Von Mördern und Verrätern

 

 

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Kapitel 14: Der Artikel


Harry war den ganzen Rest des Samstags kaum ansprechbar, und hatte sich, sobald er und die anderen wieder in Hogwarts waren, auf sein Zimmer zurückgezogen, wo er sich nur rücklings auf das Bett fallen ließ und den Stoff des Himmels anstarrte. Er fühlte sich hohl und hatte keine Tränen mehr übrig, die er vergießen konnte. Er bekam zwar mit, wie sich die Tür öffnete und Ron ebenfalls hereinkam, aber er sah nicht auf. Sein Freund allerdings ließ sich bloß auf sein eigenes Bett fallen und begann in einem Buch zu lesen, ohne ein Wort zu sagen. Ein warmes Gefühl von Dankbarkeit ergriff Harry. Seine Freunde ließen ihn nicht im Stich, und obwohl Ron ihn in seinen Gedanken nicht stören wollte, war seine Präsens doch beruhigend und tröstend.

Selbst als die anderen Schüler aus Hogsmeade zurückkamen und sich bereit machten in die Große Halle zu gehen, rührte sich Harry noch immer nicht. Ron kommentierte dies nicht weiter und erhob sich bloß von seinem Bett, um den anderen zu folgen.

Als er alleine war, schlüpfte Harry aus seinen Kleidern und unter die Bettdecke, bis etwa eine Stunde später die Tür wieder aufging und sich seine Mattratze leicht beugte, als sich jemand an deren Rand setzte.

"Ich habe dir etwas zu essen gebracht."

Harry setzte sich auf und sah auf einen lächelnden Ron, der ihm ein Stoffbündel hinhielt. Harry lächelte zurück. Er war nicht wirklich hungrig, aber Ron zuliebe würde er versuchen etwas herunterzubringen.

"Danke Ron", sagte er, während er das Stoffpaket auseinander knüpfte und einige Sandwichs zu Tage förderte.

Ron verwarf Harrys Dank mit einem Wink. "Ist schon gut. Möchtest du reden?"

Harry hielt zögernd zwischen zwei Bissen inne. Wenn er ehrlich war, würde er gerne mit jemandem reden, der ihn nicht sofort verdächtigen oder bemuttern wollte. Ron hatte Sirius und die ganzen Umstände um ihn gekannt. Außerdem wusste Harry, dass sein Freund ihn nie verraten und sein Vertrauen missbrauchen würde, wenn er ihm etwas privates sagte. Und so begann er zu erzählen. Von den Briefen, die er immer geschrieben hatte, wenn ihn irgendetwas bedrückt hatte und von den Träumen die er so oft gehabt hatte, dass sein Pate irgendwann freigesprochen würde und er fortan bei ihm leben konnte und endlich eine richtige Familie bekam. Er redete leise und lange mit Ron, und sie legten sich erst schlafen, als Neville gegen Mitternacht schüchtern in das Zimmer trat, als ob er nicht wusste, ob er etwas Wichtiges störte.

Harry verbrachte auch den Sonntag zurückgezogen in Begleitung Hermines und Rons, bis sie ihm am Abend sagten, dass er sich nicht ewig verkriechen konnte. Harry musste ihnen, wenn auch unwillig, recht geben. Das Leben würde weitergehen. Irgendwie, auch wenn diese Aussicht im Moment weder verlockend noch einfach umzusetzen schien.

Sobald er jedoch die Grosse Halle betrat, bereute er seinen Entschluss. Die Schüler begannen hinter vorgehaltener Hand miteinander zu flüstern und starrten ihn schamlos an, jedoch nur solange, bis er ihren Blicken begegnete. Jeder, den er direkt ansah, senkte sofort verlegen den Kopf.

Natürlich hatten die Informationen sich vom Gryffindorturm wie ein Steppenbrand über die ganze Schule ausgebreitet. Das war auch zu erwarten gewesen. Harry war die allgemeine Aufmerksamkeit zwar nicht sehr angenehm, aber immerhin bestand nun zumindest das Gemunkel, dass Sirius unschuldig gewesen war, wenn dieses Detail auch aller Wahrscheinlichkeit kaum jemand ohne gehörigen Zweifel aufnahm. Viel eher würde es so aussehen, als hätte Harry mit Voldemorts Getreuen gemeinsame Sache gemacht. Es war einfacher mit dem Finger auf ihn zu zeigen, der, wie jeder wusste, oft mit Voldemort zu tun hatte, als den Gerüchten so einfach zu glauben.

"Wusste gar nicht, dass du-weißt-schon-wer's Freund dein Pate war, Potter. Der Held der ganzen Zaubererwelt ist vielleicht auch Voldemorts Kumpan und macht mit ihm gemeinsame Sache."

Draco Malfoy, wie immer von Grabbe und Goyle flankiert, stand mit über der Brust gekreuzten Armen am Fußende des Slytherintisches und sah ihn mit leicht gerümpfter Nase abfällig an. Mit einem fiesen Grinsen kam er näher und warf eine Zeitung vor Harrys Füße.

Sofort bückte sich Ron mit entsetztem Blick um die Zeitung hochzuhalten, doch Harry war schneller und hielt eine Kopie vom ‚Tagespropheten' in den Händen. Die ganze Vorderseite schien nur von einem einzigen Thema zu handeln und es waren zwei Fotos, eines von Snape und das Fahndungsfoto von Sirius abgebildet.

"Harry", sagte Ron warnend. Harry ignorierte ihn und begann zu lesen

Am letzten Freitag hat der Hogwartslehrer Severus Snape den schon so lange gesuchten Mörder Sirius Black gestellt und getötet. Sirius Black schien ein unregistrierter Animagus zu sein und ihm ist sicherlich auch dieser Tatsache halber die Flucht aus Askaban gelungen. Augenzeugen zufolge hat er sich in der Form eines wilden Hundes getarnt. Wie uns Draco Malfoy, einer der Schüler von Hogwarts, mitgeteilt hatte, hatte der Mörder sicherlich vorgehabt den gesamten Schülern die Eingeweide herauszureißen. Es würde einen Mann, der kaltblütig ein knappes Dutzend Muggel und einen seiner Freunde umbrachte sicherlich keine Gewissensbisse bereiten, unschuldige Kinder zu töten.
Was allerdings sehr merkwürdig ist, ist die Tatsache, dass er von dem Zaubertranklehrer Severus Snape getötet worden ist, der, wie allgemeine Gerüchte verbreiten, ein ehemaliger Todesser sein soll. Diese Gerüchte werden noch dadurch unterstützt, dass Professor Snape vor den Augen all der unschuldigen Schüler einen Unverzeihlichen Fluch ausgesprochen hatte. Scheinbar ohne mit der Wimper zu zucken, wie uns Quellen im Ministerium mitteilten, hat er den Todesfluch auf Black gerichtet. Wie uns diese sicheren Quellen ebenfalls berichteten, wurde Severus Snape beim ersten Fall von dem-der-nicht-genannt-werden-darf, von dem Vorwurf der Zusammenarbeit mit diesem mit der Auflage freigesprochen, niemals einen der Unverzeihlichen Flüche gegen einen Mitmenschen einzusetzen unter der Androhung des sofortigen Kusses der Dementoren. Warum das Urteil nicht sofort ausgeführt worden ist und Snape eine Gerichtsverhandlung erhalten wird, ist fraglich und dient wahrscheinlich bloß dazu, dem-der-nicht-genannt-werden-darf zu zeigen, wie wir mit seinen Männern verfahren. Doch dass sich dessen Gefolgsleute untereinander umbringen, zeigt klar und deutlich, dass seine Macht am zusammenbrechen und all die Warnungen, er sei wieder so stark wie früher, nur übertriebene Ängstlichkeiten sind.

Deshalb wird der Prozess wohl auch nur Formsache sein und Severus Snape sicherlich nach der Verhandlung sofort den Kuss der Dementoren erhalten. Wobei die ganze Sache sich zum Guten wenden und die Welt von einem angeblichen Todesser und einem gemeinen Mörder befreien wird.

Der Tagesprophet wird Sie natürlich über den Verlauf der Verhandlung, die für kommenden Donnerstag festgesetzt worden ist, informieren.

Rita Kimmkorn für den Tagespropheten



Harry konnte nicht glauben, was er dort las. Rita Kimmkorn hatte eine wahre Verschwörungstheorie aufgestellt und bauschte den Mord und Snapes Verhaftung zu einer Karikatur der aktuellen Ereignisse auf.

Nicht dass er etwas gegen das gehabt hatte, was sie über Snape schrieb, aber Sirius hatte dies alles wirklich nicht verdient. Er war ein guter Mensch gewesen und sollte eigentlich eine Entschuldigung erhalten für die Jahre, die ihm unschuldig geraubt wurden, und nicht noch mehr Anschuldigungen.

"Dass er sich in einen wandelnden Flohsack verwandeln konnte, hat Black auch nicht gerettet." Harry sah nicht zu Draco auf, aber er konnte die Wut spüren, die langsam in ihm anwuchs. "Snape sollte einen Orden bekommen, anstatt im Gefängnis zu sitzen, und wenn ihn diese Idioten im Ministerium wirklich zum Kuss verurteilen, werde ich dafür sorgen, dass er dies auch tut."

Plötzlich trat Draco ganz nah zu Harry und flüsterte, so, dass nur er ihn hören konnte. "Weißt du, Potter. Mein Vater hat mir bestätigt, dass Black nie in den Diensten des dunklen Lords stand und auch diese Muggel nicht umgebracht hat, wie du überall herumerzählt hast. Leider gibt es keine Beweise und niemand wird deinen Worten jemals glauben."

Das war's. Mehr war Harry nicht bereit einzustecken. Bevor er überhaupt erst nachgedacht hatte, holte er aus und schmetterte seine Faust schnurgerade in Malfoys Gesicht. Dieser schrie auf und stolperte einige Schritte zurück, seine Hände über seine Nase haltend. Blut quoll unter seinen Fingern hervor und tropfte von seinem Kinn.

"Das reicht!" fuhr McGonagalls Stimme drakonisch dazwischen. Die Lehrerin hatte sich scheinbar schon zu Beginn des Streites vom Lehrertisch erhoben und trat soeben zwischen zwei Tischreihen hervor. "Mr. Goyle, bringen Sie Mr. Malfoy bitte in den Krankenflügel. Mr. Potter. In mein Büro." Sie sah streng zu Hermine und Ron. "Allein."

Ohne noch weiter auf sie zu achten, drehte sie sich brüsk um und stolzierte zum Ausgang.

Mit einem ergebenen Blick auf die mitfühlenden Gesichter Rons und Hermines, folgte Harry ihr.


***




"Ich wurde unterrichtet, dass Sie ein enges Verhältnis zu Sirius Black hatten und er Ihr Pate war. Aber obwohl ich Ihre Trauer verstehe, kann ich Ihr Benehmen nicht gutheißen."

Professor McGonagall hatte ihre Hände auf die Tischplatte ihres Pultes gestemmt und sah ihn leicht vorgebeugt mit hartem Blick an. Harry saß relativ gelassen auf dem Stuhl auf der anderen Seite des Pultes und erwiderte stur den Blick der Lehrerin, die über ihm ragte.

"Malfoy hat angefangen", trotzte er.

Die Lehrerin atmete tief durch, bevor sich ihr Gesichtsausdruck etwas entspannte und sie sich ebenfalls in ihren Sessel setzte.

"Harry", begann sie ruhig und nicht unfreundlich. "Mir ist Ihre Situation vollkommen bewusst, glauben Sie mir. Sie haben schon zu viel Tod gesehen und zuviel Menschen verloren für Ihr kurzes Leben. Auch ist mir bewusst, dass Ihre Umgebung hier nicht immer verständnisvoll reagiert."

"Sie meinen wohl Malfoy und seine Slytherins mit dieser Umgebung", unterbrach Harry barsch.

McGonagalls Gesicht zeigte deutlich, dass sie diesen Ton von ihrem Schüler nicht duldete und verhärtete sich wieder.

"Mr. Potter. Die Situation ist für die Slytherins auch nicht einfach. Egal was sie tun, sie stehen immer unter dem Vorurteil mit einem Bein schon auf der dunklen Seite zu stehen, von dem Tag an, an dem sie als Erstklässler vom Hut eingeordnet werden. Nun wurde ihr Hauslehrer wegen Gebrauch eben solcher dunkler Magie verhaftet und es besteht die reelle Chance, dass er den Kuss der Dementoren erhalten wird. Ich weiß, dass Sie nichts für Professor Snape übrig haben, aber es mag Sie überraschen, dass sich einige Leute hier um ihn Sorgen machen, selbst nachdem er ein solch schlimmes Verbrechen begangen hat. Für uns Lehrer und die Slytherins ist das Ganze auch schwierig und schmerzhaft. Überlegen Sie mal, wie es Professor Dumbledore in diesen Tagen gehen muss."

Bei diesen Worten senkte Harry schuldbewusst den Blick. Er wusste natürlich, dass Sirius' Tod und Snapes Verhaftung den Direktor mitnahm, und das Letzte was er wollte, war, ihm das Ganze noch schwieriger zu machen, aber er hatte auch ein Recht auf Gerechtigkeit. Er litt auch und wenn Malfoy ihm in die Quere kam, dann musste dieser halt damit rechnen, dass er sich wehrte. Bei diesen Gedanken, kam ihm wieder etwas in den Sinn, was ihn, seit er den Artikel gelesen hatte, gestört hatte.

"Professor", wechselte er das Thema. "Im Tagespropheten stand, dass am Donnerstag die Verhandlung ist."

McGonagalls Gesicht überschattete sich und ihr Mund wurde zu einer schmalen Linie als sie brüsk nickte. "Das ist richtig. Der Prozess ist auf Nachmittag, zwei Uhr angesetzt. Verwandlung und Zaubertränke fallen an diesem Tag aus, da der Direktor und ich zu dem Prozess gehen. Warum fragen Sie?"

"Ich will auch dabei sein."

McGonagall schüttelte entschieden den Kopf. "Kommt nicht in Frage. Der Direktor hat extra darauf hingewiesen, dass Sie nicht zu dieser Verhandlung kommen werden."

Harry spürte wieder die Wut in sich hochsteigen. "Ich habe ein Recht darauf, zu sehen wie Snape bestraft wird!"

"Nein!"

Harry sprang von seinem Stuhl hoch und starrte die Lehrerin herausfordernd an. "Sie können es mir nicht verbieten. Wenn Sie und Dumbledore mich nicht mitnehmen, dann frage ich Mr.Weasley oder schreibe dem Ministerium, dass ich als Zeuge auftreten werde um gegen Snape auszusagen. Die Erfahrungen, die ich in den letzten Jahre mit ihm als Lehrer gemacht habe, werden ihn bestimmt nicht entlasten, das sage ich Ihnen. Ich will sehen, wie dieser Bastard seine Strafe bekommt."

Auch die Lehrerin war aufgestanden und starrte ihn entschlossen an. "Fünfzehn Punkte Abzug für Gryffindor und Strafarbeit mit Filch für den Rest der Woche, Mr. Potter. Ich toleriere nicht, dass Sie gegenüber einer Lehrkraft einen solchen Ton anschlagen."

"Sie können mir bis Schulschluss Strafarbeit geben und so viele Punkte abziehen wie Sie wollen. Ich gehe zu dieser Verhandlung", flüsterte er gepresst, drehte sich auf dem Absatz um und verließ türknallend das Büro der Lehrerin.


***




T.B.C.


 

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