Tortur

 

 

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Kapitel 13: Die Zusammenkunft




Diesmal landeten sie schonungsvoll im Vorraum einer, urteilte man nach der sonstigen Ausstattung, überaus prunkvollen Halle, in dem es für Lupin keine andere Möglichkeit eines Versteckes gab, als eine protzig verzierte Truhe.
Gut, daß er nicht klaustrophobisch war, überlegte er, bevor er mit einem schiefen Grinsen und der Hoffnung, daß es sich um keine Falle handelte, darin verschwand. Nun, es war auch leichtsinnig anzunehmen, er würde immer so unauffällig im Hintergrund bleiben können, wie auf jener Lichtung.

Aber Snape würdigte ihn keines Blickes mehr, als er aufrecht und unbeugsam - das Herz zu einem Eisklumpen erstarrt - mit wehenden Roben die Halle betrat.
Es handelte sich um keine Privataudienz; etwa zehn Augenpaare richteten sich atemlos auf den Neuankömmling, der es gewagt hatte, eine Rede ihrer aller Herrn und Meister zu stören.

Snape erkannte auf die Schnelle den blonden Kopf Lucius Malfoys, der in jeder Lebenslage perfekt gewandete, äußerst wohlhabende Vater seines Schülers Draco, neben ihm die Geschwister Amycus und Alecto.

Voldemort thronte auf einem schlangenumwundenen, reich verzierten Sessel, in dem er fast ein wenig fehl am Platze in seiner üblichen spinnwebartigen Robe wirkte. Er erhob sich halb und musterte seinen Gefolgsmann mit einer gefährlichen, lauernden Neugierde.
Snape verneigte sich tief.

Volle fünf Minuten lang geschah gar nichts.

Snape, der Nichtbeachtung zur Genüge in seinem Elternhaus erfahren hatte und sie bei weitem den Wutausbrüchen seines nichtswürdigen Muggelvaters vorzog, blieb mit gesenktem Blick völlig ruhig stehen und wartete.
Sein weiteres Schicksal lag nun ohnehin in Voldemorts Händen, wozu also unnötige Gedanken an etwas verschwenden, das sich seinem Einfluß entzog?

Die anderen Todesser hielten vor Anspannung den Atem an. Wie würde der Dunkle Lord den Giftmischer für soviel Ungehorsam strafen?
Es gab einige in seinen Reihen, die längst nicht von Snapes bedingungsloser Ergebenheit und Loyalität überzeugt waren, aber da der Gebieter immer noch große Stücke auf ihn zu halten schien, getraute sich niemand, die Zweifel laut zu äußern.

"Du kommst spät", stellte Voldemort schließlich mit kalter Seelenruhe fest.

Natürlich. Snape hatte nicht erwartet, ungeschoren für dieses Vergehen davonzukommen, daher gelang es ihm auch, in einer einzigartigen Verschmelzung von Demut und Kaltschnäuzigkeit zu antworten: "Meine aufrichtige Entschuldigung, Mylord. Ich war der Ansicht, ich hätte bis morgen Zeit, daher war ich nicht... vorbereitet."

Das entsprach so sehr der Wahrheit, daß sich Snape für einen schaurigen Moment fragte, ob er sich nicht vielleicht versprochen hatte, aber Voldemort fuhr fort, unendlich sanft: "Man läßt mich nicht warten, Severus. In keinem Falle. NIE. Verstehst du?"

Alecto und McNair tauschten einen schadenfrohen Blick. Gleich bekam der aalglatte Giftmischer die gerechte Strafe für seine Auflehnung. Viel zu lange schon war er in den unüblichen Genuß außergewöhnlicher Gnade ihres Meisters gekommen.

Snape benötigte seine gesamte Konzentration, um, was nun folgte, vorzubringen.
"Ich kann nur meine Entschuldigung für die Verfehlung wiederholen", sagte er mit vorgetäuschter Furchtlosigkeit, den Kopf zwar gesenkt, aber nicht gebeugt. Dann hob er den Blick, sah Voldemort direkt in die roten Schlangenaugen und zog ein Fläschchen aus seinem Umhang.

Ein Raunen ging durch die Anwesenden ob solcher Kühnheit. Gewiß würde ihn der Dunkle Lord sogleich dem Folterfluch unterwerfen.

"Bevor ich meiner Strafe zugeführt werde", sagte Snape unerschrocken und kalt, "möchte ich Euch dies übergeben. Die Herstellung war... anspruchsvoll, und es wäre Verschwendung, wenn mir das Gefäß zerbräche."
'...während ich mich auf dem Boden winde', fügte er in Gedanken hinzu und verdrängte den Gedanken sogleich wieder.

Eine dröhnende Stille folgte seinen letzten Worten. Keiner der Anwesenden, mit Ausnahme von Lucius Malfoy, dem ein listiges Lächeln in den eisgrauen Augen glomm, bezweifelte nun mehr das finale "Avada Kevadra" für den Giftmischer ob solcher Unverfrorenheit.

Voldemort schwebte zu Snape herab, zwang ihn mit einem Fingerschnippen auf die Knie und nahm das Fläschchen an sich.
Er musterte erst den Inhalt, dann den Zaubertrankmeister abschätzend und berechnend, strich mit seinem Zauberstab scheinbar zärtlich durch Snapes nachtschwarzes Haar, als wüßte er, wie sehr dieser solche Berührungen verabscheute und unternahm einen diskreten Versuch, in seinen Geist einzudringen.
Snape lenkte ihn geschickt mit ein paar Bildern von sich selbst bei der Arbeit ab, zeigte ihm noch Dumbledore bei einer Ansprache und wollte gerade mit einer besonders unterhaltsamen Unterrichtsszene, in der er Harry Potter verhöhnte, auftrumpfen, als sich Voldemort zurückzog und... lachte.
Die Laute klangen so fremd und seltsam, daß Snape unmerklich schauderte. Noch war die Gefahr nicht gebannt.

"Deine Einstellung gefällt mir, Severus", sagte der Dunkle Lord wohlwollend. "Du bist bereit die Strafe zu empfangen, aber erbittest Schonung für dein Werk. Das ist in meinem Sinn."

Unter den enttäuschten Blicken der anderen hieß er Snape aufzustehen. Um Malfoys Mundwinkel spielte ein triumphierendes Lächeln. Snape war noch viel gerissener, als alle gedacht hatten.

Der Tränkemeister preßte die Kiefer so fest aufeinander, daß es schmerzte. Die Präsenz Voldemorts aus einem Bewußtsein auszusperren, hatte mehr Kraft gekostet, als er zunächst geglaubt hatte.
Irrte er sich, oder schoben sich die Wände plötzlich auf ihn zu?
Seine Augen verloren den Fokus, als Voldemort zischte: "Zurück auf die Knie!"
Sofort konnte er klarer sehen; das Schwanken hörte auf. Snape ließ erleichtert den Atem entweichen.

"Du hast also etwas vorzuweisen?"

"Ihr haltet das vorläufige Ergebnis meiner Arbeit in den Händen", sagte er gefaßt. "Selbstverständlich wäre es von Vorteil, den Trank noch zu vervollkommnen, um" -

"Du bist so berechenbar, Severus", unterbrach ihn Voldemort und wiegte den Kopf halb amüsiert, halb bedauernd hin und her.
"Und so beflissen... das gefällt mir. Jeder andere wäre gestorben vor Schreck, daß ich ihn einen Tag zu früh rufen ließ, aber du... du hast natürlich vorgesorgt... für eben jenen Fall."

Er lächelte hinterhältig und wickelte eine lange, seidigschwarze Strähne von Snapes Haar um seinen weißen Finger.
Es erfüllte ihn mit diebischer Freude zu beobachten, daß der Tränkemeister, obwohl ihm die Geste mit Sicherheit zutiefst schrecklich war, unbewegt blieb und weder zurückwich noch anderweitig Unbehagen zeigte.

"Ich habe beschlossen, dir eine besondere Gnade zuteilwerden zu lassen", schnurrte Voldemort, entwickelte seinen langen Finger und zog sich mit einem katzenhaften Sprung blitzartig zurück.

"Beim nächsten Vollmond wird eine Zusammenkunft der 'Freunde' Fenrir Greybacks stattfinden, bei der du ihnen den Trank persönlich verabreichen wirst", bestimmte er gebieterisch. (In Lucius Malfoys hochmütiges Gesicht trat ein schadenfroher Zug; Severus Snape mochte ein Genie im Tränkebrauen sein, aber auf sozialem Parkett hätte er nicht unbeholfener sein können.)

Auch Snape selbst hob überrascht die Brauen. Üblicherweise trat er nach getaner Arbeit nicht in Erscheinung; er war es alles andere als gewohnt, seine kostbaren Ergebnisse vor einer Bande ungebildeter, unflätiger... 'Werwölfe', rief ihm sein Bewußtsein schaudernd zu, anzupreisen.

"Ich bin bereit", log er, ohne eine Miene zu verziehen. "Allerdings möchte ich anmerken, daß es noch nicht feststeht, ob eine einmalige Gabe die volle Wirkung erzielt."

Voldemort nickte gefällig.

"Das wirst du spätestens bei dem Treffen bemerken", sagte er trocken, "wenn du es nicht ohnehin vorher herausbekommst. - Es war mir ein Vergnügen."

Eine spöttische Verbeugung.

"Du hast mich heute nicht enttäuscht."

Snape ließ sich Zeit, die Halle zu verlassen. Aus den Augenwinkeln sah er Lucius Malfoy, den er einst einen Freund genannt hatte, mit Voldemort vertraulich sprechen. Malfoy und seine Machtgier; wie hatte er ihm seine Beraterfunktion geneidet, war er es doch gewesen, der den mageren, düsteren Burschen dem Dunklen Lord seinerzeit erst vorgestellt hatte. Nun, wie es aussah, hatte er seine Position eingenommen. Ob er wohl jetzt zufrieden war? Snape bezweifelte es.

In einem unbeobachteten Moment befreite er Remus Lupin aus seiner Truhengefangenschaft, in der er zu seiner Erleichterung tatsächlich unbehelligt geblieben war, und sie kehrten auf der Stelle nach Hogwarts zurück.

Es war noch immer tiefe Nacht, als sie das Schloß betraten.

"Ich denke, es genügt, wenn wir morgen alles erfahren", sagte Lupin sanft, als er sah, wie schwer es Snape fiel, die Augen offenzuhalten.
"Brauchst du noch etwas?"

Snape schüttelte müde den Kopf. Wie gnädig, den Bericht des Spions auf morgen zu vertagen. Mußte er dafür dankbar sein? Er war so erschöpft, daß er wie automatisch den Weg zur Krankenstation einschlug, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, daß dies die Gelegenheit war, auf die er gewartet hatte, in sein eigenes Quartier zurückzukehren.

"Gute Nacht", rief ihm Lupin nach, ohne wirklich eine Antwort zu erwarten. Um so überraschter war er, als Snape innehielt, sich umwandte und langsam nickte.

"Danke", sagte er sehr leise.

xoxoxox

"Eine Süßigkeit, Miß MacGillivray?"

Unter dem geringschätzigen Blick seines Tränkemeisters reichte Albus Dumbledore eine Schale mit Pralinen und Bonbons herum.
Catriona MacGillivray schüttelte rasch den Kopf.

"Ich bin kein großer Süßschnabel", gestand sie nicht im Mindesten verlegen und ignorierte die scharfen Augen Severus Snapes, der anerkennend feststellte, daß es tatsächlich jemanden gab (auch wenn es diese Frau war), der seine Antipathie gegenüber Dumbledores Konfektkiste teilte.

Remus Lupin angelte mit spitzen Fingern nach einem Nußkrokant, das er behende im Mund verschwinden ließ und konnte daher die Frage des Schuldirektors, ob er jemanden aus Greybacks Kreisen kennen würde, nur mit einem ablehnenden "Üm-mm" beantworten.

Auf der anderen Seite des Tisches trug Snape einen Blick zur Schau, der deutlich zeigte, was er davon hielt, gleichzeitig zu essen und zu reden.
Er hatte seinen Bericht abgeliefert und fragte sich im Stillen, was es überhaupt zu diskutieren gab; immerhin hätte die Anweisung Voldemorts nicht klarer sein können.
Anstatt die kostbare Zeit über Nußkrokant und den unvermeidlichen Zitronenbonbons zu verbringen, hätte er längst eine Testreihe weiter sein können.
Wenn man beispielsweise anstelle der Libellenflügel eine Winzigkeit Spanische Fliege hinzufügte, würde -

"Nicht wahr, Severus?" unterbrach Dumbledores väterliche Stimme jäh seine Überlegungen.

Snape blinzelte und bemühte sich, seine Verwirrung nicht offen zu zeigen. Ganz offensichtlich hatte man eben ein Thema erörtert, von dem man annahm, er müsse dazu eine Meinung haben.
Rasch wog er ab; sollte er es wagen, rundweg abzulehnen, wie es seine zweite Natur war? Oder ausnahmsweise zustimmen und alle erschrecken?
Oder gar nachfragen und damit alle mit der Nase auf seine Konzentrationsstörungen stoßen?
Auf keinen Fall!

Snape entschied sich für ein unbeteiligtes "Ich habe keine Meinung dazu."

Catriona MacGillivray grinste unverschämt, aber in ihren Augen, jetzt eisblau in der schräg einfallenden Herbstsonne, lag etwas, das er nicht zu deuten vermochte. Spott? Schadenfreude? Mitleid?

"Wir besprachen gerade, daß es sehr riskant wäre, wenn Sie zu diesem Werwolftreffen gingen, ohne die Zauberkräfte wiedererlangt zu haben", sagte sie leichthin ohne ein Fünkchen Gehässigkeit in der Stimme.

Snapes Gesicht verdüsterte sich. Was sollte er darauf antworten? Sie taten ja gerade so, als hätte er irgendeinen Einfluß auf seine Behinderung. Ungeachtet dessen stimmte er ihnen grundsätzlich zu; er konnte sich nicht immer an Lupins Rockzipfel klammern, wenn Zauberkräfte vonnöten waren, und ihn selbst schmerzte seine Unfähigkeit schließlich am meisten; ganz abgesehen davon, daß Lupin an Vollmond selbst verwandelt sein würde, ein ausgesprochen delikates Detail, das bisher niemand erwähnt hatte.

Wenn er im Schloß unterwegs war, was ohnehin nur noch sehr selten vorkam, nahm er absichtlich Umwege durch ungenutzte Korridore, um die Gefahr zu minimieren, jemandem zu begegnen. Nicht auszudenken, wenn Schüler ihn so sahen.

"Was schlagen Sie vor?" fragte er bitter und sah angestrengt auf seine kalten, weißen Hände, die bizarr und viel zu ruhig auf dem dunklen Stoff seiner Robe lagen, so als gehörten sie nicht zu ihm.

"Gar nichts Besonderes, Professor", beschwichtigte die Schottin, für die sein Mißtrauen und seine Ablehnung fast greifbar waren.

"Wir möchten dich einfach bitten, nicht den ganzen Tag durchzuarbeiten", schaltete sich Albus Dumbledore erklärend ein. "Gönn dir auch Pausen, kurz, nimm dir ein bißchen Zeit für das, was du gern tust."

"Ich arbeite gern an Zaubertränken", sagte Snape verwirrt. "Ich würde auch sehr gern mit den Experimenten fortfahren", fügte er eigensinnig hinzu und bedachte MacGillivray mit einem anklagenden Blick, als sei es ausschließlich ihr zu verdanken, daß sie fruchtlose Diskussionen in Dumbledores Büro führten.

Ihr ironisches Lächeln verunsicherte ihn mehr, als er sich jemals eingestehen würde; auch der Direktor und Lupin schienen belustigt.

"Dann macht euch doch am besten ans Werk", sagte der Alte verträglich, und Snape, der nur auf die Entlassung gewartet hatte, rauschte davon.

Catriona MacGillivray ließ sich von Lupin noch ein Stück begleiten. Er hatte den ganzen Morgen vergeblich versucht, sie allein anzutreffen; jetzt bot sich zum ersten Mal die Chance, über den fraglichen Abend zu reden.
Aber MacGillivray legte ihm einen beringten, nach Citrus duftenden Finger auf die Lippen und lächelte hintergründig.

"Ich kann dich gut leiden, Remus", sagte sie ernsthaft. "Und der Abend war phantastisch. Ich habe mich schon seit Ewigkeiten nicht mehr so gut unterhalten. Du bist jederzeit wieder zu einem Gläschen Alraunenwein willkommen. - Nur nicht gerade heute", ihr Lächeln nahm einen gequälten Zug an, "mein Trank gegen Kopfschmerzen ist alle."

Lupin konnte nicht anders: Ein breites Grinsen umzuckte seine Mundwinkel. Sie war aber auch wirklich unverbesserlich.

"Severus könnte dir aushelfen", schlug er flachsend vor und wich ihrem Rippenstoß geschickt aus.

"Soweit kommt es noch", rief sie empört aus. "Er würde mir erst einen Vortrag halten über die korrekte Dosierung von Alraunenwein und daß mir das Kopfweh recht geschähe, und darauf kann ich verzichten."
Sie lachte schon wieder.
"Das war ja gerade das Schöne: die Dosierung überhaupt nicht einzuhalten! Bis später!"


 

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