Die Schwarze Rose

 

 

Zurück

 

Zurück zur
Startseite

Kapitel 29 - Die Begegnung

 



Erzählt von Thomas Andersson


Nachdenklich blickte ich hinaus in die Dunkelheit und streckte meinen schmerzenden Rücken. Im Morgengrauen hatten Severus und ich uns bereits ins Labor begeben. Der Tag war vorbeigegangen und ohne eine Pause hatten wir bis spät in die Nacht hinein gearbeitet. Die Luft im Labor war stickig und feucht. Der Dampf, der unentwegt aus den Kesseln gestiegen war, hatte ein unangenehmes, heiß-feuchtes Klima geschaffen.

Bei dem Gedanken an die Arbeit, die Severus heute geleistet hatte, schüttelte ich unwillkürlich den Kopf. Die ungeduldige Gier des dunklen Lords hatte ihn dazu gezwungen, den ganzen Tag auszuhalten, auch wenn er noch nicht auf der Höhe seiner Kräfte war. Severus hatte damit gerechnet, dass der Lord nicht mehr lange würde warten wollen. Und nach der Stimmung zu schließen, in der er gestern Abend aus dem Salon des Lords zurückgekehrt war, wusste ich, dass er heute nicht ums Brauen würde herumkommen können. Somit hatte ich mich auf eine kurze Nacht eingestellt und als Severus dann frühmorgens aufstand, tat ich es ihm gleich und begleitete ihn ins Labor. Schweigend hatte Severus meine Hilfe angenommen.

Es hatte keiner großen Worte bedurft, damit ich die Vorbereitung der Zutaten übernahm. Der Tränkemeister konnte noch immer kein Messer fest und lang genug halten, um etwas zu zerkleinern. So ergab es sich, dass ich den ganzen Tag über die verschiedensten Zutaten zerhackt, in Streifen geschnitten, pulverisiert und verrührt hatte.

Abwesend massierte ich meine nun etwas steife Hand, während der Wind draußen durch die Bäume strich. Der Mond warf sein mattes Licht in Bahnen über das verschneite Grundstück. Ich genoß den feinen Luftzug, der durch die nicht mehr ganz sauber schließende Fensterdichtung hereindrang. Es war eine wohltuende Abwechslung zu der Hitze, die unheilvoll aus den Kesseln aufstieg.

Immer wieder hatte Severus halbfertige Tränke weggeschüttet und von vorne begonnen, wenn sich die Abmessung einer Zutat als falsch erwiesen hatte. Doch trotz der Frustration, die sich langsam aber sicher breit zu machen drohte, rührte Severus weiter, änderte unermüdlich die Mengenangaben und prüfte immer wieder Konsistenz, Geruch und Farbe des Tranks.

Nach der Bahn des Mondes zu schließen, ging es bereits gegen Mitternacht, als ich hörte, wie Severus die Flammen unter dem letzten Kessel löschte. War ihm der Trank nun endlich gelungen, oder würde ich nur maßlose Enttäuschung in Severus' Gesicht entdecken, wenn ich mich jetzt umdrehte? Verflucht, warum mußte sich der Lord unter den abertausenden von Zaubertränken ausgerechnet einen aussuchen, bei dem die Rezeptur nicht mehr vollständig entzifferbar war?

Insgeheim kannte ich die Antwort. Auch wenn ich nicht genau wußte, welcher Art der Trank war, der hier entstehen sollte, so konnte ich anhand der Zutaten doch einigermaßen abschätzen, welch verheerende Wirkung das Gebräu haben würde.

Langsam wandte ich mich um.

Severus hatte sich an der Tischplatte abgestützt und hielt den Kopf gesenkt. Die Haare hingen ihm strähnig und feucht ins Gesicht. Seine Haltung verriet, was er selber niemals zugeben würde. Er war erschöpft und das restlos. Keine Frage.

Vorsichtig trat ich näher.

Der Trank schimmerte bernsteinfarben und ein leichter Duft nach Honig und herben Kräutern stieg aus dem Kessel auf.

"Severus?", fragte ich leise.

Er zuckte leicht zusammen. Meine Anwesenheit schien er vollkommen vergessen zu haben. Sofort richtete er sich auf, straffte die Schultern und wandte sich zu mir um. Auch wenn er sich größte Mühe gab, seinen Zustand vor mir zu verbergen, stand ihm die Anstrengung der letzten Stunden deutlich ins Gesicht geschrieben. Seine Haut war fahl und die dunklen Schatten unter seinen Augen hoben sich noch deutlicher ab, als heute früh.

"Du solltest dich ausruhen, Sev."

Der Tränkemeister nickte müde, öffnete den Mund um zu antworten, als die Labortüre unsanft aufgestoßen wurde.

Ich drehte mich um und ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. In der Tür stand der kleine ekelhaft unsympathische Kerl, der mich in meiner Apotheke überrumpelt und gekidnappt hatte. Wurmschwanz nannte ihn der dunkle Lord. Wie tief mußte man gesunken sein, um an einen solchen Namen zu gelangen?

"Severus", nuschelte Wurmschwanz mit gierig glitzernden Augen, "der Lord verlangt nach seinem Trank."

"Er ist fast fertig", gab Severus matt zurück.

"Das will ich doch sehr hoffen. Es wäre bedauerlich, wenn du den Lord schon wieder enttäuschen würdest."

Severus ließ die Schultern fallen und verließ hinter Wurmschwanz das Labor. Ich folgte ihnen mit kurzem Abstand und schloss die Tür.


Erzählt von Severus Snape


Müde schleppte ich mich die Treppe hoch. Doch immer mehr wich meine Müdigkeit dem Ärger. Ich ärgerte mich darüber, dass ich mich einfach so von Wurmschwanz hatte zum Mitgehen bewegen lassen. Als wir das Ende der Treppe erreicht hatten, blieb ich kurz stehen. Wurmschwanz, der mein Zögern bemerkt hatte, wandte sich zu mir um.

"Komm jetzt Severus! Der Lord erwartet dich schon ungeduldig. Komm." Er griff nach meinem Arm um mich mitzuzerren, doch ich wich ihm geschickt aus.

"Danke! Ich finde den Weg auch allein", gab ich giftig zurück und funkelte Wurmschwanz böse an. Ich mochte nicht angefasst werden und von diesem schmierigen kleinen Ex-Gryffindor schon gar nicht.

"Aber der Lord-"

Mit einer raschen Bewegung zog ich den Zauberstab und richtete ihn auf den kleinen Mistkerl. "Fordere mich nicht heraus, Ratte!"

Wurmschwanz zog den Kopf zwischen die Schulter, hob abwehrend die Hände und hechelte dann durch den Korridor davon. "Der Lord wird es dir noch heimzahlen, Snape!", rief er aus sicherer Entfernung über die Schulter zurück und verschwand um die nächste Ecke.

"Ekelhafter, kleiner...." Ich senkte den Kopf und atmete zwei, drei Mal tief durch um mich zu beruhigen. Eine Hand legte sich plötzlich auf meine Schulter. "Sev..." Ich schüttelte die Hand ab und warf Thomas einen kurzen Blick zu. "Geh nach oben. Iss was und leg dich hin. Es war ein langer Tag."

"Ich werde dich begleiten, Sev. Ich kann später-"

"Tu was ich dir sage!" Ungehalten fuhr ich Thomas an, so dass er zusammenzuckte und ohne mich nochmals nach ihm umzusehen, ging ich ebenfalls in die Richtung, in die zuvor Wurmschwanz davongeeilt war. Als ich um die nächste Ecke bog, hielt ich inne. Ein herber Duft lag in der Luft. Unverkennbar. "Lucius!" Er war also hier. Ein merkwürdiges Gefühl beschlich mich und ohne, dass ich die Tür auch nur berührte, schwangen die beiden mächtigen Flügel auf.

"Severus! Schön dass du dich nun doch entschlossen hast, uns mit deiner Anwesenheit zu beehren." Mit gebieterischer Geste winkte mich der Lord näher.

Die riesige Halle wirkte noch kälter als sonst. Die Fackeln an den Wänden erhellten den steinernen Saal nur mäßig und warfen unruhige Schatten über die Wände. Meine Schritte hallten unnatürlich laut zwischen den Steinmauern wieder.

Nebst Lord Voldemort und Wurmschwanz waren fünf weitere Todesser anwesend. Sicheren Schrittes ging ich auf sie zu. Als ich auf ein paar Meter heran war, traten sie zur Seite und gaben einen Durchgang in ihrer Mitte frei. Unwillkürlich lief ein kalter Schauer über meinen Rücken. Vor dem Lord kniete eine blonde Frau. Auch wenn sie den Kopf gesenkt hatte, hatte ich sie doch sofort erkannt. Ein kleiner Stich fuhr durch meine Brust. Muriel... einst hatte ich sie geliebt.

Vor dem Lord blieb ich stehen, fiel auf die Knie und küsste den Saum seines Umhangs. Wie sehr ich doch dieses zu Kreuze kriechen hasste. Doch wie immer versteckte ich meine Abscheu und meinen Widerwillen hinter einer Maske untergebenen Gehorsams.

"Steh auf, Severus", erlaubte mir der Lord hochmütig. "Ich hoffe doch sehr, dass du mir gute Kunde bringst. Wir wollen den Trank testen. Ist er fertig?"

"Fast, Mylord", gab ich ein wenig heiser zurück. Mit wild klopfendem Herzen erhob ich mich und trat einen Schritt zurück. "Er muss nur noch vollständig auskühlen und-"

"WANN?!"

Unter der donnernden Stimme des Lords zuckte ich unwillkürlich zusammen. Ich senkte meinen Blick als ich antwortete. "Morgen... Morgen Abend ist der Trank einsatzbereit."

Der Lord blickte mich durchdringend an. "Okay, nutzen wir also die zusätzliche Zeit und vergnügen uns ein wenig mit unserem Gast hier. Ihr kennt euch bereits?" Ein widerliches Grinsen trat auf Voldemorts hässliche Fratze und bitter gab ich zurück: "Ja, das tun wir.... Leider!"

Muriel hob den Kopf und sah mich seltsam an. Ihren Blick konnte ich nicht deuten, doch ich spürte einen schmerzhaften Druck in meiner Brust. Ihre Augen hatten mich immer gefangen genommen. Schon in dieser ersten Nacht, als ich sie hätte töten sollen, waren ihre Augen mir zum Verhängnis geworden. Was hatte es mir gebracht, außer Schwierigkeiten und Schmerz? Ein paar schöne, unbeschwerte Stunden... Vielleicht die schönsten meines Lebens, aber zu welchem Preis? Sie hatte mich zerstört, fast gänzlich zerstört. Ohne mit der Wimper zu zucken hatte mich diese Frau in die tiefste und schrecklichste aller Höllen gestoßen...

Dem Lord, der mich derweil scharf beobachtet hatte, war der Hass, der nun in mir aufloderte nicht verborgen geblieben. "Wie schade, dass der Trank noch nicht fertig ist....", sagte er leise und berechnend.

"Morgen Mylord. Ihr werdet begeistert sein."

"Das bleibt zu hoffen, Severus. Du weißt, du stehst tief in meiner Schuld."

"Ja, Mylord. Ich werde Euch nicht enttäuschen. Mein Leben gehört Euch, dunkler Herrscher", gab ich ergeben zurück und senkte mein Haupt.

"Du hast deine Schosshündchen gut erzogen, Tom Riddle. Das muss ich neidlos zugestehen. Vielleicht kannst du mir mal deinen erzieherischen Trick verraten?" Muriels Augen glitzerten rebellisch, als sie sich erhob.

"Schweig, Weib!", zischte Lucius und klatschend landete seine Hand in Muriels Gesicht.

"Lucius!" Tadelnd schüttelte der Lord sein hässliches Gesicht. "Tztztztz, ist das die feine englische Art, mit einer Dame umzugehen, und mit einer solch hübschen noch dazu?" Langsam ging der Lord auf die junge Aurorin zu. "Wir sind doch keine Barbaren."

Lucius murmelte etwas unverständliches zu Crabbe und Goyle, welche links und rechts von ihm standen und dreckig lachten.

Der Lord strich Muriel mit seinen dürren Fingern über die Wange. "Wie schön du bist.... Kein Wunder dass mein Giftmischer auf dich hereinfiel."

Ohne zu zögern spuckte Muriel Voldemort ins Gesicht.

Verwundert hob ich eine Augenbraue. Mutig war sie ja, obwohl ihre Aktion schon eher an Dummheit grenzte.

Mit einem teuflischen Grinsen zog der Lord ein Taschentuch aus seinem Umhang und wischte sich die Spucke aus dem Gesicht. "Wir sind also eine kleine Wildkatze. Um so besser. Aber keine Sorge, auch dich werden wir zähmen." Der Lord zog blitzschnell seinen Zauberstab und richtete ihn auf sie. Ihre blauen Augen weiteten sich, doch es war zu spät. "Crucio!", flüsterte Voldemort lächelnd.

Muriel brach in die Knie, versuchte jedoch gegen den Fluch anzukämpfen. Aber auch sie hatte keine Chance. Gegen den Lord konnte keiner bestehen. Seine Macht war einfach zu groß.

Auch wenn ich es als Genugtuung hätte empfinden müssen, dass sie nun auch Qualen litt, war dem nicht so. Ich fühlte nichts. Weder Abscheu noch Mitleid. Zuviel war mir in letzter Zeit angetan worden.

Ich ließ meinen Blick über die Wände gleiten. Die dunklen Fahnen auf denen grün das Dunkle Mal prangte und über das sich ein rotes V zog, wehten ganz leicht in der Zugluft. Wie sehr hatte ich dieses Zeichen schon immer verabscheut. Wieder dachte ich daran, was wohl geworden wäre, wenn ich mich damals gegen Lucius zur Wehr gesetzt hätte... Damals, als noch nicht alle Hoffnung verloren gewesen war...

"Giftmischer!" Scharf riss mich die Stimme des Lords in die Realität zurück. "Wärst du so gut und würdest mir deine ungeteilte Aufmerksamkeit schenken?"

"Ja, Mylord", antwortete ich. "Entschuldigt bitte."

Er musterte mich scharf und runzelte leicht die Stirn. Dann wandte er sich an die anderen. "Malfoy! Du bringst mit Crabbe unseren Gast in sein Quartier. Der Rest, außer Severus, kann gehen. Ich werde euch morgen pünktlich zum Test wieder rufen." Alle fünf verneigten sich. Lucius und Crabbe rissen Muriel, die keuchend auf dem Boden kniete, auf die Beine und zerrten sie mit sich aus der Halle. "Du kannst dich auch entfernen, Wurmschwanz."

"Was? Meister?", fragte die Ratte.

"Raus! Du sollst dich entfernen! Ist das so schwer zu verstehen?" Der Lord bewegte seine Hand kurz in Richtung seines Zauberstabs. Dies veranlasste Wurmschwanz dann doch, sich so rasch als möglich aus dem Staub zu machen.

"Und nun zu dir", wandte sich der Lord an mich, als die Tür hinter Wurmschwanz ins Schloss gefallen war. "Was war das eben? Hast du es nicht nötig geistig anwesend zu sein?"

Ich senkte schuldbewusst meinen Kopf. "Es tut mir leid, Mylord. Es müssen die Dämpfe sein, die aus den Kesseln..."

"Aha", antwortete Voldemort. "Okay, Giftmischer. Da ich weiß, an was für einem Trank du den ganzen Tag gearbeitet hast, sei dir verziehen. Doch nur dieses eine Mal."

"Ja, Mylord. Danke."

"Und jetzt geh! Ich will, dass du morgen klar im Kopf bist. Schließlich wollen wir den Trank testen. Endlich nach so vielen Jahren ist es soweit."


Erzählt von Thomas Andersson


Als die Tür im Nebenraum aufging und krachend wieder ins Schloss geworfen wurde, blickte ich von meinem Buch auf. Nachdem ich zuvor hochgegangen war, hatte ich mich auf mein Bett gelegt und versucht, mich ein wenig zu beruhigen. Der Severus, der mir unten an der Treppe begegnet war, hatte mit einem Mal nicht mehr viel mit dem Severus, den ich als meinen Freund kannte gemeinsam. Ein flüchtiger Blick auf die Uhr zeigte, dass seither gut eineinhalb Stunden vergangen waren.

Ich wartete einen Moment, doch nichts. Kein Geräusch, kein gar nichts. Also stand ich auf und begab mich hinüber in den anderen Raum, um nach Severus zu sehen. Noch immer machte ich mir Sorgen um ihn. Warum eigentlich? Ich konnte es mir nicht so richtig erklären. Ja, er war mein Freund und hatte sich mir gegenüber stets korrekt verhalten, aber trotzdem war er ein Todesser. Irgendwie brachte mich die ganze Sache durcheinander.

Leise betrat ich Severus' Raum. Er stand vor dem Kamin, den Rücken mir zugewandt, die Hände am Sims abgestützt und den Kopf gesenkt.

"Sev?", fragte ich ruhig. Keine Reaktion. "Alles in Ordnung?"

Erst glaubte ich, dass er mich nicht gehört hatte, doch dann straffte er seine Schultern und wandte sich zu mir um. "Ja, alles okay."

Ich sah ihm an, dass er log. Nichts war okay. Doch er wollte mir dies glauben machen und ich spielte sein Spielchen nun schon einige Zeit mit. Was brachte es, wenn ich ihn dazu zwang, etwas über sich preiszugeben, wozu er nicht bereit war? Später, wenn er wieder vollständig gesund war, konnte ich das noch immer tun.

In Gedanken schüttelte ich meinen Kopf. Später... wie konnte ich nur über später nachdenken. Vielleicht gab es gar kein später, oder noch wahrscheinlicher... es gab BESTIMMT kein später. Der dunkle Lord würde mich sicherlich nicht gehen lassen. Wieder spürte ich die Panik, die ich in den letzten Tagen immer schwerer unterdrücken konnte, in mir aufsteigen. Ich war gefangen und es war nur eine Frage der Zeit, bis ich überflüssig wurde. Vielleicht nicht heute Abend, aber vielleicht morgen oder wenn ich Glück hatte, erst übermorgen.

Nervös blickte ich mich um. Immer mehr fühlte ich mich wie ein wildes Tier, gefangen und eingesperrt in einem Käfig. Meine Atmung wurde schneller. Die Panik ergriff nun vollends von mir Besitz.

"Thomas?"

Severus sprach mich an, aber ich reagierte nicht darauf. Das Blut rauschte in meinem Kopf, in meinen Ohren und kalter Schweiß brach mir aus. Keuchend öffnete ich die obersten Knöpfe meines Hemdes.

"Thomas, mein Gott..." Mit ein paar schnellen Schritten war Severus bei mir und fasste mich fest bei meinen Schultern, doch ich sah ihn nicht an. Noch immer irrte mein Blick zwischen der Tür und dem Fenster umher. "Sieh mich an! Sieh mich an, Thomas!"

Ich versuchte von Severus wegzukommen, versuchte zurück zu stolpern, doch er hielt mich an den Schultern fest. ‚Ich muss hier weg! Hier weg!', wiederholte mein Geist immer und immer wieder. Immer verzweifelter versuchte ich mich aus dem festen Griff zu lösen. Ich wollte raus; nur noch raus.

Ein fester Schlag ins Gesicht riss mich wieder in die Wirklichkeit zurück. Ich schüttelte den Kopf und blinzelte ein paar mal. "Severus?", flüsterte ich.

"Thomas... es tut mir leid", murmelte mein Freund schuldbewusst. "Komm, setz dich." Er drückte mich auf das Bett nieder und blickte mich ernst an. "Bleib hier sitzen, ich lasse ein bisschen frische Luft ins Zimmer." Severus erhob sich und öffnete das Fenster. Wohltuend füllte sich das Zimmer mit der kalten Dezemberluft. Ich schloss die Augen und atmete ein paar mal tief durch. Allmählich fühlte ich mich wieder ein bisschen besser.

Nachdem Severus das Fenster wieder geschlossen hatte, setzte er sich zu mir aufs Bett. "Es tut mir leid...", sagte ich leise und senkte den Kopf. "Ich hab wohl grad die Beherrschung verloren... die Panik, hier für immer festzusitzen, oder schlimmer... auf meinen Tod zu warten."

"Schhh! Red' nicht vom Tod, Thomas. Soweit sind wir noch nicht. Sieh mich an! Bitte Thomas, sieh mich an!"

Ich hob den Kopf und suchte Severus' schwarze Augen. Ich zuckte zusammen, als mein Blick den seinen traf. In Severus' Augen brannte ein Feuer, welches ich noch nie zuvor bei ihm gesehen hatte und mir lief ein kalter Schauer über den Rücken. Wer war der Mann vor mir? Kannte ich ihn überhaupt? Jedenfalls hatte ich es jahrelang geglaubt, doch nun wurde ich eines besseren belehrt.

"Und jetzt, hör mir gut zu. Ich werde nicht zulassen, dass du stirbst. Es wird sicherlich nicht einfach werden, aber ich werde einen Weg finden, dich hier heil rauszubringen. Vertrau mir einfach, in Ordnung? Vertrau mir."

"Warum sollte ich das tun; dir vertrauen?"

"Habe ich je etwas getan, was dich zweifeln lässt?" Ernst blickte er mich an.

"Du bist ein Todesser, nichts weiter. Ein verfluchter Todesser, Severus!" Meine Stimme klang fremd und heiser.

Ein leichtes Lächeln umspielte die Lippen des Tränkemeisters und er schüttelte den Kopf. "Du weißt so wenig über mich, Thomas. Ich bin dein Freund. Ich war es immer und daran wird dieser Umstand hier, jedenfalls von meiner Seite her, nichts ändern. Du kannst mir vertrauen."

Noch immer zweifelnd sah ich ihn an, prüfte mit meinem Herzen, was der Verstand verneinte.

"Du bist mein Freund und ich werde nicht zulassen, dass dir auch nur ein Haar gekrümmt wird." Severus' Stimme klang fest und ehrlich.

"Ich weiß nicht, ob ich dir wirklich vertrauen soll, Sev. Noch vor einem Monat hätte ich an keinem deiner Worten gezweifelt, aber nun? Zuviel ist geschehen. Ich bin verwirrt."

"Das spricht dir auch keiner ab. Ich selbst verstehe oft die Welt nicht, in der ich verdammt bin zu leben. Doch hier ist nicht der Ort, um über solche Dinge zu reden. Hier ist es zu gefährlich. Hast du schon was gegessen?"

Ich schüttelte den Kopf. "Nein, ich... ich habe auf dich gewartet."

"Iss ruhig. Ich werde den Hauselfen auftragen, dir was zu essen zu bringen."

"Was ist mit dir? Isst du nichts?"

Er blickte mich mit einem undefinierbaren Blick an und erhob sich. "Nein, ich habe keinen Hunger. Zudem habe ich noch etwas dringendes zu tun." Der Tränkemeister ging zur Tür und hielt dort nochmals inne. "Kann ich dich allein lassen?"

Ich nickte leicht, blickte jedoch nicht hoch. "Geh ruhig, Severus. Alles in Ordnung." Und leise hörte ich die Tür ins Schloss fallen.

 

Kapitel 28

Kapitel 30

 

Zurück