Man sieht nur mit dem Herzen gut

 

Zurück

 

Zurück zur
Startseite


 

Kapitel 5: Gedanken

 


Er hatte sie überraschen wollen, aber bei weitem nicht so erschrecken. Sie hatte hinterher ja gezittert wie Espenlaub und war absolut neben sich gewesen. In dem Moment, als er sie so gesehen hatte, hätte er sie gerne in den Arm genommen, ihr gesagt, daß es ihm leid tut und alles in Ordnung ist, doch schließlich war er ihr Lehrer und wie würde das aussehen? Wie kam er überhaupt auf solche Gedanken?
Und obwohl er sich immer wieder selbst zur Ordnung rief, kreisten seine Gedanken um Kolleen.
Während sie den Trank gebraut hatte, hatte er sie beobachtet und war erstaunt darüber gewesen wie genau und mit wie viel Gefühl sie alle Zutaten vorbereitete und in genau dem richtigen Maß zusammen gefügt hatte. Sie schien Talent zu haben und das hatte er die ganzen Jahre nicht richtig bemerkt. OK sie war sehr gut im Unterricht, aber vielleicht lag es an dem Unterricht mit den Slytherins, daß er sie nicht ganz beachtet hatte.
Nicht nur ihr Geschick beim Tränke brauen war ihm aufgefallen, auch ihre Schönheit. Auf den ersten Blick war sie ein unscheinbares Mädchen was nicht weiter auffiel, doch dahinter verbarg sich große Schönheit und einen Teil davon hatte er heute zu Gesicht bekommen. 'Severus es reicht! Bist du total übergeschnappt? Sie ist eine SCHÜLERIN!!!!'
Er verbannte alle Gedanken an sie aus seinem Kopf und setzte sich endlich mit einem Buch vor den Kamin und entspannte sich.

***



Keuchend und zitternd ließ Kolleen sich in einen Sessel vor dem Kamin fallen. Nur ganz langsam beruhigte sich ihr Atem und ihre Gedanken wurden etwas klarer.
Warum hatte er sie nur so erschreckt? Das war das erste Mal gewesen, daß sie jemand so aus der Fassung gebracht hatte.
In dem Moment wo er, ohne daß sie es wußte, hinter ihr stand, dachte sie zuerst es wäre ein Todesser, der auch sie töten sollte. Doch welch ein Unsinn, schließlich war sie mitten in Hogwarts und so schnell würde sich keiner von Voldemorts Anhängern hier her trauen. Noch einmal atmete sie tief durch, sie sollte aufpassen nicht plötzlich unter Verfolgungswahn zu leiden.
Langsam fühlte sie sich wieder sicher und dachte über das Nachsitzen nach. Eigentlich waren beide Aufgaben keine Strafe gewesen, denn auch das Sortieren war in gewisser Weise spannend gewesen.
Ihre Gedanken schweiften zu Snape. Der Ball kam ihr in den Kopf. Der Tanz mit ihm war seltsam gewesen, anders als alle anderen zuvor.
Ok, nie hatte wirklich jemand freiwillig mit ihr getanzt, aber obwohl auch dieser Tanz gezwungen war, war es schön gewesen.
Sie hatte dieselbe Unsicherheit bei ihm spüren können, die sie empfand und nicht nur Abneigung und Widerwillen, wie bei den meisten Menschen, die ihr so nah kamen. Irgendwie hatte sie das Gefühl, daß es ihm auch gefallen hatte. Ach was, das war bestimmt nur blöde Einbildung gewesen, er war schließlich ihr Lehrer.
Aber sein kleines Lächeln war zu niedlich gewesen und als er heute so völlig unordentlich vor ihr gestanden hatte, war ihr das erste Mal aufgefallen wie gut er aussah, sonst war er zu tief in seine dicken Roben versteckt, als dass man irgendein Urteil treffen könnte.
Diese Gedanken kamen ihr sehr krank vor, doch konnte sie nichts dagegen tun, er beschäftigte sie. Sein ganzes Auftreten beschäftigte sie und ernsthaft fragte sie sich, ob nicht alles nur eine Hülle war und dahinter der eigentliche Snape steckte, doch was machte sie sich jetzt auch noch darüber Gedanken, als hätte sie nicht schon genug im Kopf, er gehörte da sicherlich nicht hin.

In den letzten Tagen hatte sie so wenig geschlafen, daß ihr nun vor Erschöpfung fast die Augen zu fielen. Der Besuch zu Hause war kein angenehmer gewesen. Nicht nur die Beerdigung war schlimm gewesen, auch die Stimmung in der Familie war sehr angespannt. Ihre Eltern waren gereizt und machten sich Sorgen, wie es weiter gehen sollte und obwohl ihr Haus durch einen Secret Keeper beschützt wurde, von dem nicht mal Kolleen wußte wer es war, waren ihre Eltern sichtlich froh gewesen, als Kolleen wieder im Zug nach Hogwarts saß.
Nicht einmal zu Hause war sie noch sicher. Schon spürte sie wieder die Wärme der Tränen in ihrem Hals aufsteigen, als sie sich wieder faßte und alles ungeweint herunterschluckte.

Der Gryffindor Turm war sehr still an diesem Abend, außer ihr waren nur vier andere Schüler hier geblieben und alle waren aus den unteren Jahrgängen, aber das hatte zum Vorteil, daß sie den Schlafsaal für sich hatte und auch sonst oft alleine war.
Das was sie die ganzen Jahre verflucht hatte, die Einsamkeit, war das was sie nun suchte. Gruppen von Menschen erschienen ihr unglaublich anstrengend und sie waren etwas, was sie nicht lange aushielt.
Noch hatte sie nicht ganz verstanden was überhaupt passiert war, doch wünschte sie, es wäre alles wie früher und jemand wäre da, der sie in den Arm nahm und ihr ins Ohr flüsterte, daß alles in Ordnung sei. 'Wie kitschig!', dachte sie bei sich und lächelte gequält.

Es war schon spät, aber trotzdem fand sie keinen Schlaf, erst in den frühen Morgenstunden schlief sie endlich ein. Doch die Ruhe währte nicht lange, denn wieder wurde sie von Alpträumen geplagt und so erwachte sie gegen Acht schweißgebadet und immer noch in dem Sessel sitzend.
Kurz schloß sie noch einmal die Augen, um die dunklen Gedanken ihrer Träume zu verscheuchen und ging dann hoch ins Badezimmer um zu duschen.

In der Großen Halle gab es seit Weihnachten nur noch einen großen Tisch, an dem die 15 Schüler zusammen mit den Lehrern aßen. Als Kolleen die Halle betrat saßen nur drei Schüler, aber fast alle Lehrer an den Tischen, die in einem Viereck angeordnet waren.
Mit einem leisen "Guten Morgen" setzte sie sich an eine fast leere Tischseite.
Ihr Blick fiel auf das Essen vor ihr und wieder verging ihr der Appetit, sie hatte seit Tagen nichts richtiges zu sich genommen, doch nun zwang sie sich, sich ein Brötchen zu nehmen, denn seit dem Aufstehen rebellierte ihr Kreislauf etwas und vielleicht half das Essen.
Die Tür ging auf und Professor Snape kam viel ruhiger als gewöhnlich in die Halle und nahm zwischen Professor Dumbledore und Professor Flitwick Platz, genau auf dem Kolleen gegenüberliegendem Stuhl.
Verdammt warum mußte er ausgerechnet da sitzen, es waren schließlich genug andere Plätze noch frei! Sie seufzte und versuchte sich ihrem Brötchen zu widmen, doch schon nach dem ersten Bissen fühlte sie, wie sich ihr Magen nur noch mehr auflehnte. Sie schloß die Augen und zwang sich weiter zu essen.
Ab und zu spürte sie deutlich, daß jemand sie ansah und als sie aufblickte, sah sie Snape direkt in die Augen. Sie blieb ganz ernst und versuchte ihm durch die Augen nichts zu verraten, doch bei ihm war das ziemlich unmöglich und das war der Grund warum viele glaubten, er könne Gedanken lesen. Seltsamer Weise brach er den Blickkontakt und wendete sich zu Dumbledore.
Mehr als die eine Hälfte des Brötchens konnte sie nicht essen und so stand sie bald wieder auf und verließ die Große Halle.

'Faszinierend', dachte er als sie die Halle verließ. Dieses Mädchen war wirklich faszinierend. Sie war die erste Schülerin, die nicht sofort den Blick abgewendet hatte, sondern seinen Blick erwiderte. Das war aber nicht das einzige Seltsame, ihr Blick hatte ihm nichts gesagt, sie hatte ihn einfach angesehen ohne dabei irgendwelche Gefühle von sich preiszugeben und das hatte noch kein Schüler geschafft.
Er dachte an ihren Zaubertrank vom vorherigen Abend und beschloß am Abend zu testen wie gut sie wirklich war.
Den restlichen Tag war Snape beschäftigt und sah Kolleen nicht, denn bei den Mahlzeiten fehlte sie und daß schon seit sie wieder in Hogwarts war, wie ihm jetzt erst auffiel.

Nach dem Abendessen suchte er das Rezept eines Trankes heraus, den er noch für Madame Pomfrey brauen sollte, er war nicht sonderlich schwer, nur mußte er sehr sehr genau zubereitet werden, noch genauer als die anderen heilenden Tränke. Die meisten Schüler waren zu schlampig dazu und er wollte herausfinden wie das bei Kolleen war.
Um Punkt halb Acht klopfte es an seine Bürotür.
"Herein", sagte er in seinem typisch genervten Tonfall.


Kapitel 4

Kapitel 6

 

Zurück