Von Mördern und Verrätern

 

 

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Kapitel 73



Neue Situationen, alte Bekannte


Harry und seine Freunde warteten auf das Erscheinen ihrer Mitschüler in ungewohntem Schweigen. Sirius hatte ihnen gesagt, dass sie die Sache in Ruhe besprechen konnten, doch irgendwie schien für jeden von ihnen die Sache klar und schrecklich genug zu sein, dass sie keiner weiteren Worte mehr bedurfte. Nach und nach strömte der Rest der Schüler mit dem üblichen Gekicher und Geschwatze herein, setze sich an die reich gedeckten Tische und begann mit dem Frühstück. Harry, Hermine und Ron nahmen sich kaum etwas. Ihnen schien allen der Appetit vergangen zu sein.
Erst eine Weile nachdem auch der letzte Spätankömmling ausser Atem in die Halle gestolpert war und sich hingesetzt hatte, öffnete sich die Tür beim Lehrertisch und eine ganze Prozession von Erwachsenen trat auf einmal herein.

Die Grosse Halle verstummte auf einen Schlag, als die gesamte Lehrerschaft, inklusive Filch, Professor Binns und sogar den Hausgeistern auf einmal den Raum betraten. Sie blieben alle hinter dem Lehrertisch stehen und Dumbledore trat nach vorne.

Man hätte jede sprichwörtliche Nadel fallen hören können, als der alte Zauberer in einer für die meisten untypischen Art seinen Blick über die Schülerschar schweifen liess.

Obwohl die Tagespropheten noch nicht ausgeliefert wurden und ausser dem Trio niemand eine Ahnung hatte, was sich zugetragen hatte, konnte doch jeder fühlen, dass etwas von Tragweite passiert sein musste.

"Meine lieben Kinder", begann Dumbledore. "Ich wende mich heute hier an euch, weil ihr mit dem Erscheinen des Tagespropheten über einen Vorfall informiert werdet, über dessen wahre Hintergründe ich euch informieren möchte, damit keine", sein Blick wurde streng, "aber auch wirklich keine falschen Gerüchte die Runden unter euch machen werden."

Ein Raunen ging durch die Menge und wenn der Direktor vorher von irgendjemandem nicht die volle Aufmerksamkeit gehabt hat, dann hatte er sie jetzt. Bevor die ersten geraunten Vermutungen über die Natur des besagten Vorfalls jedoch fertig ausgesprochen waren, unterbrach der alte Zauberer erneut.

"Es ist in der Zwischenzeit bekannt geworden, dass Professor Severus Snape während Voldemorts erster und zweiter Bedrohung für uns spioniert hat.
Oft wird den Schülern aus dem Hause Slytherin vorgeworfen, dass sie jedes Mittel anwenden würden um ihr Ziel zu erreichen." Er beantwortete das entrüstete Aufschnaufen vom Tisch des besagten Hauses mit einem eindringlichen Blick und kam etwaigen entrüsteten Protesten zuvor, indem er mit fester, ernster Stimme fortfuhr: "Aber man vergisst dabei oft die Kehrseite dieser Medaille. Dass Slytherin auch jeden Preis zahlen würde um ein Ziel zu erreichen und jedes Opfer zu bringen bereit ist. Severus Snapes Ziel war es, den Dunklen Lord fallen zu sehen und er hat dafür Opfer gebracht, die die wenigsten gebracht hätten und wozu nur ein wahrer Slytherin fähig wäre. Er war bereit, sein Leben und noch wichtiger, seine Seele zu riskieren, indem er tat was er musste, und nicht was ihm persönlich wichtig und rechtens war, und etwas Ehrenvolleres gibt es in meinen Augen nicht."

Die Slytherins schien das zu besänftigen, doch der Rest der Schüler begannen verwirrte Blicke zu tauschen. Sie verstanden nicht, worauf der Direktor hinaus wollte. Harry wusste es aber genau und da er wusste, dass Snape seinen Einsatz auch verloren hatte, berührte ihn Dumbledores Aussage umso mehr.

Der Direktor schloss kurz die Augen um sich zu sammeln und holte tief Luft. "Die Morgeneulen, und somit der Tagesprophet wird in ein paar Minuten hier erscheinen. Auf der Titelseite wird euch ein Artikel davon berichten, dass Professor Snape versucht hat sich umzubringen."

Ein kollektives Keuchen ging durch die Reihen und vom Slytherintisch schrie jemand: "Das ist eine verdammte Lüge!"

"Beruhigen Sie sich und setzen Sie sich wieder hin, Mister Zabini", mahnte Dumbledore ruhig. "Professor Snape hat in diesem Krieg viel für uns getan. Er hat so viel gegeben, ohne jemals etwas als Gegenleistung von uns zu fordern oder zu erhalten. Zum Schluss hatte er einfach nichts mehr, was er noch hätte geben können. Ich möchte euch alle um eines von ganzem Herzen bitten."

Wieder machte er eine Pause um sicher zu stellen, dass er die uneingeschränkte Aufmerksamkeit hatte. "Professor Snape ist ein Held, egal, wie der Tagesprophet auch immer die Gegebenheiten verdrehen kann und wird und er ist wohl der stärkste Mann, dem ich jemals begegnet bin, mich selber eingeschlossen. Was er geleistet hat sucht seinen Vergleich und ich bitte euch... Nein, ich flehe euch an, das immer in Erinnerung zu behalten. Er verdient unseren Respekt mehr als jeder andere. Gewährt ihn ihm."

Für einen Moment war es still, bis sich Blaise Zabini, der seit Dracos Abwesenheit so etwas wie die Vorreiterstellung bei den Slytherins übernommen zu haben schien, meldete. "Wo ist der Professor jetzt?"

"Er ist in St.Mungos, aber er ist ausser Lebensgefahr. Darum müsst ihr euch nicht sorgen. Zumindest darum nicht", fügte er kaum hörbar hinzu.

"Können wir ihn...", stotterte Zabini, der nun sehr betroffen aussah. "Ich meine, ist es möglich ihn zu besuchen?"

Dumbledore schüttelte bedauernd den Kopf. "Es tut mir leid, aber die Heiler in St.Mungos halten es für den Moment für besser, dass er keinen Kontakt zur Aussenwelt hat. Sie halten ihn abgeschirmt, bis es ihm besser geht."

"Heisst das, die haben ihn in die Geschlossene gesteckt?" fragte Seamus flüsternd.

"Hört sich für mich so an. Haben ihn also zu den ganzen Irren und Durchgeknallten gesteckt", antwortete Dean ebenso leise und mit einem Schulterzucken.

"Ist der olle Snape also endlich durchgedreht. Ich habe schon immer gesagt, dass er in eine geschlossene Abteilung gehört", flüsterte Ginny hinter vorgehaltener Hand ihrer Banknachbarin zu. Sie war diskret genug, dass ihre Stimme nicht bis zu den Lehrern trug, doch Harry konnte sie hören und konnte auch sehen, wie Dean und einige andere sich auf die innere Wange bissen um nicht zu lachen. Harry mochte Ginny gerne, doch ihre Worte schmerzten. Er wusste mehr als sie, und sie hatte kein Recht, den Professor so zu erniedrigen.

Zu seinem Schock musste er feststellen, dass er, ungewollt, doch nun sehr deutlich fühlbar, das Bedürfnis empfand, den Zauberer in Schutz zu nehmen. Doch was danach geschah, schockierte ihn noch viel mehr. Dass Hermine die Verteidigung des Zaubertränkemeisters in ihre Hände nahm, hätte ihn nicht überrascht, doch es war Neville, der mit wässrigen Augen die andere Gryffindor anfunkelte. "Halt die Klappe, Ginny, halt einfach die Klappe", zischte er.

Ginny, wie auch jeder andere Schüler, der das hörte, versteinerte und sah Neville betreten und schuldbewusst an. Irgendwie war die Tatsache, dass Nevilles Eltern sich seit Jahren in der geschlossenen Abteilung in St.Mungos befanden, ohne Hoffnung auf Besserung ihres Zustandes, schon lange kein Geheimnis mehr und hatte, wie alle anderen Gerüchte, Lügen und Wahrheiten hier im Schloss den üblichen Weg durch Hogwarts Gerüchteküche genommen. Ginny, gefolgt von Dean, entschuldigten sich kleinlaut und senkten ihre Köpfe.

Harry schluckte schwer. Natürlich hatte er Mitgefühl mit Neville, aber Ginny bereute ihre Aussagen nicht wegen Snape, sondern wegen ihm, und den ehemaligen Lehrer wieder zu verteidigen, lag ihm zuvorderst auf der Zunge. Nur, wie sollte er das anstellen, ohne das Vertrauen des Zauberers, der durch ihn so viel verloren hatte, zu zerstören? So schwieg er lieber und versuchte die Bilder von einem kauernden und gebrochenen Snape vor seinem geistigen Auge zu vertreiben.

Er schob seinen Teller weg, sein Appetit nun vollkommen zerstört, und blickte zu seinen Freunden herüber. Hermine sah teils wütend, teils noch immer bestürzt aus, sagte aber auch nichts und Ron schien alles um sich zu ignorieren und ass kleine Bissen, während er immer mal wieder mit dem Löffel in seinem Porridge herumstocherte.


SSSSSSSSSSSSSSSS


"Hey, Mo. Habe gehört, dass du die Arschkarte gezogen hast", kicherte die wohl fünfte seiner Kolleginnen und Kollegen heute, als sie an ihm vorbei ging.

Mortimer Monty quittierte ihren Kommentar mit einem wütenden Blick und unterdrückte den kindischen Wunsch, ihr die Zunge heraus zu strecken.

Er war ein guter Heiler und liebte seinen Job, doch es gab Tage, die er am liebsten vergessen würde. Dieser schien der Anfang einer geraumen Zeit zu sein, die unter diese Kategorie zu fallen drohte. Der Grund dafür hatte einen Namen. Severus Snape.

Die Neuigkeit seiner spektakulären Ankunft in St.Mungos hatte sich wie ein Lauffeuer in dem Spital verbreitet. Hogwarts war die einzige britische Zaubererschule und jeder, der einen Heilerberuf ins Auge fasste, kam um ein fundiertes Wissen in Zaubertränke nicht herum. Was wiederum bedeutete, dass praktisch jeder Zauberer und jede Hexe hier, die unter vierzig waren mit dem Mann zu tun gehabt hatten. Entweder als Mitschüler, oder noch besser, als Schüler. Mo schauderte innerlich, als er an seine erste Zaubertränkestunde zurück dachte. Naiv, wie er damals gewesen war, hatte er dem Fach mit freudiger Erwartung entgegen gesehen. Die Freude hatte genau so lange angehalten, bis ihn dieser miesepetrige, böswillige Professor wegen seines Namens vor der ganzen Klasse bloss gestellt hatte.

Es wäre vielleicht nicht einmal so schlimm gewesen, wenn Mo nicht schon in seiner ganzen Kindheit sich hatte deswegen hänseln lassen müssen. Er hatte damals gehofft, dass er in Hogwarts einen Neustart anfangen könnte und dass die Zaubererkinder in solchen Sachen toleranter waren, als die schäbige Muggelumgebung, wo er aufgewachsen war. Zuerst hatte es auch so ausgesehen und schon bei der Einteilung in ihre Häuser war ihm aufgefallen, dass ungewöhnliche Namen hier an der Tagesordnung zu sein schienen und niemand hatte ihn auf den seinen angesprochen. Natürlich nur bis zu dieser ersten Zaubertrankstunde. Danach war die Hänselei wieder neu entfacht.

Bis dahin hatte sich Mo in der Gegenwart von Lehrern immer recht sicher gefühlt. Die hatten Hänseleien im Klassenzimmer nie toleriert, doch Severus Snape tolerierte diese nicht nur, er war der schlimmste von allen. Zumindest so lange die besagten Schüler nicht aus seinem Haus stammten.

Mo war nicht der Typ, der andere hasste, doch Snape hatte es ein paar Mal nahe dazu gebracht es ihn zu lehren.

Jedoch ging auch diese Zeit vorbei, und Severus Snape wurde zu einer kaum mehr wahrgenommenen Erinnerung. Obwohl er in Zaubertränke keinen UTZ-Abschluss hatte, war er zur Ausbildung in St.Mungos aufgenommen worden. Normalerweise nahm kein magisches Krankenhaus Auszubildende auf, die nicht in Zaubertränke einen guten Abschluss aufwiesen, da es, zusammen mit Zauberkunst zu den Grundanforderungen gehörte, doch auch hier war Severus Snape Schuld, dass in St.Mungos eine Ausnahme gemacht wurde. Der Mann war ein solcher Perfektionist, dass nur die Schüler mit einem O überhaupt die Chance bekamen an dem fortgeschrittenen Kurs nach dem fünften Jahr teil zu nehmen. St.Mungos hatte gar keine Wahl mehr gehabt, da einfach zu wenige Schulabgänger mit einem Heilerberufswunsch diesen Abschluss aufweisen konnten.

Erst nach seiner Schulzeit und nach einem Austauschpraktikum in Frankreich hatte Mo dann mit missmutigem Erstaunen feststellen müssen, dass seine Fähigkeiten in Zaubertränke, selbst ohne UTZ die der meisten französischen Kollegen überragten. Tatsächlich hatten die Schulabgänger von Hogwarts, die bei Severus Snape unterrichtet worden waren, einen sehr guten Ruf. Das, und die Information über seiner Rolle im Fall des Dunklen Lords war einer der Gründe gewesen, warum Mo schliesslich Snape verziehen und sogar einen Funken Respekt für ihn entwickelt hatte. Und als dann, nach Snapes Einlieferung hier, das Gerücht, er sei vergiftet worden zu dem Gerücht mutierte, er hätte es selber getan, in dem Versuch sich das Leben zu nehmen, kam sogar ein bisschen Mitleid in ihm auf.

Doch dann war er in ihre Abteilung verlegt worden, durch einen Stupor geschockt und nicht ansprechbar, mit einem sehr wütenden Direktor im Schlepptau, der wie ein Gewitter über den armen alten Roberts hereinbrach. Dumbledore war nicht sehr laut gewesen, doch die Luft um ihn hatte vor unterdrückter, wütender Magie geknistert. Mo hatte von dem Streit nicht viel mitbekommen, da er geholfen hatte Snape in sein Zimmer zu bringen und der Oberheiler mit Dumbledore in seinem Büro verschwunden war.

Danach hatte er sich seinen anderen Aufgaben gewidmet und nicht mehr weiter darüber nachgedacht - er hatte gelernt, die Schicksale und all die oft hoffnungslosen Fälle, denen er hier in der geschlossenen Abteilung begegnete, nicht so sehr persönlich zu nehmen, damit er nicht selber einmal hier landen würde - bis er eine Stunde später mit zwei seiner Kollegen zu Oberheiler Roberts gerufen wurde. Ihr Boss hatte ihnen drei zu ihrem Entsetzen mitgeteilt, dass sie die persönliche Pflege von Snape übernehmen sollten. Als sie alle ihre Bedenken und ihren Unwillen kundtaten und damit begründeten, dass er sie schon als Schüler nicht gemocht hatte, hatte er ihnen erklärt, dass ihm das egal sei und dass sie sich in der Sache gefälligst professionell zu verhalten hätten. Einer von ihnen sollte die Hauptpflege übernehmen, mit den anderen beiden als Ablösung, wenn dieser eine frei hatte oder nicht von seiner anderen Arbeit abkömmlich sei, sollte Mister Snape ausserzeitlich Hilfe benötigen.

Zehn Minuten später hatten die drei missmutig in ihrem Stationsbüro gesessen und darüber lamentiert, dass der alte Roberts Snape nie als Professor erlebt hatte und daher nicht wissen konnte, was er von ihnen verlangte. Bei aller Vergebung, Respekt und Mitleid, wussten sie alle eines sicher: Snape war kein Mensch, der bereitwillig Hilfe annahm und sich vor ehemaligen Schülern sicher keine Schwäche einräumen würde. Severus Snapes Stolz war fast so legendär wie seine Strenge. Und wenn die drei es sich auch nicht eingestehen wollten, hatten sie ihn damals alle fürchten gelernt und diese Furcht schien nun mit der unmittelbar bevorstehenden Konfrontation mit dem Mann als Patient wieder hoch zu kommen.

So hatten sie es ausgelost und Mo war der "glückliche" Gewinner, der nun - alles andere als glücklich aussehend - vor Snapes Zimmertür stand und sich wieder nervös wie ein Schüler fühlte, der zu seinem Nachsitzen bei Snape antreten musste. Es würde ihn nicht überraschen, wenn sich Snape nicht mehr an ihn erinnerte. Immerhin war er nur ein mittelmässiger Hufflepuff gewesen und somit weit unter Snapes Würde.

Laut seinen Informationen, war Snape hier im Spital ausgerastet und hatte den Direktor angegriffen. Man hatte ihm, als er betäubt gewesen war, etwas eingeflösst, um sein Temperament unter Kontrolle zu halten, mehr hatte man ihm auf die Schnelle noch nicht gesagt, doch nur die Tatsache, dass dies nötig gewesen war, sprach Bände über Snapes Stimmung.

Und dann war da noch diese blöde Spitalregel, dass er sich mit seinem ganzen Namen vorstellen musste und es nicht bei dem, inzwischen nur noch gebrauchten, Mo belassen konnte. Oh Freude. Wäre es wohl zu viel verlangt, dass Snape sich nicht auf die Gelegenheit einer bösen Bemerkung stürzen würde, wie ein Dementor auf eine ungeschützte Seele? Er starrte weiter auf die Tür, aber trat nicht ein. Snape zu begegnen und mit ihm zu reden machte ihn nervös. Der Mann würde es wahrscheinlich fertig bringen, ihn, selbst gesichert in einem Bett, noch zu verhöhnen. Und schon früher hatte er dem nichts entgegensetzen können. Snapes Zunge war scharf wie ein Messer und er alles andere als schlagfertig.

Er holte noch einmal tief Luft und öffnete die Tür.


SSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSS



Die Fliege hatte aufgehört im Zimmer umher zu surren und putzte sich nun genüsslich auf dem Bettgestell zu Severus' Füssen. Er beobachtete das kleine Tier weiterhin, wie er es seit seinem Erwachen getan hatte. Er hatte gemerkt, dass das Zimmer anders war. Keine gelbe Decke hier, dafür eine weisse. Ach ja und der Riss fehlte auch. Severus fühlte sich irgendwie schwindlig, aber auch gleichzeitig wohlig müde, wenn auch nicht genug, um schlafen zu können. Aber das war nicht unangenehm. Im Gegenteil. Es fühlte sich ... sicher ... an. Er runzelte die Stirn. Komisch, dass er solche Gedanken hatte. Da war doch noch was gewesen. Er versuchte sich zu erinnern, doch jeder seiner Gedanken schien irgendwie im Raum zu hängen und sobald er danach greifen und ihn analysieren wollte, im Nichts zu verschwinden. Verwirrend, doch um richtig darüber nachzudenken, fühlte er sich zu wohl und gelöst, fast wie in einem Traum, wo ihn nichts wirklich erreichen konnte. Unwirklich.

Er blickte wieder auf die Fliege. "Hmm", murmelte er. Woran hatte er eben gedacht? Ach ja. Irgendetwas, was ihn bedroht hatte. Etwas mit Malfoy und Voldemort und dann mit Dumbledore? Ja, richtig. Er war gefoltert worden und Dumbledore hatte ihm erzählt, dass man ihn im Krankenhaus behalten würde, weil er versucht hatte sich umzubringen. - Was ihn wohl dazu veranlasst hatte...? Auf jeden Fall hatte ihm das Angst gemacht. Im Moment verstand er allerdings nicht, warum. Es war warm hier und nichts tat ihm weh...

Hatte die Fliege blaue Augen? Nein, Fliegen hatten keine blauen Augen. Musste wohl das Licht sein. Vielleicht war Albus ja plötzlich zum Animagus geworden, aber die Fliege hatte keine Brille... Severus kicherte. "Hallo Albus", begrüsste er sie.

In dem Moment ging die Tür auf und jemand in grünem Kittel kam herein. Jung, braune Haare, braune Augen, recht dicke Augenbrauen...

Der junge Mann zögerte kurz, als er seinem Blick begegnete, schien sich dann zu sammeln und schloss die Tür. Mit drei Schritten war er neben dem Bett, doch sein Blick wollte einfach nicht auf Severus haften bleiben und schwirrte im Zimmer umher, wie die Fliege vorhin.

Und als hätte der Mann seine Gedanken gelesen, blieben seine Augen auf der, sich noch immer putzenden Fliege hängen. Der junge Mann runzelte die Stirn, nahm sich ein zusammengefaltetes Tuch vom Stuhl neben dem Bett, holte aus und schlug es gezielt auf das metallene Bettgestell.

Die Fliege blieb zerdrückt daran hängen. Der Mann rümpfte die Nase, holte seinen Zauberstab hervor und beseitigte die Miniaturleiche.

"Du hast Albus umgebracht", sagte Severus leicht.

"Wie bitte?" Endlich hatten die braunen Augen mit den dicken Augenbrauen sein Gesicht gefunden, doch Severus achtete nicht mehr auf ihn. Die tote Fliege sollte ihn doch an etwas erinnern... Fliegen, Fliegen, ein dunkles Zimmer, Okklumentik... Quatsch, Fliegen konnten kein Okklumentik, schon gar nicht in dunklen Zimmern.

"Die Fliege, du Dummkopf, du hast sie umgebracht", richtete er seine Aufmerksamkeit dem schwer-von-Begriff Heiler zu.

Der Mann errötete und zog unwillkürlich den Kopf ein, doch Snapes Blick blieb auf seinen Augenbrauen haften. Sie kamen ihm irgendwie bekannt vor.

Doch bevor er näher darüber nachdenken konnte, straffte der Mann seine Schultern wieder. "Professor Snape, vielleicht erinnern Sie sich an mich. Ich war bei Ihnen in der Klasse. Habe vor sechs Jahren in Hogwarts meinen Abschluss gemacht. Jetzt arbeite ich als auszubildender Heiler hier in St.Mungos."

Snapes Blick haftete noch immer am selben Ort. Ah, darum kamen sie ihm bekannt vor.

Der Mann wartete einige Momente erwartungsvoll, bis er seufzte und sich vorstellte:" Mein Name ist Mortimer Monti..."

Severus unterbrach ihn mit einem erneuten Grinsen. "Deine Mutter muss ganz schön gemein gewesen sein."

Das Gesicht des jungen Heilers durchlief eine bunte Palette an Farben, bevor er sich sichtlich mühsam zur Ruhe zwang. Sein Gesicht verdüsterte sich und er straffte die Schultern. In seinen Augen blitzte es und er schien gerade eine sehr wichtige Entscheidung zu fällen. "Mister Snape. Wir sind hier nicht mehr in Hogwarts und ich bin keiner Ihrer Schüler mehr. Ich bin jetzt erwachsen, dies ist nicht mehr Ihr Hoheitsgebiet und Sie sind hier genauso Patient wie viele andere, also werde ich weitere bösartige Kommentare Ihrerseits nicht mehr tolerieren."

Severus sah ihn verblüfft an. "Bösartig? Ich war doch nicht bösartig."

Doch Mortimer Morti schien ihm nicht zu glauben. Er schnappte hörbar nach Luft und zwang sich erneut zur Ruhe.

"Auch Ihr Sarkasmus ist hier nicht erwünscht, haben wir uns verstanden?"

Severus überlegte. War er sarkastisch gewesen? Früher, ja, oft, daran erinnerte er sich. Aber jetzt? Dafür war ihm viel zu wohl und warm.

Der Heiler räusperte sich, sein Gesicht noch immer eine Spur roter, als es normal zu sein schien. "Ich wurde Ihrer Pflege zugeteilt...", da schien noch ein Wort zwischen ‚wurde' und ‚Ihrer' zu fehlen, das Monty zu unterdrücken schien, "... und wollte Sie informieren, dass wir Sie verlegt haben. Sie sind nun im dritten Stock. Ihr Bett ist verzaubert, dass Sie weder hinausfallen, noch sich erneut schaden können. So lange Sie im Bett sind, werden wir diesen Schutz aufrechterhalten. Wir wollen ja nicht, dass Sie sich wehtun."

Ha, das war aber Sarkasmus, dachte Severus vergnügt.

"Jedoch werde ich heute Nachmittag mit Praktikantin Dillard zu Ihnen kommen um zu sehen, wie weit die Lähmungserscheinungen schon verschwunden sind und ob wir die ersten Versuche starten können, Sie wieder auf die Beine zu stellen."

Er blickte ihn herausfordernd an und schien auf etwas zu warten, doch Severus wusste nicht auf was.

Nach einer Weile, als er nichts sagte, fuhr der Heiler fort: "Es ist jetzt halb elf. Ich bringe Ihnen in einer Stunde das Mittagessen."

Mit diesen Worten drehte er sich zu dem Nachttisch zu seiner Rechten - hatte er vorher nicht auf der anderen Seite gestanden? Ach ja, anderes Zimmer - richtete seinen Zauberstab auf die grün schimmernde Kugel, sagte einige Beschwörungen, worauf sich die Farbe in ein flackerndes Orange verwandelte, und verliess den Raum.


 

Kapitel 72


 

 

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