Gefangen

 

 

Zurück

 

Zurück zur
Startseite


 

Kapitel 14: Horror und Hoffnung

 




"Albus, Sie können die Entscheidung nicht länger auf die lange Bank schieben. Seit Doktor Hippocampus hier war, hat sich Severus' Zustand nicht im geringsten gebessert, und das war vor über zwei Wochen", drängte Madame Pomfrey wieder einmal, und dieses Mal würde sie nicht locker lassen.

"Ich weiß, Poppy. Aber ich kann einfach ..."

"Es gibt keine andere Möglichkeit, Albus. Schauen Sie sich doch nur mal im Spiegel an. Sie sind von den vielen Nächten an seinem Bett schon fast genauso bleich wie der arme Junge. Wir können es nicht zulassen, dass Sie auch noch krank werden. Und, so ungern ich es auch sage, aber Sie sollten sich langsam nach einem neuen Lehrer für Zaubertränke umsehen. Dank Severus' strengem und forderndem Lehrstils waren die Schüler dem offiziellen Lehrplan um einiges voraus, aber wenn der Unterricht nicht bald wieder aufgenommen wird, wie sollen die Kinder dann im Sommer ihre Abschlussprüfungen bestehen?"

Durch ein leises Pochen an der Tür wurde Albus einer unmittelbaren Antwort enthoben. "Ja bitte?" Die Tür öffnete sich und der blonde Schopf von Draco Malfoy schaute in das Zimmer.

"Madame Pomfrey, ich glaube, Hermine und ich haben etwas gefunden, das Professor Snape helfen könnte ..."

"Warum kommen Sie und Miss Granger dann nicht herein, so dass wir mit dem Direktor darüber sprechen können?", sagte die Medihexe mit müder Stimme. Was konnten die Kinder schon gefunden haben? Es gab keine Therapie für Cruciatus-induzierten Wahnsinn. Das Ärzteteam in St. Mungos hatte seit Jahren ausgiebig auf diesem Gebiet geforscht, aber ohne Erfolg. Aber immerhin war es ermutigend, zwei junge Menschen dabei zu beobachten, wie sie so viele Stunden in der Bibliothek verbrachten, um ihrem Lehrer zu helfen. Schwach lächelte sie den beiden Schülern zu, die mit einer Zeitschrift und einigen Bögen Pergament mit Notizen in der Hand zu ihrem Schreibtisch gekommen waren. "Lassen Sie mal sehen, was Sie da haben."

"Es könnte doch nichts schaden es auszuprobieren, oder?", fragte Hermine, nachdem sie einem aufmerksam lauschenden Dumbledore und einer Medihexe, die skeptisch ihre Stirn in Falten legte, alles erklärt hatten. "Ich meine, schlimmer als es ohnehin schon ist, kann es doch kaum werden?" Als sowohl Pomfrey als auch der Direktor nachdenklich nickten, fuhr sie fort: "Wir müssten nur etwas finden, vor dem Professor Snape richtig Angst hat ..." Weder Draco noch sie hatten bisher eine vernünftige Idee gehabt. Sie konnten sich einfach nicht vorstellen, dass Snape überhaupt vor irgend etwas Angst hatte.

"Werwölfe", sagte der Direktor leise, "er hat Angst vor Werwölfen."

***



"Das kann nicht Ihr Ernst sein, ich meine ... Albus, ich glaube kaum, dass das eine gute Idee ist. Nicht, dass ich nicht bereit wäre, Severus zu helfen - ich wünschte wirklich, ich könnte das - aber ich habe noch nie von so einer Therapie gehört. Jemanden aus seinem Koma schocken? Das klingt mehr als dubios, wenn Sie mich fragen."

"Ich muss Ihnen zustimmen, Remus. Es klingt tatsächlich dubios, wenn nicht geradezu lachhaft. Aber es ist unsere letzte Hoffnung. Der nächste Vollmond ist in einer Woche, und obwohl der Wolfsbann-Trank von St. Mungos nicht ganz so effektiv ist wie der, den Severus immer gebraut hat, ist es nicht wirklich gefährlich. Wir müssen es wenigstens versuchen. Wir schulden es ihm."

"Und wenn er durch den Schock stirbt?"

"Dann werden wir ihn in Frieden gehen lassen ..."

***



Ich ducke mich kauere mich zusammen unablässig immer nie wird es eine Zeit geben wenn ich mich nicht vor Schmerz und Angst zusammenkauern werde das Kauern ist jetzt und der Schmerz die Angst es ist immer jetzt alles ist jetzt Tageslicht kommt durch die Ritzen in der Wand die Ratte wartet nicht bis ich schlafe der Geschmack von Tod ist in meinem Gesicht ich will um mich treten aber es ist zu eng dafür kauern immer kauern wenn ich mehr zu trinken hätte könnte ich Tränen machen den Geschmack von Tod will ich nicht trinken die Männer mit den Masken schwingen Stäbe des Schmerzes ich versuche meinen Körper hinter mir zu lassen es ist schwer immer und immer zu sterben du schläfst kurz und kommst dann zurück Stäbe des Schmerzes jemand zittert ich kann es fühlen er kämpft darum seinen Körper hinter sich zu lassen der ein kleiner zitternder Vogel ist bin ich es? hier ist kein Platz zum Zittern darum kann ich nicht sterben das ducken und kauern ist jetzt immer jetzt und die Schmerzen und die Angst ich höre eine Stimme Seine Stimme aber die lauten Wolken sind im Weg ich bin nicht groß er kann mich nicht hören ich falle wie der Regen ich ducke mich damit ich nicht mit dem Regen falle ich werde in Stücken sein sie haben mir mein Gesicht genommen die Männer mit den Masken habe es gestohlen hier ist niemand der mir meinen Namen sagen kann ich warte ich warte auf Seine Stimme Nacht und Tag vergehen wieder immer wieder Nacht Tag Nacht Tag Licht kommt durch die Ritzen ich warte die Luft ist schwer ich bin nicht tot sie drückt mich nieder es ist schwer zu atmen in dem engen Raum der Schmerz ist mit mir immer mit mir ich bin ein kleiner Vogel der vor Angst zittert sie haben mir meinen Namen genommen die Männer mit den Masken haben ihn genommen die Stimme kennt meinen Namen aber die Wolken sind im Weg immer und immer im Weg ...-

Ein Heulen ein schreckliches Heulen es schneidet durch die Wolken ich zittere das Heulen weckt Erinnerung es gab eine Zeit vor dem Kauern bevor die Wolken im Weg waren ein riesiger Baum im Vollmondlicht ein Tunnel es riecht nach Tod das Heulen durchsticht die Wolken ich zittere zittere vor Angst es durchsticht meine Ohren ein kleiner zitternder Vogel durchsticht meinen Verstand das Heulen kommt näher immer näher ich muss fliehen ich bin nicht groß ich kann durch die Ritzen fliegen durch die das Licht scheint das Heulen verschlingt das Licht ich muss fliegen weg weg es dringt durch die Ritzen zitternd vor Angst zitternd immer zitternd ein kleiner Vogel fliegen ich bin nicht tot das Heulen lässt mein Blut gefrieren tötet mich heulend zerreißen die Wolken ich werde ihn Stücke gehen wo ist die Stimme? das Heulen zerreißt mich ich bin in Stücken ich muss fliegen dahin fliegen wo die Stimme ist die Stimme die meinen Namen weiß wie heißt die Stimme? mein Kopf zerbricht ich breche durch die Wolken zitternd immer zitternd weg von dem Heulen Albus Albus heißt die Stimme fliehen fliegen weg weg nur weg das Heulen ...



In absolutem Horror flogen seine Augen auf.

Mit aller Kraft versuchte er von der riesigen grauen Bestie wegzukommen, die sich in dem halbdunklen Zimmer über ihn beugte. Eine Bestie mit gefletschten Zähnen und todbringenden Klauen. Das Monster aus seinen schlimmsten Kindheitsträumen. Das Ungeheuer aus der Heulenden Hütte. Schwer keuchend, mit wild rasendem Herz und im Schock unfähig auch nur einen Laut von sich zu geben oder seine sich vor Angst zusammenkrampfenden Lungen mit dem bitter nötigen Sauerstoff zu füllen, presste er seinen zitternden Körper gegen einen der oberen Bettpfosten, so weit weg von dem Monster wie möglich.

Plötzlich war die Bestie verschwunden. Er blinzelte. Dort, wo Sekunden zuvor der riesige Wolf gelauert hatte, stand jetzt ein alter Mann mit langem weißen Haar und Bart. Seine freundlichen blauen Augen blitzten über die halbmondförmige Brille hinweg. Der Mann sprach zu ihm. Er kannte die Stimme, seine Stimme.

"A-Albus?"

Es war kaum mehr als ein zittriges Wispern, aber das Herz des alten Zauberers machte vor Freude einen Satz. Er hatte seinen Namen gesagt. Die Schocktherapie hatte funktioniert.

"Albus, ja, das ist richtig. Mein Name ist Albus, mein lieber Junge", sagte Dumbledore zur Bestätigung und nahm die Hand des vor Panik zitternden Mannes in die seine. Als Severus begann, verzweifelt den Raum abzusuchen, seine Augen noch immer weit vor Schreck, drückte er ihn sanft an seine Brust, und strich ihm beruhigend über das schweißnasse Haar. "Der Wolf ist weg, Severus, du brauchst keine Angst mehr zu haben. Er ist weg. Niemand wird dir weh tun. Es war Remus, nur Remus. Erinnerst du dich an Remus? Er hat den Wolfsbann-Trank genommen. Er hätte dir nichts getan. Du bist hier in Sicherheit. Du brauchst keine Angst zu haben ..."

Langsam, sehr langsam löste sich die Anspannung, das Zittern wurde schwächer, und der dunkelhaarige Zauberer lehnte sich schlaff in die Umarmung des Direktors. Müde schloss er die Augen, während ein letztes Schaudern durch seinen Körper lief.

Nach einer Weile trat Madame Pomfrey zu den beiden ans Bett. Sie hatte die ganze Zeit in der Nähe gestanden um, falls nötig, einzugreifen.

"Albus, ich würde Severus jetzt gerne untersuchen, und dann sollte er schlafen. Er muss vollkommen erschöpft sein", sagte sie leise. Dumbledore nickte und ließ den kranken Zauberer sanft auf die Matratze gleiten, ohne jedoch seine Hand loszulassen. "Severus, erinnerst du dich an Poppy? Poppy Pomfrey, unsere Medihexe?" Der junge Mann blinzelte ein paar Mal und kämpfte sichtlich darum, deine Augen offen und fokussiert zu halten, dann nickte er schwach. Als die Medihexe jedoch ihren Zauberstab zog, zuckte er zusammen und fing erneut an zu zittern, aber nach weiteren sanften Worten des Direktors beruhigte er sich wieder, schloss die Augen und ließ Pomfrey ihren Zauberstab langsam über seine Stirn bewegen. Ab und an nickte die Medihexe, sagte aber nichts.

"Haben Sie Schmerzen, Severus?", fragte sie schließlich, als sie mit der Untersuchung fertig war.

"Mein Kopf", antwortete er heiser. Pomfrey nickte wieder, dann zog sie ein kleines Glasfläschchen aus ihrer Schürzentasche. Sie zählte fünf Tropfen einer honigfarbenen Flüssigkeit in das Glas Wasser, das auf dem Nachttisch stand, und hielt es ihrem Patienten an die Lippen.

"Hier, mein Lieber, trinken Sie das. Es hilft die Schmerzen lindern und wird Sie schlafen lassen. Wir passen auf Sie auf, während Sie sich ausruhen."

Noch bevor Severus den letzten Tropfen des Trankes heruntergeschluckt hatte, war er auch schon eingeschlafen.


***



"Poppy, was haben Sie bei der Untersuchung festgestellt?", fragte Dumbledore besorgt, als er mit Madame Pomfrey und Minerva McGonagall, die zurück in den Krankenflügel gekommen war, nachdem sie den zahmen Werwolf in das Gästezimmer gebracht hatte, im Büro der Medihexe bei einem Mitternachts-Tee und belegten Broten saß.

Severus hatte ihn erkannt, sich sogar an seinen Namen erinnert. Albus. Das war ein erstaunlicher Fortschritt, oder etwa nicht? Dumbledore wusste, dass dies nicht notwendigerweise bedeutete, dass sein junger Freund bereits geheilt war. Sehr wahrscheinlich war es noch ein weiter Weg bis zur vollständigen Genesung. Aber es war zumindest ein Anfang, und er würde diesen Weg nicht alleine gehen müssen. Endlich gab es Hoffnung ...

Pomfrey lächelte. "Doktor Hippocampus wird es schwerfallen dies zu glauben, wenn ich ihm meinen Bericht von den Ereignissen dieser Nacht schicke. Ich würde es selbst nicht glauben, hätte ich es nicht mit eigenen Augen gesehen. Soweit ich es beurteilen kann, sind Severus' Gehirnfunktionen wieder völlig normal, nur ist er ziemlich durcheinander und hat starke Kopfschmerzen. Symptome wie nach einer schweren Gehirnerschütterung. Wahrscheinlich wird er zunächst große Erinnerungslücken und Konzentrationsschwierigkeiten haben. Jedoch bin ich mir ziemlich sicher, dass er sich mit der Zeit, viel Ruhe und einer Menge Schlaf wieder ganz erholen wird. Natürlich ist da immer noch das Trauma der Gefangenschaft und der Verlust seines Arms, mit dem er fertig werden muss. Es wird nicht leicht werden, aber Severus ist einfach zu stur, um sich Depressionen hinzugeben, jedenfalls so lange er fühlt, dass er noch gebraucht wird."

"Dann werde ich dafür sorgen, dass er weiß, wie sehr wir auf ihn angewiesen sind, auch wenn seine Tage als Spion nun endgültig vorbei sein werden. Irgendwie finden wir sicher auch einen Weg, wie er trotz seiner Behinderung weiter unterrichten und Tränke brauen kann."

"Das werden wir, Albus, aber nicht mehr heute Nacht", unterbrach McGonagall und sandte dem Direktor einen ihrer strengen, gleichzeitig aber mütterlich besorgten Blicke zu, die keine Widerrede duldeten. "Sie sehen fix und fertig aus, wenn ich das so sagen darf, und ich fühle mich auch nicht mehr gerade taufrisch. Zeit ins Bett zu gehen. Poppy wird uns sicher benachrichtigen, sobald Severus aufwacht."

Resolut nahm die gestrenge Lehrerin für Verwandlung den Direktor beim Arm und führte ihn aus dem Krankenflügel hinaus.


 

Kapitel 13

Epilog

 

Zurück