My Name is Severus

 

 

Zurück

 

Zurück zur
Startseite


Kapitel 2: Etwas verschwindet

Der Samstag endete ungefähr so wie der Freitag zuvor. Nur diesmal blieb Draco wirklich noch auf und las im Bett seinZauberkunstbuch, bis er sich sicher war, dass Severus schlief und keinen weiteren Eimer auf der Tür platziert hatte. 

Zu ihrer Erleichterung wachten die Jungs am nächsten Morgen auf, ohne das ein weiterer Streich von Severus sie gestört hatte.

Draco wollte Severus gerade fragen, warum er sich die Zähne bereits länger als zehn Minuten putzte und Blaise betrat eben das Bad, als Gregory gerade als erster die Dusche aufdrehte. Beide, Draco und Blaise erstarrten und beobachteten Gregory, der schreiend aus der Dusche hüpfte, die Haut ganz rot und verbrannt.

Dann hörten sie Severus vertrautes Lachen. Draco stöhnte. Während er letzte Nacht den Schlafsaal überwacht hatte, hatte sich Severus offenbar über das Bad hergemacht.

„Severus! Was hast du diesmal angestellt?“ fragte er wieder einmal und versuchte sich so gelassen anzuhören wie Severus.

„Ich habe die Kaltwasser-Hähne abgedreht! Sie sind dort oben, siehst du? Dieses kleine Rad gleich dort rechts oben in der Ecke reguliert das Kaltwasser sämtlicher Duschen in diesem Raum“, sagte er wieder einmal sachlich.

„Wie bist du dort rauf gekommen?“ wollte Blaise wissen.

„Bin auf die erste Dusche geklettert.“

Blaise betrachtete zweifelnd den Metallrahmen der Dusche. Der sah ja nun nicht gerade stabil aus.

„Okay, dann schwing dich rauf und dreh sie wieder auf. Ich will nämlich endlich duschen!“

Severus grinste: „Nein! Machs doch selbst!“

„Weißt du was, du kleine...“, begann Gregory.

„Du kannst mich verprügeln, weißt du“, ließ Severus ihn freundlich wissen „Aber du kannst mich nicht zwingen, da rauf zu steigen!“

Gregory sah die Dusche an, dann Blaise. Blaise sah zunächst die Dusche an und dann wieder Gregory.

„Draco?“ wagte er sich unsicher vor „Dieses Ding hält mich unmöglich aus. Könntest du...?“

Draco starrte die Dusche an. Sie sah wirklich nicht besonders stabil aus und außerdem war das Ding ziemlich hoch. Aber er konnte unmöglich zugeben, dass er Angst hatte. Er drehte sich nach Severus um. Vielleicht gab es einen Weg ihn dazu zu bringen...

„Ich hab Höhenangst!“ gab dieser umgehend von sich.

„Aber du bist raufgeklettert, um sie abzudrehen!“ stellte Draco trocken fest.

„Nun, ich habe weniger Angst, wenn es dunkel ist, weißt du.“

Draco sah zum Fenster. Warten bis es dunkel wurde und dann Severus dazu bringen, hinaufzuklettern? Er zweifelte daran, dass seine Freunde die darin liegende Gerechtigkeit erkennen würden. Sie erwarteten, dass er selbst hinaufkletterte. Wenn er es nicht tat, würde er als Feigling dastehen. Also gut dann, er würde ihnen beweisen, dass er mutiger war als Severus.

Er trat in die Dusche und suchte nach Dingen, die er als Halt für Hände und Füße benutzen konnte. Das Wasser unter seinen bloßen Füßen war immer noch heiß. Er rüttelte kurz an der Duschwand. Sie schien nicht besonders fest montiert zu sein. Was, wenn sie unter ihm zusammenbrach? ‚Lass dir nicht anmerken, wie sehr es dich beunruhigt!’ Er setzte den Fuß in die Nische für die Seife, packte den Metallrahmen der Duschwand und zog sich daran hoch. Sein Fuß rutschte von der Nische ab und beinahe fiel er herunter. Blaise und Gregory eilten in die Dusche, um ihm zu helfen und mit ihrer Hilfe schaffte er es, sich auf den Metallrahmen zu hieven.

Als er hinuntersah, stellte er überrascht fest, dass Severus aufgesprungen war und nun am Eingang der Dusche stand. Mit beiden Händen hielt er sich am Vorhang fest und spähte hinauf zu ihm. Konnte es wirklich sein, dass er sich Sorgen machte, einer von ihnen könnte sich verletzten, jetzt wo Draco beinahe heruntergefallen wäre?

Draco versuchte, langsam aufzustehen, während er sich an den Wasserhähnen festhielt. Die Wand neben ihm schwankte bei jeder seiner Bewegungen hin und her und der höhere der beiden Wasserhähne war brennend heiß. Er zog schnell die Hände zurück und hielt sich ruhig bis sie aufhörten, weh zu tun. Wenigstens wusste er jetzt, welchen Hahn er wieder aufdrehen musste.

Langsam schob er sich vorwärts, bis er das Rad erreicht hatte und begann es zu drehen. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis es aufhörte sich zu drehen und er sich zurücklassen konnte auf seinen wackeligen Sitz. Er drehte sich, bis er an der Wand saß, das Gesicht seinen Freunden zugewandt, die unten in der Dusche standen.

Wie sollte er da jemals wieder runterkommen, ohne sich die Knochen zu brechen?

„Spring!“ sagte Gregory und hielt die Arme auf.

Draco fasste sie, stieß sich von der Wand ab und schloss die Augen. Gregory fing ihn auf und setzte ihn sanft auf seinen Füßen ab. Severus` erleichtertes Lächeln sah richtig bezaubernd aus. Der kleine Teufel!

In diesem Augenblick kam Vincent gähnend herein. Er blieb stehen und starrte die vier Jungs an, die zusammen in einer Duschkabine standen.

„Was macht ihr da?“ fragte er verwirrt.

„Wir üben Baumklettern!“ antwortete Draco, nicht gewillt, das näher auszuführen.

Am Nachmittag saß Dumbledore in seinem Büro und sah Severus an, der ihm gegenüber am Schreitisch saß. Was sollte er jetzt tun? Was sollte er nur sagen? Er war ja nicht mehr wirklich ein Junge. Er wusste es doch besser, als in diese Art von Schwierigkeiten zu geraten. Das musste ein Alptraum sein! Es konnte einfach nicht wahr sein! Aber er musste etwas sagen!

Albus Dumbledore öffnete seinen Mund, um etwas zu sagen, aber er wusste noch immer nicht genau, was er sagen sollte, also schloss er ihn wieder.

„Entschuldige, Albus!“ sagte Severus.

Es war offensichtlich ein Fehler gewesen, ihn nach Hogsmeade gehen zu lassen. Aber was sollte er mit einem Lehrer machen, der aussah und sich benahm wie ein unartiger Junge? Severus war sein Freund und er vertraute ihm, aber er konnte diese Art von Verhalten einfach nicht tolerieren. Was also tun? Wie sollte er ihn bestrafen, ohne ihre Freundschaft zu zerstören? Wie sollte er ihn von weiteren Eskapaden dieser Art abhalten?

Nun, letzteres war einfach.

„Severus, ich fürchte, ihn kann dir nicht mehr erlauben, das Schulgelände zu verlassen. Wenigstens nicht, bis wir ein Gegenmittel gefunden haben.“

„Auch wenn ich verspreche, mich nicht mehr erwischen zu lassen?“ - Niedliches Lächeln und große hundetreue Augen.

„SEVERUS!“

„Und wenn ich verspreche, zu versuchen es nicht wieder zu tun?“ - Grinsen á la Draco.

„SEVERUS!“

„Okay, okay, ich verspreche, es nicht wieder zu tun!“ – Niedergeschlagene Augen.

„Es tut mir leid, Severus, aber ich glaube dir nicht. Du benimmst dich gerade so, wie du es als Kind getan hast und ich kann nicht vergessen, wie oft du mich damals angelogen hast.“ Dumbledore schüttelte traurig seinen Kopf.

„Ich dachte, wir wären Freunde!“ Severus hörte sich an, als ob er gleich weinen würde. Dumbledore vermochte nicht zu sagen, ob es sich dabei wieder um einen Trick handelte oder nicht. Bei Severus war das einfach so schwer festzustellen.

„Das dachte ich auch. So, und nun zu deiner Strafe...“

Die Tür flog auf und Minerva McGonagall stürmte herein, gefolgt – zu Dumbeldores Schrecken – von einer sehr wütenden Rosmerta, die Draco und Harry hinter sich herschleifte. Hinter ihnen erschienen Ron Weasley, Hermine Granger, Seamus Finnigan, Dean Thomas, Vincent Crabbe, Gregory Goyle, Blaise Zabini und Pansy Parkinson. Alle in zerrissenen Umhängen, manche blutend.

Draco stoppte überrascht, als er Severus bemerkte.

„Was machst du hier?“ fragte er und vergaß für einen Moment seine eigene missliche Lage.

„Ich wurde beim Stehlen erwischt“, gab Severus sachlich an, als ob das keine große Sache wäre.

„Du... was!?“ keuchten die Gryffindors und Slytherins wie aus einem Munde. Die Gryffindors waren natürlich um einiges überraschter als die Slytherins, die ja schon die Möglichkeit gehabt hatten, Severus kennen zu lernen.

„Ich wurde beim Stehlen erwischt“, wiederholte Severus ruhig.

„Oh nein! Ich habe dich gewarnt, Albus! Ich habe dir gesagt, dieses Kind ist eine wandelnde Katastrophe! Er war bis jetzt noch nicht einmal beim Unterricht!“ klagte Professor McGonagall.

„Beruhig dich bitte, Minerva!“ bat Dumbledore „Ich werde das in die Hand nehmen. Also, was haben diese Kinder angestellt, Rosmerta? So wie sie aussehen, würde ich sagen, dass sie sich geprügelt haben. In den „Drei Besen“ möglicherweise?“

„Ja, das haben sie tatsächlich. Sie haben die Einrichtung demoliert, Teller zerbrochen und andere Kundschaften verscheucht. Diese beiden haben angefangen“, beschuldigte Rosmerta Draco und Harry, die sie vor den Direktorstisch stieß. „Der hier, um genau zu sein,“ fügte sie hinzu und zeigte auf Draco.

Dumbledore seufzte und rieb sich die pochenden Schläfen.

„Also gut, Rosmerta, warum schickst du mir nicht eine Liste, der zu Bruch gegangenen Dinge, dann kann ich ihre Eltern zum Schadensersatz heranziehen und ich werde mich auch nach einer Strafe für sie umsehen.“

Rosmerta nickte knapp. „Wenn das noch einmal vorkommt, bekommt ihr Hausverbot in den „Drei Besen“ für den Rest eures Lebens!“ teilte sie den Kindern mit, als sie aus dem Büro des Direktors hinausstolzierte.

„Also gut, es wird eine Strafarbeit für euch alle geben!“ sagte Dumbledore. „20 Punkte Abzug für jeden von euch, der bei der Prügelei mitgemacht hat, 30 für Harry, der zurückgeschlagen hat, anstatt einen Kampf zu vermeiden, 40 für Draco, der die Schlägerei angefangen hat und 50 für Severus.“

„Aber Sir, da bleiben den Slytherins insgesamt weniger als 50 Punkte übrig!“ protestierte Severus.

„Nun, nach deiner letzten Eskapade solltest du dich glücklich schätzen, dass ihr überhaupt noch welche habt“, erklärte Dumbledore.

Es war eine sehr niedergeschlagene Gruppe von Kindern, die danach das Direktorsbüro verließ.

„Großartig, einfach großartig!“ murmelte Ron Weasley zu niemand bestimmten. „Dank dem Idioten Malfoy wird Hufflepuff dieses Jahr den Hauspokal gewinnen.“

Draco schenkte ihm einen gefährlichen Blick, als er aber die anklagenden Blicke seiner Hausgefährten sah, entschied er, dass es besser wäre, ihre Aufmerksamkeit von der Schlägerei abzuwenden. Also was könnte eine passende Ablenkung sein?

„Severus!“ schnarrte er. „Was ist in dich gefahren, zu stehlen?“

„Die haben mir kein Taschengeld gegeben.“ Severus zuckte mit den Achseln.

„Du hast uns volle 50 Punkte gekostet! Dank dir sind wir jetzt letzter! Wir werden den Pokal nie gewinnen!“ beschuldigte ihn Draco.

„Nun, du hast uns mehr gekostet, indem du alle in eine blöde Prügelei reingezogen hast“ schoss Severus zurück. „Warum musstest du dich überhaupt mit Potter schlagen?“

„Er hat meinen Vater einen Todesser genannt!“ beklagte sich Draco.

„Und was ist das Problem? Dein Vater IST ein Todesser, das weiß doch jeder!“ erklärte Severus drehte sich auf seinem Absatz um und ging davon.

Draco starrte ihm nach. Niemand konnte das wissen! Sein Vater würde nach Askaban gehen, wenn er das jemals zugeben würde! Er durfte das Severus nicht durchgehen lassen.

„Ist er nicht! Nein, er ist keiner!“ schrie er Severus nach, aber er hatte zu lange gewartet. Nun musste er einen Weg finden, Severus zu überzeugen, dass er unrecht hatte.

Draco hatte keine Möglichkeit, alleine mit Severus sprechen, bis sie schließlich abends alleine im Bad waren. Severus stand unter der Dusche. Die anderen waren bereits ins Bett gegangen. Draco setzte sich vor die Duschkabine und starrte an die Wand. Wie sollte er anfangen? Severus schien zugänglicher, wenn sie alleine miteinander waren, aber er war immer noch eine gerissene kleine Ratte, die ihn in Schwierigkeiten brachte und „Blondie“ nannte.

„Ähm, Severus?“ versuchte er sich vorzutasten.

„Ja? Was?“

Das hörte sich ja ziemlich neutral an. Vielleicht funktionierte es ja.

„Warum glaubst du, dass mein Vater ein Todesser ist?“ fragte Draco vorsichtig.

„Ich glaube nicht, dass dein Vater ein Todesser ist, Draco, ich weiß es. Die anderen vermuten es. Ich weiß es. Und Dumbledore weiß es auch.“

Draco schluckte schwer. Das war nicht, was er erwartet hatte. Nicht diese ruhige Überzeugung. Oh, was sollte er nur tun?

„Wie kannst du das wissen? Wie kannst du so sicher sein?“ ‚Bitte lass es etwas sein, was ich wegerklären kann!’ dachte er.

„Weil ich...“ Severus brach ab und Draco hörte einen dumpfen Schlag aus der Dusche. Stille trat ein.

„Weil was?“ drang Draco auf ihn ein. Er brauchte eine Antwort.

„Weil ich es einfach weiß. Ich kann dir nicht sagen, warum ich es weiß, aber ich weiß es. Das Ministerium würde meine Beweise nicht akzeptieren, also gibt es nichts, worüber du dir Sorgen machen müsstet. Aber ich weiß es. Also spiel mir nichts vor!“ Severus sprang förmlich aus der Dusche, schnappte sich ein Handtuch und begann sich schnell abzutrocknen. Auf einmal hörte er auf und starrte regungslos für ein paar Sekunden seinen linken Arm an. Dann schlüpfte er schnell in seinen Pyjama, wobei er wieder ein Pause machte, um seinen Arm zu betrachten; danach raste er geradezu aus dem Raum.

Draco folgte ihm aus dem Badezimmer, überrascht von seiner plötzlichen Eile und sah ihn hinunter in den Gemeinschaftraum laufen – barfuss und die Haare immer noch nass von der Dusche. Was hatte er vor? – Hatte er eine Idee gehabt, wie er sich wieder in einen Erwachsenen zurückverwandeln konnte?

„Das wäre wirklich eine Erleichterung für uns alle!“ Sagte er zu sich selbst, als er zurück in den Schlafsaal ging, um sich schlafen zu legen.

Severus schlüpfte durch die Geheimtür aus dem Gemeinschaftsraum und rannte aus den Kerkern hinauf in Dumbledores Büro.

„Albus! Albus, es ist weg!“ rief er, als er durch die Tür krachte. „Es ist einfach verschwunden!“

Albus Dumbledore und Minerva McGonagall, die gerade das heutige Chaos bei einer Tasse Tee diskutierten, drehten sich überrascht nach ihm um.

Severus wurde sich plötzlich seiner Aufmachung bewusst. Er hätte wenigstens Schuhe anziehen sollen. Der Boden war ziemlich kalt, aber jetzt war es bereits zu spät dafür. Also stand er dort und sah Dumbledore aus großen Augen an.

„Was ist verschwunden, Severus?“ fragte der Direktor sanft.

Severus sah kurz Professor McGonagall an. Dann ging er zu Dumbledore und zog ihn zu sich heran, um ihm etwas ins Ohr zu flüstern.

Professor McGonagall starrte die beiden an. Was ging da vor?

„Was?“ rief Dumbledore, schnappte sich Severus´ Arm und zog ihm den Ärmel hinauf. Dann sah er den Arm des Jungen an.

Minerva lehnte sich vor, um auch etwas zu sehen, aber sie konnte dort gar nichts sehen. Sie sah zunächst Dumbledore an dann Severus, die beide noch immer völlig verwundert Severus´ Arm anstarrten.

„Aber wie?“ fragte Dumbledore.

„Ich habe absolut keine Ahnung“, antwortete Severus.

„Entschuldigt bitte, aber dort ist rein gar nichts“, sagte Professor McGonagall.

„Das ist der Punkt, Minerva!“ sagte Dumbledore verwirrt. „Das ist genau der Punkt. Nichts ist dort!“

Professor McGonagall sah ihn ebenfalls verwirrt an. Was konnte dort nicht sein auf Severus´ Arm?

„Könnte das eine Nebenwirkung von Nevilles Zaubertrank sein?“ fragte Dumbledore Severus. „War es danach noch da?“

„Ich dachte nie daran, nachzusehen! Erst als Draco mich fragte, woher ich weiß, dass sein Vater ein Todesser ist. Ich dachte, dass ich es ihm vielleicht zeigen sollte und bemerkte, dass es weg ist.“

Todesser? Etwas auf seinem linken Arm? Minerva McGonagall erinnerte sich plötzlich, dass Severus immer langärmlige Roben trug, die seine Arme nie zeigten und dass er oft unvermittelt im Gespräch den Raum verließ, wenn die Sprache auf bestimmte Dinge kam. Außerdem erinnerte sie sich an seltsame Blicke, die zwischen Dumbledore und Snape hin- und hergingen, wenn sie bestimmte Ereignisse diskutierten.

Sie sank in ihren Stuhl zurück, als ihr langsam die Erkenntnis dämmerte.

„Das dunkle Mal?“ keuchte sie.

Severus wich von ihr zurück und sah auf seine nackten Zehen. Das war so gut wie ein Geständnis. Aber wie konnte ausgerechnet Dumbledore? Wenn er davon wusste? 

„Also, Minerva, bevor du irgendwelche Gerüchte in die Welt setzt: Severus hat für mich gearbeitet! Undercover sozusagen. Und wir würden es bevorzugen, wenn das nicht an die Öffentlichkeit dringt. Verstanden?“ Dumbledores Stimme klang ungewöhnlich ernst. Sogar den Schülern gegenüber schlug er selten diesen Ton an.

Minerva McGonagall hatte den Verdacht, dass er ihr nicht alles erzählte. ‚Sozusagen’, hatte er gesagt. Das hieß, dass er seine Worte sehr sorgfältig wählte, um, ohne zu lügen, nicht die ganze Wahrheit sagen zu müssen. Aber sie vertraute ihm und er vertraute Severus. Das war ihr genug.

„Natürlich, Albus. Aber denkst du nicht, er sollte im Bett sein?“ sagte sie und zeigte auf Severus. „Er hat morgen immerhin Unterricht.“

„Aber..“ versuchte Severus zu protestieren, aber Dumbledore unterbrach ihn:

„Du wirst dir eine üble Erkältung holen, wenn du mitten in der Nacht ganz nass im Schloss herumläufst. Vertrau mir, ich weiß wovon ich spreche. Ich habe darin bereits Erfahrung.“ (Madame Pomfrey hatte seine Erkältung in der Zwischenzeit mit einer ekelhaft schmeckenden Medizin kuriert, aber aus seinen Ohren rauchte es immer noch leicht.)

„Aber es ist nur mein Haar, das nass ist“, grinste Severus.

Professor McGonagall seufzte und verwandelte schnell einen Briefbeschwerer, den Dumbledore nicht benutzte in einen Haartrockner.

„Setz dich! Ich mach das!“ befahl sie und zeigte auf einen leeren Stuhl neben ihr.

Dumbledore öffnete die unterste Schublade seines Schreibtisches und brachte, nach kurzem Suchen ein Paar dicker wollener Socken zum Vorschein, die mehrere Nummern zu groß dafür aber weich und warm waren. (Nur Dumbledore konnte Socken in seinem Schreibtisch im Büro aufbewahren! – Nun, Dobby würde es wahrscheinlich auch tun, wenn er ein Büro und einen Schreibtisch hätte!)

Als Severus Haar trocken war bestand Dumbledore darauf, ihn schleunigst ins Bett zu bringen. Minerva McGonagall erinnerte den protestierenden Jungen nochmals daran, dass er morgen Unterricht hatte.

„Unter anderem meinen!“ drohte sie. „Und versprich mir bitte, dass du nichts grün färbst!“

„Nicht absichtlich“, versprach Severus mit einem verlegenen Grinsen. „ich habe es nie absichtlich gemacht.“

In viel zu großen Wollsocken steinerne Stufen hinunter zu gehen, erwies sich als ziemlich rutschige Angelegenheit. Als Severus nach zehn Schritten beinahe zum dritten mal hingefallen wäre, hob Dumbledore ihn einfach hoch und trug ihn. Wie gut, dass er so leicht war!

Severus schlang seine Arme um Dumbledores Hals und sah zu ihm hoch.

„Albus, bist du mir sehr böse? Wegen des Stehlens, meine ich.“

„Nein, nur sehr enttäuscht. Ich verstehe nicht, warum du es getan hast. Du müsstest es inzwischen besser wissen!“

„Nun, ihr habt mir kein Geld gegeben. In Hogsmeade kommst du ohne Geld nicht weit. Also, was hätte ich sonst tun sollen?“ erklärte Severus.

„Kommen und mich fragen?“ schlug Dumbledore vor. „Ich habe ziemlich viel im Kopf, Severus. Mein Job als Direktor, Minister Fudge, der mich ständig um Rat fragt, Pläne, wie wir Voldemort unschädlich machen und plötzlich muss ich auch noch Zaubertränke unterrichten und eine Horde misstrauischer launischer Slytherins betreuen. Ich versuche, die ziemlich chaotische Suche nach einem Gegenmittel für dich zu koordinieren und Harry bringt sich auch ständig in Schwierigkeiten. Du kannst nicht von mir erwarten, dass ich an alles denke! Ich habe vergessen, dir Geld zu geben. Das war mein Fehler, aber es ist deiner, dass du mich nicht erinnert hast. Du musst kommen und mich fragen wenn du etwas brauchst. – Das heißt aber nicht, dass du alles kriegst, wonach du mich fragst“, fügte er als Nachsatz hinzu.

„Tut mir leid! Ich verspreche, nächstes mal etwas zu sagen!“ sagte Severus. „Kann ich jetzt beim nächsten Hogsmeade Ausflug mit?“

„Nein! Du bist alt genug und hättest es besser wissen sollen! Nun trage die Konsequenzen!“

„Ich bin erst fünfzehn!“ protestierte Severus.

„Äußerlich“, berichtigte ihn Dumbledore.

„Du behandelst mich, als wäre ich fünfzehn!“

„Weil du dich wie ein Fünfzehnjähriger benimmst! Jetzt ruhig, wir werden gleich deinen Schlafsaal betreten! Wir wollen doch deine Freunde nicht aufwecken, denn die sind wirklich fünfzehn und brauchen ihren Schlaf!“

„Sie sind nicht meine Freunde! Die mögen mich nicht einmal!“ flüsterte Severus, hoffte aber, dass Dumbledore ihn nicht gehört hatte.

„Unsinn, sie wissen nur noch nicht, was sie von dir halten sollen“, antwortete Dumbledore ganz sanft.

Draco setzte sich langsam im Bett auf und sah zu, wie der Direktor Severus sanft ins Bett legte und die Decke über ihn breitete. Als er das getan hatte, drehte Dumbledore sich um, bemerkte Draco, führte einen Fingen an seine Lippen, um ihm ‚Ruhe!’ zu deuten und verließ auf Zehenspitzen den Raum.

Was Severus hatte um diese Zeit gemacht? Es konnte kein neuerlicher Streich gewesen sein. Nicht nach dem zu urteilen, wie Dumbledore sich gerade verhalten hatte.

„Severus?“ fragte er leise.

„Leg dich schlafen. Ich bin müde“, murmelte Severus in sein Kissen.

Draco ließ sich zurücksinken und starrte an die Decke. Er würde keine Antwort auf seine Fragen bekommen. Nicht von Severus. So viel war klar. Er wünschte, er hätte jemanden, mit dem er reden konnte. Jemanden, dem er alles erzählen konnte, wie er wirklich dachte und fühlte.

Im Moment waren seine Gedanken verwirrend.

Er dachte, dass er Severus hasste. Er wollte Rache für die Tritte, die er in ihren Schlägereien abbekommen hatte (einer von ihnen schmerzte immer noch), dafür, dass er ihn ´Blondie´ nannte, dafür dass er ihm eine Strafarbeit eingebrockt hatte, dass er seinen Vater vor einer Horde „perfekter“ Gryffindors einen Todesser genannt hatte, dass er ihn dazu gebracht hatte, auf die Dusche zu klettern, dass er Slytherin Punkte gekostet hatte, obwohl er noch nicht einmal richtig dazugehörte, dafür dass er besser als er darin war, andere mit Blicken einzuschüchtern und Beleidigungen abzufeuern und überhaupt generell lästig war. Er wollte den Jungen Severus raus aus seinem Leben haben und den Lehrer Snape zurück.

All das konnte er natürlich weder Gregory, Vincent, Blaise noch sonst jemandem erzählen. Außer vielleicht den Teil, dass er Snape zurückhaben wollte. Aber es gab Dinge, die er definitiv keinem seiner „Freunde“ erzählen konnte, aber er fühlte, dass er über sie sprechen musste. Wenn er über sie sprechen konnte, verstand er sie vielleicht endlich. Aber er konnte mit niemandem sprechen.

Er konnte ihnen nicht erzählen, dass er den Lehrer Snape tatsächlich mochte. Er konnte ihnen nicht erzählen, dass er wissen wollte, wie er als Junge gewesen war. Dass er es irgendwie mochte, ihn zu beobachten. Dass er seine Streiche komisch fand. Dass er sich zu ihm setzen und Drachenbilder mit ihm malen wollte. Dass er einfach mit ihm sprechen wollte, wie mit irgendeinem anderen Jungen. Dass er gerne dabei gewesen wäre, als Severus wirklich noch ein Junge war. Dass er ihm irgendwie leid tat, weil er aus seinem Leben gerissen worden war und nicht wusste, wann er zurückkehren konnte.

Was war es für ein Gefühl für einen Erwachsenen, wieder ein Kind zu sein? Wie war es, bei einer Horde grausamer rüder Jungen bleiben zu müssen und niemand mochte einen? War es das, weswegen Severus davongelaufen war? Weil er auch jemanden zum Reden brauchte? Jemanden, der ihn verstehen konnte? Jemanden seines richtigen Alters? Redeten die Lehrer so mit ihm, wie sie es immer getan hatten oder behandelten sie ihn wie die anderen Schüler? Mieden ihn seine erwachsenen Freunde, weil er im Körper eines Kindes gefangen war? Warum würde ein Lehrer hergehen und so eine Menge an Unheil stiften? Aus Rache, weil jeder ihn wie ein Kind behandelte? Um sich als vertrauenswürdig für die richtigen Kinder zu beweisen? Um jemanden zu ärgern? Oder einfach zum Spaß weil er es konnte? War er so, wie Severus als Kind wirklich gewesen war? Oder wie er gerne gewesen wäre, aber es nicht gewagt hatte?

‚Zu viele Fragen!’ entschied Draco ‚Und es wird keine Antworten geben. Ich muss wohl akzeptieren, dass ich es nicht rausfinden werde.’

Montag Morgen! Unterricht mit Severus! Keiner der Lehrer freute sich darauf. Einige der Fünftklassler befürchteten, sich in seiner Gegenwart zum Narren vor einem anderen Lehrer zu machen. Andere wiederum waren neugierig darauf, was passieren würde.

Die Slytherins zählten definitiv zur ersten Gruppe. Ungewöhnlich ruhig gingen sie in ihre erste Unterrichtsstunde: Geschichte der Zauberei mit Professor Binns.

Es war unwahrscheinlich, dass es in dieser Stunde irgendwelche Schwierigkeiten geben würde. Binns trat mit seinen Schülern nie in irgendeine Form der Interaktion. Nur ruhig sitzen bleiben, ein paar Notizen machen und nicht einschlafen. Kein Problem!

Severus kam als Letzter, schloss die Türe hinter sich und setzte sich in die letzte Reihe. Neugierige Blicke von Seiten der Ravenclaws folgten ihm. Die Slytherins hatten sich so ziemlich daran gewöhnt, wie er jetzt aussah.

Professor Binns betrat die Klasse durch die geschlossene Tür. Er hatte keine andere Wahl, da er nicht mehr körperlich genug war, die Klinke zu benutzen, um sie zu öffnen. Einige Schüler kicherten. Severus grinste. Binns schaute beleidigt und begann, ihre Namen vorzulesen – alle falsch wie immer. Manche Schüler korrigierten ihn immer noch jedes Mal, aber die meisten hatten die Namen, die er ihnen zudachte, längst akzeptiert und antworteten mit „Hier!“ oder „Ja!“ oder hoben einfach die Hand, wenn er irgendetwas annähernd Vertrautes rief. Manchmal fragte sich Draco, wie Binns es schaffte, ihnen falsche Namen zu geben, obwohl er sie doch von der Liste las. Nun ja, immer der gleich alte Trott. Er unterdrückte einen Seufzer und sank tiefer in seinen Sessel, als Binns zu lesen fortfuhr. ‚Nicht einschlafen! Ein Lehrer beobachtet dich! Und ich meine nicht Binns!’ erinnerte er sich selbst noch bevor das Unmögliche passierte:

„Snape“, las Binns vor.

‚Klatsch! Bumm! Rumps!’ ging es durch die ganze Klasse. Professor Binns hatte einen richtigen Namen erwischt!

Sogar Severus schaute überrascht, als er die Hand hob. Wer hätte gedacht, dass Binns vom Unfall in der Zaubertrankstunde gehört hatte, oder gar die Namen seiner Kollegen kannte?

Binns nahm natürlich die Reaktion der Klasse nicht wahr. Er fuhr damit fort, die Liste der Namen zu vollenden und über irgendwelche Kobolde herzuziehen, die irgendetwas irgendwo im Jahr 1346 angestellt hatten.

Die Klasse kehrte in ihren Halbschlaf zurück. Draco langweilte sich. Er drehte seinen Stuhl, um zu sehen, was Severus tat. Er schien etwas zu schreiben. Machte er sich Notizen? Nein, er starrte zwischendurch aus dem Fenster. Schien Binns überhaupt nicht wahrzunehmen. Vielleicht zeichnete er wieder.

Das war eine Idee! Draco versank noch tiefer in seinem Sessel, bis er seine Tasche erreichen konnte, fuhr mit der Hand hinein und tastete herum. Da! Ein Stück Pergament und seine Bleistifte. Langsam und vorsichtig zog er sie heraus und legte sie auf den Tisch.

Also, was sollte er zeichnen? Einen Drachen natürlich! Einen großen grünen Drachen, auf seinen Hinterfüßen erhoben mit riesigen ausgebreiteten Schwingen und einem geöffnetem Maul, aus dem er Feuer spuckte.

Die Stunde verging zu schnell für Draco.

Die zweite Stunde des Tages war Zauberkunst mit Professor Flitwick. Flitwick war etwas nervös. Dumbledore hatte ihn gewarnt, dass Severus möglicherweise Ärger machen würde und dass er besser von Beginn an sehr streng mit ihm war. Professor Flitwick bevorzugte normalerweise, in Snapes Gunst zu bleiben.

Der Beginn der Stunde verlief gut. Severus saß wieder alleine in der letzten Reihe. Draco vermutete, dass er etwas unter dem Tisch tat, aber er konnte nicht wirklich sagen, was.

Als Flitwick den neuen Zauber, den sie heute lernen sollten, zu erklären begann, öffnete Draco seine Tasche und zog sein Buch heraus. Da war das Pergament mit dem Bild von dem Drachen drauf. Es war beinahe fertig. Es würde nicht mehr als eine halbe Minute beanspruchen, es zu vollenden. Eine halbe Minute der Unaufmerksamkeit in Zauberkunst konnte er sich leisten. Draco zog das Pergament gleichzeitig mit dem Buch heraus.

Er betrachtete den Drachen. Das Maul stimmte noch nicht so richtig. Es sah eher aus, als ob er singen würde, als im nächsten Moment Feuer spucken.

Draco unterdrücke ein Kichern und begann eine Harfe zwischen seine Vorderpfoten zu zeichnen. Ja, das war besser! Ein Drachenbarde!

Und was sollte der Drache singen? Draco begann Notenlinien für ein Drachenlied auf das Pergament zu zeichnen. Ein wildes Kampflied? Oder vielleicht ein Liebeslied für ein süßes Drachenmädchen?

„Severus, gib mir dieses Pergament!“ Flitwicks Stimme kam plötzlich aus dem hinterem Teil des Klassenzimmers. Nie zuvor Draco hatte seine Stimme so hart klingen gehört.

Severus zog ein Stück Pergament unter dem seinem Tisch hervor und hielt es Flitwick mit einem unschuldigen Grinsen hin.

Flitwick nahm es und starrte es einen Moment lang an.

„Findest du, dass dies die richtige Zeit ist, um Poesie zu schreiben, Severus?“ fragte er ernst.

„Das ist keine Poesie!“ protestierte Severus, offensichtlich gekränkt.

Draco kicherte. Poesie! Pfui Teufel!

„Was ist es dann? Offensichtlich nicht deine Notizen zu meinem Unterricht, würde ich sagen!“

„Das sind Liedtexte!“ Severus setzte wieder diesen unschuldigen Blick auf. „´tschuldigung!“

‚Liedertexte! O-oh!’ Draco ließ schnell das Drachen-Pergament in seiner Tasche verschwinden. Liedertexte!

„Nun, Poesie, Lieder oder was auch immer, es gehört nicht in meinem Unterricht! Das bedeutet 5 Punkte Abzug für Slytherin!“ fügte Flitwick hinzu.

Oh nein, sie konnten es sich nicht leisten, noch mehr Punkte zu verlieren! Sie konnten einfach nicht!

Flitwick fuhr mit seinem Unterricht fort und Draco bemerkte auf einmal, dass er keinen Schimmer hatte, worüber der Lehrer sprach. Und sie sollten es ausführen, bevor die Stunde zuende war! Wie sollte er rechtzeitig herausfinden, was sie heute gelernt hatten?

Draco lehnte sich zu seinem Nachbarn hinüber.

„Greg, psst, Greg!“ flüsterte er.

„Was?“ fragte Gregory nervös. Er war nicht gerade gut in Zauberkunst und wollte Flitwicks Aufmerksamkeit nicht auf sich ziehen.

„Kann ich mir deine Notizen ausborgen, Greg?“

„Was?“

„Deine Notizen zu dieser Stunde. Bitte...“

„Mister Malfoy! Könnten Sie bitte wiederholen, was ich gerade gesagt habe?“ rief Flitwick.

Draco errötete.

„E..e..es tut mir leid, Sir.“ So musste sich Severus vor einer Minute gefühlt haben! Draco wünschte, er könnte sich selber unsichtbar machen. Was konnte er sagen? Irgendetwas das mit dem Thema dieser Stunde zu tun hatte. Wenn er nur wüsste, was es war!

„Nein? Nun, vielleicht könntest du uns erzählen, wovon ich jetzt eine halbe Stunde gesprochen habe?“ Warum war Flitwick heute so gemein? Er hörte sich fast so an wie Snape, wenn er mit den Gryffindors sprach.

„Es tut mir leid! Ich habe irgendwie nicht aufgepasst!“ Vielleicht konnte er sich unter dem Tisch verstecken und Flitwick vergaß, dass er hier war? Aber irgendwie schien das nicht wahrscheinlich. Draco senkte den Kopf und wartete auf das Unvermeidliche.

„Nochmals 5 Punkte Abzug für Slytherin!“ betonte Flitwick.

Oh nein! 10 Punkte verloren in nur einer Stunde! Wie viele hatten sie noch? 37? Oh nein! Was würde Professor Snape sagen? Dann fiel Draco wieder ein, dass Snape ja hier war. Er sah hinüber zu Severus. Ihre Blicke trafen sich. Severus zuckte hilflos mit den Achseln. Nun, immerhin waren sie beide gleich schuld.


Kapitel 1

 Kapitel 3

 

Zurück