Tortur

 

 

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Kapitel 6: Die Aufgabe


Er benötigte nur Sekunden, um zu begreifen, was das bedeutete. Ausnahmsweise erwies sich die Anwesenheit des Werwolfes an seinem Bett als nützlich.

"Lupin", er kämpfte sich mühevoll in eine sitzende Position, "wenn du mir den Kräftigungstrank mit Besenginster aufrufen könntest..."
Wie verabscheute er es, um etwas zu bitten, aber der Anlaß erlaubte keine Animositäten, auch nicht mit Remus Lupin.

Der Werwolf schickte bereitwillig ein "Accio Roborans Cytisi" los (Snape wölbte eine Braue, überrascht, daß Lupin überhaupt wußte, wovon er gesprochen hatte; im Unterricht war er früher nicht gerade durch Höchstleistungen aufgefallen, was seinem Ansehen sowohl bei ihrem damaligen Professor als auch bei Snape selbst nicht zuträglich gewesen war.) , bevor es ihm wie Schuppen von den Augen fiel. Dieser Kräftigungstrank zeichnete sich durch seine extreme Stärke aus. Er verlieh dem Anwender für eine gewisse Zeit die Fähigkeit, alle aktuellen Gebrechen zu überwinden, ließ ihn jedoch nach Abklingen der Wirkung in einem Zustand tiefster Erschöpfung zurück. Für Snape grenzte die Einnahme an Wahnsinn, hatte er doch keine Reserven, auf deren Kosten der Trank wirken konnte.

"Moment mal, Severus", ereiferte er sich daher sofort, "das ist keine gute Idee. "Du solltest wirklich nicht" -

"ER ruft mich", zischte Snape ungeduldig, fing geschickt das heranschwebende Fläschchen und leerte es in einem Zug.
Die Magie des Stärkungstrankes gab ihm genug Kraft, die Beine über den Bettrand zu schwingen und aufzustehen.

"Meine Kleider, Lupin", befahl er aufgebracht und sah sich hektisch um. "Ich kann sie nicht selbst herzaubern, wenn du dich erinnern willst. - Wo ist Madam Pomfrey? Ich muß diese Infusion loswerden."

Ohne auf eine Antwort zu warten, riß er den Tropf kurzerhand selbst heraus, Schmerzen und Blut ignorierend.
Den entsetzten Remus Lupin stieß er unsanft zur Seite, schnappte sich reflexartig den Zauberstab und ließ ihn in den Weiten seiner Robe verschwinden.

Gewandet in den schwarzen Stoff wirkte Snape noch fragiler und elender als im Nachthemd. Sein bleiches, eingefallenes Gesicht hob sich scharf vom Dunkel der Kleidung und seines Haares ab, und um die Augen, in denen ein fiebriges Licht glomm, lagen violette Schatten.

"Severus, du kannst nicht gehen. Voldemort wird dich umbringen, weil er glaubt, du hättest während der Haft etwas verraten."

Snape lachte freudlos auf. "Du weißt nichts, Lupin", sagte er verächtlich. "Ich muß gehen, um meine Position in den Todesserreihen zu wahren. Aus dem Weg!"

Er wollte ihn schon mit dem Zauberstab bedrohen, um dem Befehl Nachdruck zu verleihen, als ihn die Erkenntnis wie ein Klatscher traf.
Er konnte nicht zaubern und demzufolge auch nicht apparieren. Wie sollte er also an den vom Dunklen Lord bestimmten Ort gelangen?
Snape fuhr herum; ein wildes Feuer loderte in seinen schwarzen Augen.

"Lupin", kommandierte er, zu allem entschlossen, "du wirst uns apparieren. Sobald wir angekommen sind, verhältst du dich absolut still, egal was du siehst. Bereit?"

"Auf keinen Fall", widersprach der Angeredete empört. "Das ist verrückt. Er wird dich mit Sicherheit" -

"Verdammt noch mal, Lupin!" fluchte Snape; ohnmächtige Wut hatte sein bleiches Gesicht gerötet. "Willst du, daß ich dich auf Knien bitte? Es bleibt keine Zeit, ich brauche deine Hilfe!"
Er packte den anderen am Aufschlag seiner schäbigen Strickjacke und funkelte ihn haßerfüllt an, aber hinter der Fassade aus Zorn und Rage erkannte Lupin eine Verzweiflung, die ihn zutiefst rührte. Was mußte es Snape gekostet haben, ihn um Hilfe zu ersuchen.

Er machte sich los und fragte versöhnlich: "Wohin müssen wir?"

Ungefragt etablierte Snape eine mentale Verbindung zu Lupin, der vor Schreck zurücktaumelte über die fremde Präsenz in seinem Bewußtsein. "Laß dich von mir leiten", beschwor er ihn ungeduldig. "Ich kenne den Ort selbst nicht. Eigentlich...", er zögerte kurz, "leitet uns das Mal."
Lupin stöhnte theatralisch.

Sie apparierten am Rande einer baumumstandenen Lichtung. Lupin tat, wie ihm geheißen und versteckte sich im Gebüsch, wo er dank seiner farblosen, abgerissenen Kleidung mit der Umgebung verschmolz, während Snape mit festem Schritt auf das Zentrum der Lichtung zuhielt.

Aus seinem Versteck konnte Lupin einen mächtigen Felsblock ausmachen, der sich bei Snapes Näherkommen in einen Thron verwandelte.
Snape verneigte sich tief, eine Geste, die bei einem so stolzen Mann wie ihm kaum ungewöhnlicher sein konnte.

"Auf die Knie!" donnerte eine Lupin unbekannte, mächtige Stimme.
Aus dem Thron erhob sich der Dunkle Lord. Gekleidet war er ganz in schwarze Roben aus einem duftigen Material, die Rauchschwaden ähnelten, wenn er sich bewegte, und seine schlangenähnlichen Pupillen glühten in einem unheimlichen Rot.

"Du bist also dem Ministerium entkommen", stellte er fest und umtänzelte den knienden Tränkemeister auf lautlosen Sohlen.

"Man hat mich freigelassen, Mylord", sagte Snape wahrheitsgetreu.
Gewohnheitsmäßig hatte er sein Bewußtsein verschlossen und hielt nur einige ausgewählte Gedanken bereit, die er Voldemort zeigen würde, sollte dieser versuchen, in seinen Geist einzudringen. Bei früheren Anlässen hatte sich dieses Vorgehen durchaus bewährt.

"Was war der Preis?" Der Dunkle Lord packte unerwartet Snapes langes Haar und riß seinen Kopf brutal in den Nacken.
Snape unterdrückte einen Schmerzenslaut.
"Das Ministerium hat eingesehen, daß keine Beweise gegen mich gibt", preßte er aus seiner gequetschten Kehle.

"Ich glaube dir nicht", schnurrte Voldemort und ließ einen langen Finger spielerisch an Snapes Kinnlinie entlanggleiten, so daß es den Tränkemeister eiskalt überlief.

Auch Lupin schauderte in seinem Versteck. Hatte er jemals wissen wollen, was Snape als Spion des Phönixordens immer wieder auf sich nahm? Natürlich nicht. Wieviel einfacher war es, seinen Bericht zu hören und ihn anschließend sofort gehen zu sehen, damit seine dunkle Erscheinung nicht wie eine einzige Anklage mitten unter ihnen saß.

"Wie hat Dumbledore deine Rückkehr aufgenommen?" fragte Voldemort kalt. "Glaubt er nicht, du hast sein Vertrauen schändlich mißbraucht?"

"Dumbledore sieht immer das Gute im Menschen", quetschte Snape durch die Zähne und hoffte inständig, er würde damit alles erklärt haben.

"Das tut er allerdings, der alte Narr", bestätigte der Dunkle Lord und lachte in sich hinein.
"Und ich soll dir glauben, daß du in seinen Reihen weiter für uns spionieren kannst, als sei nie etwas vorgefallen?" brüllte er in jäh entfesselter Wut.

Voldemort ließ Snapes Haar los und wirbelte blitzartig herum, den Zauberstab wie eine Waffe auf ihn gerichtet.
"Crucio!"

Snape krümmte sich unter irren Schmerzen und wand sich schreiend auf dem regenfeuchten Waldboden.
Er hatte bei allen früheren Angriffen versucht, dem Folterfluch Widerstand entgegenzusetzen, jedesmal vergebens.
Man verlor nicht nur die Kontrolle über den Körper, sondern auch komplett über den Geist und war den grausamen Schmerzen wehrlos ausgeliefert. Und man gewöhnte sich nicht daran. Die Marter war bei jedem neuen Mal mindestens ebenso furchtbar, wenn nicht sogar schlimmer.

"Steh auf!" herrschte ihn Voldemort an, sofort nachdem er den Fluch gelöst hatte.

Snape war schweißgebadet. Seine Muskeln krampften in der Nachwirkung des Banns, und er spuckte Blut, als er sich auf die Beine quälte.

"Ich habe eine Aufgabe für dich", verkündete der Dunkle Lord ungerührt.

Er musterte seinen schwankenden Gefolgsmann aufmerksam, und plötzlich spiegelte sich unverhohlene Neugierde in seinen schlangenartigen Gesichtszügen.

"Sag mir, Severus, geht es dir gut?"

Vermutete Snape im ersten Moment noch Hohn hinter der Frage in Anbetracht der Tatsache, daß er sich kaum aufrecht halten konnte, so erkannte er rasch, daß Voldemort etwas von seinem Problem ahnte und darauf anspielte. Aber, schoß es ihm durch den Kopf, wenn er ihn rufen und er den Ruf empfangen konnte, schien noch nicht alles verloren.
Ungeachtet dessen befand er sich in höchster Gefahr, denn fand der Dunkle Lord heraus, daß er seine Zauberkräfte eingebüßt hatte, würde er ihn töten, dessen war sich Snape sicher.

"Noch etwas schwach, Mylord, aber sonst könnte es nicht besser sein", log er, seinen Geist fest verschlossen und verabscheute sich für soviel nichtswürdige Unterwürfigkeit.
Bald würde er auf derselben Stufe mit Wurmschwanz stehen, dieser verräterischen, feigen Kreatur, die sich bei der kleinsten Gefahr sicherheitshalber in eine Ratte verwandelte. 'Eine passende Tierform', schoß es ihm verächtlich durch den Kopf. Manche hatte es einfach nicht verdient, Animagi zu sein.

"Ihr erwähntet eine Aufgabe, Mylord", erinnerte er Voldemort etwas zu eifrig.

Die Wirkung des Stärkungstrankes begann nachzulassen. Snape fühlte sich übel und schwindelig.
Aufrecht zu stehen kostete wertvolle Kraft.

"Ich benötige einen Trank, der mir die Werwölfe gefügig macht", informierte ihn Voldemort. "Ähnlich dem Wolfsbann, nur sollen sie trotz ihrer Verwandlung ihre Mordlust behalten und dabei aber weder über sich selbst noch über unsere anderen Gefolgsleute herfallen. Wieviel Zeit wirst du brauchen?"

Snape war immer noch damit beschäftigt, den ersten Teil zu verarbeiten. Ganz offensichtlich hatte Voldemort schon im weiteren Umfeld nach potentiellen Verbündeten Ausschau gehalten und war dabei auf die Bande der Werwölfe um vermutlich Fenrir Greyback gestoßen, eine wilde Horde, die nicht einmal der Dunkle Lord persönlich ohne fremde Hilfe unter Kontrolle bekam.
Wieviel Zeit er brauchen würde? Schon der Wolfsbanntrank, den er regelmäßig für Remus Lupin gebraut hatte, um ihm die Transformationen zu erleichtern, war extrem komplex und ließ sich nicht eben so herstellen. Dennoch - eine verhängnisvolle Frage, die nur dazu diente, sich selbst eine Falle zu stellen. Keine Antwort würde je die richtige sein.
Wenn ihm nur nicht so übel wäre. Snape verlagerte das Gewicht ein wenig. Schweiß rann ihm unangenehm kalt den Rücken entlang. Es erschien ihm ausgeschlossen, daß Voldemort sein erbärmlicher Zustand nicht verborgen blieb.

"In zwei Wochen erwarte ich Ergebnisse", sagte der Dunkle Lord, ohne Snapes Antwort abgewartet zu haben.
"Du kannst gehen."

Es war, als habe er schlagartig das Interesse an seiner Beute verloren.

Snape verbeugte sich, soweit es sein geschundener Körper zuließ. "Mylord."

Remus Lupin brachte es nur durch extreme Willensstärke fertig, nicht aus dem Gebüsch zu springen, das ihn verbarg, als sich die hagere Gestalt Severus Snapes quälend langsam in seine Richtung schleppte.
Voldemort beobachtete ihn aufmerksam aus blutroten Pupillen, aber nachdem er nichts Verdächtiges ausmachen konnte, nahm der Thron seine vorherige Gestalt als Felsblock wieder an, und wäre da nicht der Verletzte gewesen, hätte sich Lupin gefragt, ob dies alles nicht nur ein Traum gewesen war.

Snape hatte keine Vorstellung davon, wie er den Rest des Weges bewältigen sollte. Die Wirkung des Stärkungstrankes war fast vollständig abgeklungen, seine Glieder schwer wie Blei.
Der Wald verschwamm immer wieder vor seinen Augen; orientierungslos stolperte er auf Lupins Versteck zu, aber noch bevor ihn der Werwolf auffangen konnte, gaben seine Muskeln nach, und er fiel keuchend auf die Knie.

"Severus", hörte er Lupin fragen, "kannst du dich an mir festhalten?"

Snape nickte kaum merklich; vergessen der Vorsatz, auf keinen Fall noch einmal vor ihm Schwäche zu zeigen, doch seine überreizten Nerven leiteten die Signale völlig erratisch an die Muskeln weiter, so daß ihn ein unwillkürliches Zittern durchlief, als er die Arme ausstrecken wollte. Mit zusammengebissenen Zähnen unternahm er einen zweiten Versuch, doch erst der dritte gelang. Mittlerweile fühlte er sich so grauenvoll, daß er überhaupt keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte.
Er spürte kaum, wie Lupin die Gelegenheit nutzte, sie zurück vor die Tore von Hogwarts zu apparieren.

Für einen irren Moment erlangte Snape das volle Bewußtsein zurück, als ihn ein Schwebezauber in die Waagerechte brachte; er protestierte, er könne allein gehen, bis ihm davon so schlecht wurde, daß er von jeglichen weiteren Diskussionen Abstand nahm.

Einzelne Worte und Satzfetzen ("Unverantwortlich! ...einfach rausgerissen...") von Madam Pomfreys Tirade drangen durch das wogende Meer aus flirrenden Punkten, in dem er schwamm, aber ihr Sinn blieb ihm verborgen. Zeit wurde bedeutungslos, als dichte Schwärze die wilden Wasser glättete und ihn mit sich fortnahm.


 

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