Tortur

 

 

Zurück

 

Zurück zur
Startseite




Kapitel 27: Der Werwolftrank



Die Furcht, beim Apparieren zu versagen, erwies sich als unbegründet. Snape erreichte zielgenau eine felsige Anhöhe, deren geographische Lage er jedoch nicht einzuordnen vermochte.
Voldemort thronte wie stets leicht erhöht, eine Selbstverständlichkeit des selbstzugedachten Herrschaftsstatus, die er dennoch immer wieder wie eine Besonderheit zelebrierte.
Er nickte Snape gnädig zu und winkte ihn zu sich heran.

"Dieses Mal bist du pünktlich", stellte er amüsiert fest und schnurrte dabei fast wie eine Katze.
"Komm, ich habe Fenrir vor dir gerufen."

Mit einem lässigen Wink seines Zauberstabes gab er den Weg in eine Grotte frei, in der rußende Fackeln ein unheimliches Licht spendeten.
"Wie du siehst, habe ich einen Sinn für Dramatik entwickelt", sagte der Dunkle Lord mit leiser Selbstironie und durchbohrte den Tränkemeister mit entsetzlich roten, schlitzförmigen Pupillen.
"Du hast den Trank dabei? - Bist du zufrieden mit dem Ergebnis?"

Snape entging nicht der lauernde Unterton, aber auf diese Frage war er vorbereitet. Die Taktik lautete, so wenig wie möglich zu lügen, um nicht unnötig Kraft zu verschwenden.

"Ich denke, die Wirkdauer wird Euch ebensowenig überzeugen wie mich", sagte er entwaffnend ehrlich, den Blick kühn geradeaus gerichtet. "Ich versichere jedoch, daß dies" - er wies auf den Krug - " das bestmögliche Ergebnis unter den gegebenen Umständen darstellt."

Voldemorts Blick war nicht zu deuten. Er schwieg eine geraume Zeitlang, vielleicht, um Snape zu verunsichern. Als er schließlich sprach, begleitete ein sonderbares Zischen jedes seiner Worte.

"Hör mir gut zu, Severus", sagte er leise, "Fenrir hat sechs seiner 'Freunde'" - selbst er sprach das Wort mit despektierlicher Geringschätzigkeit aus, und Snape verspürte trotz der immanenten Bedrohung den Anflug von Erheiterung; der Spruch seines verhaßten Vaters über das Pack, das sich gegenseitig mißtraute, traf sogar in der Zaubererwelt zu - "eingeladen, heute nacht hierzusein", fuhr Voldemort fort. "Sie sitzen im hinteren Teil der Grotte bei Bier und Wein."

Snape unterdrückte willentlich ein Schaudern. Äußerlich unbewegt nickte er zustimmend und blickte demütig auf die blanken Stiefelspitzen des Dunklen Lords.

"Noch eine Viertelstunde bis Vollmond", erinnerte dieser seidig. "Geh zu ihnen; ich werde dich beobachten."

Snapes Anspannung entlud sich in den weißen Fingern, die den Hals des Kruges so fest umklammerten, als wollten sie den Ton zerbrechen.

Der Boden der Grotte war uneben und übersät mit abgenagten Knochen und anderem Unrat, der ebenso wie die Fleischreste in jener Ecke nur von einem wilden Gelage stammen konnte.
Snape setzte seine Schritte gewählt und beherrscht; wenn er sich nur genügend konzentrierte, fiel es gar nicht so schwer, Abscheu, Furcht und Ekel keinen Platz einzuräumen.
- Tatsächlich?

Die sieben Männer dort am Tisch sahen auf, als sie seiner Präsenz gewahr wurden. Ein überwältigender Geruch nach Verwesung, Schweiß und Blut ging von ihnen aus und mischte sich mit dem Alkohol zu einem Dunstteppich, der schwer in jeder Felsvertiefung hing und Snape das Atmen zur Qual werden ließ.

Fenrir Greyback schien von jeher besonders stolz darauf zu sein, auch in nichtverwandeltem Zustand größtmöglichen Ekel zu erregen; bei den Todessertreffen mied ihn Snape mit großer Leidenschaft, aber auch die anderen wirkten nicht weniger abstoßend.

Zur Rechten Greybacks saß ein bärtiger Hüne mit einer gewaltigen Narbe dort, wo einst das Auge gesessen haben mußte, neben ihm ein Schmerbauch mit brünstigen Schweinsäuglein in fettglänzendem Gesicht.
Der Vierte im Bunde, ein schmieriger Geselle mit langem, verfilztem Haar, schlürfte genüßlich Bier, während sein Nachbar ungeniert Fleischreste mit dem Messer aus seinen krummen gelben Zähnen entfernte.
Snape blickte rasch zur anderen Tischseite. Ein muskulöser Bandit kratze sich mit langen, schwarzen Fingernägeln am Ellenbogen, aber der siebte, ein mausgrauer Wicht mit blutverschmiertem Hemd, sah Snape aus stechenden Augen unverwandt an.

"Ist das der Giftmischer, von dem du uns erzählt hast, Fenrir?" höhnte er mit überraschendem Baß. "Der, der uns den Trank verabreichen soll?"

Dröhnendes Gelächter erfüllte die enge Grotte, und Snape, dem der Spott weniger ausmachte, als der Mangel an frischer, atembarer Luft, drehte sich betont langsam zu Greyback um.
Sein drohender Blick wäre allerdings nicht nötig gewesen, denn Fenrir wirkte über alle Maßen unbehaglich, fast ein wenig ängstlich.

"Schweig, Mauskopf!" bellte er in die Richtung des grauen Wichtes. "Snape ist bei unserem Meister hoch angesehen."

Aha, daher also das Unbehagen. Der Feigling fürchtete den Zorn des Dunklen Lords, wenn er ihn, Snape, nicht mit Respekt behandelte.
Offenbar war es mit der Intelligenz des Werwolfs jedoch nicht weit her; immerhin setzte er ihn seinen Freunden aus; so hoch konnte das Ansehen demnach nicht mehr sein, aber Snape war dankbar für diese kleine Ablenkung.

Greyback rülpste vernehmlich und erhob sich.
"Du weißt", wandte er sich an den Tränkemeister, "wenn wir uns verwandeln, kenne ich dich nicht mehr. Ich hoffe für dich, daß das Gesöff wirkt. - Her damit!" grollte er plötzlich und packte Snapes Arm.

Dieser erstarrte sekundenlang; er ließ sich nicht berühren, schon gar nicht von einer Kreatur wie Greyback, dessen heißer Atem schlimmer stank, als der Schmutz, der von ihrer Orgie übriggeblieben war.

"Loslassen!" zischte er und richtete den Zauberstab mit der freien Hand direkt zwischen die Augen des Werwolfs. Greyback stieß ihn von sich, als habe er sich verbrannt.

"Bist empfindlich geworden, Snape", spuckte er. "Azkaban war wohl kein Zuckerschlecken?"
Er streckte seinen Becher hin und bellte ungeduldig: "Na los, der Mond wird jeden Moment aufgehen."

"Stellt euch auf", kommandierte der Zaubertrankmeister kalt, ohne Greyback eines weiteren Blickes zu würdigen. "Zum Zeichen, daß ihr euch an das erinnert, was euch befohlen wurde, bringt mir jeder von euch ein Schaf. Verstanden? - Alles austrinken."

Ihm gelang das Kunststück, jedem mit ruhiger Hand einzuschenken, ohne einen Tropfen zu vergeuden. Die Idee mit dem Schaf war ihm gerade erst gekommen; sie erschien ihm albern, aber mit Sicherheit wirkungsvoll, wenn alles nach Plan funktionierte.
Die ersten rülpsten bereits wohlwollend, und der Schmerbauch streckte seinen Becher gar ein zweites Mal hin.

"Genug", fuhr Snape ihn an, aber der Dicke hörte ihm gar nicht mehr zu.
Sein Blick war starr geworden; wie in Trance begann er, ein Kleidungsstück nach dem anderen abzulegen.
Geschockt nahm der Tränkemeister zur Kenntnis, daß auch die anderen seinem Beispiel folgten und der Hüne bereits nackt dastand.

Noch bevor Snape Zeit hatte, sich über die plötzliche Lust an Freikörperkultur zu wundern, stieß der Schmerbauch ein kehliges Knurren aus, seine Fingernägel wurden zu Klauen, der Kopf verformte sich, und wo der Mund gewesen war, gab es jetzt eine speicheltriefende Schnauze mit spitzen, unegalen Zähnen.

Snapes flackernder Blick zuckte entsetzt zur anderen Seite; dort wuchs gerade Greybacks Fell und neben ihm - ein Paar gieriger, gelber Augen in einem ganz und gar behaarten Gesicht, nicht Mensch und auch nicht Tier; die Kreatur riß das Maul auf und stieß ein markerschütterndes Geheul aus.

Der Zaubertrankmeister wich zurück, nacktes, vollkommenes Entsetzen in den dunklen Augen. Er zitterte am ganzen Leib; kalter Schweiß tränkte unaufhörlich den schweren Stoff von Hemd und Gehrock.
Seine eisige Hand klammerte sich haltsuchend an einen Felsvorsprung, und sein Atem ging in rasselnden, unregelmäßigen Stößen.

'Nimm dich zusammen', beschwor ihn sein Gewissen eindringlich. 'Verschließ deinen Geist! Konzentration! Verschließe - dein - Bewußtsein!'

Snape riß sich gewaltsam von den gräßlichen Bildern los. Er durfte sich nicht von jämmerlicher Angst beeinträchtigen lassen, mußte sie souverän besiegen, um die Aufgabe zu erfüllen. Der Panik keinen Raum geben… Aber je verzweifelter er versuchte, seinen Geist abzuschirmen, desto durchlässiger wurden die Barrieren.

Ungezügelte, hemmungslose Furcht begann, alle anderen bewußten Wahrnehmungen zu überwuchern. Jeder der gequälten Atemzüge brannte wie Feuer in den Lungen, und ins dämmrige Halbdunkel der Höhle schwammen Erinnerungsfetzen… ein in Panik erstarrter, magerer Bursche - das Ungeheuer, das einmal Remus Lupin gewesen war und von dem er damals eigentlich nur die Augen und einige Schatten gesehen hatte - James Potter, der ihm zutiefst erschreckt und aufgeregt etwas zuschrie -
Und inmitten all des Grauens ein kupferner Haarschopf und meergrüne Augen hinter einer filigranen Brille…
Der Gedanke an Catriona MacGillivray verschaffte ihm jäh den Moment an Ablenkung, den er benötigte, um einen erneuten Versuch zu unternehmen, sein Bewußtsein komplett zu verriegeln.

Der Unterschied hätte krasser nicht sein können. An die Stelle der verheerenden Furcht trat eine merkwürdige Gleichmut, das Atmen fiel ihm leichter, und das vergessen geglaubte Gefühl einer relativen Sicherheit schob sich vor den dumpfen Widerhall aus Angst und Entsetzen.

Die Werwölfe beachteten ihn jedoch nicht; sie lauschten mit verdrehten Hälsen und stürzten jäh drängend durch den schmalen Zugang hinaus ins Freie.
Snape folgte ihnen langsam; noch immer fühlten sich die Knie butterweich an, und er war bei weitem nicht sicher, was er draußen vorfinden würde.

Voldemort saß auf seinem Thron. Er lachte grausam, als er des bleichen Zaubertränkemeisters ansichtig wurde.

"Gerissen bist du, Severus, das muß man dir lassen", sagte er anerkennend und schwenkte spielerisch den Zauberstab. "Lucius Malfoy übertrifft dich an Niedertracht, aber längst nicht an Intelligenz."

Snape verneigte sich tief, ohne seiner Genugtuung Ausdruck zu verleihen, daß sich Malfoy als "Rechte Hand" des Dunklen Lords wohl nicht recht bewährte.

"Ein wirklich einfallsreicher Schachzug, die Werwölfe fortzuschicken - ein Schaf zu reißen! Wenn dein Trank vorzeitig abklingt, werden sie da sein, wo sie dich nicht verletzen können."

Voldemort lachte abermals, und diesmal klang es heiser, wie das Zischen einer Schlange.
"Knie nieder!" befahl er unvermittelt, und als Snape augenblicklich gehorchte: "Jetzt warten wir."

xoxoxox

Die Nacht schien endlos. Snape fror erbärmlich in der frischen, kalten Luft, die Füße schliefen ihm ein; die Knie schmerzten. Dennoch wagte er nicht, sich zu rühren.
Voldemort saß, in Gedanken versunken, auf seinem Thron, aber daß der Schein trog, bekam Snape jäh zu spüren, als eine gewaltige Macht wie nebenbei an seinen geistigen Barrieren rüttelte.

Blitzschnell versuchte er, den Schutz zu verstärken, sich auf unverfängliche Bilder zu besinnen, aber mit einem Mal verschwamm die Umgebung, die Mauern bröckelten, und ihm wurde voller Entsetzen klar, daß er im Begriff war, gegen die Kraft des Dunklen Lords zu verlieren.
Momentaufnahmen seiner Kindheit brachen in rasender Geschwindigkeit über ihn herein; Demütigungen in der Schule, Eileen Prince, die irgendwann anfing, sich zögerlich gegen den Jähzorn seines nichtswürdigen Vaters zu verteidigen, unsägliche Streitgespräche zu jeder Tages- und Nachtzeit, aber auch der seltene Fall eines friedlichen Abendessens, bei dem sich Tobias Snape unbeholfen bemühte, etwas wie Interesse an der Zaubererausbildung seines verschlossenen Sohnes zu bekunden, der einsilbig und scheu antwortete, unsicher, wie viele Informationen den Muggelvater überfordern würden.
Snape riß sich rücksichtslos von den Erinnerungen los; er allein würde bestimmen, wann es Zeit war, dieser Vorfälle zu gedenken; ganz gewiß nicht der Dunkle Lord, der nur Zeitvertreib suchte, bis die Werwölfe zurückkämen.
So abrupt wie er begonnen hatte, verlor der Angreifer auch das Interesse. Snape wappnete sich bebend für einen zweiten Versuch, zutiefst verunsichert, ob er seinen mentalen Barrieren überhaupt noch vertrauen konnte, aber der Dunkle Lord beachtete ihn die folgende Stunde überhaupt nicht mehr.

Gerade, als der Tränkemeister fürchtete, nicht mehr länger in der unnatürlichen Position verharren zu können, versengte eine Flamme glühenden Schmerzes jäh sein Bewußtsein; weder hätte er die Bedrohung körperlich beschreiben, noch allein mit der Macht seiner Gedanken eliminieren können; zu deutlich die Botschaft, daß niemand etwas ungestraft vor seinem Gebieter verbarg, ganz gleich, in welch hohen Gnaden er vorher gestanden haben mochte.

Snape verstärkte die Barrieren abermals, investierte kaltblütig die gesamte, verbliebene Kraft in das Erzeugen einer harmlosen Illusion, die Voldemort versichern sollte, daß er es gar nicht nötig hatte, etwas zu verschleiern und die Drohung an ihn daher vergeudet war.
Hätte der Dunkle Lord tatsächlich von seiner Doppelrolle gewußt, so hätte er mit Sicherheit auf derlei Spiele verzichtet und sich grausam für den Verrat gerächt, vor allen anderen ein Exempel statuiert. Nein, er unterhielt sich… versuchte, ihn zu verunsichern, vielleicht gab es einen Verdacht nach Azkaban, sicher hoffte er, etwas Nützliches zu erfahren, im schlimmsten Falle, ihn, Snape, doch zu überführen…
Die Macht zog sich zurück; der lodernde Schmerz erstarb. Voldemort blickte seinen Tränkemeister seltsam an, fast ein wenig stolz und gleichzeitig bedauernd, während dieser unbeteiligt schien, die Augen demütig gesenkt, seinen Geist verzweifelt abgeschirmt, in der Kehle einen rauhen Würgereiz, der den winzigen Rest seiner freien Konzentration gefangennahm.
Einem weiteren Versuch würde er unmöglich standhalten; alle Informationen wären dann ungeschützt und der Orden in höchster Gefahr.
Aber Voldemort schien seinen Durst nach verborgenen Informationen zunächst gestillt zu haben.

Als sie Dunkelheit dem ersten trüben Licht des neuen Morgens zu weichen begann, schleppten sich abgerissene, nackte Gestalten auf die Anhöhe zu.
Jede von ihnen trug ein Schaf auf dem Rücken, dessen geronnenes Blut seltsame Spuren an ihren Körpern, einer Kriegsbemalung ähnlich, hinterlassen hatte.

Voldemort gebot Snape aufzustehen und beobachtete mit kaltblütiger Schadenfreude, wie dieser schwankte und strauchelte, bis die Blutzirkulation in den vom stundenlangen Knien malträtierten Gliedmaßen wieder einsetzte.

Die Werwölfe luden die gerissenen Schafe ab und verbeugten sich trotzig, bevor sie gemeinschaftlich zurück in die Höhle stampften.
Der scharfe Geruch nach Eingeweiden und Blut zusammen mit ihrem Schweiß verstärkte Snapes Unwohlsein.
Voldemort aber umtänzelte die Kadaver mit höchster Befriedigung in dem maskenhaften Gesicht.

"Sie haben sich erinnert und den Befehl ausgeführt", bemerkte er listig. "Damit gilt deine Aufgabe als erfüllt. Du hast bewiesen, daß du mir weiterhin treu ergeben bist. - Fenrir, mein alter Freund, was hast du erlebt?"

Der Werwolf hatte sich wieder in seinen schlechtsitzenden, schmuddeligen Anzug gezwängt und kratzte sich gerade ungeniert.
"Gar nicht übel, das Gefühl", bellte er mit rauher Kehle. "Ich wußte, was ich tun mußte, und - Mann, das Zeug macht einen brünstig!"

Snape verzog angewidert den Mund.
"Keine Müdigkeit?" quetschte er - ganz Wissenschaftler - durch die Zähne.

"Und wie", kicherte Greyback anzüglich, "danach!"

Die anderen, die inzwischen ebenfalls zurück ins Freie gekommen waren, johlten zustimmend, während Snape noch bleicher wurde.
"Dein Gebräu erspart mir neue Kleidung jeden Vollmond", krähte der Schmerbauch und schnaufte vernehmlich.
Snape hob eine verständnislose Braue.
"Wenn ich mich sonst verwandle, vergeß ich, sie auszuziehen. Klar, daß dabei nichts übrigbleibt."
Er schlug sich auf den Wanst und lachte grölend.

"Aber so", pflichtete ihm der Bandit bei, "ist man klar genug, sie vorher abzulegen."

Snape blieb reglos. Unwillkürlich schob sich das Bild Remus Lupins vor sein inneres Auge. Seit er regelmäßig den Wolfsbann bekam, sparte sicherlich auch er ungeheuer.

"Also", fuhr Voldemort dazwischen, "ihr seid entlassen. Beim nächsten Vollmond sehen wir uns wieder. - Du nicht, Severus", herrschte er den Tränkemeister an, der sich in Erwartung eben jener Reaktion überhaupt noch nicht reisefertig gemacht hatte.

"Mylord."

"Du warst stets loyal, lange Zeit sogar mein engster Berater - ich hoffe, daß du mich auch in Zukunft nicht enttäuschen wirst."

Voldemort strich so dicht an ihm vorüber, daß der spinnwebartige Stoff seiner Robe Snapes eiskalte Hände berührte.
"Du wirst den Trank natürlich weiter optimieren", sagte er gefährlich sanft. "Zum nächsten Vollmond stellst du mir einen Krug zur Verfügung."
Er wickelte, wie schon bei der letzten Audienz, eine von Snapes Haarsträhnen um den Finger, und der Untergebene ließ es auch diesmal wieder geschehen, ohne eine Miene zu verziehen.

"Selbstverständlich, Mylord", sagte er fügsam, hielt das Haupt jedoch stolz erhoben.
"Ich versichere Euch, daß ich mich niemals von Euch abgewandt habe. Ihr könnt meiner unbedingten Ergebenheit sicher sein."

Voldemort entrollte das Haar beinahe zärtlich. "Du kannst gehen", sagte er glatt. "Oh, und Severus, vergiß deinen Vater. Er war nur ein wertloser Muggel."

Snape nickte automatisch und bereitete halb betäubt die Apparition vor. Unglaublich, daß der Dunkle Lord den Angriff auf seinen Geist so offen zugab. Wollte er ihn warnen? Ihm drohen? Wovor? Sich selbst?
Er verneigte sich zum Abschied und flehte inständig, der Weg möge ihn zurück nach Hogwarts führen.

xoxoxox

Catriona MacGillivray fuhr aus quälendem Sekundenschlaf, als die Tür ging. Die ganze Nacht hatte sie vor Sorge kein Auge zugetan, erst gegen Morgen war die Müdigkeit mit solcher Macht über sie gekommen, daß sie der Natur zähneknirschend ein klägliches Recht einräumte.

"Severus - bin ich froh, dich zu sehen!" entfuhr es ihr impulsiv, nun, da sie die Gestalt erkannte. Vor Erleichterung, ihn lebend wiederzusehen, traten ihr Tränen in die Augen, die sie aber hastig am Ärmel ihrer Robe trocknete.

"Catriona." Er tat einen unsicheren Schritt - vor Schwindel konnte er kaum Konturen erkennen - und ließ sich schwer auf den nächsten Stuhl sinken. "Mir fehlt nichts."

Dichte Schleier überzogen seine schwarzen Augen; er würde die Besinnung verlieren… schon überkam ihn das vertraute, wattige Gefühl, das die nahende Ohnmacht ankündigte…

"Den Kopf auf die Knie, Severus", hörte er jemanden sagen, und warme Hände brachten ihn in die geforderte Position.
Snape würgte trocken. Er versuchte, mit zitternden Händen, ein Gefäß zu greifen, aber MacGillivray drückte ihn mit liebevoller Hartnäckigkeit zurück.
"Nicht aufrichten, den Kopf so lassen", befahl sie und führte ihm behutsam ein feuchtes Tuch an die Lippen.
"Du hast zu wenig gegessen, um dich zu übergeben", sagte sie pragmatisch, als könne allein das rationelle Wissen darum den Brechreiz abschwächen.
"Atme", fuhr sie fort und streichelte seinen Rücken, als ihn ein weiterer Krampf schüttelte. "Tief atmen, gleich ist es besser."

Von ihren Worten gelangten nur Satzfetzen in auf- und abschwellenden Schwaden an sein Ohr, aber ihre liebevolle, bestimmte Ruhe erinnerte ihn an seine Mutter, die vor vielen Jahren einmal ganz ähnlich bei ihm gesessen hatte. Damals war ein heimliches Experiment schiefgegangen; er hatte, abgelenkt durch einen Wutausbruch seines Vaters, eine essentielle Zutat für einen Zaubertrank vergessen und daraufhin im Laufe des Selbsttests beinahe einen Kreislaufkollaps erlitten.
Eileen Prince, zunächst in heller Sorge, war recht schnell ein Licht aufgegangen, woher die plötzliche Krankheit ihres Sohnes rührte.
"Pestwurz, du Dummchen", hatte sie zärtlich gesagt und ihm ebenfalls den Kopf auf die Knie gedrückt. "Die ist unabdingbar für den 'Curatio Micraniae'. Das weißt du doch eigentlich."

"Besser?" Catriona MacGillivray wollte das Tuch fortnehmen, aber Snape richtete sich halb auf, langte verzweifelt danach und umklammerte es mit bebenden Fingern. Sofort wurde ihm wieder übel.

"Du sollst dich noch nicht aufrichten", schalt Catrionas melodischer schottischer Akzent. "Kannst du nicht einmal auf mich hören? Dein Kreislauf ist völlig aus dem Lot."

Sie hütete sich, nach Einzelheiten zu fragen. Snapes schlechte Verfassung sprach Bände, dennoch schien er Erfolg gehabt zu haben.
'Andernfalls wäre er wohl kaum hier', zischelte eine Stimme in ihrem Kopf, und MacGillivray suchte in jäh aufwallender Sorge seine Nähe.

Während seiner Abwesenheit war sie halb verrückt vor Angst gewesen - Lupin hatte sie nicht finden können, um sich mit wissenschaftlicher Forschung an ihm die Zeit zu vertreiben, und so hatte sie, zur Untätigkeit verdammt, Stunde um Stunde auf seine Rückkehr gewartet.

"Ich denke, jetzt geht es", sagte Snape schließlich brüchig, und sie transformierte den Stuhl in einen Ohrensessel, damit er den Kopf anlehnen konnte.
"Tut mir leid", murmelte er beschämt. "Das war nicht vorgesehen."

Wie dumm war er gewesen zu glauben, eine solche Belastung unbeschadet überstehen zu können? Die Ausgangssituation war schon viel zu schlecht gewesen und überhaupt…

"Hör auf zu grübeln, Severus, und dich zu entschuldigen. Das paßt nicht zu dir."
MacGillivray setzte sich einfach auf seinen Schoß, schlang die Arme um ihn und legte den Kopf an seine Schulter.

"Ich bin wirklich unsagbar froh, daß dir nichts geschehen ist", gestand sie leise und ließ es zu, daß ihre Stimme belegt klang. "Das wäre sehr schwer zu ertragen gewesen."
Sie schluckte an sentimentalen Tränen.

Snape zog sie an sich, hielt sie fest und verspürte trotz der unendlichen Erschöpfung ein Gefühl, das Glück, vielleicht sogar Seligkeit sehr nahe kam.

"Ich hatte große Schwierigkeiten, meinen Geist abzuschirmen", sagte er tonlos, als Catrionas Hände liebevoll über seine Schultern glitten. "Der Gedanke an dich hat… mich nicht geschwächt", flüsterte er kaum hörbar. "Das Gegenteil war der Fall. Das hatte ich nicht erwartet."

"Daß ich das erleben darf!" rief MacGillivray theatralisch. "Severus Snape gibt zu, sich geirrt zu haben."
Es hatte lustig klingen sollen, aber unvernünftige Tränen würgten sie erneut in der Kehle, und er streichelte zum Trost ein wenig unbeholfen ihre Wangen.

"Dir zu begegnen, hat sich gelohnt", sagte er in seiner unvergleichlichen Art, und da lachte MacGillivray schon wieder.
"Du wärst nicht du, wenn du jetzt etwas anderes gesagt hättest", erklärte sie freimütig auf seinen verwirrten Blick hin und sprang leichtfüßig auf.

"Kannst du aufstehen?"

Snape verzog das blasse Gesicht sichtlich empört.
"Natürlich", zischte er indigniert, war aber insgeheim von Herzen froh, daß sie ihm wortlos den Arm bot.

"Ich brauche ein Bad", protestierte er matt, als sie ihn in sein Quartier führte und mit rascher Hand sein Bett aufdeckte.

"Das kannst du nehmen, wenn man nicht mehr fürchten muß, daß du jeden Moment zusammenbrichst", informierte ihn MacGillivray mit schonungsloser Direktheit, warf ungefragt einen Reinigungszauber über ihn und half ihm, sich niederzulegen.
Snape hatte sich vorgenommen, ihr zumindest zu danken, aber der Schlaf übermannte ihn, kaum daß sein Haupt das Kissen berührt hatte.

MacGillivray strich ihm zärtlich eine wirre dunkle Strähne aus der Stirn und legte sich, vorsichtig darauf bedacht, ihn nicht anzustoßen, dicht neben ihn.


 

Kapitel 26

Kapitel 27

   

Review

Zurück