Tortur

 

 

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Kapitel 17: Der Trank der Gegenwärtigkeit



"Und Professor Snape hat zugestimmt?"

Albus Dumbledore, mit dem MacGillivray und Lupin ein rasches Frühstück einnahmen, bevor sie um neun Uhr in ihr Quartier zurückkehren würde, wirkte ehrlich erstaunt. Die Schottin hatte es vorgezogen, den Schulleiter in das Vorhaben einzuweihen, da es in höchstem Maße die Person betraf, in der er, wie sie wohl wußte, weitaus mehr sah, als nur einen geschätzten Kollegen.

"Das hat er", bestätigte sie, hielt sich jedoch bedeckt über den eigentlichen Anlaß seines Sinneswandels. Während sie noch vor kurzem jedes Detail mit Dumbledore und Lupin bereit gewesen wäre zu besprechen, überkam sie jetzt ein seltsames Unbehagen, so als gäbe sie Dinge preis, die viel zu weit in die Privatsphäre des Tränkemeisters gehörten, um öffentlich diskutiert zu werden.

"Ich möchte betonen, diese Anwendung ist nicht außergewöhnlich riskant; nur eben in Europa nicht gebräuchlich. Professor Snape hat noch immer Schwierigkeiten mit dem Zaubern; vielleicht kann ihm dieser Trank helfen", sagte sie nachdenklich.

Lupin lächelte verständnisvoll. Sie hatte deutlich untertrieben; Severus Snape konnte überhaupt nicht zaubern und wurde von Tag zu Tag verzweifelter darüber - dies nicht an die große Glocke zu hängen, obwohl es alle Anwesenden wußten, zeugte von ungewöhnlicher Loyalität.

"Sie haben mein vollstes Vertrauen, Catriona", sagte Dumbledore gütig. "Sie sind jeden Tag mit Severus zusammen; wenn er mit mir spricht, dann immer mit dieser Distanz, die ein Gespräch über seinen Seelenzustand völlig unmöglich macht."

Der Alte sprach mit einem so tiefen Bedauern, als handele es sich um einen entfremdeten Sohn.
MacGillivray schien verwirrt, aber Remus Lupin beeilte sich zu sagen: "Severus redet nicht über seine Sorgen, Albus, aber Ihnen vertraut er noch am meisten. Momentan, denke ich, schämt er sich entsetzlich wegen seiner Hilflosigkeit, die ihn für seine Aufgaben - in seinen Augen - wertlos macht."

Dumbledore wiegte bedächtig das greise Haupt, so daß seine grauen Locken leicht mitschwangen.
Severus Snape, der Spion in Voldemorts Reihen, unersetzlich für den Orden des Phönix. Snape hatte sich natürlich nie über sein schweres Los beklagt; stoisch führte er aus, was er für seine Pflicht erachtete, und niemand ahnte, wie sehr ihn das Doppelleben forderte, wie oft er vor Übermüdung gar nicht hatte schlafen können, wie schwer es ihm fiel, einen vernünftigen Unterricht aufrechtzuerhalten, wenn er wußte, demnächst würde er auf einem Todessertreffen oder einer Ordenszusammenkunft erscheinen müssen. Die Tatsache, daß der Zaubertrankmeister immer erst unmittelbar vor Beginn ihrer Versammlungen eintraf und nach deren Ende unverzüglich wieder entschwand, verrieten dem Direktor, wie wenig es für den Spion von Bedeutung war, auf wessen Seite Treffen er sich befand. Er verabscheute beide gleichermaßen.

Und nie hatte er Snape beiseite genommen, um ihm zu versichern, er könne aufhören, wenn es ihm zuviel würde. Sie brauchten ihn so dringend, daß er es in Kauf genommen hatte, den jungen Mann für ihrer aller Zwecke zu instrumentalisieren.

Sogar jetzt noch, durchzuckte es den Alten, dachten sie nur daran, daß Snape rechtzeitig zu dem Treffen mit den Werwölfen seine Zauberkräfte wiedererlangte. Um seine Sicherheit zu erhöhen, hatten sie gesagt, doch für Snape mußte es geklungen haben wie: 'um Lupin nicht unnötig zu gefährden.'

Sogar seine Inhaftierung und damit eine Kette schrecklicher Vorkommnisse hatte er billigend in Kauf genommen; der Erhalt des Ordens ging vor. Dumbledore fragte sich plötzlich, ob es genügte, all dies mit der größeren, höheren Aufgabe zu rechtfertigen, die Welt von Voldemort zu befreien.

"Es ist Zeit", unterbrach MacGillivray seine zweifelnden Gedanken. "Bitte entschuldigen Sie mich, Direktor."

Sie erhob sich mit solch graziöser Leichtigkeit, daß ihre heute bordeauxfarbene Robe über dem Boden zu schweben schien.

"Viel Erfolg", rief Lupin ihr noch nach, aber Albus Dumbledore, dem ihr Satz eigentlich gegolten hatte, nickte nur zerstreut.

"Remus", sagte er aufgewühlt, als sie außer Hörweite war, "hast du dich jemals gefragt, ob wir Severus ausnutzen?"

Lupin blieb beinahe ein Schinkenbissen im Hals stecken. Er beäugte den alten Schulleiter neugierig und besorgt.

"Wie kommen Sie darauf?" erkundigte er sich vorsichtig, sobald er die Gefahr in der Speiseröhre durch einen großen Schluck aus der Kaffeetasse gebannt hatte.

"Ich mußte nur eben daran denken, daß er - strenggenommen - nie wirklich eine Wahl hatte. Er könnte gar nicht aussteigen, selbst wenn er es wollte. Ich habe in Kauf genommen, daß er in Azkaban den Verstand oder gar das Leben verliert, weil" -

- "Opfer gebracht werden müssen, damit Voldemort besiegt werden kann", vollendete Lupin mit einer Selbstverständlichkeit, die Dumbledore gleichzeitig stolz und traurig machte.

"Aber wie weit können wir gehen unter dem Vorwand, eben diese Opfer für ein höheres Ziel zu bringen?" fragte er drängend, da Lupin offenbar nicht verstand, worauf er hinauswollte.

"Severus würde niemals zugeben, wenn ihm seine Aufgaben zuviel würden", sagte der Werwolf ausweichend, noch immer unsicher, wohin das Gespräch führen sollte.

"Schon", bestätigte Dumbledore, "aber ist dir nicht aufgefallen, daß wir nie, nicht einmal, als er aus Azkaban in solch einem Zustand wiederkam, erwogen haben, ihn aus der Rolle als Spion zu befreien?"

Nun gut - wenn man es so betrachtete, hatte Dumbledore natürlich Recht. Für sie alle war es nur eine Frage der Zeit gewesen, bis sie nicht mehr auf kostbare Informationen aus dem Feindeslager verzichten mußten.

Bei einem der letzten Ordenstreffen hatte Alastor Moody, ein rauhbeiniger Exauror, den eine alte Feindschaft mit Snape verband, gar vorgeschlagen, ihn höchstpersönlich daran zu erinnern, daß es nun langsam Zeit würde, seine Spionagetätigkeit wieder aufzunehmen.

"Wir brauchen ihn", sagte Lupin lahm und schämte sich der Worte, kaum daß er sie ausgesprochen hatte.
"Aber schließlich bringen wir alle Opfer in diesen Zeiten", fügte er trotzig hinzu. "Severus wäre der Letzte, der das nicht verstünde."

'Ja', dachte Dumbledore wehmütig, 'das ist gleichzeitig unser Glück und sein Problem.'

"Vielleicht sollten wir ihn einfach nur wissen lassen, daß wir ihn nicht nur wegen seiner Tätigkeit als Spion schätzen", sagte Lupin nach einer Weile nachdenklich, und ein herzliches Lächeln erhellte die ernsten Gesichtszüge des Direktors.

Lupin hatte sehr wohl verstanden, was ihm wichtig gewesen war.

xoxoxox

Severus Snape holte tief Atem und schloß sekundenlang die Augen, bevor er die Hand hob und an Catriona MacGillivrays Tür klopfte.
Er war absolut pünktlich und wie stets makellos gewandet, aber in seinem Inneren tobten Stürme, wie sie auch im Winter auf den Äußeren Hebriden nicht heftiger sein konnten.

Snape hatte sich völlig übernächtigt aus den Kissen gequält; nach dem Ankleiden war es natürlich zu spät gewesen, um noch zu frühstücken; also hatte er statt dessen einen Kräftigungstrank zu sich genommen, um dem Schwindelgefühl Herr zu werden.

Die Träume der Nacht standen so lebendig vor seinen Augen, als befände er sich noch immer mitten in ihnen; ohne Zauberkräfte war er vollkommen hilflos, und gleich würde er sich ausgerechnet der Person ausliefern, der er bis vor kurzem noch abgrundtief mißtraut hatte.

Zwar war es fraglich, ob sein Unbehagen geringer gewesen wäre, wenn er sich zu Remus Lupin hätte begeben müssen, aber er mochte im Zusammenhang mit Catriona MacGillivray einfach nicht von Vertrauen sprechen.

Die Tür öffnete sich, und sofort wuchs das Mißbehagen des sonst so selbstsicheren
Tränkemeisters.
Catriona MacGillivray bat ihn mit dem Geist eines Lächelns auf den Lippen herein. In ihren Augen glomm ein seltsames Licht, und sie wirkte… unsicher?

"Wir gehen ganz unspektakulär zu Werke", sagte sie ein wenig spöttisch, aber es wirkte wie der Versuch, unmerklich seine Furcht zu lindern.

Snape sah sie scharf an. "Was muß ich tun?" fragte er kurz, offenbar nicht gewillt, auf ihre Freundlichkeit einzugehen.

"Ich empfehle, daß Sie zuerst Platz nehmen." Catriona MacGillivray deutete trocken hinüber zum Sofa.
Er gehorchte steif und unterdrückte die Frage, wieso es nicht ein Stuhl auch getan hätte.

"Der 'Trank der Gegenwärtigkeit' enthält eine beachtliche Menge Ololiuqui", begann sie verhalten, "das deutlich bewußtseinsverändernde Eigenschaften besitzt. Erwarten Sie daher lebhafte Bilder, solange der Trank wirkt."

Snapes dunkle Brauen wölbten sich sichtlich entgeistert.

"Ich weiß, daß Sie sowohl in Okklumentik als auch in Legilimentik außerordentlich begabt sind", fuhr MacGillivray rasch fort, bevor er sie unterbrechen konnte. "Diese Fähigkeiten sind in diesem Falle jedoch eher hinderlich für den Erfolg, da ein möglichst freier Gedankenfluß stattfinden soll. - Sie würden unweigerlich versuchen, Ihren Geist zu verschließen oder lenkend einzugreifen, deswegen" -

-"deswegen was?" brauste er auf. "Wollen Sie mich etwa unter Yaxé setzen?"
In seinen Obsidianaugen blitzte ungläubiger Zorn.

"Es geht nicht anders", sagte MacGillivray unfroh. Yaxé, Zauberers Pflanze, bewirkte eine vollständige Bewußtseinsentspannung, Kontrollverlust ohne Zweifel für Severus Snape und daher nicht tolerabel für jemanden, der es gewohnt war, immer Herr der Lage zu sein und der vor allen Dingen in ständiger Achtsamkeit vor dem mächtigen Geist des Dunklen Lords leben mußte.

"Auf keinen Fall!" rief der Tränkemeister, weiß vor nur schlecht als Wut getarnter panischer Angst.
"Dann eben nicht! Ich beginne ja bereits, mich an ein Leben als Muggel zu gewöhnen."

Er sprang auf, aber der Schwindel, der trotz des Kräftigungstrankes nicht gänzlich verschwunden war, zwang ihn zurück in eine sitzende Position. Mit geschlossenen Augen bemühte er sich, durch tiefes, konzentriertes Atmen die aufwallende Übelkeit zu dämpfen.

Zwei warme Hände umfaßten seine zitternden eiskalten Finger, und als er die Lider wieder hob, blickte er direkt in MacGillivrays ernstes, besorgtes Gesicht, die vor ihm kniete und jetzt eindringlich sagte: "Nicht mal Sie selbst glauben das, Severus. Mit jedem Tag verlieren Sie mehr die Hoffnung, je wieder zaubern zu können."

Snape preßte die Lippen fest aufeinander und entzog seine Hände ihrer Umklammerung, obwohl ihre verläßliche Wärme sein hämmerndes Herz ein wenig beruhigt hatte.

Die Schottin schob mit einer ungeduldigen Geste ihre elegante Brille höher und strich sich eine kupferne Locke aus der Stirn.

Wenn er doch nur nicht so schrecklich mißtrauisch wäre! Wie sollte sie ihm helfen, wenn er nicht bereit war, einen winzigen Schritt auf sie zuzugehen?

"Ist ein kleines bißchen Vertrauen denn ein zu hoher Preis für einen möglichen Erfolg?" fragte sie ruhiger, als ihr zumute war.

Der Tränkemeister blieb die Antwort zunächst schuldig.
Er konnte nicht vor ihr eingestehen, daß er nichts mehr fürchtete, als nun auch noch die Kontrolle über seinen Geist zu verlieren. Und da sollte er freiwillig Yaxé zu sich nehmen, die genau dies bewirkte?
Nein! Niemals!

Andererseits war sein Schicksal als Muggel ohne Zauberkräfte besiegelt. So nichtswürdig würde er nicht weiterleben.
Und dennoch - es war auch jetzt überhaupt nicht wichtig, was er selbst wollte. Zu keinem Zeitpunkt war dies je wichtig gewesen. Seine Aufgabe bestand darin, essentielle Informationen zu liefern, bis sie vielleicht eines Tages den Dunklen Lord besiegten oder bis er enttarnt oder verraten wurde, eine Gefahr, die mit jedem Tag wuchs.

"Sind Sie mit Legilimentik vertraut?" fragte er gepreßt und ohne sie anzusehen.

"Genug, um die Wirkung beider Tränke verfolgen und gegebenenfalls eingreifen zu können", versicherte MacGillivray, die seinen inneren Kampf beinahe körperlich gespürt hatte.

"Dann beginnen Sie", sagte er kalt. "Ich werde mich nicht wehren."

MacGillivray entkorkte eine winzige blaue Phiole und reichte sie ihm.
Er vertraute sich ihr an, äußerst widerwillig zwar, aber dennoch… Eine größere Ehre hätte er ihr mit keiner Geste, keinem Wort erweisen können.

Snapes eben noch klarer, angespannter Blick verschleierte sich zusehends. Er spürte die bewußte Kontrolle über seine Gedanken immer mehr entgleiten, und Panik stieg in ihm auf, aber mit einem Mal gab es eine unsagbar beruhigende Präsenz in seinem Bewußtsein, die die Angst dämpfte, ihn tröstete und ihn ermutigte, den 'Trank der Gegenwärtigkeit' zu sich zu nehmen.

Im Rhythmus seines beschleunigten Pulsschlags strömte das Blut durch seine Adern; jeder Atemzug beförderte Millionen von Sauerstoffmolekülen bis tief in die kleinsten Alveolen. Noch nie hatte er einen dieser unwillkürlichen Vorgänge so eindringlich wahrgenommen.

Vor seinen geschlossenen Augen formten sich geordnete, farbenfrohe Muster, die nach und nach immer mehr an Regelmäßigkeit verloren und in lebendige Bilder ihm bekannter Personen übergingen.
Snape träumte.

Da gab es diese magere, stets mürrisch dreinschauende Frau, die seine Mutter gewesen war - sie wirkte gleichzeitig fremd und so schmerzlich vertraut, als wäre ihr Verhältnis immer sehr eng gewesen; dabei erinnerte er sich eigentlich nur an sie als ausgebrannt, resigniert und traurig.
Hier zeigte sie ihm einen simplen 'Reparo'; sie schien weniger angespannt, vielleicht sogar heiter, und in einer weiteren Szene saß sie an seinem Bett und las ihm vor.
Wie alt mochte er da gewesen sein, fragte sich Snape unwillkürlich - höchstens fünf oder sechs, und er hatte wirklich fest geglaubt, nie vorgelesen bekommen zu haben, daß er sogar Dumbledore damit verblüfft hatte.

Die Umgebung wechselte so unmerklich, daß er beim Klang der Musik unwillkürlich zusammenfuhr.
Ein schäbiger Tanzsaal, Tabakschwaden hingen bläulich in der überhitzten, stickigen Luft und auf der Tanzfläche reges Treiben von zumeist ungeschickt oder nachlässig gekleideten… Muggeln?

Dies konnte unmöglich seine Erinnerung sein; Severus Snape konnte guten Gewissens von sich behaupten, noch niemals in seinem Leben einen Fuß in ein solches Muggeletablissement gesetzt zu haben.

Außerdem stimmt die Zeitlinie nicht; die Damen, die mit albern aufgeregtem Gehabe Bowle ausschenkten oder sich ihre geröteten Gesichter fächelten, waren allesamt erwachsen und trugen seltsam altmodische Kleider, während er sich gerade noch als Kind gesehen hatte.

Die Hallentür flog mit einem schwungvollen Knall auf, und herein kam ein junger Mann mit pechschwarzem, gegeltem Haar, stechenden Augen und einer gebogenen Nase, die seinem markanten Gesicht etwas Verwegenes verlieh.
Er war nach Art der Arbeiter gekleidet, sauber und schnittig, und man sah der Lederjacke an, daß er eine Ewigkeit auf sie gespart hatte.
An seiner Hand, mehr Trophäe denn gleichwertige Begleitung, ein blasses Mädchen mit einer Silberspange in dunklem, seidigem Haar.

"Hey, Toby, seit wann hast du 'ne Schwester?"

Der Ruf hallte durch den Saal, und eine eiskalte Hand schloß sich um Snapes Herz.

Der junge Mann zog das Mädchen, dem die neugierigen Blicke sichtlich unangenehm waren, lachend zu sich heran.

"Das ist Eileen, du Idiot", sagte er liebenswürdig mit einer Stimme wie flüssiger Samt.

Snape hatte das Gefühl, kaum atmen zu können. Das war sein Vater gewesen? Wieso, um alles in der Welt, hatte sich Eileen Prince mit ihm an diesen Ort begeben, hatte sich herabgelassen, sich von einer Meute ungebildeter Muggel wie ein Stück Fleisch anstarren zu lassen, ganz als taxiere man ihren Wert?
Sie paßte überhaupt nicht in diesen illustren Kreis stark geschminkter, wohlproportionierter Damen, deren einziger Lebensinhalt es zu sein schien, einen Mann zu finden, der ihnen dann mindestens fünf Kinder bescherte und die jetzt hinter vorgehaltenen Händen tuschelten.

"Die sind bloß neidisch", hörte er den jungen Burschen sagen - sollte es sich demnach um Eileens Erinnerung handeln?

Sie wurde auf die Tanzfläche geführt, aber während sich ihr Begleiter - Tobias Snape, zwang sich der Tränkemeister zu denken, dein Vater - vorzüglich amüsierte, tanzte sie mehr schlecht als recht, und der Blick ihrer dunklen Augen verdüsterte sich zusehends.
Snape hatte seine Mutter noch nie enttäuscht gesehen; vielleicht, weil sie, seit er alt genug war, sich bewußt zu erinnern, keine Hoffnungen mehr gehegt hatte, die noch enttäuscht werden konnten.

Dieses Mädchen hier war jedoch bitter enttäuscht, so sehr, daß er sich wünschte, sie zu trösten, sie einmal lächeln zu sehen.

Trost und Beistand… wie sehr hätte er beides während der Zeit als Hogwartsschüler nötig gehabt, aber die einzige Anerkennung gab es von seinem Hauslehrer für hervorragende Leistungen in Zaubertränke und später dann von Lucius Malfoy für seine Fertigkeiten und seinen scharfen Verstand, der ihn neben seinem Interesse für die Dunklen Künste geradewegs in die Reihen Voldemorts getrieben hatte.

Die Bilder wechselten jetzt schneller; die Farben schaurig verzerrt; es war, als sei der Ton abgestellt worden und er verfolgte einen Muggelstummfilm.

Anfangs war er bei den Angriffen auf Muggelgeborene dabei gewesen; es hatte keinen Grund gegeben, sich nicht zu beteiligen, und die Wertschätzung des Dunklen Lords mußte mit solchen "Kleinigkeiten" untermauert werden. Erst später hatte er im Hintergrund bleiben dürfen, bis zu jenem verhängnisvollen Tag, an dem er Sybil Trelawneys Prophezeiung belauscht hatte.

Ekstatisch war er gewesen, in den Besitz einer so unschätzbar wertvollen Information gelangt zu sein, sie dem Dunklen Lord zu überbringen, war Ehrensache gewesen, und dieser hatte ihn tatsächlich über alle Maßen mit seiner Gunst geehrt.

Obgleich eine unheilvolle Vorahnung hartnäckig versucht hatte, ihm die Euphorie schal werden zu lassen, so konnte er sich doch nicht entsinnen, jemals vorher mit solcher Wertschätzung bedacht worden zu sein. Ein wundervolles Gefühl.

Um so erschütternder die Auswirkungen… Snapes Herz begann zu rasen, kalter Schweiß tränkte den schweren Stoff seines Hemdes, machte ihn frösteln und zittern, doch er war körperlos, konnte keinerlei Einfluß nehmen auf physische Vorgänge.
Unwillkürlich versuchte er, wenigstens die Gedanken zu steuern, aber es funktionierte nicht…

Da war sie wieder, diese ruhebringende, tröstende Präsenz in seinem Geist, die, ohne ein Wort zu sprechen, ihm bedeutete, er möge alles geschehen lassen, er sei sicher.
Snape entspannte sich ein wenig, bis ihn die Bitterkeit einholte, die sich in all den Jahren der Spionagetätigkeit stetig vertieft hatte.
Immer hatte er bereit zu sein für eines ihrer Treffen, unwichtig welche Seite, irrelevant, ob es ihm schlecht ging, egal wie gefährlich.

Dann der Unterricht, ein Dorn in seinem Auge, und seit Harry Potter in Hogwarts weilte, vermischten sich jedes Mal bei seinem Anblick Haß und Schuld zu einem besonders ungenießbaren Trank.

Und schlußendlich die Inhaftierung und Überstellung nach Azkaban.
In den ersten Wochen und Monaten hatte ihn der törichte Glaube, Albus Dumbledore, der ihm eine zweite Chance im Leben gegeben und dem er bis dato unumwunden vertraut hatte, würde für seine Befreiung sorgen, mit fast übermenschlicher Kraft gesegnet, so daß er den Übergriffen der Dementoren nahezu mühelos widerstand, aber mit fortschreitender Zeit, als keine Kunde kam und es keinerlei Anzeichen gab, daß es Dumbledore überhaupt interessierte, wo sich sein Spion befand (den Dunklen Lord übrigens auch nicht, aber diese Tatsache traf Snape längst nicht so hart; er wußte um die Art seines Wertes bei den Todessern), war es immer unmöglicher geworden, seinen Geist abzuschirmen.

Die gräßlichen Erinnerungen an die weitere Gefangenschaft konnte er nicht zulassen… verdrängen… unterdrücken… aber Yaxé war mächtig, und er kam nicht dagegen an.

Und dennoch gab es ein plötzliches Gegengewicht, so banal, daß es Snape bereit war abzutun als lächerliche Sentimentalität: McGonagalls 'Wir vermissen Sie' (als Spion, als Lehrer), Lupins Hilfe und Freundschaftsgesten (klassischer Fall von schlechtem Gewissen) und… Catriona MacGillivrays Art, ihn gleichzeitig zu ärgern und ihm bedingungslos beizustehen (???). Einzig bei ihr fielen ihm keine möglichen Hintergedanken ein.

Die Visionen verloren allmählich an Kraft und Farbigkeit, und rasende Kopfschmerzen und brennender Durst raten in den Fokus von Snapes bewußtem Erleben.

Eine sanfte Hand flößte ihm mit liebevoller Bestimmtheit köstlich erfrischendes Wasser ein, und ein feuchtes Tuch linderte das Brennen hinter seiner Stirn.

Mit der höchst angenehmen Erinnerung an unsagbar beruhigende, sanfte Worte und goldgrüne Augen unter kupfernem Haar versank Severus Snape in tiefem, erschöpftem Schlaf.

***
Übrigens: Zauberers Pflanze oder auch Baum der Zauberer (Latua pubiflora) hat in der Muggelwelt mit Yaxé (ein anderes Wort für Ayahuasca, eine Liane, die ebenfalls zu schamanischen Ritualen genutzt wird) nichts zutun.
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