Reinheit des Blutes

 

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Kapitel 15: Ein unangenehmes Beisammensein



Ich hatte Mühe, seinen schnellen Schritten zu folgen und als er überraschend stehen blieb, krachte ich ungebremst in seinen Rücken. Verdammt! Sicher war damit seine gute Laune entgültig dahin. Hastig trat ich zurück und wagte einen kurzen Blick in sein Gesicht. Er sah mich ein wenig herablassend und spöttisch an, doch er tobte wenigstens nicht.

"Wann lernen Sie endlich sich wie eine junge Dame zu benehmen, und nicht wie das Kind, das Sie zu sein scheinen?"

Sollte ich auf diese rhetorische Frage antworten? Ich verkniff mir lieber jede Bemerkung und starrte nur verlegen auf einen der Knöpfe an seiner Robe. Er seufzte auf und kurz schien es mir, als würde seine Hand meinen Kopf berühren, doch der Moment war schnell vorbei.

"Kommen Sie, ich habe Hunger."

Ich hatte nicht bemerkt, dass wir bereits vor dem Lokal standen und fühlte mich noch peinlicher berührt, da er mich wieder mit diesem ungeduldigen Tonfall maßregelte. Er hielt mir dennoch galant die Tür auf und schob mich resolut in das dämmrige Vorzimmer.

Wir traten durch den Rundbogen, der den Vorraum mit dem Hauptraum verband. Dunkles Holz und weinrote Stofftapeten dominierten. Es gab unzählige kleine Nischen mit gepolsterten Bänken und Efeuranken umspielten Holzsäulen. An jedem der Tische stand eine einzelne Kerze und vier Kronleuchter gaben ein sanftes Licht ab.

Obgleich es noch nicht allzu spät war, waren kaum Gäste hier. Alles wirkte anheimelnd und irgendwie zeitlos schön. Ich wollte ihm gerade sagen, dass es mir sehr gefiel, als er mich am Arm nahm und zu einer weit entfernten Nische dirigierte. Seine Schweigsamkeit gab dem Ganzen jedoch etwas unheimliches. Die weiche Bank war sehr bequem und ich setzte mich. Er hatte gewartet, bis ich es tat, bevor er sich ebenfalls beugte.

Sehr galant. Irgendwie mochte ich seine Art, wie er mich einerseits lenkte und andererseits wie eine erwachsene Frau behandelte. Oder zumindest fast. Mit einem Flüstern entzündete er die Kerze, die ein sanftes Licht abgab. Die Schatten tanzten auf seinem Gesicht und ließen es weicher, jünger wirken. Kurz stellte ich mir vor, dass ich hier mit Ron sitzen könnte - wie sein rotes Haar im Kerzenschein leuchten würde...

"Herzlich Willkommen. Darf ich Ihnen die Speisekarte reichen?"

Ich hatte den Kellner nicht kommen sehen und wachte recht unsanft aus meinen Tagträumen. Ein kurzer Blick in Severus' Gesicht zeigte mir, dass er meine Abwesenheit durchaus bemerkt hatte. Er winkte ab und die Karten verschwanden.

"Wir nehmen als Vorspeise Tomatensuppe. Als Hauptgericht Hühnchen, Reis und Erbsen, dazu eine Flasche Rotwein. Burgunder 1985. Danke."

Ich sah ihn verärgert an. Woher wollte er wissen, dass ich darauf Hunger hatte? Schon aus Trotz setzte ich an, ihm zu widersprechen. Wieder traf mich sein drohender Blick. Ich schluckte, und schwieg dennoch nicht.

"Ich möchte selbst wählen."

Der Kellner lächelte amüsiert und zwinkerte mir freundlich zu. Natürlich ließ er mir das nicht durchgehen.

"Nein."

"Die junge Dame hat ihren eigenen Kopf."

"Sie können gehen..."

Eiskalt waren seine Worte, als er den netten Mann in seine Schranken wies. Ich erschauderte unangenehm und wünschte mir fast, geschwiegen zu haben. Seine schwarzen Augen durchbohrten mich und ich senkte meinen Blick.

"Vielleicht möchte Ihre Tochter den Fisch versuchen? Er ist ganz frisch..."

Überrascht sah ich ihn an. Dachte er tatsächlich, dass ich das Kind eines solchen Scheusals sein konnte? Dachte das jeder, der mich mit ihm sah? Und wie würde Severus darauf reagieren? Er sah mich kurz an und dann traf sein harter Blick den Kellner.

Ich wollte auf keinen Fall, dass er giftig wurde und unsere Bedienung gänzlich vor den Kopf stieß. Deshalb antworte ich schnell, bevor er es tun konnte: "Ich bin nicht seine Tochter. Und danke, aber ich werde mich seiner Wahl anschließen."

Beide sahen mich kurz an. Der Kellner erst überrascht, dann nachdenklich und schließlich entsetzt. Severus jedoch nur nachdenklich. Die Augenbrauen erhoben und mit einem leichten Heben der Mundwinkel. Musste man diesem Mann immer Recht geben, um mit ihm auszukommen? Es schien mir fast so.

Ich wandte mich wieder an den Kellner und betrachtete ihn abwartend. Er starrte immer noch von ihm zu mir und wieder zurück. Der Schock stand ihm ins Gesicht geschrieben. Erst jetzt wurde mir richtig bewusst, wie es auf ihn wirken musste. Das Kerzenlicht, die kleine Nische, wie Severus mich zum Tisch geleitete, wie er einfach über mich bestimmte... Ich wurde hochrot, das war mir so peinlich. Wie konnte man nur so etwas denken? Er und ich? Völlig abwegig. Ich setzte an, um die Sache aufzuklären. Doch es entwich mir nur ein unsicheres Quicken.

Severus lehnte sich entspannt zurück und schien zu warten. Er wirkte wieder einmal belustigt und mein Unbehagen steigerte dies noch. Würde er mich wirklich so hängen lassen? Was sollte ich sagen, damit es nicht ganz so peinlich wirkte?

"Ähm..." Endlich riss der Mann sich von dieser Vorstellung los. Er verbeugte sich förmlich und klang weit weniger liebenswert als zuvor.

"Verzeihen Sie bitte. Ich werde Ihre Wünsche weitergeben."

Damit drehte er sich um und stakste wieder zurück in die Küche. Ich sah ihm nur verwirrt hinterher. Warum schien er mir auf einmal so... unterkühlt? So ungewöhnlich waren wir nun auch wieder nicht. Oder?

Ich wandte mich meinem Begleiter zu, dessen Blick noch immer auf mir lag.

"Warum haben Sie nichts gesagt?"

Er zog nur die Augenbrauen hoch und schließlich meinte er lediglich: "Es gab keinen Grund einzugreifen."

"Aber er hat gedacht... das wir... ich meine..."

Severus wirkte nun keineswegs mehr belustigt oder amüsiert. Er beugte sich ein Stück über den Tisch und zischte fast bösartig: "Hätten Sie mir nicht widersprochen, wäre er auf diesen abwegigen Gedanken gar nicht gekommen."

Obwohl er Recht hatte, war dies noch lange kein Grund wieder patzig zu werden. Aber warum sollte ich mich überhaupt noch mit ihm befassen? Ich würde ihn einfach ignorieren. Genau!

Ich blickte mich also in dem Restaurant um, betrachtete die Bilder und versuchte seine Gegenwart nicht wahrzunehmen. Es klappte wirklich gut, wenn man berücksichtigte, dass er mich unverwandt ansah. Irgendwann wurde es mir dann doch zu viel und ich erwiderte seinen Blick.

"Was?"

"Sie sind nicht sehr konsequent."

Er hatte bemerkt, dass ich ihn strafen wollte. Und offensichtlich hatte es nicht funktioniert. Was sollte ich sagen? Abstreiten? Zugeben? Ignorieren?

"Ich bin kein kleines Kind mehr. Ich möchte selbst Entscheidungen treffen!"

Severus sah kurz auf die Tischdecke und dann wieder zu mir. Er schien nachzudenken und seine Stimme klang ernst. Vielleicht auch ein wenig anklagend. "Jetzt kommen wir also zum Kern der ganzen Sache."

Ich sah ihn verwirrt an. Was meinte er? "Wie bitte?"

"Warum verkraulen Sie alle Junggesellen? Weshalb versuchen Sie nicht einmal, sich mit ihnen anzufreunden?"

Das war es also. Ich bemühte mich seiner Meinung nach nicht genug... Aber er musste ja auch nicht diese taxierenden Blicke über sich ergehen lassen. Musste nicht lügen und sich immer verstellen. Wie wollte er schon wissen, wie es wahr, sich selbst zu verlieren? Er hatte doch keine Ahnung!

"Ich gebe mein Bestes!"

Er schüttelte den Kopf. "Nein, tun Sie nicht. Es scheint vielleicht auf den ersten Blick so, aber Sie sind sehr geschickt darin, die Männer abblitzen zu lassen."

"Ich..."

"Ich war noch nicht fertig!", unterbrach er mich." Sie wollen keinen dieser Kandidaten. Und nun drängt sich mir die Frage auf, wen Sie wirklich begehren."

Begehren? Welch seltsames Wort aus seinem Mund. Hatte er recht? Wollte ich am Ende wirklich jemanden bestimmtes? Wollte ich Ron? "Ich habe keine Wahl, ich kann mich nur fügen. Und ja, ich will keinen von ihnen. Ich möchte mich nicht einsperren lassen, gekettet an jemanden, den ich nicht liebe. Aber ich bemühe mich dennoch. Ich möchte nicht wieder Schande über unsere Familie bringen."

Warum hatte ich ihm das alles erzählt? Ich wollte nie, das jemand dies erfuhr. Und nun hatte ich es ausgerechnet ihm erzählt. Er hatte mich reden lassen, hatte geschwiegen und mich unentwegt angesehen. Ich konnte ihm nichts verheimlichen.

"Es mag Ihnen nicht gefallen, doch es ist zwingend nötig. Das wissen Sie doch, Miss Xanthreos?"

Ich seufzte auf. Natürlich wusste ich das. Wie oft hatte ich es in den letzten Monaten gehört. Unserer Familie wird untergehen..., wir sind verdammt...
Es machte mich krank! Ich war zu jung, um mich als Opferlamm zu präsentieren! Ich wollte doch einfach nur mein eigenes Leben selbst gestalten! War das zuviel verlangt?

"Ich bin 18 Jahre alt. Vor einem halben Jahr war ich ein glückliches, normales Mädchen. Ich hatte einen super Abschluss in der Tasche, eine Zulassung für eine der besten Universitäten des Landes. Meine einzige Verantwortung lag darin, mich um meine Mutter zu kümmern und nicht zu spät zum Unterricht zu kommen. Alles andere ging mich nichts an. Verstehen Sie mich nicht? Ich wollte nicht hier her! Weder will ich heiraten, noch der Rettungsanker für meine Familie sein! Ich bin ich, und ich will mich nicht meistbietend verkaufen lassen!"

"Verantwortung ist keine leichte Bürde. Und ich kann Sie durchaus verstehen, aber je länger Sie sich sperren, desto geringer wird Ihre Chance auf einen angemessenen Ehemann. Das müsste selbst Ihnen klar sein!"

Ich schwieg. Was konnte ich auch sagen? Betroffen blickte ich in seine schwarzen Augen und fragte mich zum wiederholten Male, ob er und Selene wieder zusammen finden würden.

"Lieben Sie Selene noch?"

Er zuckte zusammen und ein zorniger Blick traf mich. Ich hörte das leichte Knirschen seiner Zähne und doch antwortete er mir.

"Was meine... Interessen an Ihrer Mutter angeht, so ist das für Sie nicht von Belang."

"Aber wenn Sie sie heiraten würden, wäre ich doch frei? Oder nicht?"

"Nein. Sie sind der Schlüssel. Selene ist nicht fähig zu gebären. Nur deshalb sind Sie überhaupt in dieser Lage. Und das wissen Sie auch genau!"

"Was soll ich also tun? Soll ich mich ein Leben lang als Kinderfabrik an einen Mann ketten, der mir hoffnungslos überlegen ist? War´s das dann schon?"

Er lehnte sich zurück und fast wirkte er ein wenig mitleidig auf mich. Bedauerte er mich am Ende?

"Es gibt durchaus noch andere Möglichkeiten. Sie könnten zum Beispiel auch die Geliebte eines Reinblütlers werden. - Lucius Malfoy wäre ein perfekter Kandidat. Oder Sie heiraten jemanden, der...."

"...heiraten jemanden, der... was meinen Sie?"

Severus drehte sich um und ich sah den Kellner mit unserem Essen kommen. Doch ich wollte jetzt sofort eine Antwort.

"Was meinten Sie!"

Er blickte mich wieder so herablassend an und schließlich bildete sich eine steile Falte zwischen seinen Augenbrauen. "Später! Erst essen wir!"

Das köstlich duftende Essen lenkte mich tatsächlich ab. Ich würde meine Antwort trotzdem noch bekommen!

Kapitel 14

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