Jenseits von Hogwarts

 

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Kapitel 7

Durch das Feuer


"Harry! Aufsteeehn!"
Das grinsende Gesicht Ron Weasleys beugte sich über ihn.
"Hau ab, Ron!", brummte Harry verschlafen ins Kissen. Mit einem Ruck wurde ihm die Bettdecke entrissen und ein Schwall unangenehm kalter Luft traf seinen Körper.
"Aaah!"
Er schoss in die Höhe und sah in die ebenfalls breit grinsenden Gesichter von Fred und George.
"Meine Güte! Wie alt seid ihr eigentlich?", stöhnte Harry genervt.
Fred hob gespielt nachdenklich beide Hände und begann an den Fingern abzuzählen: "Also, mal sehen... Eins, zwei, drei... vierzehn, fünfzehn, sechzehn... Neunzehn, glaube ich! Was meinst du, George?"
"Jaaa, ich glaub' schon. Heißt das nicht, dass wir schon seit zwei Jahren richtig erwachsen sind?"
"Ihr und erwachsen? Ihr werdet nie erwachsen!" Hermines buschiger Haarschopf erschien in der Tür. "Aber wirklich, Harry, wenn du heute noch frühstücken willst, wird es langsam Zeit. Die anderen sind fast alle schon weg. Es ist gleich elf Uhr!"
Brummelnd erhob sich Harry, griff nach seinen Klamotten und machte sich schlaftrunken auf den Weg ins Badezimmer. Warum war er bloß so müde?
Und dann fiel es ihm siedendheiß wieder ein. Snape ! Wie hatte er das nur vergessen können? Eilig kippte Harry sich kaltes Wasser ins Gesicht und schlüpfte in seine Kleider. Er musste es Ron und Hermine einfach sagen. Snape hatte ihn zwar beschworen, die Sache für sich zu behalten, aber Snape hatte auch keine Ahnung, was Freundschaft wirklich bedeutete. Seine Freunde würden ihn niemals verraten, da war er sich absolut sicher. Und er würde im Kampf gegen Voldemort jede Hilfe brauchen, die er kriegen konnte.
Hastig fuhr er mit dem Kamm durch seine widerspenstigen Haare, dann riss er die Badezimmertür auf und stürmte auf den Flur. Er prallte direkt mit Bill zusammen, der einen überraschten Satz zur Seite machte. Als er Harry erkannte, überzog ein fröhliches Grinsen sein zerstörtes Gesicht. "Ah, Harry. Du musst ja hungrig sein wie ein Wolf, so eilig wie du es hast."
Harry griente zurück: "So hungrig wie ein Werwolf , und brachte sich mit einem Satz aus Bills Reichweite, der gespielt drohend die Zähne bleckte.
"Du entkommst mir nicht, Harry Potter!"
Doch Harry sprang schon die Treppe hinab. Mit Ron und Hermine konnte er später reden, hier würden sie ohnehin keine Minute ihre Ruhe haben.

***


Es war schon eine merkwürdige Truppe, die sich hier am Grimmauldplatz versammelt hatte, dachte Harry auf dem Weg in die Küche. Mittlerweile zwei Werwölfe und jetzt auch noch eine Vampirin... Er hatte Eugenie Manley seit der Aufnahmezeremonie nicht mehr gesehen und fragte sich etwas nervös, ob sie wohl auch im Haus der Blacks untergebracht war. Es widerstrebte ihm immer noch, es als sein Haus zu bezeichnen, obwohl Sirius es ihm vererbt hatte. Er mochte das Haus nicht besonders und außerdem hätte sein Erbe zu akzeptieren auch bedeutet, den Tod Sirius' endgültig zu machen. ‚Der Tod ist endgültig', wisperte eine kleine Stimme in seinem Kopf, die Harry rasch beiseite schob. Was Eugenie betraf, so fand er sie eigentlich sympathisch, wusste aber nicht so recht, wie er mit der Tatsache umgehen sollte, dass sie ein Vampir war. ‚Ein Killer...', sagte die leise Stimme in seinem Kopf.
"Quatsch!", widersprach Harry laut. Schließlich waren zwei seiner Freunde Werwölfe und er mochte sie beide wirklich gern. Na schön, Lupin hatte einmal versucht, Harry zu töten, aber das war in seiner Werwolfsgestalt gewesen und als er vergessen hatte, den Wolfsbann-Trank einzunehmen, der es ihm ermöglichte, bei der Verwandlung seinen menschlichen Verstand zu behalten. Und Bill schien sich mit Lupins Hilfe ganz gut in sein Dasein als Werwolf hineinzufinden... Wobei sie noch nicht sicher sein konnten, ob Bill überhaupt ein echter Werwolf war, als Greyback über ihn herfiel, hatte er das in seiner menschlichen Gestalt getan. Nun, beim nächsten Vollmond würden sie es wissen... Aber wer sollte jetzt den Wolfsbann-Trank für die beiden brauen, wo Snape nicht mehr im Orden war? Harry hatte kein rechtes Vertrauen in die entsprechenden Fähigkeiten Jessica Bolders. Was Eugenie betraf, vielleicht war es das Beste, wenn er sie einfach auf sein Problem hin ansprach.
Die Gelegenheit dazu kam schneller als gedacht. Als Harry die Küchentür öffnete, sah er Fleur Delacour mit der Vampirin in ein Gespräch vertieft am Tisch sitzen.
"Stör ich?", fragte er vorsichtig.
"Aber, 'arry, non, ganz im Gegenteil!", strahlte Fleur ihn an.
"Setz dich doch." Eugenie klopfte einladend auf den Stuhl neben sich. Harry bemerkte zu seinem Erstaunen, dass sie einen Teller mit Honigbrötchen vor sich stehen hatte.
"Ich dachte", begann er zögernd, "du... äh... Sie..."
" Du ist schon okay, Harry", lächelte Eugenie ihn freundlich an. "Und was den Rest deiner Frage betrifft... Nein, ich ernähre mich nicht nur von Blut, auch wenn ich eigentlich keine andere Nahrung zu mir nehmen müsste. Aber ab und an habe ich ganz gern ein bisschen Abwechslung, weißt du."
"Ähm, ja", antwortete Harry lahm und wurde rot.
"Und du brauchst auch keine Angst zu haben, dass ich dich beiße oder so. Zumindest im Moment nicht", setzte sie mit einem vergnügten Grinsen hinzu und biss kräftig in ihr Honigbrötchen. Sie trank einen Schluck Kaffee und setzte dann zu einer ausführlicheren Erklärung an. "Weißt du, eine Menge der Gerüchte, die unter Muggeln über Vampire in Umlauf sind, haben wir selbst in die Welt gesetzt, zu unserem eigenen Schutz. Zum Beispiel den Blödsinn, dass Vampire das Sonnenlicht nicht ertragen könnten, so können wir uns tagsüber völlig unbehelligt in der Öffentlichkeit bewegen. Oder die Sache mit den komplizierten Tötungsverfahren. Ich versichere dir, dass man mir in meinem langen Leben bestimmt ein Dutzend Pflöcke durchs Herz getrieben und mir ich weiß nicht wie oft den Kopf abgetrennt hat und dass ich mich jedesmal problemlos regenerieren konnte. Selbst Feuer kann uns nicht töten, wir würden, wie ein Phönix, aus unserer eigenen Asche wieder auferstehen. Wir sind so nah dran an der Unsterblichkeit, wie es ein Lebewesen nur sein kann."
Ein schrecklicher Verdacht stieg in Harry hoch. "Ist Voldemort vielleicht"
"Nein", schnitt Eugenie ihm brüsk das Wort ab, "Voldemort ist kein Vampir und er wird auch nie einer werden. Keiner von uns würde sich dazu herabwürdigen, ihn zu beißen, und er hat auch nichts anzubieten, womit er einen von uns bestechen könnte. Wir lieben unsere Freiheit und sind daher schon aus Prinzip gegen einen Tyrannen wie Voldemort eingestellt."
"Aber er könnte einen von euch zwingen!"
Eugenie ließ ihr silberhelles, metallisches Lachen erklingen. "Womit denn, Harry? Er kann uns nicht töten und er kann uns nicht foltern, denn wir sind gegen Schmerzen völlig unempfindlich." Noch ehe Harry oder Fleur begriffen, was die Vampirin vorhatte, hatte sie das große Käsemesser gepackt und sich im Bruchteil einer Sekunde die linke Hand abgetrennt.
"Oh, 'immel", japste Fleur und wurde leichenblass. Harry hatte es die Sprache verschlagen. Blut quoll aus dem Armstumpf und der abgetrennten Hand in Strömen über den Tisch und bildete eine Pfütze auf dem Küchenfußboden. Doch Eugenie zuckte nicht mit der Wimper. Mit Grauen beobachtete Harry, wie sich die abgeschlagene Hand auf den Fingern in Bewegung setzte und sich ohne Zutun der Vampirin am Armstumpf richtig positionierte. Eugenie strich mit der unverletzten Hand einmal leicht über die schreckliche Wunde, und sie war verschwunden. Harry schnappte nach Luft. Fleurs Hand zitterte, als sie fahrig nach ihrer Tasse griff und einen kräftigen Schluck Kaffee nahm.
Harry wurde langsam klar, warum Dumbledore einen Vampir im Orden hatte haben wollen. "Warum kämpfst du gegen die Todesser, wenn sie dir doch nicht schaden können?", fragte er leise.
"Dumbledore." Eugenies Augen wurden zu kalten, dunklen Tunneln, alles Menschliche war aus ihnen verschwunden. "Albus hat unendlich viel für uns getan. Nicht nur für Vampire, für alle Arten von Halbwesen, für Werwölfe, Meermenschen, Zentauren... Er war frei von Vorurteilen und Herablassung. Und er war ein wirklich guter Freund von mir. Deshalb werde ich jedem verdammten Todesser, den ich zu fassen kriege, das Leben bis zum letzten Tropfen auspressen. Ich werde es genießen, sie sterben zu sehen, ihre Angst zu fühlen..." Als sie die Furcht in Harrys Augen bemerkte, lachte sie klirrend und wechselte rasch das Thema, indem sie auf die große Blutlache am Fußboden deutete. "Wo sind denn die Werwölfe? Vielleicht möchten die das auflecken?", fragte sie vergnügt.
Fleur funkelte sie empört an. "Bill würde nie... Er ist doch kein 'und!"
Wieder erklang das unheimliche, helle Lachen und Eugenie tätschelte der Französin beruhigend den Arm. "Das war doch nicht ernst gemeint! Nun sei mal nicht so empfindlich!"
Aber Fleur schmollte.
Achselzuckend zog die Vampirin ihren Zauberstab und richtete ihn nacheinander auf die beiden Blutlachen am Boden und auf dem Tisch. "Ratzeputz!" Das Blut verschwand. "Bevor Molly rein kommt und einen Tobsuchtsanfall kriegt", zwinkerte Eugenie Harry verschwörerisch zu. Aber ihm war nicht nach Witzen zumute. Seine Stimme zitterte, als er an die Vampirin gewandt fragte: "Und es gibt absolut nichts, das einen Vampir töten kann?"
"Oh doch, das gibt es."
"Was?"
"Das, Harry", antwortete Eugenie immer noch lächelnd, "möchte ich doch lieber für mich behalten.

***


Nachdem sich Fleur und Eugenie noch eine Weile missmutig angeschwiegen hatten, standen sie plötzlich fast gleichzeitig auf, wünschten Harry noch einen guten Appetit und verließen die Küche. Harry kaute lustlos auf einem Brötchen herum, der Appetit war ihm so ziemlich vergangen.
Kaum hatten die beiden Frauen den Raum verlassen, hörte Harry ein merkwürdiges Zischen in seinem Rücken. Er drehte sich langsam um, und fuhr so heftig zusammen, dass er fast vom Stuhl gefallen wäre. Aus den lodernden Flammen des Küchenkamins sah ihm das angespannte Gesicht Severus Snapes entgegen.
"Wie hast du's geschafft, die magische Barriere zu überwinden?", stieß Harry atemlos hervor.
"Unwichtig", gab Snape kühl zurück. "Hör mir genau zu: Die Horcruxe sind alle zerstört, alle bis auf die Schlange Nagini. Der Dunkle Lord weiß nichts davon, er glaubt, nur das Tagebuch sei vernichtet."
"Aber, aber das ist ja großartig!" War das wirklich möglich? Und wenn ja, wer hatte es getan?
"Ja, mag sein", fuhr Snape hastig fort, ehe Harry nachhaken konnte. "Weniger großartig ist es allerdings, dass der Phönixorden gerade seine Leute um unser, um das Hauptquartier der Todesser zusammmenzieht. Sie wollen den Dunklen Lord angreifen, mit allem, was sie haben, und werden dabei direkt in seine Falle laufen."
"Sie wollen ihn angreifen ?! Aber warum haben sie mir... Warum weiß ich nichts davon?" Snape lächelte mokant.
"Vielleicht, Potter, waren sie der Meinung, dass es dich einfach nichts angeht. Aber in diesem Fall haben sie unrecht, fürchte ich. Du mußt sofort zum Schloss des Dunklen Lords kommen."
"Aber, wie?"
"Hast du Flohpulver?"
Harry blickte sich suchend um. Da stand die blaue Blechdose, in der Sirius immer das Reisepulver aufbewahrt hatte. "Nicht mehr viel drin", stellte er skeptisch fest.
"Eine Hand voll reicht. Unser Hauptquartier ist über die Kamine normalerweise nicht erreichbar, aber du kannst über das Flohnetzwerk nicht nur Orte, sondern auch Personen ansteuern, vorausgesetzt, dass sie sich ebenfalls gerade im Netz aufhalten. Aber " , er sah Harry scharf an, "versuch das nie, wenn die andere Person nicht informiert ist oder sich nicht mit der Methode auskennt. Sonst dürften allenfalls ein paar Körperteile von dir bei ihr ankommen."
Mit einem flauen Gefühl im Magen fragte Harry wenig begeistert: "Was soll ich also machen?"
"Das Gleiche wie sonst auch, nur dass du keinen Ort nennst, sondern meinen Namen: Severus Snape."
"Okay." Das Feuer zischte und wurde leuchtend grün, als Harry eine Hand voll Flohpulver hineinstreute. Dann trat er in den Kamin, aus dem Snapes Kopf inzwischen verschwunden war. Sofort fühlte er, wie etwas seinen linken Fußknöchel packte. Erschrocken sah er nach unten, eine geisterhafte Hand ragte aus den Flammen empor und hatte sich fest um sein Bein gekrallt. Harry kniff fatalistisch die Augen zu und rief laut und deutlich: "Severus Snape!"
‚Wenn das nur gut geht', hatte er gerade noch Zeit zu denken, dann wurde er mit einem heftigen Ruck in den Kaminschacht gezogen.




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