Von Mördern und Verrätern

 

 

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Kapitel 46: Alte Feindschaften

‚Warum musste mich Dumbledore nur in diese Situation hineinmanipulieren', dachte Sirius Black wütend, als er in seiner Hundeform durch den Wald lief, und dann und wann über hervortretende Wurzeln sprang.

Der Animagus forderte sich selber ein recht hohes Tempo ab um seinen Frust zu verarbeiten. Er wusste, dass er nicht sehr lange von der Hütte wegbleiben konnte, doch die körperliche Betätigung war nötig, oder er wäre noch explodiert und hätte keine Garantie mehr über Snapes weiteres Wohlbefinden übernommen.
Was hatte sich der alte Mann nur dabei gedacht? Das würde nie gut gehen. Er hatte es versucht, wirklich, und er hatte Snape, wenn auch ungern und obwohl der bloße Anblick des Mannes sein Blut zum Kochen brachte, geholfen, und dann wagte der Bastard auch noch, ihn so arrogant und herablassend anzusehen, als wäre er nur ein Sklave, der nichts wert war. Typisch Snape. Typisch Slytherin. Sie waren über jeden anderen Zauberer erhaben. Ihnen gehörte die Welt. Ein wenig Dankbarkeit wäre ja wohl auch zu viel verlangt gewesen.

Der Zaubertränkemeister war, außer dieses eine Mal, zweimal kurz aufgewacht, aber kaum ansprechbar gewesen. Sirius hatte nach dem ersten Mal Kotakt zu Albus und Madame Pomfrey aufgenommen. Die Krankenschwester hatte gesagt, dass Snapes Körper durch Schlaf versuche die Strapazen zu verarbeiten, und wenn der Flüssigkeitshaushalt in seinem Körper wieder ausgeglichener war und er mit der Infusion einige Nährstoffe bekommen hatte, erdann auch bald klarer im Kopf sein würde und längere Zeit wach bliebe.

Und dann fing der Spaß für ihn, Sirius, wohl erst recht an. Einen Vorgeschmack hatte er ja schon erhalten.

Snape war schon immer so gewesen. Überheblich, machtbesessen und mit einem starken Hang zum Bösen. Genau wie die Menschen, gegen die Sirius sich immer aufgelehnt hatte, die ihm seine frühe Kindheit zur Hölle gemacht hatten.

Snape war schon am rechten Ort gewesen, als Todesser. Er selbst und die anderen Herumtreiber hatten schon in der Schule vermutet, dass es Snape mit der guten Seite nicht so genau nahm. Der dunkle Lord hätte ihnen allen einen Gefallen getan, wenn er Snape einfach umgebracht hätte.

Als diese Gedanken durch seinen Kopf schossen, fühlte er sich sogleich schuldig deswegen und verlangsamte sein Tempo in einen gemächlichen Trott. Niemand hatte den Tod verdient, und er dachte normalerweise auch nicht so. Bloß Malfoy, Snape und der dunkle Lord selber brachten ihn dazu so zu denken. In seinen Augen war Snape auch genauso gefährlich wie sein Meister und er verstand nicht, wie ihm Dumbledore nur so blind vertrauen konnte. Konnte denn niemand sehen, dass er eine Gefahr war? Dass Snape sich von ihnen abwenden würde, wenn sich ihm auf der anderen Seite bloß eine bessere Möglichkeit bot oder sie im Krieg schlechter dastanden. Die Slytherins waren Opportunisten und Snape würde sich dem Gewinner anschließen und auf verlorenem Posten nicht mehr zu ihnen halten.


Verdammt noch mal.

***



Mit einem erstickten Schrei fuhr Severus Snape in eine halb aufgerichtete Position, nur um gleich wieder völlig entkräftet und mit flimmerndem Blick auf das Kissen zu sacken, als ein heftiger Schmerz durch seinen Körper fuhr. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals und der schiere Terror drückte seine Rippen zusammen und ließ seinen Körper heftig zittern.

Wieder blieb die Orientierung zurück, doch wo er war schien erst mal unwichtig, als er mit tiefen keuchenden Atemzügen und geschlossenen Augen versuchte, die Panik zu unterdrücken. War es ein Traum gewesen, der ihn in solch einen Zustand versetzt hatte? Er konnte sich nicht mehr erinnern. Doch was war überhaupt noch Traum und was war Wirklichkeit? Er hatte auch von Black geträumt. Davon, dass er weg von der Zelle und in einem Bett war, nur um Sirius Black an seiner Seite zu finden. Welch Hohn...

Langsam beruhigte sich sein Herz wieder, wenn auch ein Echo der Panik blieb, nur geschwächt von der bleiernen Resignation, die ihn seit dem Tod des letzten Kindes zu erdrücken schien.

Und dann realisierte Severus etwas komisches. Er lag nicht auf hartem Stein, sondern auf weichen Kissen.

Er öffnete die Augen und sah direkt an die gegenüberliegende Wand eines kleinen, holzverkleideten Zimmers. Sein Blick wanderte zu seinen Händen, die bandagiert waren, und er erblickte einen dünnen Schlauch, der unter einem weiteren Verband an seinem geschienten Ellbogen verschwand. Die Schmerzen in seinem Körper waren noch immer da, aber irgendjemand schien seine Wunden notdürftig versorgt zu haben.

Und dann verstand er auf einmal. Es war kein Traum gewesen. Black war hier und er war weg von Malfoy und dem dunklen Lord.

Irgendwie war er gerettet worden.

Als diese Erkenntnis zu ihm durchdrang, legte sich erneut ein Gefühl der Verzweiflung über ihn.

Warum?

Warum hatten sie ihn jetzt gerettet? Warum waren sie nicht früher gekommen? Bevor er sein letztes Bisschen Stolz verloren hatte.

Er hatte schon wieder versagt. Hatte seinen Willen nicht behalten und sich vor Malfoy und Voldemort erniedrigt. Schon wieder war er der Verlierer gewesen, der Idiot und der Clown, über den alle lachten. Er blinzelte gegen den Stich heißer Tränen, die drohten in seine Augen zu steigen. Warum hatten sie ihn nicht einfach sterben lassen?

Warum hatte man ihn entblößt in dieser Schande, schwach und ausgeliefert finden müssen?

Weil Malfoy Recht gehabt hatte, wusste er instinktiv. Er war wertlos und schwach und all seine Versuche unantastbar und stark zu sein, sich Respekt zu verschaffen, waren für nichts gewesen. Eine pathetische Imitation eines Lehrers oder menschlichen Wesens. Höchstens gut um sich jemandem vor den Füssen zu winden und auf sich herumtrampeln zu lassen. Mittel zum Zweck. Ein wimmernder Feigling.

Und natürlich war Black in vorderster Front dabei, um diese Situation auszukosten.

Black würde das genießen, so wie all die anderen, die ihn so sahen.

Severus drängte diese Gedanken zurück. Sein Gehirn war verwirrt, seine Gefühle selbst für ihn nicht mehr zu verstehen. Da waren Scham, Enttäuschung, Wut, und zum ersten Mal in seinem Leben fühlte er die ohnmächtige Gewalt von Hoffnungslosigkeit und Selbstmitleid.

Selbstmitleid. Er, Severus Snape?

Die aufbrausende Stimme seines Stolzes, die ein solches Gefühl früher nie zugelassen hätte, war seltsam leise und kraftlos geworden. Er fühlte Selbstmitleid über die Ungerechtigkeit seines Lebens und auch über Wut und Scham über seine Schwäche, dass er sich selber nicht einmal mehr treu geblieben war.

Alles hatte sich geändert. Sein Leben war von ihm gerissen worden und obwohl sein Herz noch schlug, obwohl seine Lungen noch weiter Sauerstoff in seine Blutbahnen transportierte, war er gestorben. Nein, schlimmer als das. Man hatte ihn gebrochen. Er war nichts mehr wert.

"So, wieder unter den Lebenden und bereit Kinder zu erschrecken?" ertönte eine höhnische Stimme.

Sirius Black stand in der Tür und feixte ihn verächtlich an.

Severus' momentaner Gemütszustand ließ ihn nur ansatzweise begreifen, dass Sirius seine üblichen Lehrereigenschaften ansprach, doch seine verkrüppelte Seele blieb bei der Erinnerung an vier kleine Kinder hängen, bei deren Rettung er gescheitert war.

Sofort schloss sich eine mentale Tür und er unterdrückte ein Zittern. "Verschwinde, Black." Severus ignorierte die kratzenden Schmerzen in seiner Kehle und das wattige, taube Gefühl in seinem Mund. Er bemerkte kaum, wie rau seine Stimme sich anhörte, alles was er noch tat, war sich auf seine Atmung zu konzentrieren und zu versuchen sein rasendes Herz zu beruhigen und die erneut aufkeimende Panik zu unterdrücken.

"Schon wieder der gute alte charmante Snape wie ich sehe."

"Ich will dich nicht sehen."

Sirius lachte freudlos auf. "Dann haben wir für einmal etwas gemeinsam, Snape. Ich bin auch nicht gerade scharf darauf, hier zu sein. Von mir aus hätten wir dich ruhig bei deinesgleichen lassen können. Leider hat mich Dumbledore dazu verdonnert mich um dich zu kümmern."

Sirius' Stimme war geladen mit Feindseligkeit und Abscheu, doch das beachtete Severus nicht weiter. Er war mehr darauf konzentriert, die Information zu verarbeiten, die ihm Sirius gegeben hatte. Dumbledore? Dann hatte er ihn trotzdem gesucht? Ein Anflug von Hoffnung überkam ihn. Hatte Malfoy gelogen?

"Dumbledore hat mich gefunden?" Er war zu verblüfft um seiner Stimme die übliche Kälte zu verleihen und bemerkte auch kaum das überraschte Stirnrunzeln Blacks.

"Wir haben einen Brief von du-weist-schon-wem erhalten, wo wir dich finden können."

Einen Brief? Natürlich. Wie idiotisch anzunehmen, dass Dumbledore ihn gesucht hätte. Wenn er einen Brief bekam, dann gebot es ihm seine Ehre ihn zu holen. Er würde sich darum kümmern, dass er gefunden würde, wie er es bei jedem Fremden tun würde. Severus war ein Narr, wenn er jemals gedacht hätte, Dumbledore würde ihn als Freund ansehen. Und warum war ihm das plötzlich so wichtig? Er war alleine immer glücklich gewesen.

"Hau endlich ab, Black, du flohverseuchter Mistkerl. Ich will dich nicht sehen!" Na, also, die Schärfe war in seiner Stimme zurück. Er brauchte die anderen nicht mehr als er das vorher getan hatte. Wenn er niemandem vertraute, dann konnte er nicht mehr verletzt werden. Obwohl er sich das einredete, verdichtete sich der Schleier von Hoffnungslosigkeit um ihn.

Er war so müde. Natürlich wusste er, dass dies von der Folterung und seinen Verletzungen herrührte, aber es erschien ihm, dass es sein ganzes Leben war, das ihm im Moment so sinnlos und anstrengend vorkam. Er wollte dies alles nicht mehr.

Severus schloss kurz die Augen im Bemühen, alles um sich herum auszuschalten.

"Das würde ich gerne tun, Snape aber ich fürchte, dass ich dir die nächste Ration deiner Medizin geben muss."

Diesmal hatte Blacks Stimme einen klaren Ton Schadenfreude und Severus öffnete die Augen um den Animagus giftig anzustarren. Warum ließ ihn dieser Idiot nicht endlich in Frieden? Sein ganzer Körper schmerzte, sein Mund war unangenehm trocken und er war müde. Blacks Sticheleien konnte er wirklich nicht auch noch ertragen.

"Dazu brauche ich dich nicht, Black."

Wieder grinste Black sein schräges, herablassendes Grinsen, was Severus schon seit seiner Schulzeit so hasste. "Du kannst ja versuchen den Trank alleine zu nehmen, aber ich vermute, dass deine Hände wohl kaum dazu in der Lage sind, etwas zu halten."

Unwillkürlich senkte sich Severus' Blick auf die dick verbundenen Hände. Er erinnerte sich daran, was Malfoy mit ihnen gemacht hatte. Verkrüppelt und durchlöchert und der stetige, brennende Schmerz darin würde es ihn auch nicht vergessen lassen. Warum war Poppy nicht hier, um seine Wunden zu heilen? Warum sprach sie nicht einige Heilzauber aus und gab ihm einige Zaubertränke, die ihm wirklich helfen würden, damit er nicht so wehrlos und voll Schmerzen hier liegen musste?

"Wo ist Poppy?"

"In Hogwarts. Sie kann leider schlecht weg, genauso wie der Direktor, da es auf der Schule von Auroren wimmelt. Darum bin ich ja auch dazu verdammt hier zu sein und dafür zu sorgen, dass du nicht abkratzt. Sie war vor ein paar Stunden hier und bevor du fragst, sie konnte deine Wunden nicht magisch heilen."

Das weckte Severus' Interesse und er vergaß sogar kurz, seinem Gesicht abweisend aussehen zu lassen. "Was? Wieso?"

"Dein Meister hat dir ein Abschiedsgeschenk hinterlassen, bevor er Dumbledore geschrieben hatte, wo wir dich finden."

"Er ist nicht mein Meister", knurrte Severus, doch sofort überkamen ihn wieder Erinnerungen, als er das sagte.

"Wer ist dein Meister Severus?"

"Ihr seit mein Meister."


"Wie dem auch sei", riss ihn Blacks Stimme aus der Erinnerung. "Er hat dich magisch überladen, so dass jede Magie dir schaden würde. Darum keine Zaubersprüche und nur begrenzt Zaubertränke."

Severus schloss erneut dir Augen. Er erinnerte sich vage an den ihm unbekannten Zauberspruch und das Gefühl danach, als würde er bei lebendigem Leibe auseinandergerissen. Keine Magie mehr. Merlin, warum hatten sie ihn bloß gerettet? Es war tatsächlich so. Schlimmer als tot. Unbeliebt war er ja schon immer gewesen. Jetzt war er auch noch nutzlos. ‚Voldemort hat wirksam gezeigt, wer der Meister ist', flüsterte eine ganz leise gewordene sarkastische Stimme in seinem Hinterkopf.

"Der Zaubertrank, den du einnehmen musst, ist nicht ganz ohne Risiko. Madame Pomfrey hat gesagt, dass ich warten soll, bis du wieder ansprechbar und etwas besser dran bist, was nun offensichtlich der Fall ist bei deinem altgewohnten überheblichen Gehabe hier."

Severus öffnete die Augen wieder und sah wie Black einen Handspiegel, den Severus als magischen Spiegel vermutete, in die Nähe legte, zusammen mit einigen seltsam aussehenden Muggelgeräten.

Black schien seinen skeptischen Blick auf die Geräte zu bemerken und schnaubte bloß verächtlich. "Natürlich wäre es eine ungeheuerliche Annahme, dass du dich bei Muggelgeräten auskennst. Die sind um deinen Kreislauf zu überwachen und der Spiegel um Madame Pomfrey, wenn nötig, zu rufen. Es ist gut möglich, dass dein Körper schlecht auf den Trank reagieren wird und auch wenn es mir egal ist, dann wollen die anderen wohl nicht, dass du stirbst, nachdem sie sich soviel Mühe mit dir gemacht haben."

Severus beachtete Blacks verbalen Angriff nicht und heftete seine Blick auf die Phiole mit einer bräunlichen Flüssigkeit in der Hand des Animagus, als wäre dieser Trank sein heiliger Gral. Wenn sein Körper auf die Magie reagieren würde und er einen Kreislaufkollaps hatte, dann wäre er endlich erlöst von den Alpträumen, der Scham und diesem verteufelten Leben.


 

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