Tortur

 

 

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Kapitel 35: Dilemma



"So ein Affe!" machte MacGillivray ihrem Unmut aus vollem Herzen Luft, als sie später neben dem Meister der Zaubertränke lag und den recht desaströsen Abend Revue passieren ließ.
Snapes Lippen verzogen sich belustigt - für gewöhnlich war Catriona erfinderischer, was ihre Schimpfwörter betraf, aber zu lachen wagte er nicht.
Er war heilfroh, ohne größeres Aufsehen und unter Wahrung seiner Würde aus der Klemme entkommen zu sein. Ein zittriges "Evanesco" hatte Molly Weasley suggeriert, nicht ein Tropfen ihrer zugegebenermaßen recht schmackhaften Brühe wäre übriggeblieben, und als man zum Aufbruch rüstete, waren Tonks, Lupin und MacGillivray selbst so freundlich gewesen, ihn zu decken, so daß niemand sonst seine Unpäßlichkeit bemerkte.

Catriona hatte ihn mit einem Stärkungselixier versorgt und ihn ein Schüsselchen Porridge essen lassen (Seine überdeutliche Entrüstung war verschwendet gewesen; sie duldete keinen Widerspruch, und tatsächlich breitete sich etwas wie angenehme Wärme in ihm aus, als er den Löffel beiseite legte. Nicht, daß er sich das jemals eingestanden hätte, aber immerhin.) und räsonierte nun über Alastor Moodys flegelhaftes Benehmen.

"Sag nicht, dich hätte das alles kaltgelassen!" Sie redete sich in Rage, und Snape, der dicht neben ihr lag, konnte die hitzige Röte spüren, die in ihre ebenmäßigen Wangen stieg.

"Ich könnte dich daran erinnern, daß ich dich gewarnt hatte", bemerkte er leise, aber nicht ohne den vertrauten Hauch von Spott, der die Glut noch einmal vertiefte, "aber dann müßte ich ebenfalls gestehen, wie akzeptabel es war, von dir verteidigt zu werden."

Im Dunkeln konnte sie seine Augen nicht sehen, aber auch ohne Licht verriet ihr die Intuition, daß sein Lächeln in der scheinbaren Schwärze der Nacht tanzte.
Sie hauchte einen Kuß auf seine Wange, die angenehm kühl ihre eigene erregte Wärme aufnahm und grinste: "Paß nur auf, daß deine Liebesbekundungen nicht bald von jedem als solche erkannt werden."

Snape kommentierte ihren zärtlichen Sarkasmus mit einem despektierlichen Schnauben.
Die Sticheleien, ihre geistreichen, messerscharfen Wortgefechte, die für Außenstehende nahe an Gehässigkeiten vorbeischrammen mußten, würden sie jemals Zeuge, Catrionas verläßliche, und dabei nie unreflektierte Loyalität, ihre Hingabe, die Geborgenheit, ihr Feuer und ihre Liebe, die sie mit ihm teilte - er hatte nie ein so unermeßliches Glück empfunden.
Moodys kleinliche Seitenhiebe, die früher mit spitzen Zähnen schmerzhaft an seinem Selbst genagt hatten, waren heute kaum fähig gewesen, ihm mehr als einen flüchtigen Stich zu versetzen, und trotz der lauernden Erschöpfung wärmte eine wundervolle Zufriedenheit seine frierende Seele.
Leib an Leib schliefen sie in unbedingter Nähe beseligt ein, und kein unruhiger Traum schreckte ihre verdiente Ruhe.

xoxoxox

Am Morgen bedeckte Rauhreif zuckrig die Ländereien von Hogwarts. Erste Sonnenstrahlen ließen die winzigen Eiskristalle wie unzählige Diamantsplitter erstrahlen; das Licht brach sich in einer Sinfonie funkelnder Sterne, spiegelte sich in immer neuen Tröpfchen, dort, wo der Kuß des Lebens das Eis in Wasser verwandelt hatte, um schließlich ein Märchenbild nahenden Winters zu malen.

Der Tränkemeister erhob sich lautlos, zog die Decke behutsam über Catrionas Hüfte, kleidete sich an und trat ins Wohnzimmer.
Sein Schreibtisch war übersäht mit Pergamenten, Büchern und vergilbten Notizen; drei bläuliche Tränkefläschchen standen aufgereiht nebeneinander.
Snape verbrachte sie mit einem zerstreuten Zauberspruch in den Schrank neben dem Kamin, hielt inne und verwarf kopfschüttelnd den verrückten Gedanken, seine wertvollen Dokumente zwei Frühstücksgedecken weichen zu lassen. Allein die Vorstellung erzeugte ein unangenehmes Kribbeln der Absurdität.

Es gab so viel zu tun - ohne Catrionas Hilfe würde er wieder nächtelang arbeiten müssen, um die Routinepflichten mit seinen Forschungen in Einklang zu bringen. Dabei widerstrebte es ihm, all seine Energie in Voldemorts Aufgabe zu investieren und gleichzeitig auch noch Gedanken daran zu verschwenden, wie er es anstellen sollte, die Belange des Ordens im Auge zu behalten.
Überhaupt der Orden - im Grunde mußte er Moody dankbar sein. Durch dessen denkwürdiges Betragen war Catriona vielleicht die Lust vergangen, ihre Kraft für eine solche Bande von Kleingeistern einzusetzen.
Hoffentlich.
Bei ihr konnte man nie wissen, ob sich ihr Trotz nicht in das genaue Gegenteil verkehrte und sie damit veranlaßte, mit doppeltem Einsatz zu Werke zu gehen.

Snape rieb sich seufzend die Schläfen, und diesen Moment der Unachtsamkeit nutzte MacGillivray, um behende neben ihn zu gleiten und ihm aus ihrer Kaffeetasse ein Wölkchen verführerischen Aromas zuzufächeln.
"Folge mir", sagte sie so schwülstig wie möglich und grinste unverschämt, als Snape pikiert eine bleistiftdünne Braue hob.
Die spitzfindige Art der Provokation paßte perfekt zu MacGillivrays kühlem Naturell, und er zog sie bei weitem einer vertraulichen Umarmung vor, die aufgrund ihrer Unvorhersehbarkeit einzig dem Zwecke gedient hätte, ihn zu erschrecken.

"Wie du willst. Plan B", entschied Catriona zackig, als er keine Anstalten machte, sich zu rühren.
Aus dem Nichts materialisierte eine Tasse mit extravagant geschwungenem Henkel direkt vor ihm; reflexartig umschloß er sie, atmete mit gesenkten Lidern den betörenden Duft wundervollen Kaffees, um wenig später die herbe, kräftige Liebkosung des heißen Getränkes auf der Zunge zu genießen.
Ihre Kaffeezauber waren von unübertroffener Güte - noch etwas, das er schmerzlich vermissen würde, gestand er sich bedrückt ein und nippte ein zweites Mal.

Sie stand dicht bei ihm, offenbar in Gedanken versunken, aber als er einen Arm ausstreckte, um die Nähe in vertrautes Miteinander umzusetzen, schmiegte sie sich an ihn, als hätten seine Gedanken die ihrigen berührt.

"Frühstück?" erkundigte er sich trocken, und Catrionas sanftes, natürliches Lächeln wusch das knotige Gefühl einer lästigen Pflicht fort wie ein Sommerregen.
Severus Snape erkannte zu seiner größten Überraschung, daß Abscheu und Ekel bei dem Gedanken an knusprigen Toast ausblieben, und bevor sich sein Geist anders entscheiden konnte, lenkte er die Konzentration auf Catrionas erfreuliche Gegenwart.

xoxoxox

Ungewohnt guter Laune versah der Tränkemeister den Unterricht; er ignorierte Neville Longbottoms panische Blicke, die für gewöhnlich genügten, ihn in unbezwingbare Rage zu versetzen, wies Harry Potter nur ein einziges Mal zurecht und verteilte gar ein kratziges, aber unverkennbar explizites Lob für Hermione Granger, die so verblüfft war, daß sie lediglich ein errötendes "Danke, Sir" zustande brachte.

MacGillivray widmete sich den letzten Tränken, Elixieren und Decocta auf Madam Pomfreys Liste und begab sich am Nachmittag persönlich auf die Krankenstation, einen kunstvoll geflochtenen Korb am Arm.

"Das nächste Mal nehmen Sie einen Hörschutz mit", vernahm sie Poppy Pomfreys Ratschlag, und Pomona Sprouts Stimme entgegnete trocken: "Werd dran denken, Doc", woraufhin beide Frauen in helles Gelächter über den Privatwitz ausbrachen.

"Guten Nachmittag, die Damen", machte sich MacGillivray bemerkbar und stellte den Korb auf Madam Pomfreys Schreibtisch. "Professor Sprout, alles wieder in Ordnung?"

Die Kräuterkundelehrerin nickte, so daß ihre Locken in Unordnung gerieten. "Miß MacGillivray", begann sie plötzlich, als käme ihr just in diesem Augenblick ein entscheidender Gedanke, "haben Sie etwas übrig für kriminalistischen Feingeist?"

Die Schottin musterte ihr Gegenüber mit gepflegtem Desinteresse, das ihre Neugier jedoch nur schlecht verbarg. In Kürze würde sie die Brille wieder hervorholen müssen; die Wirkdauer ihres Trankes für gute Sicht ließ noch einiges zu wünschen übrig.

"Minerva hat die Urheber des Schellenbaumstreiches noch nicht gefunden. Zufällig haben diese Bäume jedoch die nützliche Eigenschaft, beim widerrechtlichen Begießen mit Bleiwasser feinste Stäube abzusondern, die den oder die Übeltäter entlarven können", erklärte Sprout und lächelte schlau.

"Wenn sie womit in Berührung kommen?" warf MacGillivray ein, der allmählich ein Licht über die Rolle aufging, die man ihr in der Angelegenheit zugedacht hatte.

"Sud von vielzähnigem Sonnentau." Pomona Sprout tauschte einen Verschwörerblick mit Madam Pomfrey, die aus ihrer Neugier keinen Hehl machte, und ein triumphierendes Glitzern erhellte ihr Gesicht, als sie Catrionas Augen sich verengen sah.

Eine winzige Falte erschien um den Mund der Schottin, ganz als dächte sie angestrengt nach und erwöge das Für und Wider, dabei brannte sie darauf, den Wahrheitsgehalt der Behauptung zu prüfen.

Severus Snape benahm sich ganz genauso, nur bluffte er besser und hatte Sprout anfangs noch Zugeständnisse abgeluchst, die sie im Nachhinein für gewöhnlich bereute. MacGillivray dagegen glaubte sie dank des jahrelangen Trainings bestens zu durchschauen.

Wozu sie allerdings den Zauberstab benötigte, den sie geschickt aus der Innentasche ihrer Robe angelte, vermochte sich die Kräuterkundelehrerin beim besten Willen nicht vorzustellen.

"Sie gestatten - accio, Brille!" Catriona tat, als bemerke sie Sprouts säuerliche Konsterniertheit nicht und ging geschmeidig in die Hocke, so daß die Sehhilfe, direkt auf ihrer Nase landete.
"Verzeihung, aber mein Trank für gute Sicht ist hinsichtlich seiner Wirkdauer durchaus verbesserungswürdig", lächelte sie liebenswürdig und völlig unbeeindruckt.

Sprout seufzte ergeben. Entweder war Snape ein guter Lehrmeister, etwas, das sie insgeheim bezweifelte, oder sie hatte MacGillivray unterschätzt.
Als sie jedoch anhub, ihren Fehler einzugestehen, wedelte Catriona ungeduldig mit der Hand und rief: "Mo-ment! Sagen Sie nichts. - Juckreiz?"

"Unwiderstehlicher Juckreiz", triumphierte Pomona Sprout erleichtert und gleichzeitig derart maliziös, daß die Jüngere gegen ihren Willen lachen mußte.

"Sie haben mich überzeugt", sagte sie und rieb sich die Augen. "Wie gedenken Sie vorzugehen?"

xoxoxox

Während Sprout noch Catriona in ihre Rachepläne einweihte, lehnte Severus Snape im Büro des Schuldirektors die ihm dargebotene Tasse duftenden Schwarztees kategorisch ab, schlug die Beine übereinander und blickte gelassen von Lupin, der überraschend heiter und gar nicht besorgt wirkte, über Tonks (heute mit walnußbraunem Haar) und McGonagall (tadellos wie immer) zurück zu Albus Dumbledore.
Sie hatten ihn einbestellt, um die letzte Versammlung auszuwerten. Nun, er war bereit.

Tatsächlich zwinkerte der Alte gutmütig, so daß ein Fünkchen kornblumenblauen Sommers in seinen Augen sprühte. Snape kannte die Geste; sie verhieß trotz oder vielmehr wegen ihrer Liebenswürdigkeit nichts Gutes.

"Ich habe Alastor darauf hingewiesen, daß ich ein solches Verhalten nicht toleriere", informierte er die Anwesenden, und obgleich Snape sehr wohl begriff, daß dies in erster Linie ihm galt, verschaffte das Wissen darum ihm keine Befriedigung.
Dumbledores Macht kompensierte nichts.

"Catriona erschien mir reichlich konsterniert", fuhr der Direktor fort, woraufhin Tonks laut schnaubte.

"Wütend war sie und das nicht zu knapp", stellte sie klar und untermalte ihre Feststellung mit einem gewaltigen Armschwung.
"Ich kann es ihr nicht einmal verübeln; Moody war wirklich in Hochform. - Tut mir ehrlich leid, Severus", wandte sie sich plötzlich an den Tränkemeister, der so still und ernst in seinem Sessel lehnte, daß man seine Gegenwart in den einfallenden Schatten der frühen Dämmerung leicht übersehen konnte.

"Muß es nicht, Nymphadora." Snape benutzte niemals ihren Nachnamen, sondern zog es vor, sie mit dem ungeliebten Vornamen, ausgesprochen mit besonderer, akzentuierter Präzision, zu quälen. "Ich bin es gewohnt, daß man mir mißtraut. Aber es gibt nun einmal keine Wahl für euch, weswegen ein wenig geheuchelter Höflichkeit eigentlich nicht zuviel verlangt gewesen wäre."

Hinter dem bitterbösen Spott, der zäh wie Kleister von jedem seiner Worte tropfte, spürten sowohl Tonks als auch Remus Lupin einen verletzten Schmerz, der um so sengender brannte, als sich Snape geschworen hatte, sich eine solche Behandlung nicht nahegehen zu lassen.
In MacGillivrays Gegenwart hatte die Ablehnung kaum Bedeutung gehabt, ganz anders jetzt, da sie unbarmherzig ein zweites Mal seziert wurde.

"Severus hat Recht", sagte Lupin ernsthaft. "Ich bin entsetzt, sonst hat sich Moody doch auch nicht derart im Ton vergriffen. Es kann nicht jeder mit jedem Freund sein, aber so etwas erschwert die Zusammenarbeit ganz ungemein. - Bevor wir Catriona einladen, hat sie dir gegenüber etwas erwähnt?"

"Du meinst, ob das Schauspiel sie kuriert hat?" gab Snape höhnisch zurück und rückte unwillkürlich ein winziges Stück näher an den Kamin, dessen freundliches Feuer wohlige Wärme wie flüssiges Gold durch seine Glieder rinnen ließ.
Eine Welle überwältigender Sehnsucht brach sich mit tosender Kraft an der Steilküste seiner äußerlich versteinerten Emotionen; sie neben sich zu spüren, ihren Duft zu atmen, sich mit ihr einer Leidenschaft hingeben, deren Existenz er bis vor kurzem noch im Reich der Sagen vermutet hatte… Merlin, er liebte sie, ersehnte sie, vermißte sie bereits nach wenigen Stunden, er, der sonst keinen Menschen länger als unbedingt nötig in seiner Gegenwart tolerierte.

"Wundern würde es mich nicht", gab sich Lupin selbst die Antwort. "Ein schlechteres Bild hätten wir kaum abgeben können."

Er rieb sich die bedauernd die Nase und preßte schuldbewußte Lippen fest aufeinander.

"Ich weiß nicht, ob Miß MacGillivray noch immer an einer Mitarbeit interessiert ist", sagte der Tränkemeister harsch, ohne Lupins Bekenntnis zum Anlaß zu nehmen, einen ironischen Seitenhieb auszuteilen. "Wie stellen wir uns denn ihre Aufgaben vor?"

"Das hängt davon ab, ob sie hierbleiben würde." Minerva McGonagall, die bisher geschwiegen hatte, blickte ernsthaft über ihre runde Lesebrille. "Ich hatte den Eindruck, Catriona bedeutet die Arbeit bei der Stiftung sehr viel. Hier in Hogwarts können wir ihr keinen Ersatz bieten, das muß uns klar sein."

Severus Snapes dunkle Augen huschten in verborgener Überraschung zwischen Lupin, der gerade anhub, ihr beizupflichten und der der Lehrerin für Verwandlungen hin und her. Soviel Menschenkenntnis und Einfühlungsvermögen hatte er keinem von beiden zugetraut, andererseits kannte McGonagall Catriona bereits als Schülerin, und Lupin hatte wohl lange Gespräche mit ihr geführt. 'Bei Alraunenwein', lästerte sein Bewußtsein, und Snape nahm säuerlich zur Kenntnis, daß ihn der vermutlich harmlose Vorfall noch immer mehr behelligte, als er überhaupt für möglich gehalten hatte.

"Zufällig weiß ich, daß im St. Mungos ein Spezialist für Zaubertränke gesucht wird", lächelte Albus Dumbledore milde, als hielte er die Diskussion für überflüssig. "Sie haben zwar die Doktoren Heron und Kuttrolf - brillante Diagnostiker, aber mit der Analytik stehen sie leider ein wenig auf Kriegsfuß. Bei Interesse könnte ich mich dafür verwenden, daß man Miß MacGillivray in Betracht zieht - sofern die Flamelstiftung nicht auch hier eine Aufgabe für sie hat."

Snape kräuselte abschätzig die Lippen; als ob die Stiftung sie zurück nach Brasilien beordern würde, wenn man sie auch hier beschäftigen konnte.
Wenigstens hatte Dumbledore tatsächlich nachgedacht; Catriona einen angemessenen Ersatz zu bieten, war nahezu unmöglich, aber sein Vorschlag bewegte sich immerhin auf einem Niveau, das eine Erwägung zumindest zuließ, obgleich er, Snape, sie sich nicht in einem Krankenhaus vorstellen konnte.

"Ich schlage vor, wir bitten Miß MacGillivray hinzu". Ohne weitere Zustimmung abzuwarten, entsandte Minerva McGonagall einen Botenelfen, der alsbald mit der Schottin zurückkehrte und sich sogleich beflissen entfernte.

Catriona nahm geschmeidig neben Snape Platz, lächelte beschwingt, noch immer erheitert von Pomona Sprouts Entlarvungsplan, und faltete erwartungsvoll die Hände.
Im dämmrigen Licht der Petroleumlampen wirkte ihr Haar wie flüssiges Kupfer, und ihre Jadeaugen narrten die Betrachter bald mit Lapislazulitönen, bald mit dem schillernden Dunkelgrün in der Sonne tanzender Kolibris.

"Ich werde Sie nicht fragen, wie Ihnen der Abend gefallen hat", begann Albus Dumbledore trocken, "und ich überlege, ob Sie meine Versicherung, daß es üblicherweise zivilisierter zugeht, überhaupt glaubhaft finden können. Ungeachtet dessen möchte ich Ihnen danken, daß Sie gekommen sind. Die Weasleys und Tonks hier sind ausgesprochen angetan von Ihnen."

Die Schottin nickte würdevoll, während die anwesende Aurorin gar nicht verlegen grinste. Die souveräne Offenheit stand ihr so gut, daß nichts an ihr selbstgefällig oder gar hochnäsig erscheinen wollte.

"Ziehen Sie in Erwägung, sich für den Orden einzusetzen?" erkundigte sich Minerva McGonagall ohne Umschweife und sprach damit ausnahmsweise Snape aus der Seele, der das Geplänkel allmählich leid wurde.
Unwillkürlich suchten seine Augen ihre, aber ihr fester, gelassener Blick verriet nichts.

"Die Flamelstiftung wünscht meine Rückkehr", gab sie sachlich bekannt. "So bald als möglich, und ich fürchte, allzu lange kann ich nicht mehr vorgeben, dringende Aufgaben hielten mich hier."

Um ein Haar hätte sich der Tränkemeister einer voreiligen Erleichterung hingegeben; es sah ganz so aus, als wäre sie doch noch vernünftig geworden, aber er besann sich eines Besseren. Catriona fiel selten mit der Tür ins Haus; sie liebte es zu spielen, sich bedeckt zu halten, möglichst viele Wege zu erforschen, um dann eine, für weniger fähige Menschenkenner völlig unerwartete Entscheidung zu treffen.

"Würden Sie denn bleiben wollen?" Der Schuldirektor ließ sich ein auf ihr Spiel, sein weises Lächeln ungetrübt, als wisse er längst um ihre Zweifel.

"Die Forschungsarbeit bedeutet mir viel", entgegnete MacGillivray bestimmt, "und ich habe viel investiert, um dorthin zu gelangen, wo ich jetzt bin. Das gibt man nicht so einfach auf."
'Obgleich es mich zerreißt, dich zu verlassen', fügte sie in Gedanken hinzu, und für Sekunden vergaß sie alle Achtsamkeit, als ihr Blick mit unsagbarer Zärtlichkeit Snapes ausgezehrte Gestalt streichelte.
Sie war längst nicht gefeit vor der jungmädchenschwärmerischen temporären Blindheit, die einem vorzugaukeln pflegte, nichts sei erstrebenswerter, als seine Tage an der Seite des Angebeteten zu verbringen, alles für ihn wegzuwerfen, nur um ihn nicht lassen zu müssen. Natürlich rief sie sich nach solchen Eskapaden geistiger Umnachtung streng zur Ordnung, und nicht nur ihr Verstand teilte ihr aufs Höchste konsterniert mit, daß diese Art der Unterwürfigkeit von Rechts wegen keiner Frau zustand, ihr aber im Besonderen nicht.
Unglücklicherweise vermochte Vernunft den bitteren Schmerz nicht zu lindern, mit dem sich ihr ganzes Herz gegen die Macht des Hirns auflehnte.

"Die Stiftung könnte dich eventuell auch hier beschäftigen", offerierte Remus Lupin sanft. "Außerdem hatte der Direktor einen guten Einfall."

Catriona las Trost in seinen goldbraunen Augen und trank ihn durstig wie köstlichen Quell. Der Ausbruch seinerzeit schien ihn sensibilisiert zu haben für ihre Bedenken; er ahnte mit Sicherheit, daß sie mehr an der definitiven Rückkehr hinderte, als ein eventuelles Pflichtgefühl dem Orden gegenüber, und dieses Wissen schlug eine vertraute Brücke zu ihrer aufgewühlten Seele.

Geduldig verfolgte sie Dumbledores Vorschlag, nickte mit der ihr eigenen unverbindlichen Freundlichkeit und sagte schließlich: "Ich bin nach wie vor an einer Mitarbeit interessiert, soviel kann ich sagen. Die Modalitäten muß ich durchdenken. Wäre es prinzipiell gar nicht möglich, auch aus der Ferne nützliche Beiträge zu leisten?"

Snape horchte auf; dieser Gedanke war ihm bisher nicht gekommen. Was sprach dagegen, sie in Brasilien als Ordensmitglied zu haben?
'Daß sie dir dort ferner ist, als du es dir aktuell auszumalen vermagst', zischelte sein Geist mit hämischer Direktheit, und der Zaubertrankmeister preßte die Lippen mißlaunig zu einem schmalen Strich zusammen. Sie hatte liebevoll-hartnäckig und dennoch gänzlich unaufdringlich Macht ergriffen über sein unabhängiges Selbst, hatte seine gefrorene Seele Stück für Stück erwärmt und ihn gelehrt, daß Vertrauen und Zuneigung nicht jenseits des Möglichen lagen. Sie stand für ihn ein, verteidigte ihn, bezauberte ihn mit ihrem messerscharfen Verstand und einer nicht minder gewandten Zunge, deren Sarkasmus und schwarzer Humor durchaus dem seinen ebenbürtig waren.

"Eine Idee, des Nachdenkens wert", sinnierte Dumbledore gestelzt und riß den Tränkemeister aus dem Kokon seiner versponnenen Gedanken. "Sie könnten in Brasilien ein Auge auf die Vorgänge haben und eventuell sogar in kleinem Rahmen auf das Erstarken der Anhänger Voldemorts einwirken. Lassen Sie mich darüber schlafen."

Catrionas freundliches, kühles Lächeln wurde breiter, als der Direktor das Gespräch für beendet erklärte. Sie war so außergewöhnlich guter Laune, daß sie sich um ein Haar dazu hätte hinreißen lassen, Severus Snape unterzuhaken. Gerade noch rechtzeitig bekam sie ihren übermütigen Arm in die Gewalt, und ihr energiegefedertes Zurückweichen entlockte selbst dem Tränkemeister ein sprödes Grinsen, während Tonks in belustigter Neugier mit Verschwörerblick zu Lupin schielte in der Hoffnung, eine Erklärung für das seltsame Schauspiel zu finden.
Lupin blieb jedoch neutral-freundlich und nickte ihr zu, sie könne sich ihm gern zum Essen anschließen.

MacGillivray folgte dem Zaubertrankmeister in schweigender Übereinkunft in sein Quartier. Er fixierte sie lange, ohne ein einziges Wort zu sprechen; äußerlich unbewegt stand er vor ihr und nahm ihre Gestalt in sich auf, doch in den schwarzen, unergründlichen Seen seiner Augen wirbelte dicht unter der Oberfläche ein reißender Strudel unbezwingbarer Emotionen.

Catriona trat zu ihm, schloß die Arme in ruhiger Selbstverständlichkeit um seinen mageren Körper und küßte Eis von seinen Lippen.
'Unmöglich, ihn zu verlassen', durchzuckte es sie mit sentimentaler Bestimmtheit, als er ihren Kuß erwiderte, sie an sich zog, als würde sie ihm auf der Stelle entrissen, aber gleich darauf rügte sie die Stimme der Vernunft, die Liebe allein könne niemals Ersatz für geistige Herausforderungen sein.

Snape schien jeden ihrer Gedanken zu spüren; seine Umarmung schuf gleichzeitig innige Nähe und eine Distanz, die durch ihre vernunfterzwungene Freiwilligkeit um so schmerzlicher wirkte.

"Ich bin froh, daß du zur Einsicht gelangt bist", sagte er schließlich rauh.

MacGillivray folgte behutsam der Linie seiner rechten Hand; ihrer flinken Finger Liebkosung die Versicherung einer unbedingten Hingezogenheit.

"Ich habe noch nichts entschieden", entgegnete sie sanft, lehnte den Kopf gegen seine Schulter und genoß das prickelnd-fedrige Kitzeln seiner Haare auf ihrer Wange.

"Sei nicht dumm", sagte Snape leise. "Gib nichts vorschnell auf, ganz gleich wie sehr dein Gewissen dir rät, unvernünftig zu sein."
Er verstummte, seine Finger federleicht auf ihren und dann: "Ich will, daß du in Sicherheit bist."

MacGillivray blinzelte gegen plötzliche Tränen. Eben noch war sie in leichtherziger Hochstimmung gewesen, aber die Schwere der Entscheidung, ihre eigene Unsicherheit und der unerfüllbare Wunsch, gleichzeitig mit ihm, aber nicht in Hogwarts zu sein, überwältigten sie mit sentimentaler Macht.

"Dich könnten wir in Brasilien brauchen", hörte sie sich plötzlich entgegen aller Vernunft sagen, und nun, da sie den Satz ausgesprochen hatte, klang der Vorschlag gar nicht mehr so abwegig.

Snape wandte sich ihr zu, der Blick seiner Obsidianaugen von einer seltenen, nachsichtigen Milde, als ob er ein unvernünftiges Kind vor sich hätte, und dennoch war die Geste seltsam fremd, denn der Meister der Zaubertränke tolerierte keinerlei Disziplinlosigkeit bei seinen Schülern.

"Was sollte ich, deiner Meinung nach, dort tun?" erkundigte er sich spöttisch.

"Dein immenses Wissen qualifiziert dich für viele Dinge", entgegnete Catriona ernsthaft. "Präzision und Genauigkeit verbinden sich in idealer Weise mit Kombinationsgabe, Abstraktionsfähigkeit und einem Geist, dessen Schärfe immer wieder Funken von Neid in mir weckt. - Jemand wie du würde noch die letzten Steine aus dem Weg spotten, wenn wir uns zu verrennen drohen", fügte sie amüsiert hinzu.

"Ich arbeite allein", gab Snape kühl zu bedenken, um sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr ihn ihr Lob wärmte. Insgeheim hatte er immer nach Anerkennung gestrebt und sie nie erhalten, bis er sich schließlich verbot, sich auch nur den Hauch eines Wunsches einzugestehen. Catrionas Komplimente waren originell und stets ehrlich; sie schmeichelte ihm nicht, sondern schenkte aufrichtige Wertschätzung.

"Das lernst du", lächelte MacGillivray in strahlender Selbstverständlichkeit. "Mein Team mußte sich auch erst… sagen wir, aufeinander einstellen."

'Mein Team' - ihre Art, dies zu sagen, ärgerte ihn plötzlich. Weshalb hatte sie überhaupt davon angefangen, sie, die doch am besten von allen wissen mußte, daß er eine Aufgabe zu erfüllen und einen Pakt auf Leben und Tod geschlossen hatte, aus dem es keine Auslösung gab, aus dem er nur frei sein würde, wenn Voldemort besiegt war.

"Träumereien führen zu nichts", sagte er darum schroff, erhob sich und hielt auf die Tür zu.

MacGillivray tat nichts, um ihn aufzuhalten, noch fragte sie nach seinem Ziel, zu vertraut, unliebsame Gedanken mit Arbeit zu verdrängen.
Er würde ins Labor gehen und jedes Quentchen seiner zerbrechlichen Kraft in den Werwolftrank investieren, am folgenden Morgen übernächtigt die Stunden geben und damit bereits seinem Körper über alle Maßen abverlangen.

Bedrückt verließ sie sein Quartier, das ohne ihn eigentümlich leer und fremd wirkte, aber der Versuch, die Übersetzung zu vollenden, scheiterte kläglich an den wirbelnden Strudeln ihrer eigenen Gedanken, so daß sie nach Mitternacht lautlos durch die Gänge glitt und nach einem winzigen Höflichkeitsklopfen Snapes Büro betrat.

Der Tränkemeister saß am Schreibtisch, mehrere Pergamentrollen vergleichend aufgeschlagen, eine Feder in der Hand, aber er wirkte erschöpft, und sein Blick war seltsam hohl, als er aufsah, um Catrionas Anwesenheit mit einem kaum merklichen Nicken zur Kenntnis zu nehmen.

Sie trat hinter ihn, legte die Hände auf seine knochigen Schultern und hauchte einen Kuß auf sein Haar.
Er hatte ebenso vergeblich wie sie selbst versucht zu arbeiten; die Anmerkungen am Rande der Pergamentrollen waren alt; die Farbe der lange getrockneten Tinte verriet seine Untätigkeit.

"Ich bin so müde, Catriona", gestand er plötzlich und lehnte sich gegen sie, die Feder noch in der Hand, als sei er noch immer verzweifelt entschlossen, einen Fortschritt in dieser Nacht zu erzielen.

MacGillivray streichelte seine Wange, bis er entkräftet die Augen schloß, dann entwand sie liebevoll den Federkiel seinen klammen Fingern.

"Komm", sagte sie leise, als seine Atemzüge den nahenden Schlaf ankündigten und erschrak beinahe, daß er sich widerstandslos von ihr führen ließ.

MacGillivray breitete die Decke über Snapes hagere Gestalt; sie erwog noch, ihm einen heißen Fliedertee zu bringen, als er plötzlich verlangte: "Geh nicht" und ihr Handgelenk fest umklammerte.

Sie legte sich neben ihn, umschlang ihn tröstend und schirmte den Teil ihres Bewußtseins ab, der aus Sorge um ihn nicht mehr klar zu denken vermochte. Die nun vorherrschende, innewohnende Ruhe durchströmte ihn im Puls ihres Blutes, bis ihre Herzen eins wurden und er kaum hörbar flüsterte: "Brasilien ist weit."

Catriona schmiegte sich fest an ihn; sein Brustbein war spitz, und sie spürte jede einzelne seiner Rippen auf ihrer warmen Haut.
Seine Angst, verlassen zu werden und wieder allein zu sein, hatte er bisher meisterhaft verborgen. Jetzt brach sie sich Bahn, siegte über die Vernunft, die sie nach Brasilien zurückwünschte.

"Nicht grübeln, Severus", sagte MacGillivray weich, "genießen."

Ihre Hüften verschmolzen miteinander, als ihr Sehnen zu seinem wurde, und die Flamme des Begehrens sich für sie beide entzündete. Ihm noch näher zu sein, den Augenblick festzuhalten, gänzlich aufzugehen in der wundervollen Vereinigung mit ihm - sie kannte ihn und entdeckte ihn neu, ebenso wie er sie sehnsuchtsvoll erforschte, sie liebte und nicht zuließ, daß sich ihre verlangenden Leiber voneinander trennten.

"Versprich mir, daß du dich in Sicherheit begibst", forderte Snape viel später schläfrig in ihren Armen, die Stimme jedoch klar und akzentuiert.

Es ließ ihm keine Ruhe - Catriona erschreckte seine Furcht um sie mindestens ebenso wie sie sie rührte.

"Schsch", tröstete sie darum rasch, "entspann dich. Ich begebe mich nicht unnötig in Gefahr."

Ihr zärtliches Streicheln und ihre liebevolle Nähe schienen ihn vorerst zu beruhigen; Snape versank in tiefem Schlaf.


Vielen Dank an J.K. Rowling für die Erfindung dieser inspirierenden Charaktere.

Hier endet Kapitel fünfunddreißig.

Reviews, Meinungen, Kommentare werden sehnsüchtig erwartet.


 

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