Sense & Sensibility

 

 

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Kapitel 3 - Mission possible

 

Zwei Stunden später machte sich Severus nach einem kleinen Nickerchen auf den Weg.
Um bei den Muggeln nicht zu sehr aufzufallen, hatte er seine einzige Jeans angezogen. Er besaß sie, seitdem Dumbledore ihn das erste Mal in die "andere" Welt geschickt hatte. Dazu trug er eines seiner schwarzen Hemden und um das "normale" Erscheinungsbild zu vervollständigen, hatte er sich extra die Haare gewaschen und gekämmt. Als er sich im Spiegel betrachtete, fiel ihm wieder mal auf, dass er als Muggel einiges hermachen würde. Doch das wollte er gar nicht. Am liebsten blieb Severus in seiner Welt, mit den schwarzen Umhängen und Kerkern. Da konnte ihm niemand gefährlich werden - und schon gar keine Frauen. Denn sie waren sein Problem bei den Muggeln. Sie sahen ihm nach, lächelten ihn aufreizend an, was Severus jedes Mal entsetzlich nervös machte. Da wünschte er sich eine reine Männerwelt und betete, dass ihn keine ansprach. Seine Erfahrungen mit Frauen waren begrenzt. Während seines Studiums hatte ihm seine wahrscheinlich große Liebe das Herz gebrochen. Sie hatte wohl entscheidend dazu beigetragen, dass er eine grausame Vergangenheit mit sich trug. Doch das wollte er vergessen...
Mit verschlossenem Gesicht lief er durch die Straßen von Cardiff. Innerlich fluchte er, keine Zauberei nutzen zu können, um an sein Ziel zu kommen. Doch selbst wenn, hätte er wissen müssen, wo sich dieser "Baumarkt" befand, sonst konnte er auch dort nicht hinapparieren.
Was waren das bloß für besondere Nägel, die Dumbledore benötigte, für die er ihn dies hier durchmachen ließ? Zuerst einmal hatte er Severus auch wieder ins Gedächtnis rufen müssen, was ein Baumarkt war. Er war das letzte Mal in der vierten Klasse seiner Muggelschule mit solchen Wörtern konfrontiert worden, seitdem war viel Zeit vergangen.
Nach einiger Zeit, die ihm wie eine Ewigkeit vorkam und in der er fast angefahren worden war, weil er eine rote Ampel übersehen hatte, stürmte Severus in die nächstbeste Bäckerei, die er sah.
Seufzend sah er auf all die Leckereien hinter den Scheiben der Theke, sein Magen meldete sich nun. Er hatte den ganzen Tag noch nichts gegessen.
"Bitte schön?", wandte sich die Verkäuferin an ihn.
Kurz entschlossen nahm Severus ein Eclair.
"Achtzig Cent", sagte die Bedienung, während sie das Gebäckstück in eine Papiertüte packte. Dann tippte sie den Preis in die Kasse ein.
Severus kramte in seiner Hosentasche. Dumbledore hatte ihm scheinbar einiges an Geld mitgegeben, doch da er nicht wusste, was es wert war, legte er einfach eine fünfzig Pfund Note auf das Zahlschälchen.
Die Verkäuferin sah ihn einen Moment skeptisch auf das Kleingeld in seiner Hand, nahm dann aber den Schein und gab ihm das Wechselgeld raus. "Bitte."
"Danke", antwortete er unsicher lächelnd und verstaute das Geld ebenfalls in seiner Hosentasche. Dann griff er nach der Papiertüte und wollte sich schon dem Ausgang zuwenden, als ihm wieder einfiel, warum er überhaupt gekommen war.
"Ähm, entschuldigen Sie", wandte er sich noch einmal an die Bedienung, die gerade frisches Brot in die Holzregale legte.
Sie drehte sich um. "Ja?"
"Wo finde ich denn hier den Baumarkt?", fragte Severus freundlich.
Die Verkäuferin lächelte. "Wir haben hier sicher drei Baumärkte. Aber egal, welchen Sie suchen, Sie finden sie alle außerhalb der Stadt, im Industriegebiet."
"Ah, und wie komm ich da hin?", wollte Severus nun noch wissen, hoffend, dass die Bedienung es ihm einfach erklären konnte.
"Wenn Sie jetzt rechts raus gehen und an der nächsten Ampelkreuzung links, kommen Sie auf die Hauptstraße", entgegnete sie und machte ein Handzeichen nach recht und dann nach links um eine Kurve. "Und wenn Sie diese immer weiter gehen, kommen Sie irgendwann an. Die liegen alle an der Straße. Sind eigentlich recht leicht zu finden."
Erleichtert nickte Severus. "Danke schön." Dann ging er zur Tür.
"Zu Fuß laufen Sie aber sicher eine halbe Stunde", meinte die Frau noch.
Er lächelte ihr noch einmal zu und trat wieder hinaus ins Freie. So würde er den komischen Baumarkt schon finden.

Wie ihm die Verkäuferin geraten hatte, ging er erst rechts die Straße hinauf und bog dann nach links in die vielbefahrene Hauptstraße ein. Auf einem Schild las er Industriegebiet und so schlenderte er, recht sicher und genüsslich an seinem Eclair knabbernd, an ein paar Geschäften vorbei. Er ignorierte den Lärm der vorbeifahrenden Autos und Lkws und ertappte sich bei dem Gedanken daran, dass die Muggelwelt trotz allem vielleicht doch nicht so schlecht war. Schnell verdrängte er diese Überlegung. Die Muggel hatten ihm bisher nur Schwierigkeiten gemacht. Die Eltern seiner großen Liebe waren auch Nichtzauberer gewesen und für sie hatte er sein Leben über den Haufen werfen wollen. Er hatte seine Einstellung ändern und sich gegen alle Welt stellen wollen. Doch das war ihr anscheinend nicht genug gewesen. Seitdem hatte er einen Hass gegen alle Muggel entwickelt, obwohl er wusste, dass dieser wahrscheinlich nicht gerechtfertigt war. Sein Stolz untersagte ihm jede Nachgabe. Und so war er mit sich übereingekommen, Muggeln gegenüber nicht feindlich zu reagieren, sie aber zu meiden.
Irgendwann lichteten sich die Hausreihen auf beiden Seiten der Straße. Ein Schild kennzeichnete den Ortsausgang und ein weiteres besagte den Anfang des Industriegebietes.
Severus überquerte an einer Ampel die Straße, da auf der rechten Seite der Gehweg geendet hatte. Links von ihm lagen nun Felder, auf der rechten Seite der Straße die Firmen und Märkte.
Plötzlich entdeckte er das Schild eines Baumarktes und gleich darauf das nächste. Rätselnd stand er auf dem Gehweg gegenüber der ersten Abzweigung. Dumbledore hatte ihm keinen Namen genannt. Severus betrachtete beide Schilder. Eines war rot-weiß, das andere dunkelgrün-gelb. Er entschied sich, bis zur nächsten Abzweigung zu laufen. Er war zwar albern, einen Baumarkt nach den Farben auszusuchen, doch grün und gelb hatten ihm einfach besser gefallen.
Er überquerte vorsichtig die Straße und den großen Parkplatz, bevor er durch die elektrische Eingangstür schritt. Nun stand er in diesem riesigen Baumarkt und wusste nicht mal genau, was er suchte. Sich die Haare aus dem Gesicht streichend, sah er sich um. Da erblickte er ein Informationsschild und steuerte auf die Dame hinter dem Tresen zu.
Sie lächelte ihm so freundlich entgegen, dass Severus wieder total verunsichert wurde.
"Ich suche ... ähm ... Nägel. VS fünfzehn."
"Alle Nägel, Schrauben und Dübel finden Sie in Abteilung E", antwortete die junge Frau freundlich.
Als Severus sie noch immer ein wenig hilflos ansah, meinte sie: "Immer gerade aus, fünfter Gang, links."
Er lächelte dankbar und machte sich auf den Weg.
Mit der Beschreibung war der Gang nicht schwer zu finden, außerdem hing im Mittelgang ein Schild mit einem E und über den Regalen informierten weitere über Schrauben A - L und Nägel S - VT.
Hoffend, die Nägel unter S bis VT zu finden, suchte Severus das lange Regal ab, während er daran entlang lief.
Gerade, als er glaubte, etwas gefunden zu haben, und sich hinunter beugte, hörte er jemanden hinter sich fragen: "Sense?"
Severus zuckte zusammen. Sense? Das war doch... Blitzschnell fuhr er hoch und drehte sich um.
Vor ihm stand ein Mann, der ungefähr so groß wie er selbst war, neben einem Einkaufswagen. Er sah Severus fragend an.
Der Schwarzhaarige wusste, dass er diese braunen, buschigen Haare und das Gesicht mit der Brille irgendwo her kannte. "Äh...?!"
"Severus Snape?", fragte sein ungefähr gleichaltriges Gegenüber nun.
"Jaah?" Ein wenig misstrauisch, aber vor allem überrascht und hilflos blickte er den Mann an.
"Ah, du erkennst mich nicht mehr. Na, was soll's. Ich bin Christian Granger, wir sind zusammen in die Grundschule gegangen", erklärte der Fremde.
Christian Granger? In Severus' Kopf rumorte es. Der Name Granger sagte ihm sehr wohl etwas, aber nur in Verbindung mit einer seiner Schülerinnen. Doch auf einmal fiel es ihm wieder ein. "Richtig, wir haben die Jahre nebeneinander gesessen."
"Und waren die besten Freunde, zumindest in der Schule. Aber dann warst du ja eines Tages plötzlich weg", meinte Mr Granger.
Severus zuckte leicht mit den Schultern. "Meine Eltern hatten andere Pläne."
Sein Gegenüber nickte verständnisvoll. "Und wo lebst du jetzt? Und was machst du hier?", wollte er neugierig wissen.
Normalerweise hasste Severus Fragen, aber mit dem Gedanken an die frühere Zeit, die nun immer deutlicher in sein Gedächtnis zurückkehrte, lächelte der Schwarzhaarige. "Ich lebe in Nordengland, an der Grenze zu Schottland und bin dort Lehrer."
Mr Granger blinzelte irritiert. "Du und Lehrer?"
Severus nickte. "Komisch, was? Hab das Lernen zwar immer gehasst, aber Lehrer sein ist was viel Besseres." Ein spitzbübisches Grinsen schlich sich einen Moment auf sein Gesicht.
"Verstehe", schmunzelte sein Gegenüber. "Und was treibt dich hierher?"
"Ich tue meinem Direktor einen Gefallen", antwortet er.
Mr Granger warf ihm einen anerkennenden Blick zu und fragte dann: "Wie lange bist du denn noch in der Stadt? Ich würde dich gern meiner Familie vorstellen."
Der Gedanke an ein Wiedersehensfest gefiel Severus zwar nicht, aber wie konnte er Christian einen Gefallen abschlagen? Für sein plötzliches Verschwinden hatte er auch noch etwas gut zu machen. "Ähm, bis Mittwoch oder Donnerstag, dachte ich eigentlich."
"Wunderbar!", rief Mr Granger. Er zückte sein Portemonnaie und reichte ihm eine Visitenkarte. "Würde mich echt freuen, wenn du mal vorbei schaust. Du bist jeder Zeit willkommen. Habe gerade Urlaub und will eine Gartenhütte bauen." Er deutete auf die Bretter auf dem Einkaufswagen.
Severus blickte nickend auf das rötliche Holz. "Ich werde sehen, ob ich Zeit finde."
"Schön", meinte sein ehemaliger Klassenkamerad freudig. "Dann will ich mal los. Zuhause wartet das Mittagessen." Er lächelte und klopfte Severus kurz auf die Schulter. "Bis dann."
Der Schwarzhaarige nickte erneut, ebenfalls lächelnd. Christian war schon ein netter...Muggel. "Ach, eins noch!", hielt er ihn auf. "Wo find ich hier VS fünfzehn-Nägel?"
Mr Granger schmunzelte. "Kein Handwerker, was? Das sind ganz normale, kleine Nägel, nur eine Fünfzehnerpackung. " Er ging zielstrebig auf einen Korb voll Plastikpäckchen zu und griff hinein. Dann kam er zurück und drückte Severus eines in die Hand, während er ein Päckchen für sich in den Wagen warf.
"Danke." Severus lächelte verlegen.
"Mach's gut", schmunzelte der andere nur und schob seinen Wagen davon.
Langsam machte sich Severus auf die Suche nach der Kasse.
Als er gezahlt hatte, wobei er der Kassiererin den ganzen Inhalt seiner Hosentasche vorhäufte, lief er die gekommene Strecke an der Hauptstraße entlang zurück. Er kramte nach der Visitenkarte und musterte sie eine Weile. Soso, dachte er, da war Christian also Zahnarzt geworden. Auch ein kleiner Sadist, grinste er in sich hinein.
Später lag er dann wieder auf seinem Bett im Wirtshaus. Er war doch recht erschöpft. Da er die nächsten Tage aber nun nichts mehr zu tun hatte, weil er Dumbledores Auftrag - zu dessen Unverschämtheit er sich nach seiner Rückkehr auch noch äußern würde - schon erledigt hatte, entschloss er sich, Christian und seine Familie zu besuchen. Vielleicht würde es ja doch ganz nett.
Severus ahnte nicht, was ihn erwartete. Ihn und alle anderen...



 

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