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Kapitel 6: Sprachlos

 


Kolleen betrat sein Büro und sofort sah er wie müde und erschöpft sie war. Ob er sie wirklich den Trank brauen lassen sollte? 'Hey sie ist zum Nachsitzen hier, da darf man ruhig etwas leiden!'
"Guten Abend Professor. Soll ich gleich anfangen?" Ihre Stimme war sehr ruhig. 'Beinahe entspannt', dachte er.
"Nein, Sie werden erst noch einen Trank für Madame Pomfrey brauen, also sehen Sie zu, daß er auch etwas wird!" Er ging durch die Tür in den Klassenraum und sie folgte ihm schweigend.
"Hier ist das Rezept, wo die Zutaten stehen wissen Sie ja." Das Pergament, was er ihr reichte, war eng beschrieben und die Liste der Zutaten lang. Einen kleinen Fehler hatte er in die Mengenangaben eingebaut und er war gespannt, ob sie ihn finden würde.
Mit einem Nicken nahm sie das Pergament und setzte sich an einen der Tische in der Raummitte.
Snape ging zum Pult und tat als widmete er sich einigen Aufsätzen.


Sie las das Rezept und war überrascht, daß sie diesen Trank brauen sollte, er war zwar nicht so schwer aber die Liste der Zutaten war sehr lang und man konnte schnell Fehler machen.
Na ja sie würde ihm zeigen, daß sie es konnte! Mit diesem Vorsatz ging sie hinüber zu den Vorratsschränken, nahm sich einen Kessel und sammelte alle Zutaten in ihm zusammen.
Zurück an ihrem Tisch studierte sie noch einmal genau die Zubereitung und wunderte sich über die Menge an Fliegenpilzpulver. Sie kam ihr etwas hoch vor. Die Zutaten, die das Gift neutralisieren würden, waren zu gering um es unschädlich zu machen, wenn nicht irgendeine Kombination neutralisierend wirkte, von der sie nichts wusste, wäre dieser Trank giftig und würde töten, anstatt Magenbeschwerden zu heilen.
Doch Snape irrte sich nicht bei seinen Rezepten, trotzdem blieben die Zweifel, vielleicht hatte er den "Fehler" mit Absicht gemacht. Sie war sich nicht sicher, aber bevor sie den ganzen Trank versaute wollte sie lieber das Risiko eingehen ihn zu fragen.
"Entschuldigen Sie Professor, wahrscheinlich irre ich mich, aber mir kommt die Menge an Fliegenpilzpulver zu hoch vor." Etwas ängstlich wartete sie auf seine Reaktion, doch als er den Kopf hob war keine steile Zornfalte auf seiner Stirn zu sehen, er sah eher etwas überrascht aus.


Sie hatte es tatsächlich bemerkt und das noch schneller als er erwartete hätte und als er aufsah konnte er nicht alle Überraschung aus seinem Gesicht bannen.
Betont langsam stand er auf.
"Tatsächlich?" Beinahe angestrengt ging er zu ihrem Tisch und nahm das Pergament in die Hand, um es zu studieren.
"Und wie kommen Sie zu dieser Annahme?"
Leichte Unsicherheit flackerte in ihren Augen, trotzdem begann sie zu erklären: "Nun ich denke, daß die Substanzen, die das Gift neutralisieren würden, zu gering sind und so der Trank giftig wird und nicht heilend, aber wahrscheinlich ist einfach eine Kombination dabei, deren Wirkung ich nicht kenne und das Rezept stimmt so."
Sie senkte, wie in Erwartung einer Rüge, den Kopf.
"Nein, Sie haben vollkommen Recht. Das Rezept stimmt so nicht. Es dürfen nur 10g von dem Pulver in dem Trank sein, wahrscheinlich bin ich in der Zeile verrutscht. Auch Ihre Erklärung war vollkommen richtig. Ansonsten stimmt das Rezept aber, ich denke Sie sollten dann auch anfangen."
Im Umdrehen sah er ihr etwas ungläubiges Gesicht und er lächelte zufrieden. Sie schien wirklich Ahnung zu haben und vor allem keine Angst vor ihm, aber das hatte er schon festgestellt, als er sie auf dem Astronomieturm erwischt hatte.

Je länger sie vor dem Kessel stand, desto mehr schien sich ihr Körper zu entspannen, hatte sie am Anfang noch müde und erschöpft gewirkt, füllte nun mehr ein gespanntes Glitzern ihre Augen.
Ihre Anwesenheit war ihm nicht unangenehm. Bei den meisten Schülern und vor allem im Unterricht fühlte er sich unter einem gewissen Druck, bloß nichts von sich preiszugeben, vor allem keine Schwächen. Die einzigen Gefühle die er normalerweise in Gegenwart von Schülern äußerte waren Zorn und Schadenfreude.
Im Augenblick aber, obwohl sie im Raum war, hatte er das Bedürfnis nach einem Buch und etwas Entspannung. Warum eigentlich nicht? Also stand er auf und verließ, um ein Buch zu holen und ohne ein Wort, für kurze Zeit den Raum.
Als er wieder kam, blickte Kolleen nicht einmal auf, sondern war weiter auf den Trank konzentriert und kurz fragte Snape sich ob sie seine Abwesenheit überhaupt bemerkt hatte.
Er setzte sich hinter das Pult, überschlug seine Beine und begann zu lesen.

"Ich bin fertig, Sir." Kolleen holte ihn aus seinem Buch zurück in die Realität.
Mit langsamen Schritten ging er zu ihr und sah in den Kessel. Der Trank hatte genau die richtige Farbe und als er ihn umrührte stellte er mit Zufriedenheit fest, daß er perfekt war und er ihn nicht hätte besser machen können. Natürlich sagte er das nicht.
"Das sieht gut aus Miss Anderson. Nun können Sie weiter machen wo Sie gestern aufgehört haben." Das kleine Lächeln, welches um ihre Mundwinkel zuckte, war nicht zu übersehen und auch er war mehr als zufrieden mit ihrer Arbeit.
Sie hatte sich abgewendet und begann die Flaschen in den Vorratsschränken zu sortieren. Snape wollte sein Buch weiter lesen, doch als er am Pult saß konnte er sich einfach nicht konzentrieren. Er wußte nicht was es war, aber dieses Mädchen zog nun seine Blicke auf sich und wenn sie ab und zu aufsah und sich zufällig ihre Blicke trafen lächelte sie. Warum tat sie das nur? Was sollte das?
Es war kein glückliches oder zufriedenes Lächeln, auch war es nicht geheimnisvoll, es war einfach nur freundlich. Aber warum? Diese Frage ging ihm nicht aus dem Kopf. Warum lächelte sie ihn an? Er war der unfreundlichste Lehrer der Schule und das mit Abstand, er ließ sie gerade zum zweiten Mal nachsitzen und war nie wirklich freundlich zu ihr gewesen. Also warum?
Er grübelte und versuchte sich weiter erfolglos auf sein Buch zu konzentrieren.
Nach einer halben Stunde hörte er wie die Schranktüren geschlossen wurden. Kolleen kam mit einigen Pergamenten auf das Pult zu und legte sie darauf.
"Die leeren Gefäße stehen dort vorne in einer Kiste. Haben Sie sonst noch irgendetwas?" Sie sah wieder genauso erschöpft aus wie am zu Beginn.
"Nein das ist alles. Sie können nun gehen."
Sie ging zu dem Tisch, auf dem sie den Trank gebraut hatte, nahm sich ihren Umhang und war auf dem Weg zur Tür. Snape wußte nicht warum, aber er konnte sie nicht einfach gehen lassen.
"Warten Sie noch einen Moment!" Mit fragendem Blick drehte Kolleen sich um und blieb wartend stehen. Er stand auf und ging zu ihr hinüber. Kurz vor ihr blieb er stehen und wollte sie fragen, doch er konnte nicht, er brachte es nicht fertig.
"Professor?" Sie sah ihn fragend an, wieder keine Spur von Angst in ihren Augen, Respekt aber keine Angst.
"Entschuldigen Sie, ich dachte Sie hätten etwas vergessen. Sie können gehen." Wieder lächelte sie ihm ins Gesicht.
"Dann gute Nacht Sir." Sie drehte sich um und ging.
Als die Tür ins Schloss fiel, zuckte er. Was war das denn gewesen? Er sprachlos? Wegen einer Schülerin? Wegen einer einfachen Frage? Er war verwirrt, vielleicht arbeitete er zuviel. Ja wahrscheinlich war das der Grund. Er würde die nächsten zwei Tage mal eine Pause machen.


Als Kolleen die Treppen zum Gryffindorturm hinaufstieg taumelte sie fast, so müde war sie. Sie hatte seit einer Woche nicht richtig geschlafen oder gegessen und ihr Körper wehrte sich nun dagegen.
Nachdem sie die große Treppe hinter sich hatte, lehnte sie sich schwer atmend an eine Wand und schloß die Augen, ihr war furchtbar schwindelig. Sie atmete tief durch und ging weiter, sie mußte sich so schnell wie möglich hinlegen oder sie würde irgendwo auf dem Weg zusammenklappen.
Der Flur vor ihr schwankte, als sie weiter ging mußte sie immer öfter eine Pause machen. Es waren noch zwei Treppen und drei lange Flure bis zur Fetten Dame.
Die erste Treppe war eine Qual gewesen. Langsam machte sie sich Sorgen, ob das normal war. Aber wirklich klare Gedanken ließ ihr ermüdetes Gehirn nicht mehr zu.
Die zweite Treppe kam und jede Stufe war eine Anstrengung für sich. Es waren noch drei Stufen, doch soweit kam sie nicht, an der Vorletzten versagte ihr Körper und sie fiel in Dunkelheit und spürte den Sturz auf die Treppe nicht mehr.

"Poppy ich weiß wirklich nicht was sie hat, wie gesagt als sie gegangen ist, sah sie nur etwas müde aus."
"Ist dir sonst nichts aufgefallen Severus?"
"Nein Minerva mir ist nichts aufgefallen."
Sie hörte die Stimmen wie durch einen dicken Vorhang. Sie war furchtbar müde und ihre Augenlider schienen schwer wie Blei zu sein.
Aber wo war sie nur? Poppy? Aber was sollte sie auf der Krankenstation, schließlich war sie nur auf dem Weg zum Gemeinschaftsraum gewesen.
Als sie versuchte sich zu bewegen, fuhr ein stechender Schmerz durch ihren Arm. Ein leises Stöhnen entfuhr ihrem Mund.
"Sie ist wach!" Es war Professor McGonagalls Stimme. Vorsichtig öffnete Kolleen die Augen und wurde vom Licht geblendet. Langsam gewöhnten sich ihre Augen an die Verhältnisse und sie sah Professor McGonagall an ihrem Bett stehen. Snape und Madame Pomfrey kamen nun auch näher.
Madame Pomfrey beäugte sie kritisch. "Was ist passiert und wie geht es Ihnen?"
"Dasselbe wollte ich Sie gerade fragen." Kolleens Stimme war schwächer als sie gedacht hatte.
"Mr. Filch hat Sie vorhin am Fuße einer Treppe gefunden, Sie waren bewußtlos." Es war Professor McGonagall, die sie nun besorgt ansah.
Irgendwie war das alles etwas viel für ihren müden Kopf. "Bewußtlos? Ich weiß nicht mehr. Ich wollte doch nur zum Gryffindorturm. Warum bin ich so müde?"
Sie kämpfte gegen den Schlaf oder die Bewußtlosigkeit an.
"Es sieht nach einem Schwächeanfall aus, Sie sollte jetzt schlafen. Ich bin sofort wieder da." Madame Pomfrey verließ den Raum und kam kurze Zeit später mit einem großen Becher wieder.
Kolleen wollte sich zum Trinken aufsetzten, doch reichte ihre Kraft nicht. Madame Pomfrey stützte sie und selbst der Becher schien Kolleen unendlich schwer. "Was ist das?", fragte sie trotzdem.
"Ein Schlaftrank, trinken Sie! Wenn Sie aufwachen wird es Ihnen besser gehen." Sie trank sehr langsam, denn auch das Schlucken war anstrengend. Kaum hatte sie ihren Kopf wieder auf das Kissen gelegt, fiel sie in einen tiefen und traumlosen Schlaf.


Kapitel 5

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