Schlangengift

 

 

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Kapitel 1:

 

Pandora McMahon schmökerte gerade in ein paar Winship-Zauberreisen-Urlaubskatalogen, als Severus Snape in ihrem Kamin erschien. Das heißt, seine Beine und das untere Ende seines Mantels waren in ihrem engen Kamin zu sehen; das diese mit dem Rest zusammen Snape ergaben, konnte sie aber unschwer erkennen.
Er musste in die Hocke gehen, um aus dem Kamin heraus zu klettern, dabei stellte er vorsichtig ein Marmeladenglas vor sich auf den Boden.
"Schuhe abtreten, Umhang ab!", rief Pandora vom Sofa aus. Vor ihrem Kamin lag tatsächlich eine Fußmatte und Severus Snape tat wie ihm geheißen, trat ungeduldig mit den Schuhen auf dem Fußabtreter herum und legte seinen Mantel ordentlich gefaltet auf den Boden. Ein entschuldigendes Lächeln huschte über Pandoras Gesicht, als sie sagte: "Professor Binns hat mal gesagt, ein Hexenjäger erkennt eine Hexe als erstes am Garderobenständer neben der Feuerstelle. Jahrhunderte lang war dies sogar das einzige Kriterium..."
"Was du nicht sagst, McMahon!" knurrte Snape, der schon über seinen Ausstieg aus dem Kamin nicht sonderlich begeistert schien.
"Ja, was wir nicht alles mal gelernt haben, Snape. Und was darf es für dich heute sein?", erwiderte sie belustigt.
"Xenocalamus bicolor." Severus hob mit einer energischen Bewegung das Marmeladenglas auf. Pandora zuckte ein wenig zusammen, ging aber gleich darauf auf Severus zu und sah ihn eindringlich an. "Snape, du machst doch keinen Mist, oder?!" Für einige Sekunden war er still und antwortete dann entschlossen: "Mach ich nicht. Hast du nun eine?"
"Da solltest du nicht in meinem Wohnzimmer, sondern in Australien stehen, Snape", versuchte sie auszuweichen.
Er trat ungeduldig von einem Fuß auf den anderen, aber Pandora ließ sich kaum davon beirren. "Möchtest du einen Tee oder vielleicht Feuerwhisky?", fragte sie und versuchte dabei immer noch Antworten in seinem Gesicht zu finden.
Er stand regungslos vor ihr und sein Schweigen veranlasste sie noch weiter nachzubohren: "Ist das für den Unterricht? Da fiele mir so gar nichts ein... Aber, ich vergaß, dass ich ja nicht die Lehrpläne mache", denn das war es, was sie als seine Antwort erwartete.
"Pandora, ich habe noch zu arbeiten. Hast du nun Xenocalamus bicolor oder nicht?"
Was blieb ihr anderes übrig, um ihn wieder loszuwerden? "Hab ich. Komm mit. Die Terrarien hab ich jetzt oben, im Keller steht mein Schlagzeug."
"Immer noch diese Muggelband?" fragte, als er hinter ihr die steile, enge Treppe ins Obergeschoß erklomm. Er hatte für ihre Muggelmusik noch nie viel übrig gehabt. Seit sie ihre Muggelstudien vertieft hatte, war sie begeistert von deren handgemachter Rockmusik und auf ihr Schlagzeug einzudreschen war für sie die einzig wahre Art der Entspannung neben ihrer Arbeit als Beamtin in der Abteilung für Experimentelle Zauber. Sie hasste ihren Job, aber für sie, die sie zu den Anhängern des dunklen Lords gehört hatte, war dies eine Vertrauensstellung, die sie nur Albus Dumbledores Fürsprache zu verdanken hatte. "Ja, immer noch die Muggelband. Du solltest uns mal spielen hören", schlug sie vor, obwohl sie glaubte, die Antwort bereits zu kennen. "Warum nicht", erwiderte Snape auf dem Treppenabsatz angekommen, "ja, warum eigentlich nicht", überlegte er laut. "Nur momentan sieht's schlecht aus, du wirst es nicht hören wollen, aber zurzeit haben wir schon wieder Urlaubssperre! Sonderveranstaltung! Ich fass es manchmal nicht, dass nur die Stümper Urlaub haben!"
Pandora wollte tatsächlich nicht viel von Hogwarts hören, ihre Zeit dort war nicht sonderlich erbaulich gewesen und trotzdem beneidete sie Severus Snape um seinen Job. Er wurde gebraucht, während sie Karteikarten verwalten durfte. Und sie war überrascht, dass er zu einem ihrer Konzerte kommen wollte. "Ich war gerade dabei, meinen nächsten Urlaub zu planen. St. Barth fände ich ganz schön!" plauderte sie, einfach nur, um ihn aufzuheitern. Inzwischen waren sie im Arbeitszimmer angekommen. Hier standen ihre Terrarien, ihre Eule Eugenie hockte auf der Lehne ihres Schreibtischstuhls und gab ein beleidigtes "Schuuuh" von sich, da Pandora vergessen hatte, sie zu füttern. Vorsichtig schob sie die Abdeckung eines kleinen Glaskastens zurück und schob langsam, Zentimeter um Zentimeter ihre Hand hinein. "Dentes adjungate", murmelte sie und packte mit einer blitzschnellen Bewegung die Schlange hinter dem Kopf. "Bitte sehr, Xenocalamus bicolor!" nickte sie triumphierend, während sie die Zähne des Tieres in die Folie über dem Einmachglas drückte. "Wie viel Gift brauchst du, Severus? Ein Tier?" Fast schien es, als wäre er ein wenig verlegen.
"Sieben Mikroliter."
"Na, dann sollte das hier wohl ausreichen!" sagte sie und hielt ihm lachend das Glas unter die Nase. "Das sind Milliliter hier drin und es sagt mir, dass du keine sehr großen Personen umbringen willst! Kinder?"
"Keine Kinder", reagierte er prompt auf die Provokation, wurde aber noch ein wenig blasser um die Nase, als er sowieso schon war.
"Severus, wenn du dieses Glas mit Gift haben willst, dann trink ein Glas Feuerwhisky mit mir." Sie dachte sich, wenn sie ihn so ansah, dass es heute vielleicht besser war, ihren alten Schülerjargon auf Eis zu legen und ein paar offene Worte aus ihm herauszulocken.
"Ich sagte, ich muss arbeiten, McMahon", blaffte er sie an.
"Sagtest du das? Severus, es ist halb zwölf Uhr abends und morgen ist Sonntag", insistierte sie.
"Sonntags frühstückt Dumbledore am liebsten mit dem Kollegium. Er tut dann solche kleinen Marshmallows in seinen Kakao und bietet mir jedes Mal welche an. Ich sage jeden Sonntag 'Direktor, ich trinke Tee.' Und er erzählt mir: 'Ich weiß, aber Sie sollten es versuchen, Severus.'" Er verdrehte die Augen. "Außerdem muss ich kontrollieren, ob in Slytherin alle schlafen."
"Und wenn nicht? Lass sie doch feiern, wenn sie's tun", und damit schob sie ihn vor sich die Treppe hinunter.
"Gibt nichts zu feiern. McMahon, ich muss zusehen, dass alle in Sicherheit sind. Wenn da einer draußen rumrennt..." Sein Gesicht verriet tatsächlich eine gewisse Besorgnis. Sie wußte, er hatte eigentlich eine Abneigung gegen diese Verantwortung, doch er war Dumbledore die Sicherheit seiner Schüler schuldig.
"Jetzt setz dich da hin!" kommandierte sie ihn zum Küchentisch und griff dabei demonstrativ in ihre Rocktasche. Natürlich hätte er seinen Zauberstab mindestens ebenso schnell auf sie gerichtet, wenn er gewollt hätte. Sie benutzte ihren jedoch nur, um eine Flasche und zwei Gläser auf den Tisch zu zaubern. Er schenkte großzügig ein, was ihr seinen Entschluß verriet, doch ein wenig zu bleiben. "Dann zum Wohl, Snape!" grinste sie und zwinkerte ihm zu. Es schien, als würde wenigstens ein Teil seiner Last vorerst vergessen sein.
"Zum Wohl, McMahon." Er leerte sein Glas in einem Zug und knallte es geräuschvoll auf den Tisch.
"Oih! Severus!" rief sie mit gespieltem Entsetzen.
"Da kannst du mal sehen", knurrte er.
"Und... sind wieder mal andere Schuld?!" Sie piekte mit ihrem Zeigefinger in seine Richtung.
"Was hast du denn da an?" fragte er scharf und umfasste dabei hart ihr Handgelenk, seine Augenbraue fast bis zum Haaransatz hochgezogen.
"Armstulpen. Lass mich los! Ich kann es anders nicht ertragen. Lass mich los, Snape!" zischte sie ihn an.
"Hysterie ist nicht angebracht, Ravenclaw-Mädchen!" gab er trocken zurück und ließ abrupt ihren Arm los. Er schien plötzlich erstaunlich ruhig. "Bist doch'n Reinblut!"
Pandora wurde bleich. "Jetzt red doch nicht so, Severus." Sie konnte seine Bitterkeit spüren, als er ihnen erneut einschenkte. Er wußte es, da war sie sicher. Der dunkle Lord würde zu neuer Macht gelangen und sie musste Angst haben. Sie war eine Verräterin!
"Ist schon gut, McMahon! Jetzt beruhige dich, bitte."
Pandoras Schläfen pochten. "ICH BIN RUHIG!" schleuderte sie ihm entgegen und bereute es im selben Augenblick. "Ich hab nur Angst um meinen Vater", fügte sie leise hinzu. Ihr Vater Kiaran hatte den Todessern erbitterten Widerstand geleistet. Doch diese hatten ihn durch ganz England gejagt und schließlich festgesetzt. Er war heute in St. Mungos. Sie hatten ihn gefunden, weil sie ihn verraten hatte und dann hatte sie Voldemort verraten. Doch das nahm ihr nicht die Schuld am Schicksal ihres eigenen Vaters.
Entschlossen setzte sie ihr Glas an und trank. Dann streckte sie ihre Hand über die Tischplatte und legte sie in seine. In diesem Moment überfiel sie eine schreckliche Ahnung. Er würde einen Fehler begehen, ganz sicher. Nicht umsonst war sie eine der wenigen gewesen, die Wahrsagen bis zum Schluß nicht abgewählt hatte (eigentlich hatte sie dies auf ihren Erfindungsreichtum zurückgeführt). Er jedoch zog seine Hand nicht weg, für einen kurzen Moment hielt er sie fest in seiner.
"Severus, hör auf mit diesem Legilimentik-Kram. Ich hab nichts zu verbergen und ich will nichts wissen!"
"Das hab ich nicht...", erwiderte Snape heiser. Pandora setze sich beherzt die Flasche an den Hals und ließ das Gebräu ihre Kehle herunterrinnen. "Klasse!" rief sie mit einem geisteskranken Grinsen. "Miss McMahon empfängt hier Zukunftsvisionen! Sag mal, wie ist das eigentlich mit Professor Trelawney? Gibt's was Neues aus der Zukunft?"
"Das weiß ich doch nicht, ich erfahre ja längst nicht alles. Höchstens hinterher!" Er goss sich seinen Feuerwhisky ins Glas und nippte gedankenverloren. Sie wusste, was sie jetzt sagen musste, so in etwa hatte das zu Schulzeiten auch schon funktioniert.
"Würde ja auch keiner die Kartoffeln aus dem Feuer holen, wenn er vorher wüsste, dass er sich verbrennt!" flüsterte sie verschwörerisch. Auf seinem Gesicht breitete sich ein schmales Lächeln aus. Er stützte jedoch gleich darauf seinen Kopf in seine Hand und das Haar fiel ihm ins Gesicht. "Das ist nett, Pandora, aber das musst du nicht sagen", murmelte er.
"Stimmt. Du bist arrogant genug."
In ihrem ersten Jahr in Hogwarts hatten beide nicht miteinander gesprochen, weil keiner zugeben wollte, den anderen zu kennen. Dabei hatte Severus sogar die Ferien bei ihrer Familie verbracht. Als sie ihn abholen wollten, saß er zusammengekauert und regungslos neben einer Mülltonne, neben ihm ein zerbrochener Besen. "Na, kleiner Prince, so schlimm wird dein Flugversuch doch nicht gewesen sein!" hatte ihr Vater mit seiner lauten, dröhnenden Stimme zu ihm gesagt. Pandora hatte diese Worte bis heute im Ohr. Und er hatte es gut gemeint. Dann war er zu Severus' Mutter ins Haus gegangen. Severus hatte sie angestarrt, als hätten sie und ihr Vater ihn gerade aufs Übelste beleidigt. Dann hatte sie sich neben ihn auf den Bordstein gesetzt und so hatten sie beide eine halbe Stunde nebeneinander gesessen und geschwiegen. Schließlich hatte sie ihren herablassendsten Blick aufgesetzt und gesagt: "Dein Name is' schrecklich!"
"Deiner erst recht!" war Severus' Antwort und dann hatte er ihr direkt vor die Füße gespuckt. Das war ihre erste Begegnung mit Professor Severus Snape gewesen.

 

 
  Kapitel 2

 

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