Gefangen

 

 

Zurück

 

Zurück zur
Startseite


 

Epilog

 



"Ich habe eine Mitteilung zu machen." Professor Dumbledores Stimme schallte freudig durch die Große Halle, freudiger als man ihn seit Wochen hatte sprechen hören. "Professor Snape ist auf dem besten Wege, sich von den schweren Verletzungen zu erholen, die Voldemort und seine Anhänger ihm zugefügt haben." Bei der Erwähnung des gefürchteten Namens lief ein Schaudern durch die Menge der versammelten Schüler. Der Direktor hatte nie offiziell erklärt, was mit ihrem Lehrer für Zaubertränke geschehen war, und die wildesten Gerüchte hatten in Hogwarts die Runde gemacht. Es war also wahr, dass der finstere Professor kein Schwarzmagier und Anhänger von Du-Weißt-Schon-Wer war, wie so viele vermutet hatten. Er hatte gegen das Monster gekämpft, und wie es aussah, hatte er dafür bezahlt. "Ich freue mich, euch ankündigen zu können, dass er höchst wahrscheinlich nach den Osterferien wieder unterrichten wird", fuhr der Direktor fort, "und erwarte von euch, dass ihr ihn so warm willkommen heißt, wie es ein treuer Kämpfer auf der Seite des Lichts verdient."

Dumbledore setzte sich wieder, wobei er das aufgeregte Gemurmel und Geschnatter der ihm anvertrauten Schüler ignorierte. Severus hatte schon immer eine Art morbiden Vergnügens an den Gerüchten gefunden, die sich über die Jahre um seine Person gerankt hatten; das langlebigste davon war die Vermutung, er sei in Wahrheit ein Vampir. Deshalb würde er die wilden Spekulationen der Schüler bestimmt nicht stoppen. Alles, was dazu dienen konnte den rekonvaleszenten jungen Zauberer aufzuheitern, war momentan mehr als willkommen. Severus war jetzt schon seit einigen Wochen im Hauptquartier des Ordens untergebracht, zusammen mit Remus Lupin, so dass er sich keine Gedanken über neugierige Schüler machen musste, die ihren gefürchteten Zaubertränkelehrer bei seinen ersten unsicheren Schritten auf dem Weg zur Genesung beobachten könnten. Die meisten seiner Erinnerungen waren inzwischen zurückgekehrt, gute sowie weniger gute, und bedauerlicherweise überwogen bei weitem die letzteren, besonders in den Alpträumen, die ihn regelmäßig heimsuchten. Dumbledore war froh darüber, dass Remus und Severus scheinbar besser miteinander auskamen, als er zu hoffen gewagt hatte, obwohl dies auch nur ein Zeichen dafür sein konnte, dass der Slytherin noch nicht wirklich sein altes, sarkastisches Selbst war, und das war eher beunruhigend. Andererseits bestand - ohne James und Sirius - vielleicht tatsächlich die Möglichkeit, dass die beiden früheren Gegner schlussendlich doch noch Freunde wurden, wer weiß?

Um den Mann von seinen belastenden Erinnerungen abzulenken, hatten sie ein nettes kleines Zaubertränke-Laboratorium in einem der uralten, bedenklich an Kerker erinnernden Kellerräume eingerichtet. So wie Dumbledore die Familie Black kannte, hatten die Räume früher wahrscheinlich genau diesem Zweck gedient. Severus konnte noch nicht längere Zeit am Stück brauen, da seine Knie unweigerlich anfangen würden zu schmerzen und ein erneuter Migräneanfall unabwendbar war, wenn er sich überanstrengte. Komplizierte Gebräue wie der Wolfsbann-Trank kamen daher noch immer nicht in Frage. Dennoch kam er mit Hilfe einiger nützlicher Zaubersprüche, die Filius Flitwick ihm gezeigt hatte, und den hingebungsvollen Diensten einer Hauselfe namens Winky soweit schon erstaunlich gut zurecht. Gut genug, um hoffentlich in einigen Wochen wieder unterrichten zu können. Im Gegensatz zu dem, was so manche Schüler denken mochten, hatte Severus eine gute Hand mit Hauselfen, wenigstens so lange sie nicht zu viel sprachen und nicht versuchten ihn zu bemuttern. Dies war unter den Hauselfen in Hogwarts wohlbekannt, und Gewöhnlicherweise respektierten sie die Eigenheiten des Tränkelehrers. Die kleine Winky war absolut hinreißend in ihrem winzigen Laborkittel und den Schutzhandschuhen - ihrer speziellen Arbeitsausrüstung, nicht Kleidung, oh nein! - und sie hatte schnell gelernt, wie man geschickt Zutaten schnitt und vorbereitete, Glasgefäße, Messer und Kessel reinigte und die Vorräte an Zutaten in Ordnung hielt. Sie war so beschäftigt und stolz darauf, die persönliche Hauselfe des Tränkemeisters zu sein, dass sie das Butterbier-Trinken völlig aufgegeben hatte. Ein weiterer positiver Effekt dieses Arrangements. Ironischerweise befand sich Severus ansonsten in ziemlich der gleichen Situation wie ein gewisser Sirius Black im letzten Jahr, eingeschlossen im Hauptquartier und nicht in der Lage viel mehr für den Orden zu tun als Ratschläge zu erteilen, und er ertrug es auch nicht viel besser als der Animagus. Geduld war noch nie eine der hervorstechenden Charaktereigenschaften von Severus gewesen, außer, wenn er es mit komplizierten Zaubertränken zu tun hatte, und Dumbledore wusste, dass der Mann sein Leben darum geben würde, sofort auf die Todesser losgehen und sich an ihnen rächen zu können. Jedoch war der Slytherin vernünftiger und gerissener als der verstorbene Gryffindor, jedenfalls wenn er nicht gerade einen seiner berüchtigten Wutanfälle hatte, und deshalb würde er sich widerwillig damit abfinden zu warten und im Geheimen auf die Möglichkeit hinzuarbeiten, eines Tages Voldemort und seine Todesser endgültig zu vernichten. Auf diese Art jagten alle Schlangen, und dieser Gedanke würde ihn sicher aufrecht erhalten. Wenigstens für eine Weile.

***



Die Tür des Klassenzimmers öffnete sich mit dem charakteristischen Knall, und herein kam mit wehendem schwarzen Umhang der Meister der Zaubertränke. Er sah hager und blass aus, sogar für seine Verhältnisse, und seinem Gang fehlte die übliche Spannkraft, jedoch war der vernichtende Todesblick, den der Professor Neville Longbottom zuwarf, als er seine Flasche mit verdünntem Bundimun-Sekret umstieß, zweifelsohne ganz der alte Snape. Erstaunlicherweise zuckte Neville unter dem Blick nicht wie sonst zusammen, sondern lächelte seinen Lehrer entschuldigend an, während er die verschüttete Flüssigkeit aufwischte, die sich langsam durch die Tischplatte ätzte. Der Junge war dieser Tage viel zu glücklich, um sich durch einen strafenden Blick beeindrucken zu lassen. Nach fünfzehn Jahren in der geschlossenen Abteilung von St. Mungos und zur großen Überraschung aller, einschließlich der Heiler und besonders von Dr. Hippocampus, ging es seinen Eltern endlich besser. Eine riesige Acromantula hatte seinem Vater geholfen, und seine Mutter war von einem echten, aber wohlgenährten Vampir aus ihrem Wahnsinn geschockt worden. Es hatte einige Zeit gebraucht, bis sie sich an den Gedanken gewöhnt hatten, dass ihr kleines Baby inzwischen ein junger Mann war und dass sie fünfzehn Jahre ihres Lebens verpasst hatten. Aber bald würden sie St. Mungos verlassen können und endlich eine normale Familie sein. Nevilles Lächeln vertiefte sich bei der warmen Erinnerung daran, wie sich seine Mutter plötzlich an seinen Namen erinnert hatte. Nein, eine kleine Ermahnung von Snape konnte sein neu gefundenes Glück nicht trüben. Außerdem verdankte er die Heilung seiner Eltern ja in gewisser Weise seinem gefürchteten Lehrer für Zaubertränke.

Eine für die Schüler eher angenehme Veränderung des Unterrichts war, dass Snape nicht mehr ständig mit beißender Kritik und Beleidigungen um sich werfend über den brauenden Teenagern hing und ihnen wie eine furchterregende, übergroße Fledermaus im Nacken saß, sondern die Doppelstunde überwiegend in seinem Stuhl oder an seinen Schreibtisch gelehnt verbrachte. In letzterer Haltung sah er jetzt, wo er seine Arme nicht mehr vor der Brust verschränken konnte, eher unbeholfen aus, da er nicht zu wissen schien, was er mit seiner rechten Hand anfangen sollte ... Nichtsdestotrotz entging nichts, nicht einmal der kleinste Fehler oder die kürzeste Unaufmerksamkeit, seinem prüfenden Blick.

Als Snape Gryffindor zehn Punkte abzog, weil Harry das Drachenblut vor der pulverisierten Saponaria in seinen Kraftreiniger gegeben und dadurch eine Explosion klebrig-grüner Substanz verursacht hatte, die überschäumte und einen Gestank verbreitete, der unheilverkündend an Trolldung erinnerte, starrte Harry ärgerlich zurück. Jedoch senkte er schnell seinen Blick und begann, die Schweinerei aufzuwischen. Hermine hatte Recht, er sollte wirklich besser aufpassen oder seine Unaufmerksamkeit könnte eines Tages einen gefährlichen Unfall verursachen. Da es Snapes Aufgabe war, für Sicherheit in seinem Unterricht zu sorgen, war es kein Wunder, dass er mit allem sehr strikt war und keine Schlampereien duldete, obwohl er es Harrys Ansicht nach doch etwas damit übertrieb. Und dass er Gryffindor immer mehr Punkte abzog als jedem anderen Haus ärgerte Harry noch immer. Nach fast sechs Snape-freien Monaten hatte Gryffindor jedoch schon so viele Hauspunkte gesammelt, dass es fast unmöglich war, dieses Jahr nicht den Hauspokal zu gewinnen. Und der Quidditch-Pokal war zweifellos auch der ihre, mit ihm als Sucher und Ron als Torwart ...

"Mr. Weasley, Mr. Longbottom, Miss Granger", verkündete Snape plötzlich, nachdem die Schüler ihre Zaubertrankproben zum Benoten abgegeben hatten. "Bevor Sie gehen, im Vorratsraum ist etwas für Sie, zweites Regal auf der linken Seite. Mr Malfoy, würden Sie mir bitte in mein Büro folgen?"

***



"Zwick mich, Hermine, ich glaube, ich träume. Das sind doch nicht etwa Geschenke, oder?", fragte Ron ungläubig. Sein gesamtes Weltbild schien beim Anblick der in grünes und silbernes Papier verpackten Schachteln wie ein Kartenhaus zusammenzufallen.

"Nein, kein Traum, Ron. Das ist ganz wirklich." Lächelnd griff Hermine nach dem Umschlag mit Rons Namen darauf und hielt ihn ihrem Freund vor die Nase. "Das hier sieht sogar aus, als wäre es für dich." Natürlich war seines das kleinste Geschenk, wenn es überhaupt ein Geschenk war und nicht nur eine einfache Dankeskarte. Obwohl er ja nicht einmal das von Snape erwartet hatte. Als er den Umschlag öffnete und hinein linste, wurden seine Augen trotz der anfänglichen Enttäuschung groß vor Staunen. "Wow, Karten für das Chudley Cannon Spiel nächstes Wochenende, zwei Stück, und noch dazu Ehrenplätze!" Der beiliegende Zettel erklärte, dass ein Portschlüssel rechtzeitig für ihn und eine gewisse Miss Grünblatt bereitgestellt werden würde, um sie zum Stadium und wieder zurück nach Hogwarts zu bringen. Eine gewisse Miss Grünblatt? Woher zum Teufel wusste der fettige Idiot von Silene? Bis vor kurzem hatte er selbst ja nichts davon gewusst! Wendete der schleimige Slytherin jetzt, wo er Voldemort nicht mehr ausspionieren konnte, seine Doppelagenten-Tricks auf seine Schülern an? Das waren ja schöne Aussichten!
Es lag noch eine Karte im Umschlag, grün mit silbernem Slytherinwappen und genau zwei Worten darauf: ‚Vielen Dank' und die Initialen S.S. - Snape wusste also doch, wie man ‚Danke' buchstabierte, dachte Ron, obwohl er stark daran zweifelte, dass der übellaunige Professor es auch aussprechen konnte. Er würde sich sicher eher die Zunge abbeißen, ehe er das Wort im Beisein von Schülern äußerte, besonders wenn es sich bei den Schülern um Gryffindors handelte. Nicht, dass er sonderlich scharf darauf war, ein Vier-Augen-Dankes-Gespräch mit dem Tränkelehrer zu führen, und der Gedanke daran, möglicherweise die Hand des fettigen Idioten schütteln zu müssen, ließ es ihm kalt den Rücken herunter laufen. Nein, besser eine kurze und schmerzlose Karte. Wahrscheinlich war es nicht einmal so schmerzlos für den Professor gewesen mit dem Gedanken daran, wem er sein Leben verdankte, diese zwei Worte zu schreiben. Und die Tatsache, dass Neville Longbottoms Blut durch seine Adern floss, musste mehr als schmerzlich für den Hauslehrer von Slytherin sein. Kichernd drehte sich Ron zu seinen Freunden um. "Was hast du bekommen, Hermi? Ein Zaubertränke-Buch?"

"Ein brandneues, ‚Komplizierte Tränke für Meister'; es ist noch nicht einmal im Handel! Und es hat eine Widmung: ‚Für eine sehr vielversprechende Schülerin, Perseus Evans.' Das ist der Autor! Sogar das Wolfsbann-Rezept ist drin ..."

"Ach, hör schon auf damit, Hermi", stöhnte Ron. "Nimm deine Nase aus dem Buch und öffne lieber die andere kleine Schachtel, die ist auch für dich." Mit Bedauern riss Hermine die Augen von ihrem neuen Besitz und begann das kleine Päckchen auszupacken.

"Noch ein Halsband für Krummbein! Und Snape hat es mit einem Aufspür-Zauber belegt. Das ist aber nett." Sie konnte sogar beide Halsbänder zur gleichen Zeit benutzen; zusammen würden das filigrane silberne mit den Smaragden von Draco und Snapes verzaubertes schwarzes umwerfend aussehen. Wenn nicht seine rötliche Farbe wäre, sähe Krumm damit wie ein Slytherin Maskottchen aus ... Bei dem Gedanken leise kichernd, drehte sich Hermine um und betrachtete Nevilles Geschenk. Es war bei weitem das größte. Neville lächelte, während er den beiliegenden Zettel las. "Es ist ein Kessel-Brennt-Nie-An, eine ganz neue Erfindung aus Amerika. Ein richtiger Kassenschlager in den Staaten. Dort muss es eine ganze Menge Zauberer geben, die die gleichen Probleme haben wie ich, und das sogar ohne Snape im Nacken, der sie total nervös macht! Sobald die Zutaten im Kessel kurz vorm Siedepunkt sind, wird der Alarm ausgelöst. Ab jetzt wird der Zaubertränke-Unterricht wohl viel sicherer sein." Neville grinste breit.

"Sieht so aus, als hätte Snape für jeden das richtige gefunden. Was wohl in Ginnys Paket drin ist? Ein kleines Büchlein oder so etwas?"

"Lass es uns ihr gleich geben, Ron. Sie ist bestimmt in der Großen Halle zum Mittagessen. Ich habe auch schon ziemlichen Hunger."

"Rate mal, was ich habe, Hermi? Ich könnte ein ganzes Pferd verdrücken ... Und ich muss Silene von den Tickets erzählen!"

Zum ersten Mal seit sechs Jahren verließen die Gryffindors die Kerker plaudernd und kichernd statt kochend vor Ärger und Frustration, oder, in Nevilles Fall, am Rande eines Nervenzusammenbruchs.

***



"Nehmen Sie Platz, Mr. Malfoy."

Draco setzte sich in den Sessel vor dem großen Kamin in Snapes Büro, vis-a-vis von seinem Lehrer. Dies war sehr ungewöhnlich, da Schüler sonst immer den unbequemen Stuhl vor dem Schreibtisch zugewiesen bekamen, falls sie sich überhaupt hinsetzen durften.

"Sir, ich muss mich entschuldigen für das, was ..."

"Nein, Mr. Malfoy, Sie müssen sich für gar nichts entschuldigen", unterbrach ihn Snape. "Es war nicht Ihre Schuld, sondern meine eigene, da ich es war, der diesen verdammten Imperio-Trank erfunden hat. Sie sind nicht verantwortlich für das, was geschehen ist. Sie sind nur dafür verantwortlich, was Sie danach getan haben, und darauf können Sie stolz sein." Ein kurzer Augenblick der Stille gab Draco die Gelegenheit, Snapes Worte in vollem Umfang in sich aufzunehmen, bevor sein Hauslehrer weiter sprach: "Ich nehme an, dass Sie das Mal annehmen werden, sobald sie siebzehn sind?" Verlass dich auf Snape, nicht um den heißen Brei herumzureden...

Draco nickte.

"Der Direktor hat mir erzählt, was geschehen ist und was Sie planen. Sie sind sich bewusst, wie schwierig dies sein wird, und mit welchen extremen Gefahren es verbunden ist? Tödlichen Gefahren?" Draco nickte erneut. Er hatte mit eigenen Augen gesehen, wie unerbittlich Voldemort auf Verrat reagierte. Er braucht nur seinen Lehrer zu betrachten, den schwarzen Umhang, der verdeckte, was, wie er wusste, nicht mehr da war. Der Gedanke alleine ließ ihn erschaudern. Trotzdem war er fest entschlossen. Er würde das Dunkle Mal empfangen und seinen zukünftigen Meister ausspionieren, damit seine Kinder, wenn er je welche haben sollten, ohne die Bedrohung der Dunkelheit aufwachsen konnten. Wer weiß, vielleicht würde er sogar ein gewisses ‚Schlammblut' heiraten, etwas, das er unmöglich tun konnte, so lange Voldemort existierte. Bei dem Gedanken verzogen sich seine Lippen in einem grimmigen Lächeln.


"Ich sehe, ich werde Ihnen die Idee nicht ausreden können." Snape seufzte tief. "Der Orden braucht dringend einen Spion, jetzt wo ich diese Funktion nicht mehr ausüben kann." Seine nachtschwarzen Augen wurden noch dunkler, als er für einen Moment innehielt. "Nichtsdestotrotz ist dies kein Kinderspiel", fuhr er schließlich fort. "Sie müssen so gut darauf vorbereitet sein wie möglich. Unter anderem ist es unbedingt erforderlich, dass Sie lernen Ihre Gedanken durch Okklumantik gegen Eindringen von außen zu schützen. Und Sie müssen gut darin sein, sonst haben Sie nicht die geringste Chance gegen einen meisterhaften Legilimentiker wie den Dunklen Lord. Allerdings gehe ich davon aus, dass Sie diesen obskuren Zweig der Zauberei weit besser meistern werden als eine gewisse Gryffindor-Berühmtheit. Nicht umsonst sind Sie ein Slytherin, Mr. Malfoy.

Am besten beginnen wir gleich morgen mit dem Training. Um nicht unnötig Verdacht zu erregen, dürfen Sie sich natürlich nicht außerhalb des Unterrichts in Gesellschaft eines ‚Verräters' sehen lassen. Ich werde Ihnen das Passwort zu dem Geheimgang geben, der vom Gemeinschaftsraum der Slytherins zu meinen Privaträumen führt. Haben Sie nur keine Hemmungen, ihn wann immer Sie wollen zu benutzen." Er lächelte den blonden Slytherin aufmunternd zu. Obwohl seine Slytherins nicht halb so viel Angst vor ihm hatten wie der Rest der Schülerschaft, so musste der Gedanke daran die Höhle des Löwen - oder besser gesagt, das Nest der Oberschlange - tatsächlich zu betreten den Jungen ziemlich nervös machen. Er wäre wahnsinnig vor Angst geworden, wenn sein früherer Hauslehrer ihn in seine Privaträume eingeladen hätte. Aber das war eine andere Geschichte... "Wie Sie sicher bald erfahren werden, habe ich meinen Gryffindor-Rettern einige Geschenke zukommen lassen. Ihnen jedoch möchte ich meinen tiefen Dank aussprechen und Ihnen meine Freundschaft anbieten. Meine Tür wird immer offen für Sie sein, Draco."

Draco war sprachlos. Schließlich brachte der zukünftige Spion stotternd ein "Vielen Dank, Sir" hervor.

"Draco, sind Sie wirklich sicher, dass niemand Verdacht geschöpft hat? Ich habe Gerüchte über Sie und eine gewisse Gryffindor-Alleswisserin gehört. Außerdem war da noch die Eule an Ihren Vater, und Sie wurden sicher bei Ihren häufigen Besuchen im Krankenflügel während meines Aufenthaltes dort beobachtet."

"Oh, das ist kein Problem, Sir. Letzteres war nur, um Sie auszuspionieren." Ein schlaues Grinsen umspielte seine Lippen. "Und Hermine ... uhm, Miss Granger, ist offiziell nur ein Mittel, um näher an Potter heran zu kommen. Für die Eule hat meine Mutter die Verantwortung übernommen. Sie wird in ihrem Versteck in der Schweiz bleiben, bis der Krieg vorbei ist." Snape nickte nachdenklich. Er war wahrscheinlich der einzige, der schon seit Jahren wusste, dass Narzissa nur wegen ihres Sohnes Lucius nicht verlassen und weiter die Fassade der perfekten Reinblütler-Familie aufrecht erhalten hatte. Es war nur logisch, dass sie Draco schützen würde, auch wenn es bedeutete, dass sie möglicherweise jahrelang weit entfernt von ihrem Sohn im Exil leben musste. Wenigstens war sie nun weg von Lucius.

"Sie wissen, dass Ihr Vater und ich einst Freunde waren?", fragte Snape leise. "Oder besser gesagt, ich dachte, wir wären Freunde." Er schaute zu Boden, und seine Stimme klang einen Moment lang fast traurig. Dann blickte er fest in Dracos Augen. "Ich habe erst herausgefunden, dass alles nichts als eine Farce gewesen war, als ich mich bis zum Hals in einem Sumpf von Lügen, Blut, Tod und Schmerzen wiederfand. Dumbledore hat mir eine zweite Chance gegeben. Ich bin sehr froh, dass Sie Ihre erste wahrgenommen haben." Das Lächeln, das Snape ihm schenkte, war so aufrichtig und voll von Zuneigung und Stolz, dass Dracos Herz einen Sprung machte. Er hatte den übellaunigen Tränkemeister nie so lächeln sehen. Und seinen Vater auch nicht. Die Freundschaft dieses Mannes war all die Mühen und Gefahren, die er auf sich genommen hatte, wert; es war das wertvollste Geschenk, das er je erhalten hatte, abgesehen von Hermine vielleicht. Er würde dafür sorgen, dass er den Professor nicht enttäuschte, niemals.

"Professor, Sie sind okay, oder?", fragte Draco plötzlich voller Sorge.

"Machen Sie sich keine Gedanken um mich, Draco. So lange ich noch einen Arm habe um im Kampf meinen Zauberstab zu schwingen ..." Nun war es Snape, der grimmig lächelte, und Draco war froh, auf der gleichen Seite wie der Tränkemeister zu stehen. Er wollte nicht derjenige sein, der dem Zorn des Professors gegenübertreten musste, nein, Merlin bewahre ihn. Schließlich erhob sich Snape. "Sie gehen jetzt besser und essen etwas, sonst kommen Sie noch zu spät zu Verwandlung. Sie wollen doch nicht, dass McGonagall Ihnen Hauspunkte abzieht, nicht wahr? Und ich brauche noch etwas Ruhe, bevor ich einer weiteren Klasse voller hoffnungsloser Dummköpfe entgegentreten kann ..." Er begleitete Draco zur Tür. "Passen Sie auf sich auf, Draco."

"Sie auch, Professor." Seinen Hauslehrer noch einmal anlächelnd, machte Draco sich auf den Weg in die Große Halle.


Ende


 

Kapitel 14

 

Zurück