Reinheit des Blutes

 

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Kapitel 16: Das unmoralische Angebot



Obgleich er das Essen ausgewählt hatte, schien es ihm nicht zu schmecken. Er aß es ohne rechte Begeisterung, stetig und ohne einen Laut des Genusses. Ich mochte das Hühnchen, der Reis war auch ganz in Ordnung. Der Wein jedoch schmeckte mir nicht wirklich, ich mochte keinen Alkohol und dennoch war ich kurz davor mir ein zweites Mal nachzuschenken.

Er bremste meine Hand noch bevor ich dazu kam. Ein Kopfschütteln, dann sah ich ihn schnell kauen und schlucken. "Sie hatten genug Wein. Ich möchte nicht, dass Sie für unsere Unterredung zu betrunken sind!"

Was fällt diesem verdammten... "Ich kann sehr wohl selbst entscheiden, wie viel Wein ich vertrage!"

Seine Augen wurden zu kleinen Schlitzen und er schenkte mir schwungvoll nach. "Bitte."

Abwartend maß er mich mit seinem bösen Blick. Ungerührt trank ich das ganze Glas auf einmal aus. Bah! Das war total ekelig. Fast hätte ich auch noch husten müssen und Wärme stieg schnell in meinen Kopf. Etwas zittrig atmete ich aus. Dann jedoch grinste ich ihn hochnäsig an, zumindest hoffte ich, dass meine Gesichtszüge meinen Gedankengängen folgen konnten.

In der nächsten halben Stunde schwiegen wir beide und beschäftigten uns mit dem Essen. Wann immer mein Glas leer wurde, schenkte er mir nach. Und irgendwann fing der Wein an, mir richtig gut zu schmecken. Aber mein Kopf wurde immer schwerer und ich hatte Mühe meine Augen offen zu halten.

Als er fertig war, legte er sein Besteck beiseite, tupfte mit der Stoffservierte über seine Mundwinkel und sah mich an. Mittlerweile musste ich meinen Kopf aufstützen, dennoch aß ich weiter. Eigentlich stocherte ich nur noch lustlos darin herum. Bis er schließlich die Hand hob und der Kellner wie aus dem Nichts erschien.

"Wir sind fertig."

Die Bedienung verbeugte sich kurz und zog mir den Teller unter der Nase weg. Ich reagierte kaum, legte lediglich meine Gabel zur Seite.

"Möchten die Herrschaften vielleicht noch ein Dessert?"

Dessert? Klang sehr lecker. Ich würde gerne eines haben und warf Severus einen kurzen Blick zu. Er nickte leicht, dann bestellte er für uns beide.

"Wir hätten gerne noch eine Tiramisu und... Schokoladencreme."

Ich konnte ein genießerisches Aufseufzen nicht verbergen. Das klang sehr, sehr lecker. Severus wand sich mir wieder zu, er klang spöttisch. "Trifft das Ihren Geschmack, Miss Xanthreos?"

Als ich nicken wollte, schoss sofort ein Schwindelgefühl in meinen Kopf und ließ mich aufstöhnen. Er hob arrogant die Augenbrauen und wusste natürlich wieder einmal alles besser.

"Ich hatte Ihnen gesagt, Sie sollten nicht so viel trinken."

Konnte dieser Mann nicht einmal seine Meinung für sich behalten, oder zumindest großzügig über die Fehler der Anderen hinwegsehen? Nein, natürlich ging das nicht. Beide Hände auf meine Stirn gelegt und die Augen fest geschlossen, versuchte ich den Raum wieder zum Stillstand zu bringen.

"Ist Ihnen schlecht?"

Warum fragte er? Hatte er Angst ich könnte mich auf seiner Robe übergeben? Hey, das wäre doch wirklich mal etwas anderes. Ich begann es ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Doch letztlich war ich einfach zu gut für diese Welt.

"Mir ist schwindlig."

Es war schwer zu reden und gleichzeitig nicht zu würgen. Verdammt, er hatte wieder recht. Mir war schlecht.

"Sie sind wirklich unglaublich stur."

"Ha ha. Sehr witzig. Ich lache darüber, wenn es mir wieder besser geht."

Damit hoffte ich, dass er das Thema sein lassen würde. Aber ich kannte ihn ja noch nicht allzu gut.

"Hätte ich geahnt, dass Sie so maßlos sind, hätte ich Ihnen Saft bestellt. Sie wussten den guten Wein überhaupt nicht zu würdigen. Wie ein kleines Kind..."

Ich wurde wütend, mein Kopf ruckte nach oben und ignorierte die tanzenden Wände. Gut, meine Stimme klang ein wenig... schrill. "Ich bin erwachsen! Ich kann selbst entscheiden!"

Seine hochnäsige Art reizte unglaublich zum Erwürgen, und seine stoischen Augen weckten in mir den Wunsch, sie ihm auszukratzen. Natürlich tat ich nichts davon. Auch dann nicht, als er mich wieder einmal beleidigte.

"Vom Alter her vielleicht. Wahrscheinlich sind Sie einfach körperlich und emotional zurückgeblieben. So etwas kommt in den besten Familien vor."

Ich wollte aufspringen, ihn würgen, schreien, toben! Wimmernd legte ich meinen pochenden Kopf auf die kühle Tischdecke und versuchte ihn einfach zu vergessen. Mir war soooo schlecht.

Er seufzte auf und kramte in seiner Robe. Es dauerte ein wenig, doch dann schob er mir eine kleine Flasche mit hellblauem Inhalt zu. Ich konnte kaum meine Lider heben.

"Hier! Trinken Sie."

Meine Hand war etwas unkoordiniert, aber ich gehorchte. Das Zeug brannte in der Kehle und fast hätte ich mein Essen von mir gegeben. Kaum erreichte die Flüssigkeit meinen Magen, ging es mir sofort besser. Der Druck auf meinen Kopf verschwand und ich fühlte mich topfit. Beschämt setzte ich mich wieder auf und murmelte ein kleines Dankeschön.

Sein kalter Blick traf mich und ich fühlte mich unzulänglich. Es war fast wie bei Selene. Nur, dass er kein Recht hatte, mich so fühlen zu lassen.

Die Nachspeise kam und er teilte die Tiramisu auf, ebenso den Pudding. Ich fing recht vorsichtig zu essen an, und er war bereits fertig, als ich mich der Creme zuwand.

"Miss Xanthreos, kommen wir zu meinem Vorschlag."

Ich schob mir gerade einen weiteren Löffel in den Mund und sah ihn abwartend an.

"Ihre Bemühungen einen... Ehemann zu finden, sind bisher nicht von Erfolg gekrönt worden."

Ich nickte zustimmend und aß ungerührt weiter.

"Sie entsprechen keinem gängigen Ideal, sind im Großen und Ganzen... gewöhnlich."

Seine freundliche Ausführung wurde mit einem wütenden Knurren von mir und einem genervten Augenrollen von ihm begleitet. Er sprach weiter.

"Um sich nicht dauerhaft binden zu müssen, und dennoch Ihrer Familie die Schande zu ersparen, brauchen Sie jemanden, der Sie zu gegebener Zeit - gehen lässt."

Wieder nickte ich und kratzte geräuschvoll die Reste aus meinem Schälchen. Er trommelte ungeduldig mit seinen blassen Fingern auf der Decke und warf mir ungeduldige Blicke zu.

"Sind Sie endlich fertig?"

Er entriss mir meinen Nachtisch, bevor ich noch reagieren konnte. Doch ein schneller Blick aus seine zornigen Züge, ließ mich ganz brav bleiben.

"Ja, entschuldigen Sie bitte."

Er nickte hoheitsvoll und brabbelte sogleich weiter. Ich hörte ihm nicht wirklich zu, sondern beobachtete seinen Gestik und Mimik während er sprach. Im Geiste vertonte ich ihn neu und ließ ihn über rosa Plüsch reden. Kichernd versteckte ich meinen Mund hinter der Hand und zuckte heftig zusammen, als er mit der flachen Hand auf den Tisch schlug.

"Haben Sie mir überhaupt zugehört?"

Nicken oder nicht? Das war hier die Frage. "Nein."

Er war sehr wütend und deutlich lauter als bisher. "Heiraten Sie mich nun, oder nicht?"

Ich starrte ihn an. Zwinkerte, schluckte - starrte weiter.

"Äh... wie bitte?"

Severus beugte sich zu mir herüber und wiederholte zischend seine Frage.
Ich räusperte mich umständlich und dennoch klang ich piepsig.

"Warum... äh... weshalb sollte ich das tun?"

Gleich würde er mich umbringen. Ganz sicher. Er war außer sich vor Zorn - und ganz plötzlich legte sich Gleichgültigkeit über seine Züge.

"Ich bin reinblütig, reich und durchaus in der Lage einen Nachkommen zu zeugen. Sie brauchen jemanden, ich stelle mich zur Verfügung. Ganz einfach."

Ich starrte ihn immer noch recht dümmlich an. "Aber Sie mögen mich doch gar nicht..."

"Ich muss Sie nicht mögen, um Sie zu heiraten."

"Aber Sie lieben meine Mutter..."

"Mein Privatleben geht Sie nichts an!"

Etwas überrascht runzelte ich die Stirn und wartete auf die Pointe. Sie kam nicht, oder hatte ich sie verpasst?

"Was haben Sie davon?"

"Was kümmert es Sie? Ich lasse Sie studieren, wo immer Sie wollen. Sie bringen meinen Erben zur Welt und dann dürfen Sie gehen. Es ist recht simpel."

In meinem Kopf herrschte ein heilloses Durcheinander und ich konnte keinen klaren Gedanken fassen. Er war verrückt geworden. Oder betrunken. War Geistesgestörtheit in seiner Familie weit verbreitet?

"Also, was sagen Sie?"

Ich schwieg mich aus und überlegte, ob ich es bis zur Tür schaffen würde bevor er mich erwürgt...

"Professor Snape... ich fühle mich wirklich... ähm... geehrt? Aber ich kann unmöglich..."

"Sie können, und Sie werden. Wo liegt das Problem?"

"Ich liebe Sie nicht!"

Er hob arrogant die Augenbraue und schmunzelte fast belustigt. "Ich liebe Sie auch nicht. Aber ich rede auch nicht von Liebe, sondern von einer Zweckehe."

"Mum wird ausrasten und Oma wird niemals ihre Zustimmung geben!"

"Selene überlassen Sie mir, und was Ihre Großmutter angeht... Sie werden sie eben davon überzeugen, dass Sie mich aufrichtig... lieben."

Ich schüttelte den Kopf. Selbst wenn ich seine Frage ernsthaft in Erwägung ziehen würde, was ich nicht tat, wollte ich auf keinen Fall unehrlich zu meiner Familie sein.

"Es tut mir leid. Doch meine Antwort bleibt nein."

"Sie sollten berücksichtigen, dass ich Ihre Geheimnisse kenne und es mir gleichgültig ist. Sie können Ihr Leben uneingeschränkt weiterleben. Ich würde mich keinesfalls einmischen und das Gleiche erwarte ich natürlich auch von Ihnen. Was Ihre... ehelichen Pflichten anbelangt,... ich verzichte gerne auf ihre Erfüllung. Weder begehre, noch liebe ich Sie."

Wie nett er wieder mal war. Heftige Röte stieß in mein Gesicht, als er den Sex erwähnte. Wohl noch nie etwas von Biologie gehört?

"Und wie wollen Sie dann Kinder bekommen?"

"Muggel kennen Möglichkeiten, die den Beischlaf unnötig machen. Falls das Ihre Sorge sein sollte."

"Ich kann nicht ja sagen. Es ist unmöglich."

Er schwieg beleidigt, zahlte und brachte mich nach Hause. Obwohl ich mich wirklich bemühte, ihm meine Gründe nahe zu bringen, ignorierte er mich einfach.

Severus apparierte mit mir direkt in unsere Halle. Was sollte ich ihm sagen? Danke für den schönen Abend und bitte nicht böse sein?

Selene war noch wach und begrüßte mich mit ihrer gewohnten Art. "Wo warst du so lange? Weist du überhaupt wie spät es ist?"

"Mum, es tut mir leid."

Sie nahm Snape gar nicht zur Kenntnis und ich fühlte mich schuldig, weil sie so unfreundlich war. Grandma´s Worte kamen mir in den Sinn. Wir mussten soviel gutmachen an den Snapes. Severus hatte die ganze Zeit geschwiegen, eine knappe Verbeugung und er wand sich zum Gehen.

Er tat mir leid. Weiß Gott warum, aber ich lief ihm nach. Vor der Eingangstüre holte ich ihn ein.

"Professor Snape!"

"..."

"Was wäre die Alternative?"

"Lucius Malfoy´s Geliebte zu werden."

Mir schauderte bei diesem Gedanken. War er das kleinere Übel? Ich wäre frei und würde dennoch alle glücklich machen. Sein Ruf wäre wiederhergestellt und Grandma sicher ganz aus dem Häuschen.

"Gilt Ihre Frage noch?"

Er schmunzelte ein wenig. Nickte.

Tief Luft holen. Nicht nachdenken, sondern einfach nur sprechen. "Dann sage ich ja."

Ich drehte mich um und rannte zurück ins Haus. Deshalb hörte ich auch nicht, wie er fast beiläufig flüsterte. "Du hattest niemals eine Wahl."

***



Zwei Tage später erhielt ich eine Eule von ihm. Der Brief war kurz und ich bereute meine Entscheidung bereits bitterlich.

Miss Xanthreos,

Bereiten Sie Ihre Familie auf die Gegebenheiten vor.

Vergessen Sie nicht, dass Sie eine "verliebte" Braut sind und grüßen Sie mir Ihre Großmutter.

S.S.


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