Reinheit des Blutes

 

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Kapitel 3: Die Zeit der Bälle



„Darf ich Ihnen meine Enkelin Lady Amalys Xanthreos vorstellen?“
Wieder knickste ich höflich und ließ meine Hand nachlässig küssen. Es war eine Qual sich so tief zu beugen und dann wieder aufzustehen. Das Kleid, das ich trug, war verdammt eng und presste jede Luft aus meinen Lungen. Die Farbe war dunkelgrün und schimmerte metallisch. Das Kleid war schulterfrei und wurde nur von meiner Oberweite, na ja, ehrlicher gesagt, von einem wohlgemeinten kleinen Zauber, an Ort und Stelle gehalten. Gott sei dank war es so lang, dass ich bequeme Stoffschnürer darunter tragen konnte.
Noch eine Nacht in hochhackigen Pumps, in denen ich ständig umknickte, hätte ich nicht mehr ertragen können. Ich war genervt. Man hatte mich frisiert - und nicht einmal ein Orkan hätte an dieser Frisur etwas ändern können; Parfümiert - ich konnte mich schon selbst kaum mehr riechen! Und man hatte mich gezwungen, abertausende von Kleidern anzuprobieren. Es war die Hölle!
Es war heute schon die zwölfte Ballnacht hintereinander. Langsam fragte ich mich wirklich, ob man versuchte, die Kandidaten durch Schlafentzug mürbe zu machen. Wären nicht die bitteren Tränke, die meine Mutter mir reichte, wäre ich schon längst im Stehen eingeschlafen. Doch so aufgeputscht wand ich mich wieder dem Gespräch zu.
„.... welche Schule haben Sie besucht?“
Lucius Malfoy hatte mich am Ellenbogen ergriffen und lenkte mich mit sanftem Nachdruck in eine der Nischen. Er war wirklich sehr gutaussehend, seine weißblonden Haare, die grauen Augen und er roch angenehm nach teurem After Shave. Seine Söhne hatte ich ein paar Tage zuvor kennen gelernt, ohne jedoch einen bleibenden Eindruck bei ihnen zu hinterlassen. Der Ältere der Beiden schien mir ziemlich arrogant und fies, dennoch war auch er von fast entwaffnender Schönheit.
Grandma meinte, dass eine solche Makellosigkeit an einem Mann verschwendet wäre. Was sollte ich schon dazu sagen? Mit dem Jüngeren, Draco, hatte ich zweimal getanzt. Wohl eher aus Pflichtgefühl hatte er mich dazu aufgefordert. Dennoch war er mir nicht gänzlich unsympathisch, und er schien eine gewisse Tiefe zu besitzen, die mir sehr gefiel.
Aber er schien schon vergeben zu sein, zumindest tanzte er den Rest des Abends mit einer wunderschönen rothaarigen Frau. Ich tippte mal auf die jüngste Weasley. Leider hatte ich sie noch nicht kennen gelernt, man stellte mich lediglich sämtlichen Männern im Saal vor. Es war peinlich so im Mittelpunkt zu stehen. Wie ich herausgeputzt wurde war ebenso peinlich. Jeder hier im Saal schien insgeheim zu wissen, dass man sich auf einer Auktion befand. Fehlte nur noch, dass man mich bat mein Gebiss zu zeigen... Worauf hatte ich mich da nur eingelassen?
Ein sanftes Streichen über meinen nackten Oberarm brachte mich in die Wirklichkeit zurück. Entschuldigend lächelte ich meinen Begleiter an und er wiederholte geduldig seine Frage. Mit ruhiger Stimme erzählte ich die mir aufgetragenen Lügen und bekam, wie so oft zuvor, ein wohlwollendes Lächeln. Mutter hatte meinen Werdegang bis ins kleinste Detail ausgearbeitet. Ich hatte ihn auswendig gelernt und protzte nun bei jeder sich bietenden Gelegenheit damit. Schließlich sollte man nicht einmal erahnen, dass ich nichtmagisch war.
„Ah, Sie wollen also Kräuterkunde studieren?“
Seine Stimme klang leicht rauchig und ich versank in seinen Augen. Er hatte mich aus dem Blickfeld der Anderen bugsiert und strich nun beiläufig über meine entblößte Haut. Lucius hatte sich sehr nahe zu mir herab gebeugt und flüsterte mir leise Schmeicheleien ins Ohr. Seine Fingerspitzen wanderten immer wieder in meinen Nacken und er strich nachdenklich über die empfindsame Haut. Plötzlich fühlte ich mich unwohl. Seine enge Gegenwart machte mich unruhig und ich wünschte, wir hätten uns nicht so weit von den Anderen entfernt.
Er drängte mich dichter in die Nische und sein Atem strich über mein Gesicht. Panik kroch in mir hoch.
Wie auf Kommando tauchte meine Mutter auf und er ließ sofort von mir ab. Scherzend und lachend wärmten sie alte Erinnerungen auf und diskutierten lebhaft über Schlammblüter. Ich machte mich davon. Zum einen mochte ich dieses Thema nicht, zum anderen empfand ich seine Gegenwart als aufdringlich.
Auf der Terrasse kam ich endlich dazu, Luft zu schnappen und mich ein wenig gehen zu lassen. Ich setzte mich auf eine der Bänke und streckte meine Beine weit von mir.
Endlich Ruhe!
Der Mond stand hoch am Himmel und es war fast taghell, obgleich es schon ein oder zwei Uhr Nachts sein musste. Keine Ahnung, wie lange ich so dasaß und in den Himmel starrte. Eine belustigte Stimme riss mich wieder aus meinen Gedanken:
„Willst du den Mond anheulen?“
Sofort fielen mir der abgetragenen Festumhang und die feuerroten Haare auf. 'Weasley', dachte ich, und setzte ein höfliches Lächeln auf. „Nein, es ist doch erst morgen Vollmond.“
Der junge Mann setzte sich ganz ungeniert zu mir auf die Bank und streckte mir seine große Hand entgegen. „Ron Weasley.“
Er war so entwaffnend offen, dass ich einfach lächeln musste und seine Hand ergriff. „Amalys Xanhtreos.“
„Die Enkelin. Wieder ein Ball zu deinen Ehren. Was macht dich denn so wichtig?“
Ron sah mich fragend von der Seite an und ich fühlte mich ihm verbunden, so dass ich einfach ehrlich antworten musste. „Man versucht mich an den Mann zu bringen.“
Erst lachte er, als hätte ich einen guten Witz gemacht, und als er begriff, dass dem nicht so wahr, sah er mich erstaunt an.
„Warum denn das? So alt kannst du doch unmöglich sein! Ich schätze mal so... fünfzehn, sechzehn?“
Ich schüttelte verneinend den Kopf und flüsterte leise. „Achtzehn, ich bin bereits achtzehn.“
„Trotzdem komisch. Du hast doch noch jede Menge Zeit, um zu heiraten.“
„...“
„Und schon einen geeigneten Kandidaten gefunden?“
„Nein. Es sind einfach zu viele Leute da. Ich habe kaum Zeit mit jemandem länger zu sprechen.“
Er streckte sich aus und sah ebenfalls in den Himmel. Dann begann er munter, die anwesende Gesellschaft zu zerpflücken.
„Also fangen wir mal bei meiner Familie an. Die Zwillinge sind bereits vergeben - schwul weißt du? Und Percy ist verlobt - ein sehr nettes Mädchen...“
Und so ging es weiter, bis mir bewusst wurde, dass von den ca. 200 Gästen nur um die fünfzehn für mich in Frage kämen. Die Anderen schieden entweder wegen ihres Alters, oder ihres Geschlechts oder weil sie bereits vergeben waren, aus.
Es war frustrierend. Da strengte ich mich an, für nichts und wieder nichts.
„Und was ist mit dir, Ron?“
Sofort hob er entschuldigend die Hände und verkündete freudestrahlend: „Vergeben! Meine Liebste heißt Hermine und geht auf die Universität.“
Das fand ich wirklich schade. Er war mir sympathisch und somit wäre mein Los nicht ganz so unerträglich geworden.
„Kannst du mir jemanden empfehlen?“
Ron runzelte nachdenklich die Stirn und meinte nach einer Weile. „Kommt darauf an, was er zu bieten haben muss?“
Ich zuckte nur mit den Schultern. „Reinblütig und jung. Mehr nicht!“
Jetzt war er wirklich erstaunt. „Kein Geld, keine Macht?“
Bevor ich noch antworten konnte, beantwortete er sich die Frage selbst. „Wohl nicht, sonst hätte man uns ja gar nicht eingeladen. Ich hatte mich schon gewundert.“
„Es tut mir leid.“
„Nein, das muss es nicht. Aber warum wirst du so....“
„... billig auf den Heiratsmarkt geworfen?“, beendete ich seinen Satz für ihn.
Er wurde hochrot und stammelte entschuldigend herum.
Ich fragte mich, wieweit ich ihm die Wahrheit erzählen konnte. Die Weasleys waren für ihren Gerechtigkeitssinn bekannt, aber bezog sich das auch auf Schlammblüter und Muggel? Aber als ich in seine smaragdgrünen Augen sah, entschied ich mich, ihm die Wahrheit zu erzählen. Und er hörte mir aufmerksam zu...


Kapitel 2

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