagent in der Nähe Voldemorts diese Dinge weiterhin tun müssen. Um nicht aufzufallen. Sie lasteten auf seiner schwarzen Seele und quälten ihn in seinen schlaflosen Stunden. Die Schreie der Gemarterten, die unverzeihlichen Dinge, die er getan hatte, mit seiner Magie. Unverzeihlich und so weiter.

Aber diese Frau - er wusste nicht, ob er sie lieber schnell erwürgen oder langsam zu Tode martern wollte. Es war so einfach, so lächerlich einfach. Er hasste sich selbst für diesen Gedanken, aber er lag wirklich, wirklich nahe. Seine Augen verengten sich zu Schlitzen als die drei Trottel an ihnen vorbeiliefen, ohne sie zu bemerken. Die wurden auch immer schlechter, wer die wohl ausgebildet hatte? In Hogwarts waren die nicht gewesen, sicher nicht. Bemerkten nicht die riesige Lücke in seinem Unsichtbarkeitszauber, die durch seine Verletzung und seine - sein Mund verzog sich zu einem bitteren Grinsen - emotionale Anspannung ergeben haben mußte. Wenn nicht durch diese Frau.

Er sah sie an. Sie hatte ihren Kopf so weit es ihr möglich war, zu ihm umgedreht und er spürte Feuer aus ihren Augen blitzen. Sehr amüsant, unter anderen Umständen, aber völlig unangemessen. Wenn sie wüsste, was diese Männer mit ihr anstellen könnten, würde sie keine Zeit damit verschwenden ihn zu hassen. Der dasselbe tun konnte, es aber nicht tun würde. Solange er seine Beherrschung nicht verlor. Was einfacher sein würde, wenn sie aus diesem verfluchten Wald herauskämen.

Sie hasste ihn mit einer Inbrunst wie noch nie einen Menschen. Okay, vielleicht ihren Ex-Mann, ganz am Anfang. Aber seitdem niemand mehr. Diese Männer waren böse, das fühlte sie, und er beschützte sie. Irgendwie. Aber nicht freiwillig. Und es wäre sicher nicht nötig, sie so fest zu halten, dass es ihr das Blut abschnürte. Er hätte sie nicht bedrohen müssen. Er hätte nicht, oh verdammt. In was war sie nur geraten, als sie diesen Job annahm? Wieso waren sie hier? Wieso fühlte sie sich, als sei das erst der Anfang einer grässlichen Geschichte? Wenn sie jemals wieder aus diesem Wald herauskäme, würde sie kündigen. Sofort. Und nie wieder allein spazieren gehen.

‚Und nie wieder deine Wohnung verlassen?’, höhnte eine Stimme in ihrem Hinterkopf. Ja, genau so fühlte sie sich. Sie wollte wie ein kleines Kind ins Bett, die Decke über sich ziehen und nichts mehr von der Welt wissen. Aber noch war sie in diesem vermaledeiten Wald, mit Feinden überall, und in den Armen eines Mannes, der wohl ihr Chef war, aber dem sie nicht weiter traute, als den Männern, die eben an ihnen vorbei gerannt waren.

Diese Arme hielten sie immer noch verdammt fest, sie bewegte sich, um den Druck zu lösen, wurde aber nur noch fester gehalten. Irgendwo in ihrem Hirn tauchte Panik auf, nackte Angst. Er hatte sie in seiner Gewalt. Er konnte mit ihr tun, was er wollte. Er konnte sie hier einfach -zurücklassen. Oder - nicht. Sie schluckte. Und versuchte, mehr Luft zu holen. Sie konnte nur schwer atmen, durch die Hand, die auf ihren Mund gepresst war und auch einen Teil ihrer Nase abdeckte. Wieder durchfuhr sie ein rotglühender Stoß von Panik. Sie war in seiner Gewalt. Und sie kannte ihn überhaupt nicht. Traute ihm nicht. Er konnte sich verwandeln, er konnte zaubern und er konnte genau so böse sein, wie die anderen Männer. Oder vielleicht war er ja der Böse und die anderen waren die Guten? Ihr Körper wurde ganz schlaff vor Entsetzen. Nein, das konnte nicht sein. Sie hatte die Kälte und das Böse dieser Männer deutlich gespürt. Das spürte sie bei - ihm - nicht.

Da war irgendwas, hinter dieser dunklen Maske, aber sie konnte es nicht erkennen. Es konnte das absolut Böse sein. Aber auch etwas Anderes. Sie konzentrierte sich aufs Atmen. Langsam. Einatmen durch die Nase, ausatmen durch den Mund. Ruhig, immer ruhiger. Und sie bereitete ihren Körper auf schnellen Angriff und Flucht vor. Mental. Ohne einen Muskel zu regen. Bald würde - es - sich entscheiden.

Er lauschte. Sie waren weg. Noch eine Weile blieb er stehen und lauschte mit allen Sinnen. Schickte einen kleinen Erkundungszauber los, den er ohne Hände bewerkstelligen konnte. Seine Hände waren vollauf mit dieser - Frau - beschäftigt, Gott verdamme sie. Es wäre wirklich einfacher, sie zu töten. Aber das war es ja meistens. Töten war lächerlich einfach, wenn man einmal die gesellschaftlichen Hemmungen überwunden hatte. Mit den Konsequenzen zu leben, war schwieriger. Sehr viel schwieriger. Fand er jedenfalls. Aber Leben war nicht einfach. Nie gewesen. Nicht für ihn. Und in der Schwere fand er eine gewisse Befriedigung. Einfache Lösungen waren für andere. Nicht für Severus Snape. Er knurrte beim Gedanken an die Idioten, diese lächerlich pathetischen Idioten, die Freude am Leben hatten. Die dachten, es sei einfach. Einfach! Er verzog verächtlich den Mund. Einfach war es vielleicht, morgens aufzuwachen, wenn man es geschafft hatte, nachts nicht getötet zu werden, selber zu töten, oder sich umzubringen. Aber danach begann es doch schon. Mit der Schwere. Der Erkundungszauber kam zurück und meldete - nichts. Gut. Er ließ die Frau los. In seine Hände strömte wieder Blut. Er genoß den Schmerz.

Jetzt, schnell! Er hatte sie losgelassen. Sabina nutzte ihre Chance. Als seine Hände wieder näher kamen, schnellte sie herum, in einer Bewegung, die sie vor Jahren in einem Selbstverteidigungskurs gelernt hatte, und stieß ihr Knie hoch. Er gab einen zufriedenstellenden Laut von sich, aber sie blieb nicht lang genug, um das wirklich auszukosten. Sie drehte sich um und lief in die Richtung, in der sie die Stadt vermutete.

Verfluchtes Weib! Er hätte sie Malfoy ausliefern sollen! Malfoy hatte Methoden, mit Frauen - umzugehen. Er hatte es oft genug mit ansehen müssen. Dabei hatte sich ihm mehr als einmal der Magen umgedreht. Aber bei dieser Frau - gerne hätte er zugesehen, gerne. Er verzog das Gesicht. Sie hatte gut getroffen. Hatte ihm seine - körperliche Beschaffenheit mal wieder ins Gedächtnis gebracht. Er grinste freudlos. Das war doch wenigstens was! Da hatte sich der Tag doch gelohnt. Schwer atmend schloß er die Augen, um sie zu finden. Er fluchte wieder. Natürlich lief sie jetzt auch noch in die falsche Richtung. Direkt auf Malfoy zu. Seine Verletzungen mussten warten. Wenn er sie sicher in der Stadt hatte, in seiner Wohnung, dann würde er sie umbringen. Ganz sicher. Dumbledore hin oder her, genug war genug. Ein Mann konnte nur soviel ertragen, auch ein Snape, dessen Stärke Geduld war. Er hätte das verdammte Weib einfach mit Wingardium Leviosa herumschweben lassen sollen, er war selber schuld. Erwarte nie zu viel von den Leuten, Severus. Nicht, wenn es um dein Leben und ihres geht. Du hast die Verantwortung. Nimm nie an, dass andere Leute denken können. Oder zu den gleichen Schlussfolgerungen kommen wie du.

Er schnarrte wieder, tief in der Kehle. Das erinnerte ihn an Remus Lupin, den letzten - Menschen, den er jetzt in seinen Gedanken gebrauchen konnte. Er schüttelte wütend den Kopf. Remus - der würde jetzt nicht hier herumstehen und an seinen eigenen Gedanken ersticken. Remus würde wie immer einfach seiner Natur folgen und loslaufen.

Sie sah sich um, als würde sie gehetzt. Was ja auch stimmte. War das die richtige Richtung? Sie wusste es nicht, sie wusste es einfach nicht. Sie unterdrückte einen Schluchzer, mehr ein Aufheulen. Verzweiflung überkam sie, wie ein Tier sprang sie sie von hinten an. Vielleicht hätte sie es doch einfach an Ort und Stelle hinter sich bringen sollen. Hätte ihn einfach - machen lassen sollen. Was auch immer er wollte. Nun rannte sie hier herum, und wusste nicht, wohin. Die Anspannung, oh die Anspannung. Diese Angst. Jetzt komm, Sabina, sagte sie zu sich. Denk an Titanic! Ja, ich weiss, der Film war albern, aber die Moral war doch, sterben können wir immer noch.

Ihre Augen gewöhnten sich immer besser an die Dunkelheit, erkannten immer mehr. Ihr Atem ging ruhiger. Von der Stadt musste doch ein heller Schein ausgehen, irgendwas. Da, da war etwas Helles. Erleichtert atmete sie auf. Und ging darauf zu. Und erstarrte. Aus diesem hellen Fleck sahen sie zwei kohlschwarze Augen an. Sahen sie einfach an. Durchbohrten sie. Bevor sie aufschreien konnte, war er mit einer schnellen Bewegung, die ihr die Luft zum Atmen nahm, auf sie zugeglitten und hielt ihr wieder den Mund zu. Wieder bekam sie kaum noch Luft und spürte ihn hinter sich, wurde von ihm gehalten. „Still“, herrschte er sie an, in einem leisen, aber um so bedrohlicheren Tonfall. „Geben Sie mir nur noch einen Grund, und ich bringe Sie auf der Stelle um. Oder überlasse Sie - denen.“ Er nickte in die Richtung, in die sie weiter gelaufen wäre. „Und ich sage Ihnen, das wäre schlimmer, als einfach nur zu sterben. Viel - schlimmer. Glauben Sie mir“.

Sie entspannte in seinen Armen.

Hieß das, dass sie aufgab? Er konnte diese Frau einfach nicht durchschauen. Soviel dümmlicher Mut, gleichzeitig soviel Angst, die sie überwand, um wieder in die Gefahr zu laufen. Sein Mund verzog sich wieder. Wahrscheinlich hatte sie die Gefahr, die von ihm ausging, gespürt. Klug von ihr. Und er hatte nicht gespürt, dass sie gegen ihn - ausgeholt hatte. Nicht bevor sie es tat. Sehr - hinterlistig. Nein, es war gar nicht so sicher, dass sie, wäre sie eine Zauberin gewesen, in Gryffindor gelandet wäre. Das war definitiv Slytherin gewesen. Eine Tatsache, die der ehemalige Vorsteher dieses Hauses mit einem leichten säuerlichen Lächeln würdigte.

Er sah auf sie hinunter, die in seinen Armen hing. Ihre Augen brannten sich in sein Gesicht. Nein, aufgegeben hatte sie nicht. Sie würde kämpfen bis zum letzten Moment, auch wenn sie dabei vor Angst umkam. „Wenn ich Sie jetzt loslasse“, fragte er, „werden Sie dann in der Lage sein, ganz einfach Richtung Stadt zu gehen? Oder werden Sie wieder versuchen mich zu verletzen?“

Er sah in ihren Augen, dass sie das noch nicht endgültig entschieden hatte. Er unterdrückte ein Grunzen. Er musste ihr zugute halten, dass das alles für sie noch befremdlicher war als für ihn. Beängstigender. Wenn es ihm auch schwer fiel. Sich in Menschen zu versetzen, Frauen noch dazu, war nicht gerade seine starke Seite. Nicht, dass er das wollte, so eine starke Seite haben. Ihre Augen waren groß und dunkel, ängstlich. „Sehen Sie“, versuchte er es mit etwas anderem, was nicht seine Stärke war, zumindest nicht im Umgang mit anderen, mit Geduld. „Ich hätte Sie schon längst töten können, oder was auch immer Sie - befürchten. Ich habe im Gegenteil einiges auf mich genommen, um Sie hier herauszubringen. Können Sie mir wenigstens soweit vertrauen, auch wenn Schlangen vielleicht nicht Ihre Lieblingstiere sind?“ Ihre Pupillen wurden noch größer, er hätte sie nicht an seine Verwandlung erinnern sollen. Doch sie nickte, leicht, aber wahrnehmbar.

Gott! Beinahe hatte sie einen Herzinfarkt bekommen, bestimmt. So musste sich das anfühlen. Wie diese Augen sie plötzlich aus der Dunkelheit angestarrt hatten, diese gefährlich gleitende Bewegung, wie diese Arme sie hielten - sie schauderte. Gut, vielleicht war es idiotisch von ihr gewesen, wegzulaufen ohne zu wissen wohin. Aber noch idiotischer war es, jetzt mit diesem Mann hier zu stehen, während die anderen noch ganz hier in der Nähe waren. Sie waren nicht weg, sie spürte es, sie waren noch da, misstrauisch und - blutrünstig. Sie hatte nicht gewusst, dass sie dieses Wort überhaupt kannte, ganz zu schweigen von empfinden. Aber da war es, in ihrem Kopf, in ihren Gefühlen. Und es fühlte sich nicht gut an. Überhaupt nicht. Sie sollten machen, dass sie hier wegkamen, mit diesem Mann würde sie schon fertig werden. Irgendwie. Alles der Reihe nach. Wenn die sie kriegten, brauchte sie sich um ihn keine Gedanken mehr machen.

Sie war bereit, ihm zu verstehen zu geben, dass sie für den Moment vertraute. Ihm. Da sprach er ihr Vertrauen an. Und seine - Verwandlung. Schlechtes Timing. Ganz schlechtes. Sie erinnerte sich an das Entsetzen, das sie empfunden hatte, als plötzlich statt des Mannes dieser glatte, lange schlüpfrige - Leib - vor ihr gewesen war und sie angezischt hatte. Nicht dass das ein großer Unterschied zu seinen sonstigen Umgangsformen gewesen war. Sie musste grinsen, trotz der Umstände. Zwischen seine Brauen vertiefte sich diese vertikale Falte. Seine schwarzen Augen verengten sich. Seine Hände packten sie fester.

Nimm dich zusammen, sagte sie zu sich selber. Jetzt ist nicht die Zeit noch der Ort für einen hysterischen Lachkrampf. Sie sah ihm in die Augen wie hypnotisiert - und wenn er sich in eine Schlange verwandeln konnte, wieso sollte er nicht hypnotisieren können? - und nickte, um ihr Einverständnis zu zeigen. Mit - allem. Sie war zu schwach, um weiter zu kämpfen. Sie spürte, wie er sie noch fester packte. „Oh verdammt.“ Seine leise Stimme klang verbittert.

Jetzt war es auch schon egal. Nachdem sie seine Verwandlung und einige kleinere Tricks mitbekommen hatte - und er in seiner unnachahmlichen Dummheit sie auch noch an die Verwandlung erinnert hatte, damit sie es auch ja nicht vergaß, - konnte er auch den einfachsten Weg hier raus wählen. Nachher, wenn es ein Nachher gab, musste er sich sowieso überlegen, was er mit ihr machte. Nachher. Jetzt erst einmal raus hier. Schnell.

Er traute Malfoy nicht. Konnte sein, dass er nicht weg war, sondern die Schlinge zuzog. Mit Hilfe von - ihm. Snape schauderte. Malfoy hatte nun genügend Zeit gehabt, ihn zu rufen. Seinen - Herrn. Er schüttelte sein Unbehagen ab und packte die Frau fester. Sie wand sich ein wenig in seinen Armen, hatte aber keine Chance. Einen Moment später apparierte er mit ihr in seiner Wohnung. Dort ließ er sie sofort los und brachte die größtmögliche Distanz zwischen sie und sich. Er starrte sie wütend an. Und jetzt? Er musste sich um seine Wunden kümmern, konnte aber nicht riskieren, dass sie in der Zwischenzeit weglief. Nicht mit dem Wissen, das sie jetzt hatte. Er knurrte.


Kapitel 6

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