Nur durch dein Blut

 

 

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Kapitel 11: Miteinander und Gegeneinander



Hermine war hinüber in Snapes Privatbibliothek gegangen und ließ langsam ihren Blick über die Reihen kostbarer Bücher gleiten. Wie nicht anders zu erwarten waren es antiquarische Bücher, überwiegend in Griechisch und Latein verfasst. Die wenigen Bücher in englischer Sprache waren Hermine schon aus der Schulbücherei geläufig. "Na toll," fluchte sie innerlich, "nicht einmal gescheiter Lesestoff ist mir vergönnt!"
Aus lauter Verzweifelung nahm sie sich ihre Schulbücher und versuchte zu lernen, aber ihre Gedanken glitten immer ab. Ob ihre Freunde sie vermissen würden und ob sie die Geschichte von der plötzlichen Erkrankung ihres Vaters glauben würden? In einer Woche würden alle Schüler in die Winterferien abreisen, alle bis auf sie. Sie würde alleine im Schloss zurückbleiben und sich dann wenigstens wieder frei bewegen dürfen. Zumindest hoffte sie das.
Immer wieder packte sie die Erkenntnis, dass sie nun mit Snape verheiratet war. Mrs. Hermine Snape! Hermine wurde wieder übel bei dem Gedanken an ihren Ehemann.
Wenigstens brauchte sie ihn nicht tagsüber ertragen, er quälte gerade wohl wieder einige Erstklässler und würde einen wahnsinnigen Spaß dabei haben. Ein Blick auf ihre Uhr sagte ihr, dass die Mittagspause gerade begonnen hatte und nun alle zum Essen in die große Halle gehen würden. In diesem Moment nahm sie die beiden Hauselfen wahr, die in rasanter Geschwindigkeit den Tisch deckten. Entsetzt sah sie, dass es wieder zwei Gedecke waren. Also würde Snape mittags in seine Wohnung zurückkehren.
Der Duft von Braten hing in der Luft und Hermines Magen begann zu knurren. Das versäumte Frühstück rächte sich nun.
Noch ehe sie sich etwas von den Speisen vom Tisch nehmen konnte erschien ein überaus übellauniger Snape in der heftig aufgestoßenen Tür. Mit einer wütenden Bewegung pfefferte er seinen Umhang auf das Sofa und schmiss einen Stapel Hefte hinterher. Hermine würdigte er keines Blickes und sie zog es vor, in ihrem Sessel in der Bibliothek in Deckung zu bleiben.
Doch Snape wurde ihrer sofort gewahr und baute sich wutschnaubend vor ihr auf.
"Ich hoffe du hattest einen schönen Vormittag!", blaffte er sie an. "Ich konnte mich mit Horden von Schwachköpfen auseinandersetzen und in deiner Klasse habe ich einen Test schreiben lassen, den du gefälligst auch schreiben wirst und zwar JETZT!"
Hermine nickte ergeben, worauf Snape ihr einen Zettel mit Fragen hinschmiss und ihr gleichzeitig ihre Schulbücher entriss.
Für einen kurzen Augenblick schaute Hermine sehnsüchtig auf den mit appetitlichen Speisen gedeckten Tisch, dann griff sie zu ihrer Feder und zog das Blatt an sich heran.
Snape war ihrem Blick gefolgt und stand einen Moment unschlüssig vor ihr, dann nahm er den Aufgabenzettel wieder an sich.
"Nach dem Essen!"
"Ich habe keinen Hunger", entgegnete Hermine bockig.
"Sie haben... DU hast seit gestern nichts gegessen und du wirst jetzt gefälligst etwas essen!" Snape hatte sie angeschnauzt, dass Hermines Gesichtszüge wieder entglitten. Im selben Moment tat es ihm fast leid, dass er sie so angeschrieen hatte und in etwas neutralerem Ton fügte er hinzu: "Wäre doch jammerschade wenn die armen Haushelfen sich ganz umsonst abmühen würden, das würde doch ganz gegen deine Überzeugung sein, oder?"
Hermine stand mit bockigem Gesicht auf, nur nicht anmerken lassen, dass sie vor Hunger fast umkam, und setzte sich an den Esstisch. Ohne Snape nur eines Blickes zu würdigen schaufelte sie sich mit trotzig vorgeschobener Unterlippe einen Berg Fleisch und Gemüse auf den Teller und wartete nicht darauf, dass Snape Platz nahm, sondern fing eilig an zu essen.
Snape setzte sich ihr gegenüber und betrachtete sie. Ihre Stirn war zu einem ärgerlichen Runzeln verzogen, der Blick störrisch auf den Teller gesenkt. Stumm stopfte sie das Essen in sich hinein und doch bemerkte Snape amüsiert, dass es ihr gut zu schmecken schien.
"Dafür dass du keinen Hunger hast legst du eine atemberaubende Essgeschwindigkeit an den Tag", kommentierte Snape trocken.
PENG
Hermine hatte wütend ihr Besteck hingeschmissen und war aufgesprungen.
"Kann ich jetzt bitte den Test haben, Sir?" Ihre Augen funkelten wütend. Zum ersten Mal loderte ihr Temperament wieder in ihr auf.
"Nein!" Snape schenkte sich gelassen ein Glas Wein ein und betrachtete sie spöttisch über den Rand seines Glases hinweg. "Setz dich wieder hin und warte gefälligst, bis ich auch meine Mahlzeit beendet habe. Ein Glas Wein, Hermine?" Er hielt ihr fragend die Flasche hin doch Hermine schüttelte bockig den Kopf und ließ sich wieder auf ihren Stuhl fallen.
"Ich denke es wird Zeit, dass wir uns unterhalten!" Snape nippte nachdenklich an seinem Wein und nahm sich etwas von dem Braten. "Wir sind beide in einer Situation, die wir nicht mögen!"
"Wie wahr", bemerkte Hermine schnippisch.
Snape runzelte die Stirn, fuhr aber unbeirrt fort: "Ich kann mir vorstellen, dass für dich die Situation genauso belastend ist wie für mich, aber anscheinend sind wir hier die Spindel, in der die Schicksalsfäden von allen Zauberern unserer Welt zusammenlaufen, und deshalb haben wir die Pflicht, die uns auferlegte Bürde zu tragen!"
Snape nippte nach diesem geschwollenen Satz wieder an seinem Weinglas und sah Hermine, die augenrollend umher blickte, auffordernd an. Diese nickte nur kurz, betrachtete aber gelegentlich einen imaginären Fleck auf der Wand.
"Ich kann mich nicht erinnern dich jemals so schweigsam erlebt zu haben, im Unterricht bist du immer durch störende und besserwisserische Kommentare aufgefallen." Snape kaute genüsslich an einem Stück Fleisch und ließ Hermine die an ihrer Unterlippe nagte, nicht aus den Augen.
"Sir?" Hermine sah zögernd auf, senkte aber sofort wieder ihren Blick als sie Snapes bohrenden Augen begegnete.
"Ja Hermine?", seine Stimme klang sachlich und nicht unfreundlich, weshalb Hermine sich ein Herz fasste und die Frage stellte, die sie den ganzen Tag beschäftigt hatte.
"Wann... wann werden wir diese... diese Sache da hinter uns bringen?" Ihre Stimme war immer leiser geworden und endete in einem zaghaften Flüstern.
Snape erstickte fast an dem Bissen den er noch im Mund hatte, stand langsam auf und ging um den Tisch herum, blieb vor ihr stehen und sah auf sie hinunter. Unglücklich und zusammengekauert hockte sie auf dem Stuhl und wagte vor Angst nicht ihn anzusehen. Snape widerstand der Versuchung, seine Hand tröstend auf ihren Kopf zu legen, denn die offensichtliche Furcht des Mädchens vor ihm, ließ ihn nicht kalt. Er war es gewohnt dass man ihn nicht mochte, dass man ihn einen dreckigen Bastard nannte oder die alte Fledermaus oder oder oder, aber das was sich in Hermines Augen widerspiegelte, das war nacktes Entsetzen.
Jemandem zu drohen war eines, aber etwas tatsächlich zu tun oder tun zu müssen, das war etwas ganz anderes.
Er wandte sich ab und ging langsam zum Kamin rüber, legte einen Arm auf den Sims und starrte ins Feuer. Nach einer Weile sagte er: "Ich werde morgen anfangen die Basis für den Trank herzustellen. Wie du weißt nehmen alle Vorbereitungen 28 Tage in Anspruch. Die letzte Zutat...", Snape holte tief Luft, "die letzte Zutat muß am 28sten Tag hinzugegeben werden. Also nur Geduld! Du wirst irgendwann während dieser Zeit, spätestens aber am 13ten Januar zu deinem Vergnügen kommen!"
Hermine krümmte sich auf ihrem Stuhl zusammen und Snape verfluchte sich innerlich für diese Spitze. Stumme Tränen liefen über Hermines Gesicht und sie zog ihre Arme wie zum Schutz an den Körper.
Zum tausendsten Mal innerhalb der letzten 20 Stunden verfluchte Snape die ganze Situation.
Jetzt stand er hier in seiner eigenen Wohnung und hatte diesen Backfisch am Bein, der sich nicht entscheiden konnte ob er heulte oder rotzigfrech war. Das wäre ein Fall für einen Pädagogen. Aber verdammt, er war kein berufener Lehrer. Er war promovierter Meister der Zaubertränke und kein Doktor für gestresste Teenagerseelen. Er fühlte sich so hilflos und das machte ihn wütend. Und dass er darüber wütend war, das machte ihn noch wütender.
"Du hast noch einen Test zu schreiben und später habe ich noch eine Hausaufgabe in Verwandlung für dich!" Snape Stimme traf Hermine so wie sie klang, eiskalt und steinhart.
Snape rauschte quer durch den Raum, zog den Zettel mit den Testaufgaben aus der Tasche und knallte ihn neben Hermines Teller.
"60 Minuten und keine Sekunde länger, und wehe dir wenn du versuchst aus einem Buch abzuschreiben!"
Hermine schluckte, wischte ihre Tränen ab und las kurz die Fragen durch. Dann entgegnete sie gehässig: "Diese Fragen sind lächerlich einfach, Professor, dabei habe ich es gewiss nicht nötig zu mogeln!"
"Sehr schön meine Liebe, dann verkürzen wir doch die Zeit auf, nun sagen wir 30 Minuten, AB JETZT!!"
"Sehr gut", dachte er bei sich, "wenn ich ihren Ehrgeiz wecke, dann hört sie wenigstens auf mich anzusehen wie das Kaninchen die Schlange!"
Hermine nahm wütend die Feder in die Hand und begann die Fragen zu beantworten.
Flüssig schrieb sie Antwort für Antwort auf das Pergament.
Snape hatte sich ein weiteres Glas Wein eingeschenkt und betrachtete sie. Ihr blasses Gesicht hatte vor Eifer wieder etwas Farbe bekommen und ihre Augen leuchteten. Anscheinend hatte sie die Welt um sich herum vergessen. Snape fragte sich wie sie mit der letzten Frage klarkommen würde. Er hatte diese als Fangfrage formuliert. Nur drei von Hermines Klassenkameraden hatten überhaupt versucht diese Frage zu beantworten, natürlich waren alle drei Antworten falsch gewesen. Jetzt las Hermine gerade diese Frage durch und ihre Stirn runzelte sich dabei. Snape grinste innerlich, hatte er doch eine Wissenslücke erwischt?
"Noch 4 Minuten", blaffte er sie an.
Hermine sah einen Moment gedankenverloren auf, doch sofort zogen sich ihre Augenbrauen wieder konzentriert zusammen. Dann glitt ein Lächeln über ihr Gesicht und lächelnd schrieb sie eine Antwort auf das Papier.
Snape riss ihr den Bogen unter den Fingern weg.
"Zeit ist um!", bellte er. Hermine lehnte sich entspannt zurück und sah ihn triumphierend an.
Snape überflog die Antworten. Wie erwartet war alles richtig. Als er die letzte Antwort las musste er Hermine ungewollt Respekt zollen. Er hatte auf die Problematik der Gewinnung von Schlangengiften nur einmal im Unterricht hingewiesen. Das Gift der Klapperschlangen war allgemein als Trankzutat ungeeignet, es sei denn, die Schlange würde bei Mitternacht gemolken. Nur dann ist das Klapperschlangengift ein hinlänglicher Ersatz für das der Brillenschlange. Hermine hatte diese Frage fehlerfrei beantwortet und noch zusätzlich darauf hingewiesen, dass Klapperschlangen zwar um Mitternacht, keinesfalls aber bei Neumond gemolken werden dürfen. Woher wusste sie das alles nur?
Hermine wartete erwartungsvoll auf seine Bewertung.
"Genügend, Hermine!", murrte Snape. Hermine lächelte, sie wusste, dass das gemurrte "Genügend" aus Snapes Mund ein großes Lob war.
Für einen Moment war er nur der ungeliebte Lehrer gewesen, nicht der gefürchtete Ehemann, trotzdem war sie mehr als froh, als er zum Nachmittagsunterricht davon rauschte.

Die nächsten Stunden verbrachte sie alleine mit einem Aufsatz in Verwandlung. Am späten Nachmittag schaute Professor McGonagall vorbei.
"Alles in Ordnung, Kindchen?" Sie war ehrlich besorgt.
"Geht schon!", sagte Hermine und lächelte gequält.
"Severus ist kein schlechter Mensch, Hermine, ich mag ihn nicht sonderlich, aber er ist kein schlechter Mensch! Versuche dich mit ihm zu arrangieren. Dann wird eure gemeinsame Zeit schon nicht so schlimm. Vielleicht ist er ja ..... ganz nett..... erträglich, meine ich."
Damit ließ Minerva Hermine wieder alleine und sie konnte nichts anderes tun, als auf Snape zu warten.
Als dieser dann am Abend die Wohnung betrat, war seine Laune gemäßigt und er verbrachte noch einige Stunden in der Bibliothek damit, die Tests vom Vormittag zu korrigieren.
Hermine konnte ihn laut schimpfen und fluchen hören.
Irgendwann schmiss er die Feder hin und setzte sich mit einem Buch zu Hermine an den Kamin. Keiner sprach ein Wort. Hermine hätte sich am liebsten unsichtbar gemacht.
"Geh schlafen!", sagte Snape eine Stunde später und Hermine dachte nicht daran, seinem Wunsch nicht zu entsprechen.
Wie am Vortag kroch sie unter die Decke und wie am Vortag, achtete sie darauf, auf der alleräußersten Kante zu liegen.
Schlaf fand sie keinen. Sie lauschte auf die Geräusche aus dem Wohnzimmer, zuckte zusammen wenn ein Holzscheit im Kamin knackte und spürte eine kleine Erleichterung, wenn sie Snape eine Buchseite umblättern hörte. So lange er las, kam er nicht ins Bett.
Doch leider wurde auch ein Severus Snape müde, wie sie einsehen musste als er sich gähnend zu ihr legte.
"Hermine!"
"Mmm?"
"Du balancierst doch nicht etwa wieder auf der Kante?"
Hermine rückte einen halben Zentimeter in seine Richtung.
Blitzschnell schoss seine Hand unter der Bettdecke durch wie eine zubeißende Schlange. Hermine hatte diese Reaktion erwartet und wich seiner Bewegung aus. Unsanft fiel sie aus dem hohen Bett und landetet mit einem dumpfen Schlag auf den Boden.
"VERDAMMT!", brüllte Snape. "Glaubst du ich kann bei deiner Polterei ein Auge zu tun?
Jetzt lege dich gefälligst ganz ins Bett. Wenn ich nachts nicht schlafen kann habe ich am nächsten Morgen eine Scheißlaune!"
‚Achwas!', dachte Hermine und beeilte sich ins Bett zu kommen.
Wenigstens machte Snape keine Anstalten mehr sie anzufassen und als sie seine Atemzüge tief und gleichmäßig wurden, da döste auch sie endlich in einen unruhigen Schlaf hinweg.


 

Kapitel 8

   

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