Tortur

 

 

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Kapitel 16: Die Entscheidung



"Schachmatt."

Remus Lupin gab sich redliche Mühe, ein wenig Reue zu zeigen, aber der ungläubige Blick, der so gar nicht in MacGillivrays hochmütige Augen (grünbraun in diesem Licht) passen wollte, gefiel ihm so gut, daß er dem schadenfrohen Grinsen, das in seinen Mundwinkeln zuckte, gestattete, sich über das ganze Gesicht auszubreiten.

"Ich bin kein sonderlich guter Schachspieler", sagte er mit wohlwollender Gemeinheit in der Stimme, woraufhin sein Gegenüber glockenhell lachte.

"Ich an und für sich schon", gab sie selbstbewußt zurück und hob in gespielter Verlegenheit die Schultern.

"Denkst du über eure Arbeit nach?"
Lupin schenkte ihr Wein ein.

"Das auch", sagte sie trocken und setzte die Brille ab, um sie mit einem erfindungsreichen Reinigungszauber zu polieren.
"Ich überlege vor allem, wie man so mißtrauisch werden kann, wie Severus Snape es ist."

Lupin seufzte bedauernd. "Langjährige Erfahrung, fürchte ich", sagte er nach einigem Nachdenken.
"Als Albus Dumbledore über dich sprach, konnte ich mich kaum an dich erinnern", fuhr er unvermittelt fort. "Ging es dir anders?"

MacGillivray setzte die Brille wieder auf und strich sich ein Löckchen aus der Stirn.
"Ich habe das niemandem erzählt", sagte sie langsam, "aber ich habe von Severus Snape sehr wohl Notiz genommen. Von euch erst später… ihr wart ja keine Gefahr für meinen Status in Zaubertränke."

"Danke!" Ein schiefes Lächeln huschte über Remus Lupins Gesicht.

Sie machte eine beschwichtigende Geste mit der Hand, sagte aber achselzuckend: "So war es nun mal. Was hat es mich gewurmt, wenn Slughorn im Unterricht Snapes Tränke als Anschauungsexemplare verwendet hat, weil er zu faul war, selbst welche herzustellen."

Ihre Augen blitzten erregt. "Und bei mir hieß es immer nur, 'gut, aber sehen Sie dies oder jenes bei dem Ergebnis von Mr. Snape' - ich hätte ihn erwürgen können!"

"Wen - Slughorn oder Snape?" warf Lupin trocken ein.

"Beide", gab sie im Brustton der Überzeugung zurück.

"Und du hast ihn nie angesprochen?"

"Wir hatten ja keine Stunden miteinander", sagte sie, als genügte das allein schon zur Erklärung.
"Außerdem - wer bin ich, daß ich mich bei jemandem anbiedere, der das Wort Ablehnung wie ein Schild um den Hals trägt?"

"Ihr hättet ein schönes Paar abgegeben", entfuhr es Remus Lupin. "Beide arrogant und stolz und der Ansicht, wir anderen stünden unter euch."

Kaum war der Satz heraus, da bereute er ihn bereits. Taktlosigkeit gehörte nicht gerade zu seinen Charakterzügen, aber die Gespräche mit MacGillivray hatten ihm Mut gemacht, hin und wieder eine eigene Spitze zu versuchen.

Die Schottin schien über seine Worte nachzudenken.

"Stolz, ja", pflichtete sie ihm schließlich bei. "Leider wird das Bestreben, sich aus der Mittelmäßigkeit der breiten Masse herauszuheben, nur allzu schnell als Arroganz bezeichnet. Ich hatte das Glück, einige wenige Freunde zu haben, die so dachten wie ich. - Snape hatte nur euch, die ihr eure Langeweile damit bekämpftet, ihn zu drangsalieren, weil er nicht in euer Schema paßte."

Lupin rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her. Das Gespräch nahm eine ganz und gar nicht erwünschte Wendung. Er hatte harmlos mit ihr plaudern wollen und saß mit einem Mal auf der Anklagebank.

"Ich bedauere das sehr, aber bist du ihm jemals zu Hilfe gekommen?" stellte er eine Gegenfrage in der Hoffnung, wieder etwas Land zu gewinnen.

"Nein, bin ich nicht, und das bedauere ich", entgegnete sie sachlich. "Ich habe erst ziemlich spät mitbekommen, daß Snape oft die Zielscheibe eures Spottes war. Unabhängig davon liegt mir aber auch die Samariterrolle nicht", gestand sie so freimütig, daß die Aussage etwas von ihrer Selbstgefälligkeit verlor.

Lupin schwirrte der Kopf. Auf wessen Seite stand sie nun eigentlich, wenn man in dem Zusammenhang überhaupt von Seiten reden konnte. Hatte sie nicht gerade noch gesagt, sie hätte Snape den Bestenstatus über all die Jahre geneidet?

"Willst du sagen, du bist nach Hogwarts gekommen, um… herauszufinden, ob du immer noch an zweiter Stelle stehst?" fragte er vorsichtig.

"Deine Kombinationsgabe ist bewundernswert", lobte MacGillivray schmunzelnd. "Aber natürlich war das nur ein Grund, Brasilien für eine Weile den Rücken zu kehren. Jemandem wie Albus Dumbledore schlägt man schwer etwas ab."

Lupin nickte versonnen. Es schien ihm lächerlich, daß er noch vor kurzem ein ungutes Gefühl gehabt hatte, sie direkt anzusehen.
Warum hatte es erst eines weintrunkenen Abends bedurft, damit er sich die Mühe machte, hinter den äußeren Schein von Überheblichkeit und übersteigertem Ehrgeiz zu blicken?

Und hatte er früher jemals versucht, in Severus Snape mehr zu sehen, als den übellaunigen, grausamen, spöttischen Tränkemeister, einstigen Todesser, von allen gemiedenen Mitschüler?

Froh war er gewesen, daß nicht er, der Werwolf mit den ewig zerschlissenen Roben und den abgewetzten Büchern, die Zielscheibe des Spottes geworden war. Dafür hielt man schon einmal den Mund, wenn anderen Unrecht geschah.

"Nachdem wir das jetzt geklärt hätten", unterbrach Catriona MacGillivray Lupins schuldbeladene Grübeleien, "wie wäre es mit einer Revanche? Zauberschach diesmal? - Ich finde, das verleiht dem Spiel erst die richtige Würze."

xoxoxox

Während Remus Lupin ein zweites Mal gegen Catriona MacGillivray gewann und die Trümmer der Zauberschachfiguren bald überall im Kaminzimmer verstreut lagen, versuchte Severus Snape, sich soweit zu konzentrieren, um wenigstens einen der allereinfachsten Zauber zu meistern.

Er hatte sich in seinem Quartier eingeschlossen - im wortwörtlichen Sinne; der rostige Schlüssel, der sonst nie benutzt wurde und für dessen Auffinden zwei Hauselfen den ganzen Abend beschäftigt gewesen waren, lag wie eine stumme Anklage mitten auf dem Tisch - und versuchte einen Levitationszauber, aber die Feder - so sehr Klischee, daß er sie am liebsten in eine Glaskaraffe verwandelt hätte, um der Sache mehr Spannung zu verleihen, blieb wie festgeflucht an ihrem Platz und machte nicht einmal den Versuch aufzusteigen.

Snape ließ den Zauberstab verzagt sinken. Noch einfachere Zauber gab es beinahe nicht, und wenn ihm dieser schon nicht gelang, obwohl er als Kind auf dem staubigen Dachboden seines ärmlichen Elternhauses schwere Balken für seine Mutter levitiert hatte, die sie auf Anweisung seines Muggelvaters ohne Magie umstapeln sollte (eine besondere Niedertracht, gegen die sie sich aufzulehnen nicht gewagt hatte), so fragte er sich ernsthaft, ob es überhaupt lohnte, weiterzuüben.

Er ließ absichtlich einige Tropfen aus seinem Wasserglas auf den Boden fallen, sammelte sich und sandte ihnen ein deutliches "Evanesco" nach. Für Sekunden schien es, als würde die Flüssigkeit verschwinden, aber dann blieb nur der nasse Fußboden als Zeuge seines Mißerfolgs.

Snape wiederholte den Versuch mit eisiger Furcht im Herzen, aber weder gelang es ihm dieses Mal, noch meisterte er ein "Purificare" an einer schmutzigen Schüssel, mit dem er üblicherweise seine Kessel zu reinigen pflegte.

Wortlos legte der Tränkemeister den Zauberstab zur Seite und ließ sich schwer in seinen Ledersessel sinken. Er vergrub den Kopf in beiden Händen und riß so fest an den dunklen Strähnen, die seine kalten Finger zu fassen bekamen, daß ihm der Schmerz Tränen in die Augen trieb.

'Du kannst den Dunklen Lord aus deinen Gedanken aussperren, aber dich nicht einmal auf eine Levitation konzentrieren?!' schalt sein Gewissen voller Häme und schwieg dann so hartnäckig, als wolle es ihn auf diese Weise zum Handeln zwingen.

"Ich habe es versucht - es funktioniert nicht", hörte sich Snape laut rechtfertigen, und die Erkenntnis, daß er Selbstgespräche führte, jagte ihm einen gewaltigen Schrecken ein.
Vor Übermüdung bekam er bereits Kopfschmerzen, und eine unheilverkündende Übelkeit kitzelte in der Kehle.

So konnte und würde es nicht weitergehen. Der Tränkemeister strich das lange Haar mit einer ungeduldigen Bewegung aus den Augen, erhob sich (nur nicht auf den Schwindel achten) und verließ entschlossen sein Quartier. Im Gehen ließ er den Zauberstab in der Innentasche seiner schwarzen Robe verschwinden.

xoxoxox

Catriona MacGillivray hob überrascht den Kopf von einem Pergament, als es an ihrer Tür klopfte.
Sie hatte sich längst von Remus Lupin verabschiedet und genoß die Stille der Nacht, um den ereignisreichen Tag mit ein wenig Kopfarbeit ausklingen zu lassen.

"Herein", sagte sie abgelenkt und wedelte zerstreut mit dem Zauberstab, so daß sich die Riegel an der Tür lösten.

Hindurch trat die Person, von der sie am wenigsten erwartet hätte, sie nach dem Vorfall mit dem Alraunenwein jemals wieder auf ihrer Schwelle zu sehen.
Severus Snape nickte knapp und blieb steif vor ihrem Schreibtisch stehen, ohne ein Wort zu sagen.
Er wirkte derangiert und… verzweifelt, auch wenn sein stolzes Gebaren einen anderen Eindruck zu erwecken suchte.

"Nehmen Sie doch Platz", sagte Catriona MacGillivray weich und tat, als verwundere sie seine Gegenwart um diese Zeit kein bißchen.

Er gehorchte, blieb aber kerzengerade und verkrampft in dem Sessel sitzen, den sie ihm angeboten hatte.

"Ich komme ungelegen", sagte er nach einer Weile sachlich, als MacGillivray geistesabwesend mit ihrer Feder wippte.

"Keineswegs", widersprach sie gutmütig, "aber da Sie mir bisher nicht gesagt haben, was Ihr Begehr ist, habe ich mir die Freiheit genommen, noch ein wenig weiterzuarbeiten."

Sie legte die Feder zur Seite und sah ihn direkt aus dunkelgrünen Augen an. Snape hielt dem Blick voller Unbehagen stand. In der Rolle des Bittstellers gefiel er sich gar nicht, und er bereute es bereits, erst gehandelt und dann nachgedacht zu haben.

Ihre Brille trug auf dem Steg ein winziges, höchst kunstvolles Eidechsenmotiv, das ausgesprochen ästhetisch wirkte und ihrem feingeschnittenen Gesicht etwas Aristokratisches verlieh.

"Woran arbeiten Sie?" fragte er hilflos, um den unvermeidlichen Moment, in dem er ihr sein Anliegen vortragen mußte, noch etwas hinauszuzögern.

"Ich übersetze die Publikation einer brasilianischen Kollegin", erzählte sie bereitwillig. "Nicht jeder schreibt in Englisch."

Er durchlitt schon jetzt beachtliche Höllenqualen, weil er ganz offenkundig gekommen war, einen Gefallen von ihr zu erbitten.
Es dauerte sie, nicht zu wissen, wie sie ihm diesen Canossagang erleichtern sollte, aber jedes drängende Wort ihrerseits würde es ihm nur noch schwerer gemacht haben.

"Neben Alraunenwein schätze ich auch Kaffeelikör sehr", sagte sie eingedenk ihres Gespräches in seinem Büro ernst. "Mögen Sie den lieber?"

Snape blinzelte überrascht. Sie verspottete ihn nicht, überschüttete ihn nicht mit Selbstgefälligkeiten - statt dessen versuchte sie, ihm einen Weg zu ebnen, ihr völlig unverbindlich seinen Wunsch vorzutragen.

Dankbarkeit wallte heiß in ihm auf. Er war inzwischen erschöpft genug, daß ihn dieses fremde Gefühl wohlig berauschte und ihm die Zunge lockerte.

"Ja", sagte er leise, obwohl die Vorstellung, jetzt noch Alkohol zu trinken, ihn benommen und schwindlig machte.

"Zum Wohl."

Er sah sich zu, wie er den köstlichen Duft mit geschlossenen Augen einsog. Ein Aroma so reich und voll… es erschien ihm unmöglich, den Genuß durch Trinken noch zu verstärken.
Snape stellte das Kristallglas ab, ohne auch nur genippt zu haben zu haben.
Ein Schleier breitete sich über sein Gesichtsfeld aus, so daß die rothaarige Schottin entrückt wirkte, wie auf einem alten, mystischen Foto.
Besser, er brachte es hinter sich, bevor er in ihrem Quartier ohnmächtig wurde.

"Sie erwähnten Ololiuqui und seinen Einsatz im 'Trank der Gegenwärtigkeit'", sagte er in einem Atemzug. "Ich bin bereit, es zu versuchen."

Das entrückte Bild MacGillivrays musterte ihn aufmerksam und prüfend, aber nicht unfreundlich.
Als sie nichts sagte, brach es aus Snape heraus: "Ich habe alles versucht, aber kein Zauber gelingt."

"Sie sind wenigstens ehrlich." MacGillivray grinste schief. Sie hielt nicht viel davon, so offen als letzte Rettung bezeichnet zu werden, aber als Snape tonlos flüsterte: "Bitte", da erkannte sie, wie verzweifelt er sein mußte und was ihn das gekostet hatte.

"Morgen um neun", sagte sie sanft. "Soll ich zu Ihnen, oder möchten Sie zu mir kommen?"

Wenn er es recht bedachte, war ein Vorschlag ebenso katastrophal wie der andere. In seinem Quartier hatte wirklich niemand etwas verloren, und in MacGillivrays Räumen kam er sich deplaciert und wie ein Eindringling vor.

"Wählen Sie einen Ort, der Ihnen am wenigsten unangenehm ist", riet die Schottin salomonisch und lächelte gerade so viel, um ihm etwas Sicherheit zu geben.

Zu ihrer Verwunderung zuckte Snape plötzlich die Schultern und sagte: "Ich weiß es nicht. Können wir nicht noch jetzt beginnen?"

Wenn er sich nur sehen könnte! Blaß, entsetzlich erschöpft und völlig überreizt. Von inniger Zuneigung überwältigt, erhob sich MacGillivray und sah ihn nicht an, als sie sagte: "Besser morgen, Severus."
Bevor ihr Verstand sie davon abhalten konnte, etwas Unüberlegtes zu tun, hatte sie eine Hand auf seine Schulter gelegt und gemurmelt: "Sie sehen müde aus."

Ihre Finger auf dem glatten Stoff seines Umhangs - Snape erstarrte vor Schreck, und auch sie selbst war für Momente nicht fähig, sich zu rühren.
Was war bloß in sie gefahren? Severus Snape kam man besser nicht zu nahe; von Berührungen ganz zu schweigen.
'Wie praktisch', durchfuhr es sie ungewohnt bitter, 'durch sein abweisendes Verhalten kommt niemand auf den Gedanken, ihn jemals nach seinem Befinden zu fragen'.

Ihr Herz setzte einen Schlag aus, als sich plötzlich eine kalte, feingliedrige Hand um ihre schloß, gerade, als sie sie fortnehmen wollte.
Seine Finger suchten die ihrigen, und dann hielt er sie so fest, als bestünde die einzige Verbindung zwischen Leben und ewiger Verdammnis in der Verflechtung ihrer Hände.
Sie ließ ihn gewähren; es gab keine Notwendigkeit zu sprechen, keinen Grund, sich zu erklären und keine Frage nach dem Warum.

Schließlich entwand er seine Finger mit einer seltsamen Endgültigkeit, und Catriona, der schon die Frage auf den Lippen gelegen hatte, ob er bleiben wolle, schwieg.
Dies war bereits das Maximum an Nähe, das er in seiner abgrundtiefen Verzweiflung zulassen konnte, und ein weiterer Schritt würde ihn nur unnötig zur Abwehr zwingen.

Snape wandte sich zum Gehen. An der Tür sagte er, ohne sie anzusehen: "Ich suche Sie morgen auf."

Da war er wieder, der unvermeidliche Schalk in MacGillivrays Augen, und bevor sie ihre vorschnelle Zunge zügeln konnte, war ihr ein überschwengliches "Es wird mir ein Vergnügen sein!" entschlüpft.
Sie überspielte ihre Verlegenheit geistesgegenwärtig mit einem warmen Lächeln und fügte mit der ihr eigenen Unbeschwertheit eilig hinzu: "Sie müssen darauf nichts antworten."

Snape glitt mit einem unergründlichen Ausdruck in den schwarzen Augen davon.

Kaum war er fort, gestattete sich MacGillivray ein abgrundtiefes Seufzen. Nun war sie es, die nervös war und aufgekratzt; ihre Übersetzung konnte sie für diese Nacht vergessen.

Noch immer spürte sie seine kalte, glatte Hand in ihrer warmen, und es faszinierte sie, wie sehr eine einfache Berührung ihre Sinne verwirren konnte, obschon sie immer besonders stolz auf ihre kühle Überlegenheit gewesen war.
Andererseits - der düstere Tränkemeister war alles andere als gewöhnlich, und im Laufe der Zeit hatte sich lebhaft bewahrheitet, was sie von vornherein gewußt hatte: Mittelmäßigkeit paßte einfach nicht zu ihr.

xoxoxox

Während sich Catriona MacGillivray noch in Gedanken über die Ursache ihrer Hingezogenheit zu Snape erging, bemühte sich dieser aus Leibeskräften, überhaupt ein Auge zuzutun.

Er hatte sich auf direktem Wege in sein Quartier zur Ruhe begeben (Um diese Zeit würde es Madam Pomfrey nicht mehr wagen, Nachforschungen über sein Nichterscheinen anzustellen, und auf die Rüge am Folgetag war er vorbereitet.), aber in seiner Erschöpfung wallten Erinnerungen an die Heimsuchungen der Dementoren auf; die Bilder vermischten sich mit demütigenden Szenen aus seiner Kindheit (vergessen, nicht sehen…), hastigen Momentaufnahmen aus der aktiven Zeit als Todesser und den überaus widersprüchlichen Emotionen, die die letzte Begegnung mit Catriona MacGillivray in ihm geweckt hatte.

Ihre Hand zu umklammern, das war wie ein Reflex gewesen, wie ein langgehegtes Bedürfnis endlich stillen zu können.
Irgendwo ganz tief drinnen hatte er sich für Sekundenbruchteile gefragt, wie es wohl wäre, sie in die Arme zu schließen, aber dann wurde ihm schon ihre stille, hartnäckige Präsenz zuviel, und er löste seine Finger von ihren.

Im Nachhinein bedauerte er dies fast; in den wenigen Minuten, in denen sie nicht gerade leidenschaftlich debattierten oder Spitzen austauschten, fand er in ihrer Gegenwart ein klein wenig Ruhe von der Art, die ihm sonst nur in abgeschiedenem Alleinsein zuteil wurde.

Natürlich würde er ihre Bosheiten nie vergessen können, aber dennoch… sie war so anders, sie bot ihm die Stirn und war gleichzeitig bereit, ihm trotz seiner bitterbösen, zynischen Ablehnung entgegenzukommen. Sie machte es ihm nicht aus Prinzip leicht; Mitleid hätte ihn rasend gemacht, aber in Momenten, in denen er kurz davor gewesen war, in haltloses Weinen auszubrechen, hatte sie unsagbares Taktgefühl und wahre Größe bewiesen.

Severus Snape langte nach der Flasche 'Traumlosen Schlafes', die gewohnheitsmäßig auf seinem Nachttisch stand, ließ aber die Hand jäh sinken. Die Nacht war schon weit fortgeschritten, und um neun Uhr erwartete ihn MacGillivray bereits für die Behandlung. Besser, er nahm von dem Zaubertrank, dessen Wirkung erst nach durchschnittlich zehn Stunden abklang, da er gleichzeitig die Schlafdauer beeinflußte, dieses Mal Abstand.

Mit Bildern von Catriona MacGillivrays rotem Schopf über smaragdgrünen Eidechsenaugen und ihren schlangengleich ineinandergewundenen Händen fiel Severus Snape schließlich in einen erschöpften, unruhigen Schlaf.


 

Kapitel 15

   

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