Die schwarze Hexe - Kapitel 9: Im Borgho

 

 

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Kapitel 9: Im Borgho


Snape erwachte und war geblendet von gleißendem Licht. Er fand sich in einem komplett weiß gekachelten Raum wieder, der von der Decke aus mit Neonröhren und diversen Strahlern erleuchtet war. Er schaute sich um. Viel gab es nicht zu sehen. Genau gesagt zwei Pritschen mit je einer Decke und einem Leintuch, ein Tischchen, darauf ein Blechnapf, ein Krug, ein Becher und ein Löffel. Eine Ecke war wohl als Toilette abgetrennt. Keine Fenster. Stahltür. Wo war er bloß? Und wie war er hierher gekommen. Diese Rotkutten... er rieb sich über die Stirn. Sein Kopf wollte fast platzen vor Schmerzen. Es war, als ob sich ein Messer durch sein Auge bohrte...
Ihm fehlten ein paar Stunden im Gedächtnis. Das musste hier ein Gefängnis sein, aber definitiv nicht Askaban. Wo war Rautgundis? Warum hatte sie der Fremde mit Namen gekannt?
Er setzte sich auf und schüttete sich Wasser aus dem Krug in den Becher. Seine Zunge war schon ganz ausgetrocknet.

Er hörte Stimmen hohl und leise, die sich näherten. Schlüssel klirrten und die schwere Tür öffnete sich. Snape konnte vier Gestalten ausmachen. Zwei sicherten die Tür, die anderen brachten eine leblose Gestalt herein. Sie trug ein weites Hemd, das ihren Körper nur dürftig bedeckte mit halblangen Ärmeln und Socken an den Füßen. Man konnte überall Striemen sehen, Blut sickerte durch den Stoff.
"So, mit der samma fertig..." Sie warfen die Person auf die andere Pritsche und würdigten Snape keines Blickes. "Sie kommen dann später dran" rief einer ihm noch zu, dann verließen die Männer den Raum.

Snape griff in sein Gewand nach dem Zauberstab -weg. Er massierte seine Schläfen, dann stand er auf und näherte sich der Mitgefangenen. Er drehte sie vorsichtig auf die Seite um ihr Gesicht anzuschauen und legte seine Finger an ihren Puls. Sie lebte noch. Ihr Gesicht zierten Schnitte wie von Glassplittern, doch was ihn erschreckte waren wohl eher alte Verletzungen. Sie musste gebrannt haben. Ein großer Teil der Haut bestand aus Narbenplatten, er sah Narben am Hals, die ihn an Strangulierungen erinnerten und auch die Hände waren eigenartig verformt als wären sie mehrfach gebrochen gewesen. Ihre Haut war fahl und mit blauen Flecken übersät. Ihr störrisches schwarzes Haar war zu einem Zopf geflochten, der auch ohne Schleife zusammenhielt. Sie musste Ende dreißig sein, wie er...
Ein Gedanke befiel ihn. Ganz langsam krempelte er ihren Ärmel hoch, immer bedacht keine der frischen Wunden neu aufzureißen. Da war ein Skelett doch es bewegte sich nicht. War das nun Rautgundis Haberfeldt oder jemand anderes von ihren Verbündeten? Er setzte sich still an ihre Seite. Er betrachtete sie eingehend und wartete darauf, dass er abgeholt würde. 

Die Frau war nach zwei Stunden immer noch nicht aufgewacht und Snape begann sich ernsthaft sorgen zu machen, als er wieder die Wärter kommen hörte. Die Tür öffnete sich und ein bulliger Typ kam auf ihn zu. "Darf ich bitten Professor Snape."
"Was ist mit ihr" flüsterte Snape heiser.
"Der Chef hasst Insubordination. Keine Angst, die werd scho wieder, die ist zäh wie Leder..."
"Ist das..."
"Die Gundi. So schaut sie ohne Magie aus. Magie geht hier drinnen verloren... Als sie jünger war, war sie Chefs bestes Pferd, aber seit einiger Zeit geht sie lieber eigene Wege, darauf reagiert der Chef allergisch... kommen's jetzt."

Snape wurde in einen weiteren hellen Raum geführt, der an den Wänden mit diversen Folterinstrumenten bestückt war. Hinter einem Edelstahlschreibtisch, saß auf einem Chefsessel ein blonder Hühne, braungebrannt mit einem riesigen Schnurrbart. Er trug einen weißen Kittel, dazu eine blutrote Hose. Er schaute Snape herablassend an und bedeutete ihm sich zu setzen. 

"Sie sind also Professor Snape... Severus Snape..." Er musterte Snape von oben bis unten. "Gestalt der Nacht, Kellerassel... der Meister der Zaubertränke." Er lachte.
"Mein Name ist Band, Johann Band, magischer Geheimdienst, am besten Sie erzählen mir, warum ich Sie nicht gleich erledigen sollte. Sie waren auf der Liste. Und all ihre Todfresser bei der Aktion an der Uni haben wir erwischt... nur einen nicht. Ich hasse Protegees. Und ich habe meine Mitarbeiterin für ihren Alleingang bestraft. Also rücken Sie raus was Sie wissen oder können, wenn Ihnen Ihr Leben lieb ist."

Severus Snape schwieg. Was sollte er diesem eingebildeten Affen erzählen? Geheimdienst. Wenn es den tatsächlich gab, warum war der nicht schon früher in Erscheinung getreten, dann hätte er diesen Job gar nicht erst annehmen müssen und ein beschaulicheres Leben auf Hogwarts geführt.

"Nicht mal sprechen kann er, der Herr Giftmischer... ich weiß ja nicht, was Rautgundis an Ihnen findet. Vielleicht hat Direktor Dumbledore sie ja verhext..." höhnte Band. "Helfen wir ihm ein bisserl, Buama!"

Zwei der Männer packten Severus Snape und zogen ihn hoch. Sie flößten ihm ein Serum ein und spannten ihn in eine antike Folterbank.

***

Severus Snape erwachte auf seiner Pritsche. Sie hatten ihn blank erwischt, ohne Zauberstab und ohne seine Tränke war er ein Nichts. Er hatte all seinen Stolz aufgeboten und der Foltermaschinerie so lange wie möglich getrotzt, am Ende hatten sie ihn doch da, wo sie ihn haben wollten und er hatte geredet über all die Jahre unter der Herrschaft des Dunklen Lords, über seinen Neuanfang und die Mission, die er ausführen sollte.
Er spürte eine Hand auf dem Rücken, die ihn sanft streichelte. Er ließ die Augen geschlossen und rührte sich nicht. Die Berührung tat gut nach all dieser Tortur. Sie hatte etwas kindlich anrührendes, Wärme... nach einigen langen Minuten murmelte er: "Jetzt habe ich aber kein grünes Seidengewand mehr an..." Er öffnete die Augen. 

Rautgundis schaute ihn unvermittelt an. "...Und ich bin weder die Tänzerin von Halloween noch habe ich bernsteinfarbene Augen." 

Snape erschrak: zu dem entstellten Gesicht gesellte sich auch ein Paar rot leuchtende Augen.
Rautgundis wollte ihre Hände fortnehmen, doch Snape hielt sie am Handgelenk fest. "Hör nicht auf, es lenkt wenigstens ein bisschen vom Schmerz ab..."
"Tut mir leid", murmelte Rautgundis und fuhr fort. "Wenn es nach Plan gegangen wäre, wären Sie jetzt schon tot. Leider kann ich es Ihnen nicht bequemer machen, zaubern ist hier im Burgho unmöglich."

"Sie wissen wo wir sind?"

"Gut 20 Meter unter der Erde im Hauptquartier des magischen Geheimdienstes, ich habe lange genug hier gearbeitet..."

"Jetzt nicht mehr?"

"Indirekt, ich halte noch Verbindung, bin aber eigene Wege gegangen. Seit dem Unfall..."

Severus Snape schaute sie an. "Erzählen Sie mir von dem Plan?"

"Da muss ich etwas weiter ausholen..." Sie setzte sich bequemer. "Ich war bei Mandragus in der Ausbildung, meine Mutter war früh gestorben und mein Vater... hat wohl nie von mir gewusst oder wollte nichts von mir wissen. Mandragus hat einige Stipendiaten aufgenommen um sie für seine Zwecke einzuspannen. Ich habe enorm viel gelernt und habe jede Aktivität mitgemacht. Auch war ich als Beobachterin in Askaban, um ihm über die Prozesse zu berichten. Doch das Klima wurde härter und mir wurde zunehmend klar, Mandragus hatte politische Ambitionen ähnlich wie Voldemort. Ich wollte mich distanzieren, ich kam aber nicht los, schließlich trug ich dieses blöde Mal und wurde jedes Mal wieder hergerufen. Da traf ich bei einer Walpurgisnacht auf Johann Band. Er war witzig und faszinierend. Er erzählte mir von seiner spannenden Arbeit beim Geheimdienst und fragte mich, ob ich nicht mitmachen wollte, nachdem er einige Zeit mit mir verlobt war. Ich fand das reizvoll. Meine Arbeit zielte darauf ab Mandragus zu überführen, indem ich geheime Info weitergab. Doch auch unter den Anhängern von Mandragus gab es unzufriedene mit eigenen Plänen. Bei einer Aktion gegen Muggel gab es eine Meuterei, ich wurde als angeblich zweite Hand Mandragus gefangen genommen. Sie haben einen Brand gelegt und uns eingekesselt. Als ich ausbrechen wollte haben sie mich zu zehnt misshandelt...," sie schwieg kurz, "ich will hier auf keine Details eingehn und schließlich wurde ich ins Haus zurück geworfen. Mandragus war mit einem neuen Zauber wie versteinert und bekam gar nichts mit. Als ich erwachte, brannte er am ganzen Leibe und ich kam nur mit Mühe davon... seitdem wollte Band mich nicht mehr als seine Frau ansehen und versorgte mich nur widerstrebend mit Arbeit..."

Snape wirkte nachdenklich. "Was hat Sie nach Hogwarts gebracht?"

"Das waren zwei Dinge. Dumbledore ist ein Freund meiner Tante. Er hatte ihr wohl von seinem Kampf gegen Voldemort Andeutungen gemacht. Er suchte Hilfe, jemanden, der bei ihm Verteidigung gegen die dunklen Künste unterrichtete und zugleich dies auch gegen den bösen schwarzen Zauberer anwandte. Auch von Band hörte ich indirekt, dass er auf diesem Sektor arbeiten wollte, er wollte auch die ganzen Todesser vernichten einschließlich Voldemort. Ich musste da hin. Aus Geheimdienstquellen wusste ich, dass ein gefürchteter Lehrer namens Snape zu den Todessern gehörte, die vernichtet werden sollten..."

Snape war bleich und blickte weg.
"Ich plante, ihn nach seiner Ermordung zu ersetzen, um mein persönliches Ziel weiter zu verfolgen. Deshalb die Maskerade. War am Ende wirklich perfekt."
"Wozu?" fragte Snape heiser. Sie sprach so selbst verständlich über seinen Tod, als wäre er überhaupt nicht anwesend.
"Sie haben Zugang..." Sie schwieg und senkte den Blick.
"Wozu, Rautgundis?" Er packte ihre Handgelenke.
"Zu meinem Vater..."
Snape schaute sie verwirrt an. Aus ihren roten Augen kamen Tränen.
"Ich wollte wenigstens ein paar Tage mit ihm verbringen, bevor er sterben muss..."
"Voldemort?..."
"Ja, Tom Riddle. Es war ein Ausflug, ein Treffen der schwarzen Magier in den Bergen. Sie hatten wohl viel Spaß... Meine Mutter hat oft davon geschwärmt, doch ihre Eltern hielten sie fest unter Verschluss, ein Fremder kam für sie nicht in Frage."

"Voldemorts Tochter..." Snape begann diesen Gedanken zu verarbeiten. Er schwieg.

"Warum haben Sie den Plan nicht einfach umgesetzt? Dann wäre ich jetzt tot und Sie könnten meine Stelle einnehmen..." Snape versuchte möglichst cool zu wirken, war jedoch sehr angespannt. Er drehte sich zur Seite, um Rautgundis näher anzuschauen. "Aussehnen und Stimme haben Sie doch tadellos hinbekommen, Ihr Dialekt ist doch jetzt kaum mehr auszumachen..."

"Der Dialekt gehörte zur Rolle, ist aber wirklich meine Heimatsprache. Keiner würde ahnen, dass ich auch anders kann."
"Sie haben meine Frage nicht beantwortet" drängte Snape. 
Rautgundis seufzte und ließ ihre Hand auf seinem Schulterblatt ruhen. "Sie wissen es..."
"Sie haben einen schweren Fehler begangen, wenn ich das richtig sehe..."
"Glauben Sie das persönlich auch?"
"Wie?"
"War es ein Fehler, Sie lebendig sehen zu wollen?"
"Was für ein Gewinn...", lächelte er zynisch.
"Ich dachte nicht, dass Band so schnell wäre, die Folter hätte ich Ihnen gerne erspart..."
"Ich bin Folter gewohnt, das habe ich nicht gemeint..."

Sie zog sanft mit ihren Fingern die Konturen seines Gesichts nach. Er hielt still, bis sie an seinem Hals angelangt war, dann fasste er um ihre Taille.
Sie sog die Luft ein und schluckte. "Sie führen mich in Versuchung Master Snape", murmelte sie.

"Das habe ich schon einmal gehört..."
"Das meine ich auch so..."
"Verarschen kann ich mich auch selber!"

Sie blickte ihn traurig an. "Dann eben nicht. Vielleicht würden Sie mir eher glauben wollen, wenn ich so aussähe wie ... naja die vollbusige Brunette!" Sie wandte sich ab und schob Snapes Hand fort. "Keiner sieht einen Krüppel wie mich an."

"Und da haben Sie sich einen passenden Krüppel ausgesucht...?"

"Sie machen sich lustig über mich. Schwamm drüber, Sie wollen mich nicht verstehen. Das war mein Fehler; dafür werde ich gerade stehen. Für mich sind Sie ein begehrenswerter Mann. Ich... ach vergessen Sie's!" Sie erhob sich langsam. Snape schaute ihr verwundert nach.
"Sie werden bald frei sein, sicher haben Sie auch gestanden, dass sie mich zum Kotzen finden, das dürfte auch Band gefallen."

Snape versuchte sich aufzurichten, stöhnte auf und sank auf die Pritsche zurück. "Rautgundis?"
"Ja?"
"Kommen Sie doch wieder her, bitte!"

Sie kam langsam und mühsam zu ihm herüber. Snape sah die Schmerzen ihren Augen an. Sie setzte sich wieder. Snape strich nun ihr über den Rücken. Sie blieb starr.

"Ich habe mich noch nicht bedankt..."
"Wozu auch."
"Für Ihren Einsatz, Sie haben mein Leben gerettet."
"Das Leben eines - wie haben Sie gesagt - ‚Krüppels'...? Ich gäbe manches für den Tod..."
"Ich hatte den Eindruck, es hat Ihnen vieles Spaß gemacht, als Sie auf Hogwarts unterrichteten..."

"Sie glauben doch kaum, dass ich noch einmal nach Hogwarts kommen darf... Band wir dafür sorgen, dass man mich weit weg schickt ... ja Hogwarts werde ich nicht vergessen, Sie wohl auch nicht..."

Snape strich ihr nun zärtlich über das Gesicht.
"Ich Sie auch nicht, ... Gundi. Wir hatten eine gute Zeit miteinander." Er fuhr fort sie zu streicheln und sie schmiegte sich an seine Hand. Sie schwiegen eine Zeit lang.

Dann fragte Snape: "werden Sie Ihren Vater noch sehen können..."

"Und wenn es das letzte ist, was ich tue... sollte es mir nicht gelingen... erzählen Sie ihm dann von mir, Severus?"

Snape schluckte als sie seinen Namen aussprach. "Ich versprech's"

"Und wenn ich die Chance hätte noch einmal in Hogwarts vorbeizuschauen... würden Sie dann ... ich meine ... würden Sie sich über einen Besuch freuen?"

Er schaute sie entgeistert an. Dann zog er sie sanft zu sich herunter, wie damals als er gerade von Voldemort zurückgehrt war. Und berührte ihre Stirn mit der seinen. "Ich mag dich auch, Gundi, mehr als das. Ich dachte du hättest das gemerkt. Es gibt viele Berührungspunkte... " Sie verharrten so still, berührten einander vorsichtig und schwiegen.

Die Tür öffnete sich und die Schergen traten ein. Hinter ihnen Band. 
"Severus Snape, Sie können gehen. In Zukunft mischen Sie sich nicht mehr in unsere Angelegenheiten ein, und... ich verstehe, wenn Sie Hexe Haberfeldt dankbar für die Rettung sind, doch ersuche ich Sie, keinen weiteren Kontakt mit ihr aufzunehmen. Das ist zu aller Bestem. Wir entschuldigen den mangelhaften Komfort unserer Einrichtung, doch Sie verstehen die Zweckmäßigkeit sicher..." Er verband Snape die Augen und führte ihn hinaus. 

Rautgundis Haberfeldt sank auf der Pritsche zusammen. Der Tag hatte sie viel Kraft gekostet. Sie war müde. Ganz umsonst war ihre missglückte Mission also doch nicht, wenn auch... sie zog die Decke um sich und nahm den Duft Snapes auf, der noch auf ihr lag... dann schlief sie ein.



Kapitel 8

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