Schmerz der Verleugnung

 

 

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Kapitel 4: Nervensäge Terra

 

Am nächsten Morgen erschien Severus erst gar nicht zum Frühstück, sondern ließ sich dieses von den Hauselfen bringen. Während er im Kaffee rührend über die erste Stunde mit diesem Tatred sinnierte, klopfte es an der Tür.

Severus stöhnte entnervt auf. Mit einer Miene, bei der seine Schüler in die nächste Ecke geflüchtete wären, schritt er zur Tür und öffnete sie energisch.

„Ja?“, keifte er. Erst danach realisierte er, dass es Salena Tatred war, die ihm gegenüber stand und ihn undefinierbar wie eh und je ansah. „Was wollen Sie, Professor T... Solores?“, versuchte er eine Spur freundlicher zu fragen, doch die Freundlichkeit schien er im Kaffee verloren zu haben.

„Entschuldigen Sie vielmals die Störung“, sagte Miss Tatred förmlich. Sie trug nun eine blutrote sehr auffällige Robe – gestern war sie in Muggelkleidung zum Abendessen erschienen! Empörend! Außerdem sah sie in einer Robe wesentlich besser aus! Die Farbe unterstrich ihre Haare... sofort verwarf Severus diese Gedanken. An so was durfte er erst gar nicht denken. „Aber ich soll heute Professor Lupin assistieren und habe leider überhaupt keine Ahnung, wo ich das Klassenzimmer finde. Der Direktor meinte, dass Sie...“

„Sie hinführen könnte“, beendete Severus den Satz genervt. ‚Typisch Dumbledore! Er weiß genau, dass ich andere Menschen meide!’ Miss Tatred nickte. Severus stöhnte entnervt auf.

„Einen Moment bitte noch“, knurrte er. Er knallte vor Miss Tatred die Tür zu, schritt zu seinem Frühstück und deckte es sorgfältig zu. Dann warf er sich seinen Umhang über und öffnete wieder die Tür. Miss Tatred stand ungerührt an der Wand und redete mit... der kleinen Tatred!

Severus’ Lippen kräuselten sich, als das Mädchen im Kreis hüpfte und ein ‚Lied’ sang.

„~Ich gehe in den Unterricht! Ich gehe in den Unterricht! Ich gehe in den Unterricht!~“ Miss Tatred hatte die Mundwinkel ein wenig nach oben gezogen. Sie schien sich über den schiefen Singsang zu amüsieren.

„~Ich werde heut dabei sein. Ich gehe in den Unterricht.~“

„Ruhe!“, brüllte Severus. Sofort verstummte das Mädchen und sah ihn mit großen trotzigen Telleraugen an.

„Böser Mann“, sagte sie schmollend und wandte ihm den Rücken zu. Severus zog scharf Luft ein. Am liebsten würde er einen seiner Tränke an ihr ausprobieren. Vielleicht einen, der sie verstummen ließ oder einen, der es ihr nicht einmal mehr erlaubte sich zu bewegen.

„Terra, sei nicht so unhöflich!“, hörte er Miss Tatred sagen. „Professor Snape hat einen anstrengenden Tag vor sich. Da darfst du ihn nicht reizen.“ Severus kam drohend auf die Beiden zu, während die Kleine mit weinerliche Stimme antwortete: „Er maag... mich niiicht.“

„Wie Recht sie doch hat“, sagte Severus mit einer leisen aber dominanten Stimme. Das Mädchen schniefte geräuschvoll auf. „Und nun bringen Sie das Balg zum Schweigen!“

Miss Tatred sah ihn vorwurfsvoll an. „Sie mögen keine Kinder, hab ich Recht?“

Ein süffisantes Lächeln bildete sich in Severus’ Gesicht. „Ich hasse Kinder“, antwortete er mit vollem Ernst, was das Kind dazu veranlasste noch näher an ihre Schwester heran zu rücken. „Und nun folgen Sie mir!“ Er eilte einige Schritte voraus, doch dann merkte er, dass ihm die Tatreds nicht folgten. Er wandte sich um. Die Beiden standen noch immer wie vorher da und Miss Tatred schien sehr nachdenklich zu mustern.

„Was?“, keifte er.

„Professor Dumbledore hat mir gesagt, dass Sie auf Terra aufpassen sollen und sie...“

„Was?!“ Severus kämpfte gegen den Drang an in das Büro von Dumbledore zu stürmen und ihm den nächstbesten Unverzeihlichen auf den Hals zu hetzen. Er! sollte Babysitter! spielen? Sein Gesicht verzog sich zu einer hässlichen Grimasse.

„Sie haben schon richtig verstanden, Professor. Terra mag Sie eigentlich und deswegen hat er beschlossen, dass Sie sie heute mit in den Unterricht nehmen. Er wollte noch nicht, dass sie allein neben den Erstklässlern herumspringt. Er meint, dass Sie dazu fähig wären Terra zu bändigen. Sie muss nur lernen im Unterricht ruhig zu sein. Es ist ja nur für einen Tag.“ ‚Hölle!’, dachte Severus. Er sah das Mädchen mit einem hasserfüllten Blick an. Wieso mochte ihn dieses Balg? Sie presste ihre Lippen fest aufeinander, anscheinend, um etwas zurückzuhalten, was ihn wieder zur Weißglut gebracht hätte.

Wortlos wandte er sich wieder ab. ‚Ich bring ihn um! Ich bring ihn um!’

Er bemerkte nicht das ehrliche Lächeln auf Salenas Lippen. Sie und Professor Dumbledore hatten einen Plan ausgeheckt.

Energisch schritt Severus durch die Gänge von Hogwarts. Die Vorstellung auf die kleine Göre aufzupassen bereitete ihm schon jetzt Unbehagen. Er wusste ja nicht einmal, wie er sie ansprechen sollte. Für ein ‚Sie’ war sie zu jung und er konnte sie ja nicht gerade mit Göre und Balg ansprechen. Bis jetzt hatte er es tunlichst vermieden sie überhaupt anzusprechen. Außerdem dachten die Schüler ja, dass das Mädchen die Tochter von Miss Tatred war. Nicht, dass sie dachten, dass er ihr Ersatzvater war und mit Miss Tatred... Oh Gott, das wäre ja grauenvoll!

Er beschleunigte seine Schritte und stellte sich taub, als das Gör anfing zu quengeln. Er war Miss Tatred dankbar, als sie sie – erfolgreich - anherrschte, ruhig zu sein.

Endlich blieb er vor einer Tür stehen. Snape wartete nicht auf die Beiden, sondern klopfte an. Er setzte seinen grimmigsten Ausdruck auf, als kurze Zeit später auch schon die Tür geöffnet wurde. Ein erschöpft aussehender Mann in einem zerschlissenen Zauberumhang steckte den Kopf heraus und musterte Severus erst etwas verwirrt.

„Guten Morgen Severus“, sagte er dann aber freundlich. „Was verschafft mir die Ehre?“

„Bestimmt nicht die Tatsache, dass ich dich plötzlich leiden könnte“, knurrte Severus zurück, was dem Werwolf jedoch nur ein Lächeln auf die Lippen zauberte. Severus tat so, als hätte er es nicht gesehen und deutete stumm auf die näher kommenden Tatreds.

„Deine Assistentin“, sagte er ausdruckslos. Lupin nickte und schob die Tür ganz auf. Miss Tatred grüßte ihn freundlich. „Freut mich Sie kennen zu lernen, Professor Lupin.“

Lupin lachte kurz auf. „Nennen Sie mich doch Remus“, sagte er und Severus verdrehte die Augen. Sofort war dieser Werwolf wieder auf dieser kitschigen Freundschaftsbasis! Doch es wirkte bei der jungen Frau.

„Nur, wenn Sie mich Salena nennen“, sagte sie mit einem leichten Lächeln, was ihre Augen wieder einmal nicht erreichte.

„Ich geh dann“, sagte Severus genervt. Er wirbelte herum und schritt zum nächsten Geheimgang.

„Vergessen Sie Terra nicht“, wehte es ihm hinterher. Kaum hatte Miss Tatred das ausgesprochen und kaum war er stehen geblieben, erschien diese kleine Nervensäge auch schon neben ihm. Er konnte deutlich spüren, wie der Werwolf die Brauen hob und sich angestrengt ein Lachen verkniff.

„Darf ich dich Onkel Severus nennen?“ Hatte sie vorhin nicht fast schon geweint wegen ihm? Er wurde nicht schlau aus dem Kind.

„Nein!“, keifte er zurück. „Du hast mich gefälligst mit Sie und Professor Snape anzusprechen.“ Das Mädchen zog einen Schmollmund und sagte nichts mehr. Severus war erleichtert.

Auf dem Weg durch die Gänge von Hogwarts verhielt sie sich relativ ruhig. Dann und wann hörte er sie aufquietschen, wenn ein Geist seine Runde machte, und wie gestern tastete sie alles an, was ihr merkwürdig vorkam.

Severus drehte sich nicht zu ihr um. Er versuchte die Tatsache zu verdrängen, dass er die ganze Zeit mit diesem Gör gestraft war. Er lauschte seinen Schritten, die an den Wänden wiederhallten und dem entfernt hallenden Getrampel der Schüler, die zum Unterricht stürmten. Sonst war alles ruhig. Zu ruhig...

Severus wirbelte abrupt herum und sah... nichts. Die Göre war verschwunden! Wut machte sich in ihm breit. Konnte das Mädchen nicht einmal etwas richtig machen? Er hatte keine Lust sie in ganz Hogwarts zu suchen! Doch er musste es wohl oder übel tun.

Er eilte los. In seinem Hinterkopf bastelte er sich schon eine Standpauke zusammen, die sämtliche Drohungen und Beleidigungen enthalten würde, die er je einem Gryffindor, besonders Potter, an den Kopf geworfen hatte.

Das Mädchen hatte sich nicht weit entfernt. Es hatte Schüler aus der siebten Klasse gefunden. Als er sah, um welche es sich handelte, erreichte seine Zornigkeit ihren Höhepunkt: Der Potterfanclub!

„Onkel Severus ist nicht so böse“, quietschte das Mädchen und Severus verzog den Mund. Konnte die nicht hören? „Er tut nur so. Ich mag ihn.“ Severus hob die Brauen. Potter, Granger und Weasley, die ihn wahrscheinlich noch gar nicht bemerkt hatten, sahen ebenso verwirrt drein.

„Du sprichst doch nicht etwa von Snape, oder?“, fragte Weasley mit deutlich angewiderter Stimme. ‚Oh ja, sie verachten mich.’ Potter, der inzwischen genauso ausdruckslos wie er und Miss Tatred herumlief, sagte nichts dazu.

„Doch“, empörte sich die Kleine. „Und er heißt ‚Professor Snape’.“ Sie machte die Miene von Miss Tatred nach. Die Jungs verzogen den Mund, während Granger leicht lächeln musste.
„Du hast bestimmt den falschen Severus Snape gemeint“, setzte Weasley stirnrunzelnd hinzu. „Den, den wir meinen, ist eine bissige, fiese...“
„Fahren Sie fort, Weasley, ich höre genau zu.“ Die schneidende, eiskalt berechnende Stimme Snapes ließ die drei zusammenfahren. Geschockt sahen sie den Zaubertranklehrer an.
„20 Punkte Abzug für Gryffindor wegen Respektlosigkeit gegenüber einem Lehrer“, bellte er. „Und nun verschwinden Sie!“ Granger und Weasley gehorchten sofort und verschwanden schnellen Schrittes. Potter wandte sich, ohne ihn an zu sehen, langsam von ihm ab und schlich genauso langsam davon. Severus sagte nichts dazu.
„Was fällt dir ein?“, zischte er stattdessen dem Mädchen zu. „Du sollst mich *Professor Snape* nennen!“ Das Mädchen sah ihn mit Telleraugen an. Sie wirkte weinerlich. ‚Oh Gott, welcher Idiot hat dieses Kind erzogen!’ Doch das wusste er zu genau und er wunderte sich immer mehr über den alten Tatred – anscheinend hatte er nicht viel Zeit für seine Tochter gehabt. „Und wenn du noch einmal zurückbleibst, werde ich dafür sorgen, dass sie dich den ganzen Tag einsperren.“ Das Mädchen biss sich auf die Lippe.
„Ja, Professor“, antwortete sie mit ihrem feinen Stimmchen. Sie starrte auf den Boden. Die Zeit nutzte Severus, um einmal tief durchzuatmen. Wenigstens würde sie ihn jetzt nicht mehr mit Onkel ansprechen.
„Und jetzt komm! Der Unterricht fängt gleich an!“ Die Göre folgte ihm brav wie ein Hündchen an der Leine. Dabei starrte sie die ganze Zeit nach unten. Er hatte sie wohl wirklich etwas verschreckt. ‚Das macht einem Severus Snape natürlich überhaupt nichts aus’, murmelte die ironische Stimme in seinem Hinterkopf.
Kurz vor dem Klassenzimmer blieb er noch einmal stehen und wandte sich zu dem Kind, das nun auf seiner Lippe herum kaute.
„Ein Ton von dir und ich mache meine Drohung wahr“, giftete er nur. Sie nickte, schien ihn zu verstehen. Erleichterung machte sich in ihm breit. Er wandte sich um und öffnete schwungvoll die Tür. Die Anwesenden, Siebtklässler von Hufflepuff und Ravenclaw, zuckten unwillkürlich zusammen. Severus betrachtete es mit Genugtuung.
Er schritt zum Pult und begann mit seiner üblichen Regel, womit auch der übliche Unterricht anfing. Über das Mädchen (er konnte sich nicht angewöhnen sie Terra zu nennen) sagte er keinen Ton, obwohl sie von allen fragend gemustert wurde.
Die Kleine hatte sich brav auf einem abseits stehenden Stuhl niedergelassen und beobachtete interessiert seine Unterrichtsweise. Ihre klugen Augen huschten zu den Zutaten, welche die Schüler in den Trank mischten. Severus stellte mit leichter Verwunderung fest, dass sie diese nicht angeekelt musterte sondern eher wachsam – als ob sie sich die Reihenfolge merken wolle. Er konnte den Gedanken nicht unterdrücken: ‚Sie wird mal eine gute Zaubertrankmeisterin werde.’ Schnell wandte er sich ab. Was dachte er überhaupt. ‚Dass sie sich genauso verhält, wie du als kleiner Junge’, antwortete ihm seine innere Stimme. ‚Als ich meinem Vater heimlich zugesehen hatte...’, dachte er verbittert. Als er merkte, dass er schon wieder mit dem Selbstmitleid spielte, kehrten seine Gedanken abrupt zum Unterricht zurück.
Die erste Stunde verlief relativ ereignislos. Die Schüler gewöhnten sich langsam an die Anwesenheit des Mädchens und konzentrierten sich mit mehr oder weniger Erfolg auf ihre Aufgabe.
In der zweiten Stunde jedoch wurde es der Dame zu langweilig. Normal für ein Kind, doch nicht normal für Severus. Vor allem nicht, als sie ihre Langweile offen kund tat.
„Darf ich auch etwas kochen, Onkel Snape?“ Die Klasse unterdrückte ein Kichern, während Severus in Gedanken langsam bis zehn zählte. Haperte es an ihrem Gedächtnis oder war es einfach nur Trotz, der sie dazu veranlasste ihn andauernd mit ‚Onkel’ anzureden. Schlimm genug, dass sie Dumbledore Opa nannte. Er wollte sich schon zu ihr umdrehen und 20 Punkte Abzug für Gryffindor brüllen, doch dann fiel ihm ein, dass sie ja gar keine richtige Schülerin war. Seine Nerven gingen mit ihm durch.
„Wenn du mich noch EINMAL Onkel nennst, sperr ich dich in eine Schlangengrube!“ Seine Stimme war von Wort zu Wort lauter geworden. Das Mädchen presste wieder die Lippen aufeinander und sah ihn mit einem trotzigen Funkeln in den Augen an.
„Mir ist langweilig“, antwortete sie und es schien sie nicht im geringsten zu stören, dass er ihr mit der Schlangengrube drohte. Sie wusste, dass er nur bluffte. Dumbledore würde ihn schneller von der Schule verweisen als ihm lieb war, wenn er das tat. Er atmete tief durch. Wieso musste er sich um eine Göre kümmern, wo er doch keine Ahnung von Kindererziehung hatte. Wenn er nicht aufpasste, konnte ihn das Mädchen vor der ganzen Schule lächerlich machen.
„Sammle die Übereste ein!“, befahl er scharf. Zu seiner erneuten Erleichterung war sie davon begeistert und sie sprang auf, um sich an die Arbeit zu machen. Die Schüler kehrten enttäuscht zu ihrer Arbeit zurück, warfen dem Mädchen aber ein Lächeln zu, als sie zu jedem Tisch mit einem Eimer schlenderte und um den Abfall bat.
‚Was finden die nur an dieser Göre?’, dachte Severus sich kopfschüttelnd. Er kehrte wieder zu seiner üblichen Beschäftigung zurück – Schüler traktieren.
Es glich einer Erlösung, als die Siebtklässler von Hufflepuff und Ravenclaw fluchtartig den Raum verließen. Erschöpft ließ sich Severus auf seinen Stuhl sinken. Das Mädchen sammelte gerade sämtliche Zutaten wieder ein, was sie zwar vorsichtig, aber mit großer Unordnung tat. Sie stapelte alles willkürlich in die Schränke zurück.
Severus stand auf und packte ihren kleinen Arm, der gerade im Begriff war ihre Hand zu der falschen Stelle zu führen.
„Lass es!“, sagte er giftig. Sie sah weinerlich aus, doch das machte ihm nichts aus. Er nahm ihr die Flaschen ab und stapelte sie vorsichtig in die Schränke zurück. Die Schüler hatten nur ihren Schülervorrat eingeräumt, nicht aber das, was er zur Verfügung stellte.
Die kleine Nervensäge spielte mit dem Ärmel ihrer dunkelblauen Robe und warf dann und wann einen kurzen Blick zur Tür.
„Warum darf ich nicht Onkel zu Ihnen sagen?“, fragte sie direkt heraus.
„Streng deine weiche Birne an – dann weißt du es!“, zischte er giftig zurück. Natürlich würde sie es nicht wissen. Sie war ja noch ein Kind und mit solchen war Severus noch nie in Berührung gekommen.
Zum Glück sagte sie nichts mehr darauf, denn in dem Moment strömte die andere Hälfte der Siebtklässler herein. Gryffindor und... na toll... Slytherin!


 

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