O my soul

 

 

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Kapitel 11: Zeit einzuschlafen?


Draco starrte seinen Lehrer an und griff nach oben, um ihn am Fuß zu berühren. "Bitte sagen Sie mir, dass Sie nicht sterben werden. Versprechen Sie mir, dass Sie noch am Leben sind ... wenn ich mit dem Direktor zurückkomme."

"Ich werde ... warten", sagte Severus.

Der Junge zögerte keine Sekunde länger. "Ich werde so schnell laufen, wie ich kann, nur ... bitte, Professor Snape, sterben Sie nicht. Wenn Sie Ihren Gott darum bitten, bin ich sicher, dass Er Sie hören wird."

"Er wacht ... über uns beide", antwortete Severus, Schweißtropfen fielen von seinem gesenkten Kopf. "Geh ... sei vorsichtig."

Draco streichelte noch einmal über Severus´ Fuß, dann rannte er davon und wurde von dem dichten Wald verschluckt.


***




"Wenn ein Mann sich selbst anklagt, wird er von allen Seiten geschützt."

~ Worte des Wüstenvaters


"Wo kein Kampf, da keine Tugend."

~ St. Johannes von Kronstadt


"Breite deine Kleidung über jenem aus, der gesündigt hat, und bedecke ihn."

~ St. Seraphim von Sarov



Als der Morgen über Hogwarts anbrach, begannen die meisten Schulbewohner ihren Tag wie üblich, nicht wissend von den schrecklichen Ereignissen, die sich über Nacht zugetragen hatten.

Dumbledore jedoch war blitzartig aufgewacht, und obwohl die Gestalten, die ihn in seinen Träumen verfolgt hatten verschwunden waren, sobald er die Augen öffnete, blieb ein bedrohliches Gefühl in seinen Hinterkopf und ließ sich nicht vertreiben. Dann sah er Vater Nikolski ohne Severus die Große Halle betreten, und seine düstere Ahnung verschlimmerte sich.

"Guten Morgen, Vater", sagte Dumbledore.

"Guten Morgen, Direktor Dumbledore", erwiderte der Priester. "Ist Severus nicht hier?"

"Ich gestehe, ich war überrascht, Sie ohne ihn kommen zu sehen. Wir haben uns alle daran gewöhnt, Severus in Ihrer unmittelbaren Gesellschaft vorzufinden."

Der Priester runzelte leicht die Stirn. "Es ist seltsam, dass er nicht in seinen Räumen war. Er würde nicht so etwas gegensätzliches zu seinen Gewohnheiten tun und es mir nicht sagen. Ich bin ... beunruhigt."

"Ich werde Ihnen helfen ihn zu suchen, aber ich bin sicher, dass wir uns keine Sorgen machen müssen. Nach den gestrigen Vorkommnissen habe ich die Schutzzauber um die Schule erheblich verstärkt. Vielleicht hat er in der Bücherei nach irgendetwas gesucht und darüber die Zeit vergessen. Der Himmel weiß, das wäre nicht das erste Mal."

Bitte, lass ihn in Sicherheit sein.

"Sie werden wohl Recht haben", sagte Vater Nikolski. "Wie auch immer, ich werde erst ruhiger sein, wenn er gefunden ist."

"In diesem Falle, lassen Sie uns gleich nachsehen, ob -"

Eine Reihe erschrockenen Keuchens lief durch die Große Halle und Dumbledore blickte auf, um Hagrid auf sich zurennen zu sehen, einen schlaffen Draco Malfoy in seinen Armen.

"Oh meine Sterne!" rief McGonagall und sprang auf, zusammen mit dem Direktor.

"Professor Dumbledore, Sir, ich war draußen um die Hippogreifen zu füttern un´ da kommt ein Zentaur ausm Wald mit Draco auf seinem Rücken, der Junge bewegt sich überhaupt nich ?"

Der Direktor, McGonagall und Vater Nikolski liefen auf den bestürzten Halbriesen zu.

"Du meine Güte, was ist mit ihm passiert?" rief McGonagall und untersuchte die Schnitte und Blutergüsse des Jungen.

"Der Zentaur sagte, er hat den Burschen kurz vor Sonnenaufgang im Wald herumstolpern sehen, ganz durcheinander, hat sich die Augen ausgeweint und irgendwas gestammelt von wegen ..." Hagrids Augen füllten sich mit Tränen.

"Es ist alles in Ordnung, Hagrid", sagte Dumbledore mit beruhigender Stimme, doch sein Gesichtsausdruck war Besorgnis erregend. "Fahren Sie fort."

"Sir, Sie müssen da raus gehen bevor´s zu spät is. Es is Professor Snape, er is ..." Hagrid schüttelte den Kopf und sein Mund zitterte.

In der Großen Halle hätte man eine Stecknadel fallen gehört.

"Erzählen Sie es mir", sagte Dumbledore.

"Der Zentaur sagte was von wegen -", Hagrid schluckte und fuhr flüsternd fort, "von wegen Todessern und - und ... Du-weißt-schon-wer ..."

McGonagall schwankte und der Direktor stützte sie sanft mit seiner Hand.

"Oh Sir, das war das Entsetzlichste, das ich je gehört habe-", stammelte Hagrid.

Dumbledore und der Priester beugten sich näher zu ihm, der die Worte kaum auszusprechen vermochte.

"Draco sagte, Du-weißt-schon-wer ... hat den Professor an ... an einen B-Baum gen-nagelt", sagte der Riese und brach endlich in Tränen aus.

"Gott steh uns bei!" rief Vater Nikolski, bekreuzigte sich und sah aus, als stünde er kurz vor dem Zusammenbruch.

"Albus", flüsterte McGonagall, unfähig zu atmen.

"Professor Lupin, kommen Sie bitte zu mir", sagte der Direktor und drehte sich zum Lehrertisch um.

Der Werwolf eilte an seine Seite, mit alarmiertem Gesichtsausdruck. "Was ist passiert, Direktor?"

"Hagrid, bringen Sie den Jungen in den Krankenflügel. Minerva, ich übertrage Ihnen die Verantwortung über Hogwarts während Professor Lupin, Vater Nikolski und ich nach Severus suchen", sagte Dumbledore. "Die Schüler haben in ihre Gemeinschaftsräume zurückzukehren und dort zu bleiben, bis ich zurückkehre."

Sie nickte kurz.

"Remus, Vater, gehen wir. Wir dürfen keine Zeit verlieren."

Sie rannten aus der Großen Halle und über das Schulgelände zum Rand des Verbotenen Waldes.

"Halten Sie sich an meinen Armen fest", befahl Dumbledore Lupin und dem Priester, und sie disapparierten.

Obwohl Tageslicht herrschte, als die drei in der Mitte des Verbotenen Waldes apparierten, waren sie von undurchdringlichen Schatten umgeben, und die Luft war beinahe kalt. Lupin hielt seinen Zauberstab hoch und flüsterte: "Lumos."

"Wie sollen wir ihn finden?" fragte Vater Nikolski.

Dumbledores Finger schlossen sich um seinen Zauberstab und er sagte: "Führe mich zu Severus Snape."

Der Zauberstab zitterte, als ob er versuchte zu gehorchen, doch er wurde daran gehindert.

"Führe mich zu Severus Snape!"

Er zitterte stärker und Dumbledore dachte, er würde jeden Moment brechen; seine Augen weiteten sich.

"Die dunkle Macht beabsichtigt, uns aufzuhalten", sagte Vater Nikolski. "Erlauben Sie mir einen Versuch."

Dumbledore gab dem Priester seinen Zauberstab, und dieser nahm ihn und sagte mit lauter Stimme: "Im Namen des Herrn, führe mich zu Severus Snape!"

Wie von höherer Macht gelenkt, zeigte der Stab in südwestliche Richtung.

"Erstaunlich", sagte Lupin.

"Schnell", sagte Dumbledore, "wenn wir ihn retten wollen."

Sie liefen los.


***




"Keiner von euch kann mein Schüler sein, ohne all seine Besitztümer aufzugeben."

~ Lukas 14:33


Severus versuchte, sich ein letztes Mal aufzurichten, aber er konnte nicht. Der Schmerz war zu überwältigend, sein Körper zu erschöpft.

Kann nicht ... Herr ... Herr ...

Früher in der Nacht, während der endlosen Stunden in denen er hing, zitternd vor Kälte und Qualen die unaufhörlich durch seine Glieder schossen, schien es, als hätte er alles vergessen, was er gelehrt worden war. All die Choräle, die er so gut beherrscht hatte, die Schriften, die ihn getröstet hatten, seit er übergetreten war, die Worte des Vaters. Alles war von dem Leiden verschlungen worden, ertränkt in unbeschreiblicher Seelenqual, die ihren Ursprung in der Böswilligkeit des Feindes hatte.

Der Böse wiederholte seine Angriffe und versuchte zuerst, Zweifel in Severus´ Seele zu schüren, dann versuchte er, ihn mit prahlerischen Gedanken zu verführen; er erschien sogar als ein Engel des Lichts in seinem Bemühen, dem Stolz seines geschwächten Opfers zu schmeicheln.

All dem hatte Severus widerstanden, indem er sich selbst ernüchterte und sich an den Herrn hing, der ihn mit Seiner Gnade erfüllte.

Der Herzschlag des Zaubertrankmeisters wurde unregelmäßig, aber das erschreckte ihn nicht. Es war, als ob er in den Schlaf gewiegt wurde ... Jeder flache Atemzug stieg auf wie Weihrauch vor dem Gesicht Gottes. Er konnte die Gegenwart des Herrn spüren und ließ sich von ihm hochheben, sich völlig in seine geheimnisvolle Umarmung ergebend.

Herr, empfange meinen Geist ... vergib ihnen ... diese Sünde ...


***




"Was in Merlins Namen war das?"

Vor Lupins Augen tanzten noch immer helle Punkte, und aus unerklärlichem Grund begannen seine Knie zu zittern.

"Ich glaube ich weiß es", sagte Vater Nikolski und bekreuzigte sich.

Augenblicke zuvor hatte ein unbeschreiblich heller Lichtstoß sie alle gerade nicht geblendet, und sie waren in ihren Bewegungen erstarrt.

"Großer Himmel, es kam aus dieser Richtung", sagte Dumbledore, "in die der Zauberstab uns führt."

"Los!" rief Lupin und lief vor den beiden Männern los.

Nachdem er über einige Wurzeln der uralten, riesigen Bäume, die hier standen geklettert war, immer in die Richtung, aus der er das Licht vermutete, schob der Werwolf einige Äste beiseite und dann fühlte er, wie sein Mund trocken wurde.

"Severus. Oh nein. Oh nein!"

Ungefähr zehn Meter von ihm entfernt hing Severus´ lebloser, blutender Körper. Draco hatte die Wahrheit gesagt. Der Kopf des Zaubertrankmeisters lag auf seiner Brust; seine Augen waren geschlossen; unter den zahllosen Streifen von Blut war sein Fleisch beinahe weiß. Ein goldener Schimmer umgab seinen Körper. Als er langsam verblasste, wurde das Ausmaß seiner grausamen Verletzungen nur allzu sichtbar, und Lupin dachte, er müsse in Ohnmacht fallen.

"Direktor, Vater! Schnell, hier rüber!"

"Sie haben ihn gefunden?" sagte Dumbledore. Er verlor seinen Zauberhut und Schweiß bedeckte seine faltige Stirn. "Ist er -" Er hielt den Atem an. "Severus."

"Oh, gnädiger Gott!" rief Vater Nikolski und lief an Dumbledore und Lupin vorbei auf das Kreuz zu. "Mein liebes Kind." Er begann leise zu weinen.

"Wir müssen ihn runterholen", sagte Lupin. "Vielleicht ist er ... noch nicht ..."

Dumbledore bewegte die Hand. Die Nägel wurden aus Severus´ Handgelenken und Füßen gezogen, und er schwebte sanft in ihre offenen Arme. Sie legten ihn auf den Boden und der Direktor breitete seinen Umhang über den leblosen Mann.

"Ich fühle keinen Puls", sagte Vater Nikolski, seine Hände an Severus´ Hals. Tränen rannen ihm über die Wangen. "Sein Körper ist kalt."

Lupin riss eilig seinen bereits in Mitleidenschaft gezogenen Umhang in Streifen und verband Severus´ Wunden, während Dumbledore den Zauberstab erhob.

"Vitae resuscitem."

Dumbledore und Lupin starrten auf Severus und hofften, dass sie nicht zu spät gekommen waren; Vater Nikolski betete.

Dann öffnete Severus den Mund und holte kaum hörbar Luft.



 

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