leben- Teil 2

 

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Teil 2



Meine Gedanken schweifen ab. Sie fliegen durch die Mauern dieser Schule, durch den Verbotenen Wald und dann hoch, immer höher..

Zwanghaft reiße ich sie zurück. Hiergeblieben, du alter Bastard. Jetzt stehst du stramm, für dein ganzes Leben, für all deine Fehler, die du begangen hast.



***




Es ist das erste Mal, dass er zum Direktor gerufen wird. Es wird nicht das letzte Mal sein. Aber das weiß er noch nicht. Sein Arm, den Professor McGonagall umklammert, um ihn an der Flucht zu hindern, schmerzt immer mehr. Zwanghaft versucht er, nicht daran zu denken. Sei stolz, hämmert er sich ein. Du bist ein Snape, und ein Slytherin. Wenn du jetzt heulst, du elendes Würstchen... Immer dieselben Gedanken. Den ganzen Weg durch das Schloss, am Wasserspeier vorbei - das Passwort lautet "Zitronenstangen" , das sollte man sich merken - und die Treppe hinauf. Dann steht er vor dem großen Schreibtisch des Direktors. Der schaut ihn an, schweigend, und wendet sich dann an die Professorin. "Nun, was ist geschehen?"

McGonagall schnappt erst mal nach Luft, dann braust sie auf. "Er hat in einem Streit mit einem meiner Schüler einen Fluch ausgesprochen. Dann ist er einfach gegangen und hat sich geweigert, den Fluch rückgängig zu machen."

Dumbledore mustert den für sein Alter zu großen und zu schlanken Jungen. Er steht kerzengrade da, mit einer Miene, aus der man absolut nichts lesen kann. Das ist ungewöhnlich, schließlich ist er erst 14 Jahre alt. Aber das reicht, um aus Severus einen absolut kalten Menschen zu machen. "Danke, Minerva. Ich werde mich mit ihm unterhalten. Bitte sieh auf der Krankenstation nach dem Jungen."

Damit ist die Professorin entlassen und Severus bleibt allein vor dem großen Schreibtisch zurück. Ihm ist nicht ganz wohl bei dem Gedanken an die Strafe. Bis jetzt hat er es immer geschafft, ungeschoren davonzukommen, und ein Unschuldslämmchen war er noch nie. Im Gegenteil. Die meisten Kämpfe zwischen Slytherin und Gryffindor gehen auf sein Konto. Aber er ist nie aktiv verwickelt. Sich zu prügeln steht unter seiner Würde. Er ist das Gehirn der Aktionen. Er plant. Zieht seine Fäden. Ohne ihn wäre Slytherin verloren. Nun ja, Lucius würde vielleicht noch etwas ausrichten. Aber Severus ist besser. Und er weiß es. Sein Vater ist stolz auf ihn. Endlich.

"Setz dich, Severus."

Der Junge lässt sich in einen der Stühle gleiten, sitzt kerzengrade und steif da. Dumbledore seufzt. Sieht den Jungen an. Er weiß, dass dieser Junge noch lange sein persönliches Sorgenkind sein wird. Er kennt die Akte des Jungen. Ein guter Schüler, sehr intelligent, immer bemüht um gute Noten. Aber er hat einen Hang zur Grausamkeit, was sich bei der Familie nicht leugnen lässt. Er hat viele solche Schüler dieses Jahr. Das beste Beispiel ist Malfoy. Aber bei diesem Jungen ist noch nicht alles verloren. Er ist noch zu lebendig, um hinter seiner Maske zu bleiben. Das merkt er, als der Junge verstohlen seinen Arm reibt. "Nun ja. Du weißt, das du diesen Fluch nicht hättest aussprechen dürfen. Warum hast du das getan?"

Severus überlegt. Eine Wahrheit muss her, und zwar schnell. Und sie muss echt wirken. "Ich war wütend auf ihn. Er hat sich über meinen Vater lustig gemacht." Das klingt gut. Nach Familienehre und ‚Ich musste meinen Papa verteidigen'. Natürlich stimmt es nicht. Er weiß selber nicht so genau, warum er das gemacht hat. Aber eins ist sicher - jetzt hält Lucius den Mund und wird ihn niemals wieder als schlechten Zauberer bezeichnen. Und der Junge hat sich wirklich über seinen Namen lustig gemacht. Das reicht, um ihn zu verfluchen. Dabei war es noch nicht einmal ein "unverzeihlicher", nein, nur ein ganz leichter Fluch. Er hat ihn bei seinem Vater gelernt. Dumbledores Augen durchbohren den Jungen geradezu. Schau ihm in die Augen, befiehlt Severus sich selbst. Dumbledore greift den Blick auf und erkennt darin, dass der Junge Angst vor sich selbst bekommen hat. Das ist gut.



***




Das erste Mal im Büro.., ein typischer Gryffindor Alptraum. Oh, bloß nicht zum Direktor. Für mich war das bald normal. In meinem letzten Jahr verbrachte ich sehr viel Zeit bei Dumbledore. Und danach? Danach auch. Jetzt auch. Manchmal glaube ich, dass ich niemals aus diesem Büro kommen werde. Dass ich im Geiste immer noch darin bin. Und irgendwann hatte Dumbledore es dann geschafft. Er hatte mich dazu gebracht, Angst vor mir selber zu haben.



***




"He, Snape!" Es ist Malfoy, der ihn am Ärmel zieht und in eine dunkle Ecke bugsiert.

"Was ist? Was willst du, Malfoy?" Sie sprechen sich immer nur mit dem Nachnamen an. Als hätten sie jetzt schon eine Vorahnung, wie sie später zueinander stehen werden. Dass sie einander hassen und fürchten werden.

"Was ist, machst du mit? Morgen Abend, verbotener Wald. Wir wollen mal sehen, wie wir ein paar der Gryffindors erschrecken können. Potter wird da sein, Black und Lupin auch." Ein diabolisches Grinsen liegt auf Malfoys Gesicht. "Und Neil. Der wird auch da sein."

Neil? Josh Neil? Der Siebtklässler, der angeblich diesem dunklen Zauberer, diesem Voldemort folgt? Das klingt gut. Das klingt sehr gut. Gehässig zieht Snape die Augenbrauen nach oben. "Ich bin da." Dann verschwinden sie einzeln in den Gang. In fünf Minuten müssen sie zu den Kerkern. Zaubertränke. Sein persönliches Lieblingsfach. Wenn es nach ihm ginge, könnte er den ganzen Tag in einem Kessel rühren und Tränke brauen. Er hat Begabung, soviel, dass er weit über dem Stand der restlichen Klasse ist. Und er ist besser als Malfoy. Das ist besonders wichtig. Der Lehrer schlurft durch den Gang und dreht sich zur Klasse um. Der Junge stöhnt in seinen Umhang. Der Mann hat keine Ahnung, von gar nichts, soviel ist sich der Junge sicher. Aber das hat sonst wohl keiner bemerkt. Er schreibt das heutige Rezept von der Tafel ab und widmet sich dem Trank. In sich versunken verschwimmt die ganze Welt, während er rührt, zerhackt und vermischt. Es ist ein leichter Trank, ein sehr leichter. Aber er hat gelesen, dass er die Basis zu etwas ist, mit dem er Potter einen Streich spielen wird. In sich hineingrinsend kramt er in seinem Umhang und zieht zwei kleine Phiolen heraus. Zum Glück kann er das Schülerlabor benutzen, sonst würde das heute nichts mehr werden. Er schüttet sie in den Basistrank, verändert die Temperatur des Feuers unter dem Kessel und spielt ein bisschen mit der Konsistenz des Trankes. Er muss königsblau werden. Wie Tinte. Er lächelt. Nachdem die Stunde beendet ist zieht er einen anderen Slytherin in sein Vertrauen. Sie tuscheln kurz, dann rennt der andere Junge los. Sie haben jetzt Wahrsagen. Unwichtig. Nur zehn Minuten später kommt der Junge wieder. In der Hand ein kleines Tintenfass, mit der üblichen königsblauen Tinte darin. Auf der Unterseite steht "James Potter". Ein Schülertintenfass, wie es Hunderte gibt. Sein eigenes sieht genauso aus. Schnell verschwindet der Junge auf der Toilette, schüttet die Tinte in den Ausguss und gibt das königsblaue Gebräu aus der Phiole hinein. Dann stellt er sich auf den Flur und wartet. Als eine Schar Gryffindors an ihm vorbeikommt, entdeckt er Lupin in der Masse. Er rennt durch den Haufen, rempelt Lupin an, schreit ein "He, du Idiot, du bist wohl zu blöd zum Laufen!" und verschwindet blitzschnell. Das wäre geschafft. Die letzte Stunde ist vorbei, bis morgen wird Potter nichts mehr schreiben. Er weiß, dass die Hausaufgaben mit einer anderen Tinte erledigt werden müssen. Morgen allerdings schreiben sie in der ersten Stunde einen Test. Er ist heiter über seinen Triumph.

Am nächsten Morgen sitzt er genauso müde wie immer im Unterricht. Er hat keine Angst vor Tests. Schon gar nicht im Fach "Verteidigung gegen die dunklen Künste". Er kann das alles. Aber nur, weil er auch die entsprechenden Flüche kann. Während der letzten Sommerferien war sein Vater von der Idee eingenommen, aus seinem Sohn einen dunklen Magier zu machen und hat ihn bei einem "Freund" in die Lehre gegeben. Sechs Wochen lang hat der Junge gelernt, unter Schmerzen. Aber jetzt ist er gut. Er ist sehr gut. Er setzt sich auf seinen Platz - neben Malfoy - und versucht, sein Glück über den baldigen Sieg zu verbergen. Es scheint ihm zu gelingen. Als alle Schüler sitzen, springt Lupin auf und geht zu Potter. "He, James, warum hab ich dein Tintenfass?"

Potter schaut auf. "Hach, da ist es. Ich hab schon Panik bekommen. Danke, Remus!"

Severus kichert. Bald wird Potter noch mehr Panik bekommen.. Black wirft einen giftigen Blick zu ihm, aber Severus kontert ihn. Gelernt ist gelernt..



***




Noch heute könnte ich bei dem Gedanken an diesen Streich lachen. Die Folgen daraus waren nicht ganz so erfreulich. Aber immerhin - ich wurde nie entdeckt. Das heißt, ich bin mir sicher, dass Dumbledore ganz genau wusste, dass ich es war. Wer hätte sonst so etwas zustande gebracht? Aber solange ich Schüler war, hat er es ungeahndet gelassen - was ich ihm hoch anrechne. Das diese Geschichte der Auftakt zu einem regelrechten Krieg zwischen uns war, habe ich geahnt. Aber ich wollte es so. Das ganze endete dann in dem Drama mit der Weide. Immerhin war danach Schluss. Aber es war lustig, sich immer neue Gemeinheiten ausdenken zu können. Ich wurde immer besser, immer perfekter. Der perfekte Mord, so könnte man das nennen. Hätte es auch nur ein Jahr länger gedauert, sicherlich wäre einer von uns diesem Krieg zum Opfer gefallen. Aber es hörte auf und andere Opfer traten an die Stelle der Gryffindors. Wesentlich unschuldigere. Diese Opfer, die mich mein Leben lang verfolgen werden. Ich habe den Traum, dass ich, wenn ich endlich tot bin, an ihnen vorbei gehen muss, an jedem einzelnen. Jeder einzelne wird mir ins Gesicht schauen. Dann kann ich endlich aufhören, für meine Sünden zu büßen. Denn diese Strafe werde ich wohl ewig mit mir tragen. Und das wäre nur gerecht.


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