Von Mördern und Verrätern

 

 

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Kapitel 59: Der Angriff



Es vergingen ganze drei Monate, bis der Ruf endlich kam.

In der langen Zeit des Wartens und des Bangens hatten die Mitglieder des Ordens schon fast die Hoffnung verloren, ob ihr Plan auch wirklich aufgehen würde. Zwar hatten sie durch die Wanzen in den Häusern viele wichtige Informationen von den Todessern erhalten und so einige Leben retten können, auch hatten sie erfahren, dass ein seit Severus Verrat äußerst paranoider Voldemort drei seiner Todesser hatte hinrichten lassen, weil er dachte, sie wären diejenigen, die diese Informationen weitergeleitet hatten, aber dennoch hatten sie nie von dem dunklen Lord selber gehört, dass er einen der Plätze besucht hätte. Dies war die negative Seite seiner Vorsicht. Nie benutzte er einen Treffpunkt für seine Todesserzusammenkünfte ein zweites Mal.

Black saß in der Küche und beobachtet gelangweilt, wie Remus mit Snape die üblichen Bewegungsübungen machte. Seit gut einem Monat war der Slytherin wieder auf den Beinen und war mit einer schon fast besessenen Energie dabei, seine alte Beweglichkeit und Kraft wieder zu erlangen. Mit den Beinen war es auch relativ gut gelaufen. Nachdem Poppy die Verbrennungen magisch geheilt und die Muskeln aufgebaut hatte, tigerte Snape schon fast wieder mit seiner üblichen Wendigkeit durch das Haus und erinnerte dabei mehr denn je an einen übergroßen Geier.

Seine Hände waren eine ganz andere Sache. Zwar war von den Narben nichts zu sehen, da Snape immer schwarze, lederne Reithandschuhe trug, doch noch immer hatte er kaum Kraft in den Fingern. Er war gerade mal soweit, dass er eine Tasse in beiden Händen halten konnte, aber bei kleineren Gegenständen kappte es einfach nicht. Ohne äußere Hilfe schaffte er es nicht, seine Finger ganz zu schließen, und hatte fast überhaupt kein Gefühl in ihnen. Und obwohl er die Handhabung seines Zauberstabs übte, bis seine Arme vor Erschöpfung zitterten, weigerte er sich hartnäckig es langsamer anzugehen. Albus hatte gesagt, dass Snape auf Rache brannte und es in seiner Gegenwart klar gemacht hatte, dass er beim endgültigen Schlag gegen Voldemort dabei sein wollte. Albus schien dies, obwohl es in Snapes momentaner Verfassung die reinste Idiotie war, zu befriedigen. Es war genau wie ein Slytherin, und vor allem Snape, in Albus' Sicht der Dinge zu handeln hatte.

Aber obwohl Sirius in seiner Kindheit nur allzu oft Bekanntschaft mit der Rache des Slytherins gemacht hatte, war er nicht überzeugt. Nach wie vor schien Snape verändert. Nach wie vor war dieser überhebliche Sarkasmus, der ihm immer so leicht von der Zunge geglitten war, kaum mehr vorhanden und die Vehemenz, mit der er diese Rache verfolgte, war auch nicht normal. Snape hatte immer Rache gewollt, aber er war auch sehr geduldig dabei gewesen, konnte sich wie eine Schlange auf die Lauer legen und seine Rache wie in einer Schublade verstauen, nur um sie dann im rechten Moment wieder hervor zu holen.

Außerdem hatte Sirius mit Remus abgemacht, ein ruhiges Wochenende in seiner Hütte zu verbringen. Mit Betonung auf ruhig, was vor allem beinhaltete, ‚ohne Snape'. Aber der schleimige Slytherin schien mal wieder andere Pläne zu haben und ließ Remus einfach nicht gehen und fauchte ihn jedes Mal an, wenn er das Training für den Tag beenden wollte.

Und weil Remus so ein gutmütiger Mensch war und Sirius ihm auch noch den Floh mit der Depression ins Ohr gesetzt hatte, brachte er es natürlich nicht über das Herz, Snapes vehementen Wunsch abzuschlagen. Okay. Sirius war noch immer überzeugt, dass Snape depressiv war, aber konnte der Mistkerl nicht bitte schön dann depressiv sein, wenn es Sirius nicht die ganze Freude am Leben verdarb?

So blieb ihm nichts anderes übrig, als den mehr schlechten als rechten Versuchen Snapes zuzusehen, der versuchte Lupins Hand zu umfassen und mit seinen Fingern zuzudrücken.

Doch seine Langeweile und die Ruhe im Raum waren mit einem Schlag weggewischt, als etwas in seiner Hosentasche anfing eine unangenehme Hitze auszusenden. Er griff hinein und zog eine kleine, etwas ramponiert aussehende Phönixfeder daraus hervor. Das Ding, welches normalerweise eine satte, orange Farbe hatte, schien von innen heraus in einem sanften Licht zu glühen. Sirius blickte auf seinen Freund, der Snape komplett ignorierte und auf eine ebenfalls glühende Feder starrte, die er aus einer Brusttasche seiner Robe gezogen hatte.

"Das Signal"; flüsterte Remus als ein stark erregter Alastor Moody in die Küche hinkte.

"Es geht los", dröhnte der alte Auror. "Wir haben Voldemort lokalisiert. Tonks hat das Signal aktiviert und geht die Auroren versammeln. Sobald alle hier sind, wird uns Albus die letzten Instruktionen geben und dann treten wir dem alten Voldemort mal gründlich in den Hintern!"

Aufgeregt sprang Sirius auf. "Wo ist er?"

"Malfoy Manor", knurrte Moody. "Und scheinbar sind auch kaum Todesser anwesend, außer dem alten Malfoy höchst persönlich. Wir haben sie beide durch die Wanze miteinander reden hören."

"Ha, jetzt haben wir ihn", platzte es aus Sirius heraus. "Mal schauen, wie stark er ohne seine Speichellecker ist. Albus macht ihn so", er schnippte mit den Fingern, "schnell fertig." Doch dann fiel ihm ein, was diese Nachricht noch bedeutete. Er blickte auf Snape, der wie geschockt dasaß und eine Minute zu brauchen schien, um mit der plötzlichen Information fertig zu werden. Doch er wurde damit fertig und wie in Zeitlupe verwandelte sich sein Gesicht in eine hasserfüllte, steinerne Mine und seine Augen fingen an heftig zu glitzern.

"Oh nein, das wirst du nicht...", begann Sirius, denn Snape in seinem Zustand mitzunehmen, das wusste er, würde sie höchstens behindern. Doch konnte er den Satz nie beenden, denn schon wieder sprang die Tür auf und drei rothaarige Männer stürmten in den Saal, gefolgt von der etwas schäbigen Gestalt Mundungus Fletchers.

"Wo ist er?" fragte sofort Bill Weasley.

Moody, scheinbar darüber verstimmt sich wiederholen zu müssen, winkte ab. "Wenn alle hier sind, dann sage ich es euch. Ich will nicht alle zwei Minuten dasselbe sagen müssen.

Jedoch dauerte es kaum länger als zehn Minuten, bis der Rest des Ordens den Weg in die (inzwischen ziemlich überfüllte) Küche des Hauptquartiers fand. Nur Dumbledore ließ noch auf sich warten.

"Wo bleibt er denn nur?" fragte Molly ungeduldig.

"Er muss sicher noch Harry holen", antwortete Moody zähneknirschend, worauf sich Mollys Gesichtsausdruck verfinsterte und ihre Augen wütend blitzten. "Er will also wirklich den Jungen mit hineinziehen? Wie kann er nur?"

"Du weißt von der Prophezeiung", versuchte sie ihr Mann zu beruhigen. "Wir brauchen Harry, sonst werden wir scheitern."

"Ich weiß", spie sie wütend, auch wenn es klar ersichtlich war, dass dieses Wissen nicht darüber hinweg half, dass sie die Tatsache hasste. "Wenigstens wird er nicht Ron auch noch mit hineinziehen, wenn er weiß, was gut für ihn ist."

Niemand widersprach ihr. Die meisten hier hatten ihre Tirade mitbekommen, als sie Dumbledore die schlimmsten Leiden der sieben Höllen angedroht hatte, wenn er auch nur auf die Idee käme, eines der ‚Kinder', die nicht unmittelbar in einer Prophezeiung erwähnt worden waren, in Gefahr zu bringen. Deshalb waren auch die Zwillinge nur notdürftig über alle Geschehnisse informiert worden. Für Molly war es schon schlimm genug, dass sie ihre ‚erwachsenen' Söhne in Gefahr wusste.

So wirkte sie doch ein klein wenig besänftigt, als Dumbledore ankam und nur den etwas verwirrt dreinschauenden Harry, eine Hand auf dessen Schultern, hineinführte.

Als er die Ansammlung im Raum erblickte, stockte Harry und sah zu Dumbledore. "Ich verstehe nicht ganz, Direktor."

"Wir haben endlich das Signal erhalten, Harry", sagte Molly in einer sanften, mitfühlenden Stimme, die so sehr im Gegensatz zu dem Ausbruch vor einer Minute stand.

Harrys Mund klappte auf. "Ihr wollt gegen Voldemort..."

"Wir schicken ihn in die Hölle zurück, wo er hingehört", knurrte Sirius.

Harrys Blick wanderte über alle Anwesenden und dann wieder zu Dumbledore. Seine Stirn runzelte sich nachdenklich. "Ich will mich ja nicht beschweren, Sir. Aber wenn das so ist, warum bin ich hier? Denken Sie, dass es Probleme geben könnte und wollen mich vor der Attacke mit Sirius... Aber warum ist dann Ron nicht hier? Seine Familie kämpft ja auch mit."

Eine Minute lang war es totenstill und diesmal kam Molly gar nicht dazu zu protestieren.

"DU HAST IHM NICHTS GESAGT?" rief Sirius aus. Das konnte doch nicht wahr sein. Der alte Mann hatte doch tatsächlich Harry nichts von der Prophezeiung erzählt.

"Was gesagt...", fragte Harry verwirrt, doch er wurde von den Erwachsenen weitgehend ignoriert.

"Es war nicht wichtig, dass er es vorher wusste", sagte Dumbledore streng in Sirius' Richtung, bevor er Harry direkt in die Augen sah. "Es gibt eine Prophezeiung, Harry, aufgrund derer du beim Schlusskampf dabei sein musst."

Sirius konnte sehen, wie die Wut darüber, wieder einmal keine Informationen über etwas, das direkt ihn betraf, erhalten zu haben, in Harry aufloderte, und er konnte diese Wut sehr gut verstehen.

"Eine echte Prophezeiung wird sich immer erfüllen, egal ob jemand von ihr Kenntnis hat oder nicht", klang Snapes heisere Stimme vom Küchentisch. "Aber wenn wir hier noch lange herum plaudern, dann ist Er vielleicht schon wieder verschwunden, wenn wir bei Malfoy ankommen."

Sirius starrte den Slytherin böse an, während Snape den Kopf leicht gesenkt hielt und sie von unter den kurzen Haaren her entschlossen anfunkelte.

Dumbledore seufzte. "Severus hat leider Recht. Harry, wir haben nicht mehr die Zeit dir alles zu erzählen und du brauchst auch nur zu wissen, dass du mitkommen musst. Aber sieh dich vor und bleibe immer in der Nähe und unter dem Schutz von Sirius und Remus, egal was passiert."

Als ob er das noch sagen müsste, dachte Sirius. Er würde den Jungen nicht eine Sekunde aus den Augen lassen.

"Aber sollte er nicht wissen, dass...", fing Charlie an, doch Dumbledore unterbrach ihn mit einem strengen Blick. "Momentan braucht er nichts weiter zu wissen."

Und plötzlich verstand Sirius. Dumbledore wollte es vermeiden Harry zu sagen, was von ihm verlangt wurde. Dass er am Ende des Tages, sollte alles nach Plan und der Prophezeiung verlaufen, jemanden vernichtet und getötet haben würde, auch wenn man Voldemort kaum noch als lebend bezeichnen konnte. Töte oder stirb. Das war schon schlimm genug, wenn man im Kampf damit konfrontiert war. Aber es war eine Entscheidung, welche einfacher gefällt wurde, wenn man sich in der Situation befand. Harry vorher darüber nachdenken zu lassen wäre weitaus brutaler. Dass es nachher nie dazu kommen würde, dass sie die Scherben von Harrys Psyche aufsammeln müssten, konnten sie nur hoffen.

Harry schien dies allerdings alles nicht sehr zu gefallen und er setzte schon zum Protest an, doch Dumbledore wandte demonstrativ den Blick von ihm ab und sah zu Snape.

"Severus, du kennst Malfoy am Besten. Wir haben die normalen Schutzzauber seiner Villa schon lange entschlüsselt und können sie umgehen. Ist es wahrscheinlich, dass er den Schutz verstärkt hat, wenn Riddle bei ihm ist?"

Snape schüttelte den Kopf. "Kann ich mir nicht vorstellen. Wenn es ein geplanter Aufenthalt gewesen wäre, dann wären sicher noch andere Todesser dort. Malfoy und der dun.... Voldemort sind zu arrogant um zu denken, dass man ihn bei einem spontanen Besuch überraschen könnte. Auf jeden Fall war das früher so."

Dumbledore nickte. "Gut. Dann wird Bill zur selben Zeit die Schutzflüche durchbrechen, wie ich versuche einen Anti-Apparationszauber über das Anwesen zu legen. Ihr müsst schnell handeln, bevor Voldemort auf die Idee kommt das Floh-Netzwerk zu einem anderen Haus eines Todessers zu benutzen." Er seufzte tief. "Ich weiß, meine Freunde, dass dieser Plan sehr viele wenns und abers hat, aber wir haben das Element der Überraschung auf unserer Seite und es wird wohl unsere einzige Chance eines Versuchs sein, bei dem wir kein riesiges Blutvergießen riskieren."

"Es gibt in dem alten Anwesen viele versteckte Durchgänge. Ich kenne einen oder zwei davon. Wenn wir unbeobachtet zu den alten Stallungen kommen, dann kann ich eine kleine Vorhut unbemerkt in das Hauptgebäude führen", sagte Snape.

Dumbledore nickte und betrachtete den Slytherin über seine Brillengläser hinweg. "Das wäre hervorragend. Du kannst uns über einen der Spiegel genaue Anweisungen geben, wo dieser geheime Durchgang ist."

Snape sprang bei Dumbledores Anspielung auf. "Spiegel? Ich werde selbstverständlich mitkommen!"

"Das wirst du selbstverständlich nicht!" warf Sirius genervt ein.

"Und ob ich das werde", knurrte Snape mit wild funkelnden Augen.

"Sirius, Severus. Wir haben keine Zeit für solch kindische Streitereien", fuhr Dumbledore dazwischen.

"Albus, er kann noch nicht einmal den Zauberstab halten. Er wird uns nur behindern", sagte Remus vorsichtig. "Es ist schon genug, dass wir auf Harry achten müssen. Sirius hat recht."

"Verfluchter Werwolf!" schrie Snape. "Ich lasse mich von euch nicht meiner Rache berauben!"

Obwohl Sirius erst erfreut gewesen war, dass sein Freund seine Seite ergriffen hatte, fühlte er sich nun doch etwas schuldig, als er den fast verzweifelten Unterton in Snapes Stimme vernahm. Snape wollte, nein er brauchte diese Rache. Sirius war sich nicht sicher, ob es die anderen auch bemerkt hatten, er bezweifelte es. Außer Dumbledore, der den vor Wut bebenden Slytherin lange musterte und scheinbar seine Entscheidung abwägte.

"Severus...", begann Albus.

"Vielleicht könnten wir den Zauberstab an seine Hand binden?" fiel ihm Sirius ins Wort.

"Severus' Magie ist noch lange nicht auf ihrem normalen Standard", belehrte Albus Sirius vorsichtig. "Er könnte sich nicht einmal richtig verteidigen."

"Hört endlich auf über mich zu reden, als wäre ich nicht im Raum", zischte Snape. "Ich werde mitkommen und ich werde Malfoy gegenübertreten. Mir ist es egal, ob ich dabei getötet werde. Ihr braucht euch nicht um meine Sicherheit zu kümmern. Die geht euch nämlich sowieso nichts an. Es ist mein Leben und ich habe das Recht es aufs Spiel zu setzen, wann immer ich will." Er blickte Albus gerade in die Augen. "Oder sprichst du mir das jetzt ab, nachdem du es jahrelang von mir verlangt hast?"

Dumbledore versteifte sich sofort. "Severus. Du gehst zu weit. Ich habe dich nie gezwungen. Es war immer deine eigene Entscheidung."

Snape entspannte sich leicht. "Ja, genau wie jetzt. Nur dass ich es dieses eine Mal für mich selber mache und nicht für andere...."

Die beiden starrten sich noch ein paar Sekunden lang an, bevor Albus schließlich nickte. "In Ordnung. Kingsley, hilf ihm den Zauberstab festzubinden und wenn wir dort sind, halte ein Auge auf Severus." Sein strenger Blick auf den Slytherin forderte den jüngeren Zauberer geradezu heraus, ihm zu widersprechen.

Doch Snape tat es nicht.


TBC


 

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