Tortur

 

 

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Kapitel 5: Der Ruf


Snape ließ sich zu Tode erschöpft zurücksinken. Überwältigender Schwindel zwang ihn, sich minutenlang am Bett festzuklammern.
Als die verschwommene Umwelt langsam klarer wurde, blickte er direkt in die goldgefleckten Augen Remus Lupins.

Der erste Schrecken verwandelte sich schnell in unbändige Wut. Sie sollten ihn in Ruhe lassen. ALLEIN! Es hatte schon seine Gründe, wieso er die Kerker bevorzugte. Nur in der Abgeschiedenheit, die dort herrschte, fand er ein klein wenig Ruhe. Seitdem er auf der Krankenstation lag, bedrängte man ihn ständig mit wohlmeinenden Besuchen. Andauernd mußte er vorgeben, es ginge ihm gut, mußte behaupten, er würde sich schon daran gewöhnen, wie ein Muggel zu leben. Als ob man sich jemals an eine solche Schande gewöhnen konnte!

"Verschwinde, Lupin", schleuderte er ihm so vehement entgegen, wie es die neu aufkeimende Übelkeit zuließ. "Und nimm dein Mitleid gleich mit."

Remus Lupin, obgleich sichtlich verdutzt, reagierte anders als erwartet. Er setzte ein boshaftes Grinsen auf, das so gar nicht zu seinem sanften Ausdruck passen wollte und entgegnete, ohne sich von der Stelle zu rühren: "Davon hast du ja genug für uns beide."

Snape stutzte sekundenlang, getroffen durch den Vorwurf, dann gewann der Zorn wieder die Oberhand. Er richtete sich gewaltsam auf, ignorierte den unvermeidlichen Schwindel und das Schwächezittern in den Gliedern, als er Lupin mit wutheiserer Stimme anschrie, er solle sich zum Teufel scheren.

"Pathetisch", kommentierte der Werwolf mit hochgezogenen Brauen und betrachtete sein Gegenüber unbeeindruckt. "Früher hättest du wenigstens versucht, James oder Sirius zu verhexen, aber jetzt" -

Diesmal war er zu weit gegangen. Lupin erkannte es an Snapes totenbleichem, geschocktem Gesichtsausdruck.
"Ich würde, wenn ich könnte", flüsterte er tonlos. "Verlaß dich darauf."
Er hatte nicht gewußt, daß Lupin so niederträchtig sein konnte. Wenn James Potter und Sirius Black ihm in der Schule Streiche gespielt hatten, war er ihm zwar nicht zu Hilfe gekommen, hatte sich aber meist auch nicht aktiv an den Bosheiten beteiligt. Offensichtlich Feigheit und reiner Selbstschutz wie sich jetzt zeigte.

Fremde Stimmen begannen in seinem Bewußtsein erst zu flüstern, dann schrill zu kreischen. Der Schwindel nahm zu, und Snape spürte die Realität immer mehr entgleiten.
Mit einem Mal wußte er nicht mehr, wie er die aufsteigenden Tränen unterdrücken sollte. Ein Raunen in seinem Unterbewußtsein ermahnte ihn, auf keinen Fall vor Remus Lupin zu weinen, aber es war längst zu spät, und Severus Snape gab den Kampf auf.

Lupin hatte voller Besorgnis die Veränderung in Snapes Augen beobachtet, den Schleier, der sich über die vormals klaren Onyxe legte und immer dichter wurde, sein Blick, der jetzt unfokussiert war und voller Tränen stand.
Er hatte den stolzen, unnahbaren Tränkemeister noch nie weinen sehen, auch nicht als Junge, egal, wie abscheulich die Streiche gewesen waren, die sie ihm gespielt hatten. Er war wütend gewesen oder verbittert, oft auch verletzt und gedemütigt, aber wenn er daran gewesen war, in Tränen auszubrechen (wofür es keine Beweise gab, sah man einmal von der laufenden Nase ab, die ihm den bösen Spitznamen 'Schniefelus' eingebracht hatte), hatte er sich immer schnell genug wieder in der Gewalt gehabt, um eine solche Demonstration von Schwäche zu verhindern.

Daher verwirrte ihn der Anblick Snapes zutiefst, der, den Kopf gesenkt, von stummem Schluchzen geschüttelt wurde.

"Es tut mir leid, Severus", beeilte er sich zu sagen. "Ich wollte dich aus der Reserve locken; ich hab's nicht so gemeint."

Snape schien ihn nicht zu hören, und Lupins Herz krampfte sich vor Mitgefühl und Schuld zusammen. Das hatte er nun von seinen erbärmlichen psychologischen Versuchen. Offenbar waren Snapes Sturheit und Kampfgeist in Azkaban doch stärker in Mitleidenschaft gezogen worden, als alle geglaubt hatten.

"Beruhige dich doch, Severus, es tut mir wirklich leid."

Unbeholfen zog er den einstigen Schulkameraden in die Arme und begann, als sich Snape nicht wehrte, zögerlich seine zuckenden Schultern zu streicheln und leise Worte des Trostes zu murmeln.

xoxoxox

"...und tief atmen", hörte Snape jemanden sagen. Ein feuchtes Tuch fuhr mehrmals über seine Lippen.

Beim Barte des Merlin! Hatte er sich schon wieder übergeben müssen? Nicht zu fassen, eine solche Erniedrigung.

"Gut?" fragte die Stimme weich, bevor ihn derselbe Jemand behutsam bettete. Snape zwang die bleischweren Lider auf.

Remus Lupin und Madam Pomfrey lächelten erleichtert.

"Sie haben uns ganz schön erschreckt, Professor", sagte die Heilerin. "Erinnern Sie sich, was passiert ist?"

Der Meister der Zaubertränke durchwühlte sein Gedächtnis, aber alles, was er fand, war eine verwaschene Erinnerung an eine von Lupin ausgeteilte heftige Beleidigung.

Der Werwolf errötete vor Verlegenheit. "Entschuldige", sagte er rasch. "Ich habe es übertrieben, wollte dir aufzeigen, wie sehr du..." Poppy Pomfrey hob warnend die Augenbrauen. "Ich wollte dich aus der Reserve locken", korrigierte er sich schnell, "aber das ist gründlich danebengegangen, du hast" -

"Ich verzichte auf eine nähere Schilderung meines Aussetzers", sagte Snape kalt.
Inzwischen erinnerte er sich sehr wohl, daß er zu weinen begonnen hatte, aber der Rest blieb im Schatten.

"Ist Ihnen noch immer schlecht?" half Madam Pomfrey aus der unangenehmen Situation. Sie zwirbelte das Tuch in den Händen, das er zuvor im Gesicht gespürt hatte.

"Wenn Sie meinen, können Sie die Schüssel mitnehmen, würde ich sagen ja", entgegnete Snape bissig, obgleich es ihm nicht wohl war bei dem Gedanken. Unendliche Müdigkeit zerrte an seinem Bewußtsein. Und dann wurde es dunkel um ihn.

xoxoxox

"Der Professor ist in schlechter Verfassung", schloß Madam Pomfrey voller Sorge. Sie saß mit Remus Lupin und Minerva McGonagall im Büro des Direktors und hatte soeben ihren Bericht beendet.
Der Alte strich sich nachdenklich den langen Bart.

"Ich glaubte, Severus würde sich durch gute Pflege erholen", sagte er langsam. "Wenn ich nur wüßte, woher dieser Verlust der Zauberkraft rührt. So kann ich ihm nicht helfen", gestand er schließlich.
"Wir können nur hoffen, daß mit der Besserung seines Allgemeinzustandes auch die Blockade aufgehoben wird. Sie sind entlassen."

Minerva McGonagall, die stellvertretende Direktorin, winkte ungeduldig mit der Hand und erhob sich, damit man sie wahrnahm.

"Severus Snape wird sich in absehbarer Zeit nicht erholen", stellte sie fest. "Und selbst wenn ist er nicht in der Lage, seine Stunden wieder zu übernehmen. Pomona Sprout kann nicht weiterhin ein Fach unterrichten, für das sie nicht ausgebildet ist. Es sollte nach einer Vertretung gesucht werden, die" -

"Ich stelle vorerst keine andere Person für den Posten ein", fiel ihr Dumbledore ungewohnt heftig ins Wort. "Wenn Professor Sprout nicht mit dem Zaubertrankunterricht zurechtkommt, muß ich ihn notfalls selbst übernehmen. Hat sich Professor Sinistra etwa auch beschwert?"

Die Lehrerin für Astronomie hatte Snapes Stelle als Slytherinhauslehrer übernommen.

McGonagall seufzte. Das Gespräch nahm eine ganz und gar nicht erwünschte Wendung.
"Es hat sich niemand beschwert", stellte sie klar, obwohl Sinistra nicht gerade das Vertrauen des Hauses Slytherin genoß. Aber der Respekt und die Hingabe, mit der sie Professor Snape zu Füßen gelegen hatten, ließen sich auch nicht so einfach kopieren.
"Ich wollte nur" -

"Dann gibt es ja nichts zu diskutieren." Für Dumbledore war die Unterredung beendet.

Remus Lupin schüttelte zutiefst besorgt den Kopf, als er Madam Pomfrey in den Krankenflügel folgte.
Albus Dumbledore mochte ein überaus weiser Mann sein, aber dieses Mal, war Lupin überzeugt, verkannte er den Ernst der Lage. Sicher, er wollte Snape Loyalität beweisen, indem er weiter vorgab, alles sei halb so schlimm, aber der Tränkemeister befand sich sowohl physisch als auch psychisch bedrohlich nahe am Abgrund.

Er zog sich einen Stuhl heran und nahm am Bett des Kranken Platz.

xoxoxox

Severus Snape erwachte ohne jedes Zeitgefühl mit einem brennenden Schmerz im linken Unterarm.
Er benötigte nur Sekunden, um zu begreifen, was das bedeutete...

Und nun freue ich mich zunächst einmal auf Eure Meinungen! ;-)


 

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