Tortur

 

 

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Kapitel 34: Das Ordenstreffen



"Oh… haach, Professor Snape, auf Sie haben wir gewartet! - Sie sehen aber schlecht aus. Heute müssen Sie mit uns essen. Kommen Sie, es sind schon alle da. - Nanu?"

Das charakteristische Donnern im Kamin, das einen Besucher über das Flohnetzwerk ankündigte, unterbrach zu Snapes Freude Molly Weasleys ungezügelten Redeschwall.
Ihre Augen wurden groß, als der Neuankömmling belustigt Asche aus dem kupfernen Haar schüttelte, sich die lange, dunkelgrüne Robe glattstrich und mit einer winzigen Handbewegung eine filigrane Brille aufsetzte, die dem feingeschnittenen Gesicht einen aristokratischen Zug verlieh.

"Ich schätze es gar nicht, wenn sie Schaden nimmt", lächelte die junge Frau in mildem Spott.

"Molly Weasley - Catriona MacGillivray", stellte der Tränkemeister trocken vor und mied die Blicke beider Frauen.

"Sehr erfreut", sagte Mrs. Weasley hastig, die sich nun an Dumbledores Berichte über die Dschungelassistentin des mißlaunigen Tränkemeisters erinnerte. "Der Direktor hält große Stücke auf Sie. Wie gut, daß Sie uns kennenlernen möchten. Jede Hilfe ist willkommen."

MacGillivray lächelte ein kühles, reserviertes Lächeln und entzog ihre Hand dem wohlwollenden Griff der Älteren. Ihr gefiel es nicht sonderlich, in einen Kreis zu treten, in dem jeder von ihr wußte, sie jedoch bestenfalls einige Namen kannte.

Severus Snape starrte unentwegt auf die geschlossene Tür des Sitzungsraumes, in dem sicher alle versammelt waren und vor dessen Betreten es kein Entrinnen gab. Catrionas Herz krampfte sich vor Mitgefühl zusammen, als sich auf seinem blassen Gesicht für den Hauch eines Augenblicks bittere Abscheu widerspiegelte; Mrs. Weasley hatte soeben - die Geschäftigkeit in Person - zur Eile gemahnt.
Er vergrub die eisigen Hände schützend in den Falten seiner überlangen Robe, und erst als ihn MacGillivray ganz leicht zum Zeichen der Zuversicht und ihres Beistandes am Arm berührte, fand er die Kraft, die typische, unbeteiligte Miene aufzusetzen, die man von ihm kannte.

Die Tür wurde geöffnet, und aller Augen richteten sich auf die Neuankömmlinge. Es waren junge und alte, graue, blaue und braune Augenpaare, weibliche mit eleganten Brauen und langen Wimpern, andere farblos oder mit buschigen Urwäldern, die sie neugierig musterten, und inmitten des Geklappers, mit dem Molly Weasley Getränke auftischte, vernahm Catriona eine unwillige Stimme: "Er kommt absichtlich nie pünktlich. Was soll das sein - der Ausdruck seiner Verachtung für uns?"

Sie gehörte einem älteren, schmallippigen Mann, der unter MacGillivrays herausforderndem Jadeblick plötzlich die Lider senkte.

Mit Ausnahme des Schuldirektors und Remus Lupins sah jeder der heute Anwesenden den Tränkemeister zum ersten Mal nach der Gefangenschaft, aber niemand zeigte auch nur die Spur von Interesse oder wenigstens ein Fünkchen höflicher Beachtung.
Seine schlechte Verfassung schien dagegen durchaus aufzufallen; Catriona fing vereinzelte, wenig schmeichelhafte Satzfetzen aus dem Getuschel auf.

"Herzlich willkommen", erklang Dumbledores heiterer Bariton vom Haupte der Runde.
"Ich möchte euch allen Catriona MacGillivray vorstellen, die sich freundlicherweise bereiterklärt hat, der Flamelstiftung" - (Bei der Erwähnung des Wortes zuckte sie unwillkürlich zusammen und unterdrückte einen unwillkommenen Schauder.) - "für eine Weile den Rücken zu kehren, um Severus bei der Entwicklung des Trankes behilflich zu sein, den Voldemort von ihm zum Beweis seiner uneingeschränkten Loyalität forderte."

Verhaltenes Gemurmel, und eine grollende Stimme bemerkte recht laut: "Das Pack mißtraut sich untereinander."

Snape bedachte den Redner, einen untersetzen Mann mit entstellten Gesichtszügen und einem beunruhigend blauen Glasauge, das nun wild rotierte und nach allen Seiten zu schielen schien, mit einem eisigen, verächtlichen Blick. Bevor er jedoch zu einer giftgetränkten Erwiderung ansetzen konnte, fuhr Dumbledore liebenswürdig fort: "Inzwischen möchten wir sie nicht mehr missen, und es erschien mir eine gute Idee, sie hierher einzuladen."

Daß er den Einwurf ignorierte, erzürnte MacGillivray; wie sollte eine vernünftige, von Vertrauen und gegenseitigem Respekt geprägte Zusammenarbeit stattfinden, wenn es gestattet war, kommentarlos Beleidigungen auszusprechen?
Ihr lodernder Blick traf Lupins sanfte Augen, der ihr mit einem wehmütigen Lächeln bedeutete, dies sei einer der Fälle, über die er mit ihr gesprochen hatte, und sie täte besser daran, zunächst geduldig abzuwarten und zu beobachten.

Daß sie mit einem unterkühlten "Hocherfreut, Ihr Vertrauen ehrt mich, Direktor" auf dem freien Stuhl links neben ihm Platz nahm, schien die anderen zu verblüffen; offenbar hatten sie sich nach Dumbledores Beschreibungen ein anderes Bild von ihr gemacht. Aber wie konnte man jemanden einschätzen, der aus freien Stücken mit dem Inbegriff der Übellaunigkeit zusammenarbeitete, noch dazu Tag für Tag auf engstem Raum?
Catriona spürte neben deutlicher Befremdung und einhelligem Unverständnis auch etwas wie vages Bedauern für ihr vermeintliches Opfer.

Severus Snape hatte sich ganz am äußersten Rand des Tisches niedergelassen und die schmerzlich dünnen Arme als Inbegriff der Abwehr vor der Brust verschränkt. Er sah niemanden im Bestimmten an, aber sein blasses Gesicht trug allzu deutlich den Zug vollkommenen Desinteresses, und Catriona fragte sich, ob dies die Folge der Beleidigung war oder ob hier das unpassende Benehmen der einen Partei die Reaktion der anderen bedingte und umgekehrt. Aber halt - wie bizarr, von zwei Seiten zu reden, Severus Snape spionierte für sie alle, und das Gegenlager stellten Voldemort und sein Gefolge der Todesser.

Lupin lachte leise. Zu seiner Rechten flüsterte eine ebenfalls amüsierte, bunthaarige junge Frau mit ihm, die sofort die Heimlichkeit unterbrach, als sie MacGillivrays Blick spürte und ihr eine beherzte Hand entgegenstreckte.

"Tonks", stellte sie sich ohne Umschweife vor, und Catriona erkannte in dem festen, zuversichtlichen Händedruck einen starken Charakter, den die äußere, beinahe nachlässige Erscheinung leicht zu trügen vermochte.

"Sehr erfreut", erwiderte die Schottin mit klingendem Akzent. "Aurorin?"

Tonks' überraschtes Nicken, in das sich ein Quentchen Stolz mischte, wirkte sympathisch und ungekünstelt und nahm Catriona sogleich für sie ein.

"Normalerweise vermutet das niemand von mir", sagte die Bunthaarige mit einem scheuen Grinsen.

MacGillivray lächelte fein und neigte den Kopf wenige Millimeter, so daß ihre vormals jadegrünen Augen einen Malachitton hinter den Brillengläsern annahmen.
"Äußerlichkeiten…", sagte sie weise und notierte ein mentales Eigenlob für gute Menschenkenntnis.

Ungeachtet dessen vermochten ihre Gedanken nicht von dem "Empfang" zu lassen, den man Snape bereitet hatte.
Albus Dumbledore bat ihn gerade in einem Tonfall, der in seiner sanften Höflichkeit nichts von seiner Befehlsqualität verlor, um einen vollständigen Bericht. Unnötige Pein, durchzuckte es Catriona; sie war sicher, die Anwesenden wußten Bescheid über Snapes Gefangenschaft, und wenn sie auch nicht alle Details kannten, so hatte Dumbledore selbst sie allemal über Voldemorts Aufgabe und Snapes Rolle darin unterrichtet.

Es schmerzte sie unsagbar, wie sich mit einem Male das Interesse mit einer voyeuristischen Neugier auf den Spion konzentrierte, der sich keine Mühe gab, die Verachtung zu verbergen, die er für jeden einzelnen der Anwesenden hegte.
Er warf höhnische, geringschätzige Blicke in die Runde und sprach so leise, daß niemand tuscheln konnte, ohne den Faden zu verlieren.

"Derzeit arbeite ich an einer weiteren Vervollkommnung des Werwolftrankes", schloß er provokativ und sah jenem Mann direkt in das entstellte Gesicht, der ihn vorhin als "Pack" beschimpft hatte.

Unter allgemeinem Raunen stellte dieser sein Glas mit einem Knall auf den Tisch, so daß Butterbier herausspritzte und grollte: "Wie gut, Snape, daß Sie alles für Ihren Herrn und Meister tun, aber wie sieht's mit uns aus? Ich persönlich kann nicht glauben, daß eine Horde verwandelter Werwölfe, die noch dazu Voldemorts Befehlen folgt, für den Orden von Vorteil sein soll."

Einige der in deutlicher Überzahl vertretenen Männer nickten beifällig; zwei scharrten gar zustimmend mit den Füßen.
Snape blieb unbeteiligt; er ließ sich nicht einmal herab, die Schultern zu zucken. Unter gelangweilt halbgeschlossenen Lidern blickte er von einem zum anderen und hüllte sich in ein arrogantes Schweigen, als sei es soviel Kleingeistigkeit nicht wert, überhaupt beachtet zu werden.

Müßig, ihnen erklären zu wollen, daß ihm zum jetzigen Zeitpunkt keine andere Wahl blieb, wollte er sich nicht in höchste Gefahr begeben und alle Vorarbeit zunichte machen.
Lupin sprang für ihn in die Bresche, versuchte vergeblich, Überzeugungsarbeit für etwas logisches Denken zu leisten. Wozu die Mühe - sie vertrauten ihm nicht vollständig, darin lag das Grundproblem.
Perlen vor die Säue, überlegte der Tränkemeister abwesend und grübelte über die Herkunft der Redewendung, die ihren Ursprung gewiß nicht in der Zaubererwelt hatte. Sollte er sie etwa von seinem Vater angenommen haben?

Er blinzelte irritiert, um seine vagabundierenden Gedanken auf das Gespräch zurückzuzwingen. Tonks diskutierte gerade mit Molly Weasley, während Arthur, ihr Ehemann, auf Alastor Moody, den rauhbeinigen Exauror und die Quelle ständigen Zwistes mit ihm, Snape, einredete.
Catriona MacGillivray lauschte beiden Gesprächen mit seltsam verkniffenen Lippen, und einzig Snape erkannte, daß es hinter der kühlen Fassade brodelte und kochte.

Eine Abhandlung organisatorischer Formalitäten, von Dumbledore diplomatisch initiiert, um die Wogen einstweilen zu glätten, ließ ihn erneut den Faden verlieren, da sie für ihn keinerlei Bedeutung hatte.

"Verdammt nochmal!" Moody hieb jäh ungestüm auf den Tisch und donnerte, an ihn gewandt: "Schön, schön, nehmen wir nur mal an, Sie hätten wirklich keine andere Wahl, wie uns Lupin und Dumbledore zu Ihrer Verteidigung hier versuchen, weiszumachen. Was für neue Informationen bringen Sie dann zu unseren Gunsten? Monatelang gar nichts, da müßten Sie jetzt ja förmlich überquellen vor Neuigkeiten."

Interessant. Man kehrte wieder zum zweifellos spannenderen Thema des unkooperativen Spions zurück.

Lupin dort drüben seufzte unterdrückt, und Tonks schüttelte den Kopf; wieso nur mußte Moody immer provozieren?

Catriona setzte sich kerzengerade in ihrem Stuhl auf; sie blieb äußerlich unbeeindruckt, aber in ihren Augen blitzten zornige Lichter.

Severus Snape richtete den Blick seiner nachtschwarzen Augen langsam auf den Herausforderer. Ein höchst unwillkommenes Schwindelgefühl ließ die Bewegung aufreizend lethargisch und strotzend vor Desinteresse erscheinen, so daß sich Moody erst recht erregte.

"Ich dachte, die Tatsache, daß Voldemort die Werwölfe um Greyback in seine Dienste stellen will, ist Neuigkeit genug", sagte der Zaubertrankmeister mit spotttriefender Genugtuung. "Sie diskutieren ja immer noch darüber. Mehr kann ich leider nicht anbieten. Bitte vielmals um Vergebung."

Mrs. Weasley unterdrückte ein Kichern, und auch Catriona schien hin und hergerissen zwischen amüsierter Bewunderung für seine Eloquenz und zorniger Wut über Moodys Verhalten.

Snape lächelte ein minimales, sarkastisches Lächeln. Wenn er nicht weiter streiten mußte, sollte das Gefühl zittriger Übelkeit kein Problem darstellen, das in seiner Kehle kitzelte. Er hatte sich zu sehr an Kreislaufstörungen gewöhnt, um sich von solchen Lappalien erschrecken zu lassen.

"Das ist nicht Ihr Ernst, Snape!" rief Moody in einer Lautstärke, die dem Thema in keinem Fall angemessen war. "Was sind die nächsten Aktionen? Wann? Wo finden sie statt? Gibt es neue Gesichter in den Todesserreihen? Sie wissen das doch alles, raus damit, Mann!"

"Alastor", rügte Dumbledore sanft, aber mit einer Bestimmtheit, die keinen Widerspruch duldete. "Laß es gut sein. - Ich möchte vielmehr eure Berichte hören, welche Fortschritte es auf dem Gebiet der Überzeugungsarbeit zu vermelden gibt. Arthur, was hört man im Ministerium derzeit?"

Während Mr. Weasley, der in der Abteilung für den Mißbrauch von Muggelobjekten einen kleinen Posten bekleidete, eifrig, jedoch nicht ohne den Anflug von Resignation die aktuellen Meinung kundtat, verspann sich Snapes Konzentration aufs Neue, und der Wunsch, den Raum zu verlassen… frische Luft zu atmen, trat mit nervenaufreibender Vehemenz in den Fokus seines bewußten Denkens. Kopfschmerzen begannen ihr hämmerndes Lied hinter seinen Schläfen.

Gedämpfte Heiterkeit… seit wann war Arthur Weasley ein Unterhaltungskünstler? - Wenn sie nicht bald zum Ende kamen, würde aus der Übelkeit Brechreiz werden.

"Jaaa", sagte da Moodys Stimme langgezogen und klang dabei wie fernes, rauhes Donnergrollen, "hören Sie nur gut zu, Snape, damit Sie Ihrem Herrn und Meister berichten können."

Der Tränkemeister warf ihm einen sonderbaren Blick zu, erhob sich, einzig für Catriona sichtbar unsicher und verließ schnurstracks und vollkommen wortlos den Raum.

So etwas war noch niemals vorgekommen, es verfehlte jedoch nicht die Wirkung; Moody brüllte wutschnaubend: "Das glaube ich nicht, bleiben Sie hier, zum Teufel!" und sprang leichtfüßig auf für jemanden mit einem Holzbein. Er schien nicht übel Lust zu haben, ihm nachzulaufen und ihn am Schlafittchen wie ein ungezogenes Kind zurückzuschleifen, aber noch vor Dumbledore und Lupin griff Catriona MacGillivray ein.

Sie schnellte unter allgemein überraschtem Gemurmel aus ihrem Sitz, trat direkt vor den Zornigen, und aus ihren Augen sprühten Funken enragierter Wut.

"Mr. Moody", zischte sie in eisiger, ungezähmter Rage, "das genügt, würde ich meinen. Lassen - Sie - ihn - gehen."
Er starrte sie verblüfft an, überrannt von ihrer Courage, verständnislos, daß ausgerechnet sie, eine Fremde, sich für den Spion einsetzte.
"Es entsetzt mich, daß Sie einen solchen Umgangston miteinander pflegen", fuhr MacGillivray fort, bleich vor Wut, "Sie stehen auf derselben Seite! Aber noch mehr entsetzt mich, daß Sie Professor Snape bei seinem ersten Erscheinen nach entbehrungsreicher Gefangenschaft, die ihn fast umgebracht hätte und harter, schwieriger Spionagetätigkeit für unsere Sache, noch immer unterstellen, er würde uns alle betrügen und dieses Schauspiel auch noch mir, einem Gast, zumuten. Wenn Sie mich entschuldigen wollen…!"

Sie rauschte davon und vernahm nur noch von ferne das anschwellende Stimmengewirr, das ihrem Abgang folgte.

xoxoxox

Severus Snape lehnte bleich und elend an einem geöffneten französischen Fenster; keine Sekunde länger hätte er es in dem Raum mit all den Leuten und der stickigen Luft ausgehalten. Welch günstiger Zeitpunkt, schoß es ihm durch den Kopf, jetzt glaubten mit Sicherheit alle, er sei aus Geringschätzigkeit für Moody gegangen. Um so besser.
Selbst in der kalten Herbstluft, schwer vom Geruch herannahenden Schnees, ließ das Unwohlsein nicht nach.

"Severus."

MacGillivray trat besorgt neben ihn, faßte seine eiskalte, zitternde Hand. Er reagierte wie in Zeitlupe, vermutlich eine der Kreislaufstörungen, die seinem niedrigen Gewicht geschuldet waren, aber als sie Anstalten machte, das Fenster gegen die schneidende Kälte zu schließen, flüsterte er brüchig: "Nicht!" und holte schwer Atem.

Mit einem winzigen Seufzen förderte Catriona eine dunkelblaue Phiole zutage - Ephedraelixier, unschlagbar bei Schwächezuständen. Snape machte eine abwehrende Bewegung; eingedenk seines unberechenbar wehleidigen Körpers hatte er selbst ein Fläschchen mitgeführt und längst zu sich genommen; allein, die erwünschte Wirkung war ausgeblieben. MacGillivray, die ihn ohne Worte verstand, lächelte besorgt. Das kam dabei heraus, wenn zwei Tränkekundige ein Paar bildeten. Zwei Seelen, ein Gedanke.

Die Tür zum Sitzungssaal wurde geöffnet; die ersten Menschen strömten hinaus. Eilig trat die Schottin vor, um Snape vor neugierigen Blicken abzuschirmen.
Molly Weasley drängte sich zu ihr. "Ist alles in Ordnung mit ihm?" erkundigte sie sich noch immer zu laut für Catrionas Geschmack und versuchte, einen Blick auf den Tränkemeister zu erhaschen. "Er muß doch frieren dort am Fenster."

"Alles bestens", log MacGillivray, aber als Mrs. Weasley mit wohlmeinender Geschäftigkeit darauf bestand, er möge sich zu den anderen gesellen, das Essen würde gleich aufgetragen, hakte sie die Jüngere vertraulich unter und fragte in gedämpftem Ton und mit Verschwörerblick: "Gibt es Tamaracktee in diesem Haus? Er wirkt Wunder bei Schwindel und Übelkeit."

"Oh", machte Molly, der endlich ein Licht aufging. "Ich gehe nachsehen", bot sie eilfertig an, Catriona nickte zufrieden.

"Verbindlichsten Dank."

Kaum war sie fort, näherte sich Remus Lupin, die junge Aurorin Tonks im Schlepptau, die ihn recht sympathisch zu finden schien. Er wirkte ehrlich besorgt.
"Tut mir leid, Catriona", sagte er bekümmert, "Moody ist kein schlechter Kerl, nur ziemlich voreingenommen. Ich hatte dich vorgewarnt, aber natürlich entschuldigt das nichts.
Ich wäre an Severus' Stelle auch gegangen. Wo steckt er denn? Ich wollte euch beide trotzdem zum Essen mit uns einladen."

MacGillivray deutete mit vielsagendem Blick zu der mageren Gestalt am Fenster, die sich in ihrer schwarzen Kleidung bizarr von den Brokatvorhängen abhob.

"Stimmt was nicht mit ihm?" schaltete sich Tonks ein. "Er sah wirklich schlecht aus vorhin."

"Azkaban ist eben kein Zuckerschlecken und richtig so", grummelte Alastor Moody im Vorbeigehen, blieb jedoch abrupt stehen, als spürte er MacGillivrays vernichtenden Blick im Rücken.

"Sie hatten Recht, Mädchen", sagte er in gutmütiger Verdrießlichkeit (Catrionas Augen verengten sich ob der respektlosen Bezeichnung; glaubte er, die Mißachtung ihres Namens würde dazu beitragen, sie auszusöhnen?), "ich hätte mich etwas zurückhalten können. Aber", fuhr er rauh fort, "Sie kennen offenbar die Vorgeschichte nicht. Ich habe allen Grund, mißtrauisch zu sein. - "Kommen Sie essen", sagte er plötzlich und wandte sich ab. "Ist hier immer gut und reichhaltig."

Das Clonk, clonk seines künstlichen Beines auf dem Boden entfernte sich, und MacGillivray starrte ihm fassungslos nach.

"Ihn müssen Sie nehmen, wie er ist", sagte Tonks weise, doch die Schottin kräuselte in äußerstem Mißfallen die Brauen und erwiderte frostig: "Muß ich das?" Sie drehte sich weg, gerade rechtzeitig, um Mrs. Weasley mit einem dampfenden Teepott durch die Tür kommen zu sehen.

"Ich habe leider nur Pfefferminze gefunden." Sie hielt der Jüngeren die Tasse unter die Nase, die sich gewohnheitsmäßig prüfend einige Schwaden zufächelte.

Lupin und Tonks grinsten nachsichtig. Für Tränkemeister war das Laboratorium eben überall.

"Besser als gar nichts", murmelte MacGillivray ernüchtert, obgleich sie, wenn sie ehrlich zu sich selbst war, nicht erwartet hatte, diese seltene Droge in einem Behelfshaushalt vorzufinden.

"Severus", sagte sie leise und berührte ihn liebevoll am Arm. "Setz dich am besten und trink. Pfefferminzaufguß."

Snape sog tief die frische, kalte Nachtluft ein. "Tamarack wäre besser", sagte er trocken und hatte keine Vorstellung, wie er das eine oder das andere bei sich behalten sollte. Ohne den starren Blick vom Fenster abzuwenden, fingerte er in seiner Robe und umschloß ein Döschen mit grünlichbraunem Pulver.

"Wenn man nicht alles selbst mitführt…", bemerkte er säuerlich, aber seine Stimme klang dünn und zittrig.

"Du bist unverbesserlich", schalt Catriona liebevoll. Erleichtert löste sie das Pulver in der heißen Flüssigkeit. Die Kombination aus Minze und dem harzigen, aromatischen Tamarack roch würzig, aber nicht unerträglich. Ein rascher Schluck, um böse Überraschungen auszuschließen - durchaus erträglich.

Snape umklammerte das heiße Gefäß mit froststarren, bebenden Händen, aber sein Geist war nicht in der Lage zu entscheiden, was damit zu tun sei.
Inzwischen zitterte er vor Kälte, winzige Schauder, durch verzweifelte Willenskraft wieder und wieder kaum unterdrückt, so daß Catriona das Fenster energisch schloß und ihm half, sich zu setzen.

Als veränderte die erholsamere Position seine Wahrnehmung, führte er die Tasse unsicher an die farblosen Lippen, nippte mit antizipatorisch verzerrtem Gesicht und wandte elend den Kopf ab, in seinen Befürchtungen bestätigt.

"Grauenvoll ist das", beschwerte er sich anklagend. "Tamarack alleine ist schon unerfreulich, aber mit Mentha… ein Unding."

"Trink", sagte MacGillivray geduldig. "Kleine Schlucke."

Die Tatsache, daß er schon wieder streiten konnte, bewies unverkennbar die prompte Wirksamkeit, so daß es ihr ein Leichtes schien, seine grantigen Klagen zu ignorieren.

Nach dem vierten Nippen kehrte ein Hauch von Farbe in sein aschfahles Gesicht zurück, der Schwindel wich einer wattigen Müdigkeit, und sogar der Brechreiz streifte die Kinderschuhe wieder über, so daß einzig eine vage Übelkeit blieb.

"Wir sind zum Essen eingeladen", bemerkte Catriona mit zärtlichem Spott. "Traust du dir das zu?"

Den nachtdunklen Blick auf sie zu richten, erwies sich als leicht, sie in der perfekten Symbiose von Entrüstung, Rüge und Unverständnis zu fixieren dagegen als so fordernd, daß er ermattet aufgab und sich mit einem dolchscharfen "Ich esse niemals hier" von ihr abwandte.

"Miß MacGillivray", Molly Weasley winkte von der Tür her und sagte gedämpft, als die Schottin zu ihr trat: "Ich habe ihm etwas Brühe gemacht. Wenn er die versucht… Aber Sie sollten wirklich kommen, sonst bleibt nichts übrig."

Catriona nickte dankbar. Mrs. Weasley ahnte nichts von ihrer Verbindung, und Snape würde es alles andere als gutheißen, wenn man in ihre Fürsorge mehr hineininterpretierte, als kollegiale Hilfeleistung.

"Ich bin bald zurück", versprach sie leise, bevor sie der Älteren folgte, die aus den Augenwinkeln vermeinte gesehen zu haben, wie sich die Hände der beiden Tränkemeister für Sekundenbruchteile innig berührten.

xoxoxox

Bei Tisch ging es ungewohnt heiter zu; ein Mann namens Stevenson, der, der vorhin Snapes vermeintliches Dauerzuspätkommen moniert hatte, gab komische Anekdoten aus dem Ministerium zum Besten, und Arthur Weasleys knochentrockene Kommentare zauberten sogar auf MacGillivrays ernstes Gesicht ein belustigtes Schmunzeln.

"Wir sind wirklich unhöflich", warf sich Tonks in die Brust, als die Dummheit diverser Ministerialbeamter nichts mehr hergab. "Da schwatzen wir über solchen Käse, wenn uns Miß MacGillivray doch von ihrer Arbeit erzählen könnte. Wie sind Sie eigentlich zur Flamelstiftung gekommen?"

"Ich hatte schon immer etwas übrig für Zaubertränke", lächelte MacGillivray fein und übersah geflissentlich die neugierigen Blicke, die ihr mehrere Augenpaare zuwarfen, "besonders für die experimentellen, und da boten sich die Forschungsvorhaben der Stiftung geradezu an."

"Spricht man in Brasilien über Voldemort?" erkundigte sich eine Stimme, die es besser vermieden hätte, zur selben Zeit zu kauen und zu reden. Sie gehörte einem kleinen, dicken Zauberer mit gewaltiger Hornbrille und einem nach allen Regeln der Kunst gezwirbeltem Schnurrbart, und Catriona konnte sich der Frage nicht erwehren, weshalb Frauen in dieser illustren Runde so schmerzlich unterrepräsentiert waren.

"Verallgemeinerungen sind schwierig", erwiderte sie ehrlich. "Im Regenwald haben wir meist ganz andere Sorgen, die direkt unsere Arbeit betreffen, aber natürlich übersendet die Stiftung Informationen an ihre Mitarbeiter, was im Heimatland vor sich geht. - Warum fragen Sie?"

Der Angeredete hob die Schultern, spießte ein paar Möhren mit der Gabel auf und bemerkte: "Dachte ich mir. Ich überlege nur, wie man dann auf die Idee kommt, sich dem Orden anschließen zu wollen."

MacGillivrays Blick glitt zu Tonks, die in halb gespielter, halb ehrlicher Verzweiflung den Kopf in den Händen vergrub und sich vermutlich vornahm, nie wieder freundlich zu sein, wenn ihre Versuche doch nur in Fettnäpfchen endeten.
Ihre schuldlose Bestürzung wirkte auf die Schottin derart erfrischend, daß sie liebenswürdig wie selten entgegnete: "Mein Wunsch, die Arbeit des Ordens kennenzulernen, rührt von Professor Snapes beispiellosem Einsatz."

Dem Dicken klappte der Mund, auf und Tonks' Kopf schoß verblüfft in die Höhe. Remus Lupin aber schenkte ihr ein stolzes Lächeln, das ihm ausgezeichnet stand, während die anderen betreten-zornige Blicke tauschten und jemand dicht neben Molly Weasley etwas von verqueren Vorlieben murmelte.

"Sagen Sie und doch lieber mal, ob man wirklich nichts gegen die gute Wirksamkeit dieses Werwolftrankes unternehmen kann", ließ sich Alastor Moody vernehmen, den Snapes Abfuhr noch immer zu wurmen schien.

Lupin verdrehte die Augen, und Albus Dumbledore, der bisher in ein Gespräch vertieft gewesen war, horchte prüfend auf.

Catriona nahm sich Zeit, Moody so eindringlich mit schillernden Eidechsenaugen zu sezieren, daß dieser widerstrebend sekundenlang wegsah, gleichsam, um sich für ihre Antwort zu wappnen.
Als sie schließlich sprach, war es mit einer klirrenden, akzentuierten Kälte in der Stimme, die die Anwesenden unangenehm an den Tränkemeister erinnerte. Nur fehlte bei ihr die hohntriefende, verletzende Bitterkeit, die absolut keinen Widerspruch duldete und jeglicher Einwände spottete.

"Sie sind ja wie ein trotziges Kind, Moody, das alles auf einmal haben will", sagte sie freundlich und genoß die Wirkung, die ihre sarkastische Verwunderung auf ihn ausübte. "Erst lamentieren Sie, daß der Spion nicht zur Verfügung steht, und nun nörgeln Sie an unserem Kunstwerk herum, dessen Qualität erstens Ehrensache und zweitens essentiell für Professor Snapes Rückkehr in den Spionagedienst war. - Investieren Sie soviel Energie, wie Sie benötigen, um all die Feuer des Mißtrauens zu schüren, eigentlich auch in Ihre Ordenstätigkeit?"

Das hatte gesessen. Moody verstummte, rot vor ungezähmter Wut und zischte nur: "Wischen Sie sich die Augen, Mädchen und hören Sie auf, ihn zu verteidigen. Er dient nur sich selbst. Sie wissen nichts, gar nichts."

MacGillivray, die sich bereits eine Entgegnung zurechtgelegt hatte für den Fall, daß er sie mit einer kaum dienlichen, aber ungeachtet dessen in solchen Diskussionen immer wieder populären Bemerkung über ihr persönliches Verhältnis zu Severus Snape bloßzustellen versuchte, hob zweifelnd die Brauen und schüttelte fassungslos den Kopf.
Dann allerdings wandte sie sich dem Schuldirektor zu, der sie diplomatisch in ein Gespräch zu verwickeln begann, während Remus Lupin dasselbe mit Alastor Moody tat, so daß die beiden Kontrahenten einander einstweilen vergaßen.


Kleine Pflanzenkunde: Tamarack (Larix laricina) ist ein durchschnittlich achtzehn Meter hoch werdender Baum, der im Süden der USA heimisch ist. Auch Muggelpharmazeuten kennen die vielseitige Anwendung von Rinde, Nadeln, Knospen und Harz, die neben Befindlichkeitsstörungen auch Husten, Magenverstimmung und Wundinfektionen einschließt.
Ephedra oder Meerträubel (Ephedra sinica) geriet hierzulande in Verruf, weil uneinsichtige Muggel das stark kreislaufanregende (und hungerdämpfende) Kraut zur Gewichtsreduktion und als Stimulans mißbrauchten. In der Traditionellen Chinesischen Medizin hat Ephedra weiterhin große Bedeutung.


 

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