Jenseits von Hogwarts

 

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Kapitel 12

Zurück im Licht


Benommen blinzelte Harry in die plötzliche Helligkeit. Der Raum war nur schwach erleuchtet, dennoch schmerzten seine Augen. Noch immer war der Kreis geschlossen, hielten sie sich fest an den Händen. Als seine Augen sich wieder an das Licht gewöhnt hatten, sah Harry, dass Severus ihm gerade ins Gesicht blickte. Er sah blass und angespannt aus.
‚Du wünscht dir den Tod ?', sandte Harry vorsichtig eine geistige Botschaft zu ihm hinüber.
"Das braucht dich nicht zu interessieren", gab der Todesser kalt und laut zurück.
Beim Klang seiner Stimme zuckte Lucius, der immer noch mit geschlossenen Augen konzentriert dagestanden hatte, heftig zusammen und zwinkerte verwirrt. Dann sagte er mit gepresster Stimme: "Severus, würdest du mir bitte helfen, Black wieder loszuwerden? Es gefällt mir nicht unbedingt, meinen Körper mit ihm teilen zu müssen."
Severus gestattete sich ein kaum merkliches Lächeln. Dann begann er einen lateinischen Singsang, der Harry fatal an sein unglückseliges Duell mit Draco auf dem Mädchenklo der Maulenden Myrthe erinnerte. Als Harry Draco damals mit einem wirklich bösen Fluch so schwer verletzt hatte, dass sein Gegner fast verblutet wäre, hatte Snape die Wunden auf ähnliche Weise geheilt.
‚Er ist nicht nur ein Mörder', dachte Harry verwundert, ‚er ist auch ein Heiler.'
Ihm fiel wieder ein, dass Snapes Heilkünste auch Dumbledore gerettet hatten, als er schwer verletzt von der Zerstörung eines Horcruxes, Salazar Slytherins Ring, zurückgekehrt war. Auch Katie Bell verdankte dem Meister der Zaubertränke ihr Leben. Doch diesmal galten Severus' Bemühungen Sirius.
Fasziniert blickte Harry auf Lucius Malfoy, der die Augen wiederum geschlossen hatte und in einer Art Trance zu sein schien. Langsam begannen seine Konturen zu verschwimmen, als ein silbergrauer Nebel aus seinem Körper hervorquoll und sich in der Mitte ihres Kreises sammelte. Snapes Stimme wurde lauter und beschwörender, als sich der Nebel immer stärker verdichtete und schließlich die Konturen eines menschlichen Körpers anzunehmen begann. Atemlos vor Spannung verfolgte Harry, wie die Umrisse klarer und klarer wurden und dann stand plötzlich Sirius vor ihm.
"Sirius!", rief Harry glücklich und auf dem silbrigen Gesicht seines Paten erschien ein breites Grinsen.
"Harry." Sirius strahlte ihn einen Moment lang selig an. Dann wandte er sich erst zu Lucius, danach zu Severus und vollführte vor beiden eine halb spöttische, halb ernste Verbeugung. Doch er klang vollkommen ernst, als er leise zu ihnen sagte: "Ich danke euch."
Severus nahm erschöpft einen tiefen Atemzug und Lucius seufzte erleichtert.
"Wir können den Kreis jetzt auflösen", sagte Severus mit müder Stimme. "Aber langsam und vorsichtig! Harry, du machst am Besten einfach gar nichts."
Einen Moment lang hatte Harry das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren, als Lucius und Severus langsam ihre Hände öffneten und einen Schritt zurücktraten. Gleichzeitig zogen sie sich auch geistig und seelisch von ihm zurück und Harry erkannte überrascht, wie sehr er von ihrer Stärke profitiert haben musste. Kaum hatten sie sich von ihm gelöst, da verlor er das Gleichgewicht und wäre beinah gestürzt, wenn Lucius ihn nicht rasch am Arm gepackt und festgehalten hätte. Nach einigen Sekunden verschwand die seltsame Benommenheit und der Todesser ließ ihn wieder los. Sirius sah Harry besorgt an.
"Es geht mir gut, Sirius. Wirklich. Ich hatte nur einen Moment lang das Gefühl, als ob... Nun, als ob mir eine wichtige Stütze entzogen würde."
Severus nickte bestätigend: "Das ist völlig normal. Während unserer geistigen Verbindung hast du dich an uns festgehalten, an unseren Gedanken, an unserer magischen Kraft... Es wird noch ein bisschen dauern, bis du wieder sicher auf deinen eigenen Füßen stehst."
"Aber ihr seid ja immer noch in meinem Kopf", bemerkte Harry verblüfft, denn gerade hatte er deutlich Lucius' Arbeitszimmer vor sich gesehen, einen bequemen Sessel, ein prasselndes Feuer... Er war aber noch nie in diesem Raum gewesen!
"Nun, die Verbindung wird wahrscheinlich noch eine Weile anhalten. Sie schwächt sich aber mit zunehmender zeitlicher und räumlicher Entfernung deutlich ab. Allerdings: Um ehrlich zu sein, ganz endet sie erst mit dem Tod. Auch in zehn Jahren noch werden wir theoretisch in der Lage sein, bei entsprechender Konzentration oder auch bei heftigen Gefühlen Kontakt miteinander aufzunehmen."
Harry stöhnte leise: Er hatte Voldemort in seinem Kopf gegen Snape und Malfoy eingetauscht.
Severus hatte seinen Gedanken offenbar aufgefangen und lächelte dünn. "Nun, Harry, vielleicht solltest du doch noch ein bisschen Okklumentik lernen."
Dann wandte er sich an Sirius: "Hör zu, Black, wir sind noch nicht ganz fertig. Normalerweise bist du als Geist an den Ort deines Todes gebunden, so dass Harry dich immer hier im Ministerium besuchen müsste. Ich nehme aber an, dass ihr dazu beide keine Lust habt. An irgendetwas müssen wir dich aber binden, sonst wirst du einfach wegtreiben wie eine Schneeflocke im Sturm. Es gibt zwei Möglichkeiten: Ich kann dich an einen Ort binden, oder an eine Person. Von Letzterem würde ich allerdings abraten, denn dann könnte dein Patenkind nicht mal mehr alleine aufs Klo gehen." Snapes Lächeln wurde breiter und eine Spur ironischer. "Also: Wo willst du hin?"
Sirius sah ihn nachdenklich an. "Ist diese Entscheidung endgültig?"
"Nein, aber du brauchst schon einen recht geübten Magier, um die Bindung wieder aufzuheben."
Sirius seufzte tief. "Dann wohl am ehesten an den Grimmauldplatz, oder?"
Snape nickte und zog einen unscheinbaren, verrosteten alten Schlüssel aus seinem Umhang. Er tippte ihn leicht mit dem Zauberstab an. "Portus!" Der Schlüssel glühte auf.
"Black?" Snape richtete seinen Zauberstab auf Sirius und ein Netz feiner goldener Linien begann, die Geistergestalt zu umspinnen. "Damit du uns nicht verloren gehst unterwegs."
Gestützt von dem feinen Goldgeflecht war Sirius tatsächlich in der Lage, einen Finger auf den Portschlüssel in Snapes Hand zu legen. Harry und Lucius taten es ihm gleich.
"Eins... zwei... drei!"
Der unsichtbare Haken des Portschlüssels setzte an Harrys Nabel an und wirbelte ihn ein weiteres Mal durch den Raum.
Als sein Blick wieder klar wurde, standen sie in einer Seitengasse gegenüber des Ordenshauptquartiers Am Grimmauldplatz 12. Harry trat einen Schritt von Snape zurück und fuhr dabei unabsichtlich mit einer Hand durch den geisterhaften Körper seines Paten. Schaudernd spürte er die gleiche eisige Kälte, die hinter dem Vorhang geherrscht hatte: Sirius brachte einen Hauch von Todesfrost mit sich.
"Ich werde mich bereits hier von euch verabschieden", bemerkte Lucius plötzlich. "Black... Harry... Severus", grüßte er sie mit einem knappen Nicken. Dann gab es ein leises ‚Plopp!' und er war verschwunden, noch ehe Harry sich von seiner Überraschung erholt hatte.

***


"Also, wie sieht's aus?", fragte Sirius leise und eindringlich. Das goldene Spinngewebe um seine fließende Gestalt war bereits in Auflösung begriffen. "Wie kommen wir da rein?"
"Ich komme da gar nicht rein, denn das Haus hat jetzt einen neuen Geheimniswahrer. Aber es ist auch nicht nötig, dass ich das Hauptquartier betrete. Du als Geist bist nicht an die üblichen Schutzzauber gebunden, du kannst da einfach mit Harry zusammen reinmarschieren. Im gleichen Moment werde ich einen Bindezauber über dich legen, und damit hat sich die Sache fürs Erste. Dann werden dir sicher Minerva oder Remus weiterhelfen."
"Danke, Snape", sagte Sirius herzlich. "Ich weiß, ich habe das dir gegenüber nicht verdient." Severus zuckte die Achseln und sagte gleichgültig: "Ich habe mich bei Harry revanchiert, nichts weiter."
Sirius nickte knapp. "Trotzdem, danke."
Harry reichte Severus die Hand, die dieser nur zögernd ergriff, dann aber fest drückte.
"Wir bleiben in Verbindung, ja, Sn... Severus?"
Der Todesser nickte stumm. Dann ging Harry energisch auf den Standort des Black-Hauses zu, Sirius immer an seiner Seite, und konzentrierte sich dabei fest auf den Satz ‚Das Hauptquartier des Phönixordens liegt Am Grimmauldplatz Nr.12, London.' Im gleichen Moment erschien das alte Haus der Blacks zwischen zwei Muggelhäusern, erst dünn wie eine Scheibe Toast, dann immer breiter und breiter. Harry blickte rasch zurück zu Snape, der auf der anderen Seite des Platzes stand, eine schwarze Gestalt, die mit den anderen Schatten verschmolz. Harry drehte sich wieder zurück und schloss schnell die Tür auf. Seit einem Jahr war es sein Haus, er brauchte nun nicht mehr zu klingeln und zu warten. Die Tür schwang quietschend auf und sie betraten das Hauptquartier des Phönixordens.
"Alles okay, Sirius?", fragte Harry nervös.
"Mhm, ich denke schon, ja. Eben hat es ein wenig geprickelt, das war wahrscheinlich Snapes Zauber. Auf jeden Fall habe ich nicht das Gefühl, mich gleich aufzulösen, falls du das meinst."
Harry war erleichtert, dass alles so glatt gegangen war und spürte nun auch wieder die Freude über Sirius' Rückkehr in sich aufsteigen.
"Mensch, Sirius, am liebsten würde ich dich umarmen! Es ist so toll, dass du wieder da bist!"
Sirius lachte, es klang seltsam hohl, obwohl Harry spürte, dass sein Pate sich wirklich aus ganzem Herzen freute. An einiges an Sirius' neuem Zustand würde er sich erst noch gewöhnen müssen.
Aber jetzt mussten sie die gute Nachricht den andern überbringen!
"Ron! Hermine! Remus! Wo steckt ihr denn? Ich hab 'ne tolle Überraschung für euch!" Alles blieb still.
"Bill? Fleur? Fred? George? Wo seid ihr?"
Keine Antwort.
"Da stimmt doch was nicht!", sagte Harry nervös.
Mit gezogenem Zauberstab bewegte er sich vorsichtig Richtung Küche.
"Warte, Harry! Ich geh vor!" Und schon war Sirius an ihm vorbei geglitten. "Hier ist niemand!", rief er nach ein paar Sekunden. "Aber sie haben dir eine Nachricht dagelassen."
Harry stürzte in die Küche. Da lag tatsächlich ein Pergament auf dem Tisch.


Lieber Harry,
wo steckst du nur? Wir machen uns furchtbare Sorgen um dich! Alle Ordensmitglieder sind auf der Jagd nach Todessern unterwegs oder schon zu Verhören von Gefangenen im Zaubereiministerium. Mundungus soll das Ordenshauptquartier bewachen, ich hoffe sehr für ihn, dass er es auch tut!

Harry und Sirius grinsten sich an. Mundungus und etwas bewachen? Wahrscheinlich hatte er hastig die letzten Wertgegenstände aus dem Besitz der Blacks zusammengerafft und war gerade dabei, sie irgendwo auf dem Zauberer-Schwarzmarkt in der Nokturngasse zu verticken.

Komm bitte sofort ins Zaubereiministerium und melde dich bei Minerva oder Arthur! Und bitte verschwinde nie wieder, ohne etwas zu sagen, wir machen uns ja so schreckliche Sorgen, mein Lieber!
Molly Weasley.

P.S.: Harry, ich bin ja so stolz auf dich, dass du es geschafft hast, Du-weißt-schon-wen zu besiegen!!!

M. W.


Harry seufzte leise und sah bekümmert zu Sirius.
"Ich fürchte, es wird erst mal nichts mit der Wiedersehensfeier."
Achselzuckend grinste der Geist ihn an. "Ach, weißt du, langsam habe ich Übung im Warten. Außerdem", sein Grinsen wurde breiter, "würde ich zu gern unseren guten alten Hauselfen Kreacher ein bisschen erschrecken. Schließlich ist er nicht ganz unschuldig an meinem Tod!"
Harry musste ebenfalls grinsen.
"Gute Idee! Ich wünsche dir viel Spaß dabei! Und ich seh zu, dass ich möglichst schnell wieder hier bin!"
Sicherheitshalber packte er noch seinen Tarnumhang ein, vielleicht konnte er damit der zu erwartenden Meute feiernder Zauberer aus dem Weg gehen. Dann sprang er vergnügt auf die Straße hinaus: Heute war doch wirklich ein fantastischer Tag!








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