Gefangen

 

 

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Kapitel 2: Seht den Verräter

 



Als er wieder zu sich kam, fühlte sich sein ganzer Körper taub an. Er versuchte, seine Augen zu öffnen, versuchte sich zu bewegen, aber er schaffte es nicht. Nicht den Bruchteil eines Zentimeters. Aber wenigstens konnte er wieder atmen. Und halbwegs zusammenhängend denken. Die Schlangen waren augenscheinlich verschwunden. Doch wo war er jetzt? Definitiv nicht mehr im Wald. Dies war ein Steinboden, feucht und kalt und bedeckt mit dicken Schichten von Staub und Dreck. Ein Kerker? Die hohe Luftfeuchtigkeit und der faulig-modrige Geruch deuteten jedenfalls auf einen unterirdischen Ort hin. Großartig. Dann lag er also jetzt gefangen in einem trostlosen Kerkerloch, halb vergiftet und mit gebrochenen Kniescheiben. Mit Hilfe konnte er nicht rechnen, und nur das Schlimmste war zu erwarten. Das fasste seine Lage so in etwa zusammen.

Der einzige positive Aspekt seiner derzeitigen Existenz war, dass er bisher keine wichtigen Informationen preisgegeben hatte. Seine selbstinduzierte Allergie gegen Veritaserum hatte sich einmal mehr als sehr hilfreich erwiesen. Dies war seine genialste Sicherheitsmaßnahme. Zwar keine angenehme Erfahrung, nein, weiß Gott nicht, aber sehr effektiv. Als Voldemort ihn nach seiner Rückkehr zu den Todessern vor eineinhalb Jahren das Serum hat schlucken lassen, hatte er fast seine Eingeweide ausgekotzt - zusammen mit dem Trank. Das zweite Mal war es noch schlimmer gewesen. Nach einem erneuten Brechanfall war er in einer Lache von Galle und Blut bewusstlos geworden. Ihren Sinn hatte die Tortur jedoch perfekt erfüllt. Hatte Voldemort gründlich davon überzeugt, dass es unmöglich war, mit Hilfe des Wahrheitsserums Informationen aus ihm herauszubekommen. Blieb also die Folter. Aber dank seiner überlegenen Fähigkeiten in Okklumantik hatte Voldemort ihm bisher nie mehr misstraut als seinen anderen Todessern, so dass seine Erfahrungen mit Folter eher bescheiden waren. Das würde sich wohl bald ändern.

Im Korridor war der Widerhall schwerer Schritten zu hören. Eine Tür quietschte. Jemand betrat seine Zelle - oder waren es zwei?

"Snape!" Ein schmerzhafter Tritt in die Rippen. Severus stöhnte auf. Dann wurde ihm eiskaltes Wasser über den Kopf gegossen, was ihn schließlich aus seinem Zustand der Bewegungsunfähigkeit herausriss. Er öffnete die Augen. Im schwachen Licht, das durch das kleine Fenster dicht unter der gewölbten Decke fiel, sah er eine verhüllte Gestalt mit schaufelgroßen Händen, die sich über ihn beugte. Goyle, kein Zweifel. Dann konnte Crabbe auch nicht weit sein.

"Steh auf, Verräter! Der Meister will dich sehen", knurrte der Rohling fast ohne seine Lippen zu bewegen. Severus versuchte mühsam sich aufzurichten, als er auch schon grob von zwei gigantischen Pratzen ergriffen und zu dem anderen Hünen, Goyles Doppelgänger, geschleudert wurde, der in der Tür wartete. Sie schleiften ihn eine unendlich erscheinende Flucht von Treppen hinauf, wobei seine verletzten Knie schmerzhaft gegen jede einzelne Stufe schlugen. Schließlich warfen sie ihn zu Voldemorts Füßen auf den Boden. Vor Schmerzen war Severus schwindelig und speiübel, und er war kaum dazu fähig seinen Kopf zu heben, um dem Blick des Dunklen Lords zu begegnen.

"Du siehst Mitleid erregend aus, mein Sohn", stellte Voldemort mit falscher Besorgnis fest. "Armer Ssseverusss. Ich könnte dich mit einem einzigen Wink meines Zauberstabs heilen, weißt du. Ich könnte das tun. Ich würde sogar in Betracht ziehen, dich am Leben zu lassen ... - unter einer einfachen Bedingung: wenn du mich an deinem wertvollen Wissen über den Orden des Phönix teilhaben lässt. Du könntest zum Beispiel damit beginnen zu erklären, wie ihr euch verständigt. Das wäre mir sicher die Wiederherstellung wenigstens einer Kniescheibe wert, würde ich sagen. Willst du es dir nicht noch einmal überlegen, Ssseverusss? Es würde uns beiden eine Menge Ärger ersparen."

"Versuch nur welche Folter auch immer dein perverses Gehirn auszudenken vermag, ich werde nichts verraten, du menschenverachtendes Monster!", erwiderte Severus in voller Erwartung eines Cruciatus als Bestrafung für seine respektlose Antwort. Aber der Dunkle Lord lachte nur sein grausames Lachen, das einem das Blut in den Adern erstarren ließ.

"Stur bis zum Ende. Ich habe auch nichts anderes von dir erwartet. Das lässt mir wohl nur eine Möglichkeit offen: das Band, das uns über so viele Jahre hinweg verbunden hat, unwiderruflich zu zertrennen. Wahrlich ein Jammer. - Wurmschwanz!" Er gab Pettigrew, der im schummerigen hinteren Teil des hallenartigen Raumes wartete, einen Wink. Der Animagus kam heran, wobei er sich in Ehrerbietung für seinen Herrn fast bis zum Boden verbeugte. Schließlich richtete er sich auf und wirbelte seinen Zauberstab durch die Luft. Ein merkwürdiges Gebilde aus Stein erschien aus dem Nichts. Es ähnelte einer Mischung aus Operationstisch und Schafott. Als er dies vollbracht hatte, streckte der Zauberer mit dem schütteren Haar Voldemort seinen entblößten Linken hin, damit dieser das Dunkle Mal berühren konnte.

Leise ‚Plops' kündigten die Ankunft von apparierenden Todessern an. Sie bildeten den üblichen Kreis, nur dass jetzt die Stelle, an der gewöhnlich der große, schlanke Meister der Zaubertränke gestanden hatte, von einer lächerlich kleinen, untersetzten Person eingenommen wurde. Auf ein Zeichen des Dunklen Lords hin schleiften Crabbe und Goyle Severus zu der Steinkonstruktion. Die beiden brachten ihn dazu sich hinzuknien, rissen ihm Umhang und Hemd herunter und pressten seinen Oberkörper auf die glatte Granitfläche, das Gesicht nach unten. Sofort erschienen eiserne Fesseln und wanden sich so fest um seinen Brustkorb und seine ausgestreckten Arme, dass sie schmerzhaft in sein Fleisch schnitten.

Eine Tür öffnete sich und eine vermummte Gestalt betrat den Raum. Seine Kapuze und Maske waren scharlachrot statt des üblichen Todesserschwarz, und in den Händen mit den festen Lederhandschuhen schwang er ein schweres Beil. Mcnair, der Scharfrichter. Langsam trat er auf den Gefangenen zu.

Das war also das Ende. Tod durch Enthauptung. Wenigstens würde es ein schneller Tod sein, schneller als er zu hoffen gewagt hatte. Und Mcnair war ein Experte auf dem Gebiet. Kaum Gefahr, ein zweiter Fast Kopfloser Nick zu werden. Wenn er sich nicht in dieser verdammt ungünstigen Position befände, die seine Knie brennen ließ wie Höllenfeuer, könnte er dem Tod ruhig und mit offenen Augen entgegentreten. Aber so zitterte er vor Schmerzen und Übelkeit und war nahe daran das Bewusstsein zu verlieren. Nicht besonders würdevoll. Dass Voldemort zu ihm kam und fast liebevoll einige Strähnen seines schwarzen Haares zurückstrich und seinen so entblößten Nacken mit eisigen Fingern liebkoste, machte seine Übelkeit auch nicht besser.

"Jetzt nehmen wir also Abschied", verkündete der Dunkle Lord schließlich der Versammlung von Todessern. "Seht den Verräter!" Ein Trommelwirbel folgte Voldemorts Worten. Dann herrschte Stille, absolute Stille, die nur von seinem laut hämmernden Herz durchbrochen wurde. Jede Sekunde nun würde der tödliche Streich fallen, und dann würde es vorbei sein, keine Schmerzen mehr, keine Alpträume, kein Neville Longbottom ... Severus seufzt fast vor Erleichterung.

Ein weiterer Trommelwirbel. Er spürte Mcnair näher kommen, konnte ihn vor seinem inneren Auge das schwere Beil heben sehen, den hölzernen Griff fest mit beiden Händen umklammernd, das Fackellicht, das sich im scharfen und blanken Stahl der tödlichen Klinge spiegelte, den perfekten Bogen, den sie beschrieb während sie in einer vollkommenen und gleitenden Bewegung durch die Luft sauste. Der Trommelwirbel verklang. Erneut Stille.

Dann fiel die Axt.

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