Blutsbande - Kapitel 14: Von Traum zu Albtraum

 

 

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Kapitel 14: Von Traum zu Albtraum



Am anderen Morgen erwachten alle Gryffindors ziemlich spät, was kein Wunder war, nachdem ihre improvisierte Party noch bis lange nach Mitternacht gegangen war.

Emily räkelte sich faul unter ihrer Decke, schließlich war Sonntag und man konnte länger schlafen. In Gedanken ließ sie den vergangenen Abend noch einmal Revue passieren - sie hatte schon lange nicht mehr soviel Spaß gehabt.

Ron hatte sich immer wieder für den Umhang bedankt, anscheinend hatte sie genau das Richtige für ihn gefunden. Jetzt konnte Halloween kommen.

Und die Gesichter der anderen, als sie in ihrem neuen Outfit in den Gemeinschaftsraum gekommen war - das war ein echtes Erfolgserlebnis gewesen.

Emily hatte zwar zuerst ein paar Zweifel gehabt, ob sie so etwas in Hogwarts wirklich anziehen konnte. Und als die anderen Mädchen ihre Einkäufe zuerst eher fassungslos gemustert hatten, waren ihre Zweifel noch gewachsen. Doch als sie dann angefangen hatte, alles anzuprobieren, waren alle begeistert gewesen.

„Es ist zwar absolut unkonventionell, aber du kannst so etwas tragen“, hatte Parvati fachmännisch festgestellt. Und diese Meinung wurde von allen geteilt.

Madame Aurelia hatte nämlich gemeint, dass Emily dermaßen schlank wäre, dass auch noch die schmalgeschnittenste Zaubererrobe um ihre Figur schlackern würde - und hatte ihr deshalb etwas anderes empfohlen. Etwas, was an ihr sehr attraktiv aussah und außerdem auch noch überaus praktisch war.

„Muggelhosen“, kicherte Lavander. „Ich hätte nie gedacht, dass man in Hogsmeade so etwas bekommt.

„Angeblich kommt Muggelkleidung in Mode“, meinte Emily. „Madame Aurelia hat das jedenfalls gesagt - und deshalb führt sie auch ein ansehnliches Sortiment.“

„Hautenge, schwarze Jeans“, staunte Hermine. „Ich hatte mich schon gefragt, wann sich das in Hogwarts jemand trauen würde. Aber du hast wirklich die Figur dafür.“

Emily hatte sich tatsächlich mehrere Paar schwarzer, gutgeschnittener Jeans zugelegt, die ihr wie eine zweite Haut anlagen. Und auch alle Oberteile, die sie dazu gekauft hatten, stammten aus dem Muggel-Sortiment. Der Clou war allerdings ein ebenfalls schwarzer Rollkragenpullover, der genauso eng war, wie die Hosen. Emily war davon so begeistert, dass sie ihn gleich in mehreren Farben erstanden hatte.

Und als sie sich dann auch noch der bewundernden Blicke bewusst wurde, die die Jungen ihr zuwarfen, wusste sie, dass sie sich richtig entschieden hatte.

„Wenn du damit morgen in der Großen Halle erscheinst, werden Malfoy und seine Kumpels den Mund nicht mehr zukriegen“, meinte Seamus anerkennend. „Sieht wirklich toll aus!“

„Ich mache eine Diät und kaufe mir auch so was“, beschloß Parvati. „Ist doch wirklich mal was anderes.“

Gemütlich hatten sie dann im Gemeinschaftsraum zusammengesessen, haben haufenweise Süßigkeiten vertilgt und viel gelacht und herumgeblödelt. Und Emily hatte endlich einmal das Gefühl gehabt, dazuzugehören.

Irgendwann, als es bei ihnen gar nicht leiser wurde, war plötzlich Professor McGonnagal auf der Bildfläche erschienen. Sie setzte schon zu einer gesalzenen Strafpredigt an, als sie Emily bemerkte.

„Oh, Miss McElwood, “ sagte sie, als sie sich von ihrer Überraschung erholt hatte. „Eine solche Garderobe ist zwar nicht gerade üblich in Hogwarts - aber doch eine echte Verbesserung zu vorher.“ Sie lächelte. „Und ich vermute, damit werden Sie nicht nur einem männlichen Wesen hier schlaflose Nächte bereiten.“

Emily errötete. Wenn dadurch auch nur ein einziges, GANZ BESTIMMTES männliches Wesen so reagieren würde, wäre der Zweck erfüllt.

„Aber jetzt ins Bett alle miteinander, es ist spät genug“, hatte McGonnagal dann befohlen und die Party aufgelöst.

Und jetzt war Sonntag, kein Unterricht - und Emily freute sich darauf, wie der Rest der Schule auf ihre Veränderung reagieren würde. Besonders Snape.

Nachdem ihr ihre Großmutter gestern die Wahrheit vor Augen geführt hatte, war Emily zuerst einmal wie unter Schock gewesen. Doch dann, als sie in der Lage war, ihre Gefühle zuzulassen und zu akzeptieren, fühlte sie sich großartig. Als ob sie alles schaffen, die ganze Welt umarmen könnte.

Und mit diesem Gefühl alleine im Bett zu liegen, war irgendwie nicht so ganz das Wahre. Also stand sie auf und machte sich auf den Weg ins Bad, das sie um diese Uhrzeit wohl noch für sich haben würde.

Sie nahm eine ausgiebige Dusche, wusch ihr Haar mit dem neuen, nach Zitronen duftenden Shampoo und kämmte sie dann sorgfältig aus. Dann wandte sie sich ihrem neuerstandenen Sortiment an Kosmetika zu. Viel war es nicht, sie machte sich nicht viel aus Make-up, aber damit konnte man wenigstens etwas Farbe auf die Wangen bekommen. Nur, die Kunst des Schminkens schien eine Wissenschaft für sich zu sein - und Emily hatte damit nicht die geringste Erfahrung.

„So wird das nichts“, meinte Lavander, die gerade im Bad erschien und über Emilys ungeschickte Versuche mit dem Rougepinsel nur den Kopf schüttelte.

Emily wusch sich bereits zum dritten Mal die Schminke wieder aus dem Gesicht. „Ich verstehe das nicht, ich sehe immer nur aus wie in einen Farbtopf gefallen“, jammerte sie. „Dabei kann das doch echt nicht so schwierig sein…“

„Komm, ich zeig’s dir“, erbot sich Lavander. „Du darfst nur ganz wenig nehmen, siehst du, genau so.“ Sie bestäubte Emilys Wangen mit einem Hauch Rouge. „So, das reicht“, sagte sie dann. „Willst du auch noch Lidschatten auflegen?“

„Ich glaube, das wäre für den Anfang doch etwas zuviel“, meinte Emily und betrachtete ihr rosig überhauchtes Gesicht wohlgefällig im Spiegel. „Ich fühle mich jetzt schon wie ein neuer Mensch, vielen Dank, Lavander.“

„Gern geschehen - und du siehst tatsächlich völlig verändert aus. Zum Positiven. Ich würde an deiner Stelle wieder so einen Zopf flechten…“

Das tat Emily dann auch und als sie eine halbe Stunde später fix und fertig angezogen war, hätte man sie kaum wiedererkannt.

Ihre alten, wallenden Gewänder beförderte sie als zusammengeknüllten Haufen kurzerhand auf den Fußboden vor ihren Kleiderschrank.

„Ein Festtag für die Hauselfen“, lachte Hermine, die gerade am Aufstehen war.

„Ich gehe jetzt jedenfalls erst mal Frühstücken“, verkündete Emily als nächstes. „Kommt ihr mit? Ich fühle mich wie halb verhungert!“

„Gib mir zehn Minuten, dann bin ich soweit.“ Hermine beeilte sich, aus dem Bett zu kommen. „Deinen großen Auftritt unten in der Halle will ich auf keinen Fall verpassen.“



*~*



In der Großen Halle war noch nicht viel los, doch diejenigen, die bereits beim Frühstück saßen, machten riesengroße Augen, als Emily zusammen mit Hermine, Lavander und Parvati die Treppe herunterkam.

„Ich glaub, mein Besen fliegt nen dreifachen Rittberger“, platzte jemand bei den Hufflepuffs heraus.

„Na, hoffentlich sitzt du nicht mit drauf“, konterte Emily vergnügt und alles lachte.

„Jetzt ist sie von einer flatternden zu einer dürren Krähe mutiert“, versuchte Pansy, eine Gemeinheit anzubringen. Mit wenig Erfolg.

„Trotzdem eine erhebliche Verbesserung“, stellte Draco mit Kennerblick fest. „Die hat ja richtig weibliche Kurven, hätte ich nie gedacht. Schade, dass sie eine Gryffindor ist!“

„Tja Pansy, daneben siehst du jetzt aus, wie ein hochschwangerer Frosch“, meinte Lavander genüsslich in Richtung Slytherintisch. Und Pansy musste, kochend vor Wut, mit ansehen, wie darüber auch diverse ihrer eigenen Hauskameraden lachten.

Emily genoß es, auch einmal im positiven Sinne im Mittelpunkt zu stehen. Eigentlich witzig, fand sie. Was Äußerlichkeiten ausmachen können…

„Hast du eigentlich wieder alles in Schwarz?“, Wollte Dean gerade wissen. „Nicht, dass es schlecht aussehen würde, es wundert mich nur…“

„Das meiste“, meinte Emily. „Schwarz war schon immer meine Lieblingsfarbe.“ Das stimmte sogar - und hatte nichts mit Snape zu tun.

Alles in allem war es ein Riesenerfolg - der für Emily nur dadurch ein bisschen getrübt wurde, dass sich Snape nicht blicken ließ.

‚Was soll’s’, dachte sie dann. ‚Heute Abend ist auch noch früh genug.’ Und gemeinsam mit den anderen machte sie sich daran, ein reichhaltiges Frühstück zu verputzen.



*~*



„Und was wollen wir jetzt machen?“ Ron streckte, voll bis obenhin, alle Glieder von sich.

„Jetzt haben wir Quidditch-Training“, verkündete Harry. „Ihr könnt ja mitkommen und zusehen, es ist so ein schöner Tag.“

Also machten sich viele Gryffindors, selbst Emily, auf den Weg nach draußen.

Der Himmel war strahlend blau und die Sonne ließ das buntgefärbte Laub der Bäume golden schimmern. Es war warm genug, dass man seinen Umhang im Zimmer lassen konnte - Harry hatte völlig Recht, einen solchen Tag musste man wirklich ausnutzen, denn nur allzu bald würde das herbstliche Schmuddelwetter einsetzen.

Als sie gerade aus dem Tor heraus waren, erspähte Emily eine hochgewachsene, schwarzgekleidete Gestalt, die ihnen entgegenkam. Ihr Herz begann, schneller zu schlagen.

„Guten Morgen, Professor Snape“, grüßte Hermine, als sie auf gleicher Höhe waren. Snape schien gerade aus dem Gewächshaus zu kommen, er trug einen großen Korb mit allerlei Wurzeln und Kräutern und erwiderte Hermines Gruß lediglich mit einem eisigen Blick. Er wollte sofort wieder den Kopf von der fröhlichen Truppe abwenden, als sein Blick auf Emily fiel, die ihm schüchtern zulächelte.

„Sie halten wohl in der Tat nicht viel von konventioneller Kleidung, Miss McElwood“, knurrte er. „Von einem Extrem ins andere…“

Emily stutzte einen Moment, dann wurde ihr klar, dass sie von Snape niemals auch nur ein nettes Wort hören würde, solange Zuhörer drum herumstanden.

„Mir gefällts“, entgegnete sie herausfordernd. „Und einem Großteil der anderen wohl auch, wenn ich das richtig mitbekommen habe.“ Zustimmendes Gemurmel ringsum.

„Na dann…“, sagte der Zaubertrankmeister nur und eilte weiter.

„Eher friert die Hölle ein, als dass Snape etwas von sich gibt, was einem Kompliment auch nur entfernt ähnlich klingen könnte“, meinte Harry spöttisch. „Aber wen interessiert es schon, was ihm gefällt? Mach dir nichts draus, Emily.“

Das tat Emily auch nicht, denn sie konnte Blicke deuten. Und so, wie Snape sie angesehen hatte … ihre Laune hob sich noch um einige Grade, als sie sich zusammen mit den anderen wieder in Bewegung setzte. Sie hätte schwören können, dass sie seine Blicke im Rücken spüren konnte, doch sie widerstand der Versuchung, sich umzudrehen. Warum riskieren, eine Illusion zu zerstören…

Doch Snape war tatsächlich nach ein paar Schritten noch einmal stehengeblieben und sah ihnen kopfschüttelnd hinterher. Nicht zu fassen, was die Kleine da aus sich gemacht hatte … Er korrigierte seine Gedanken. SO klein schien sie ja definitiv nicht zu sein, die grazile Gestalt, die da entlangging, gehörte ganz offensichtlich einer jungen Frau.

Sein Blick wanderte über ihre schlanke Taille und die schmalen Hüften, die in diesen Hosen gar nicht mehr knochig wirkten und blieb an einem runden Po hängen. Über alledem wippte aufreizend ein schwerer Zopf aus dunklem Haar…

Snape schluckte und rief sich zur Ordnung. Was fiel ihm eigentlich ein, sie auf diese Art anzusehen? Sie war seine Schülerin und somit absolut tabu - und um seine eigenen Gelüste auszuleben, sollte er sich wohl besser jemand anderes suchen.

Er ging zurück ins Schloß und fragte sich, wie das wohl werden würde, wenn Emily in Zukunft in diesem Outfit in seinem Labor aufkreuzen würde…



*~*



Auf dem Quidditchfeld war bereits Hochbetrieb und alle vier Mannschaften genossen das Training im strahlenden Sonnenschein. Es wurde zwar ziemlich eng, doch so richtig ernst schien das heute niemand zu sehen.

Auf den Tribünen hatten sich etliche Zuschauer eingefunden, die sich faul in der Sonne räkelten und dem Treiben zusahen. Einige Nettigkeiten, besonders zwischen Slytherins und Gryffindors, wurden natürlich auch ausgetauscht, doch niemand hatte wirklich Lust, sich ernsthaft zu streiten.

Emily hatte sich etwas von den anderen abgesondert, lümmelte sich bequem auf eine der Holzbänke und hing ihren eigenen Gedanken nach. Zum ersten Mal seit wirklich langer Zeit fühlte sie sich beinahe glücklich, der Tag erschien ihr ein bisschen wie ein Traum. Ein schöner Traum. Selbst ihr ‚Problem’ schien plötzlich nicht mehr so bedrohlich zu sein, es würde alles gut gehen. Es MUSSTE einfach alles gut gehen, es wäre so unfair, wenn jetzt, wo sie endlich etwas Lebenslust für sich entdeckt hatte, alles wieder zerstört werden würde.

‚Tja, und seit wann geht es im Leben fair zu?’, sagte etwas in ihren Gedanken und Emily brachte diese Stimme schleunigst wieder zum Verstummen, bevor sie ihr alles verdarb. Sie war stark, sie würde kämpfen und sie würde alles erreichen, was sie sich vornahm…

„Ähhh…“, machte es plötzlich und sie fuhr, aus ihren Gedanken gerissen, unwillig herum. Neben ihr stand, verlegen von einem Bein aufs andere tretend - Draco Malfoy.

„Suchst du was Bestimmtes?“, meinte Emily schnippisch, als sie sich von ihrer Überraschung erholt hatte.

„Ähh…“, machte Draco noch einmal. „Kann ich mal kurz mit dir reden?“ Er wartete keine Antwort ab und setzte sich neben ihr auf die Bank.

Emily rückte ein Stück zur Seite. „Und worüber?“

„Na ja…“ Draco schien sichtlich Mühe zu haben, sein Anliegen zu formulieren. „Es geht um Halloween…“

„Was ist damit?“ Emily fragte sich, worauf Malfoy wohl hinauswollte.

„Ich habe gehört, es soll dieses Jahr ne größere Veranstaltung werden. Und da wollte ich dich fragen… na ja, ob du schon einen Begleiter hast?“

„Was, da braucht man einen Begleiter? Das fehlt ja grade noch!“

„Du kannst natürlich auch alleine hingehen, aber ich dachte … falls du noch niemanden hast … ob du vielleicht mit mir hingehen möchtest?“

Emily setzte sich kerzengerade auf. „Ich höre wohl nicht recht?? Ausgerechnet DU fragst mich, ob … wie kommst du eigentlich auf so was, du kannst mich doch nicht leiden. Außerdem bin ich eine Gryffindor!“

Draco wand sich etwas. „Eigentlich habe ich nie etwas gegen dich persönlich gehabt“, meinte er. „Und in einem halben Jahr sind wir hier eh alle draußen, da ist dann Schluß mit Slytherin und Gryffindor und so weiter. Also dachte ich, man könnte mal so langsam anfangen, sich wie ein erwachsener Mensch zu benehmen…“

„Soso, denken tust du gelegentlich auch“, spottete Emily. „Soll ich mich jetzt etwa geehrt fühlen?“

Draco seufzte. „Du kannst ja mal drüber nachdenken, sind ja noch zwei Wochen hin“, meinte er dann.

Emily musste das Ganze erst einmal verdauen. „Na schön, ich denke drüber nach“, sagte sie dann. „Aber mach dir nicht allzu viele Hoffnungen. Und jetzt sei so nett und laß mich alleine, ich bin beschäftigt.“

Gehorsam stand Draco auf und verzog sich.

Ein Jammer, dass Emily keine Slytherin war, das hätte alles immens vereinfacht. Draco hatte nämlich seinem Vater haarklein von ihr und dem geheimnisvollen Cruciatus berichtet - und Lucius Malfoy wollte natürlich mehr wissen.

„Sie zu, dass du alles darüber herausbekommst“, hatte er seinem Sohn befohlen. „Sie ist ein Mädchen und außerdem nur eine Gryffindor. Das kann ja wohl nicht so schwierig sein…“

Draco seufzte erneut. Sein Vater hatte gut reden, er kannte Emily ja nicht. Die war nämlich alles andere als einfach, zutiefst misstrauisch und außerdem hatte sie für ihn nicht sonderlich viel übrig. Aber vielleicht ließ sich das ja ändern? Draco war der Ansicht, dass seine Einladung ein wunderbarer Einstieg wäre - sofern Emily mitmachte. Er war davon zwar nicht allzu begeistert, denn sobald sich das herumsprach, würden nicht nur seine Hauskameraden schonungslos über ihn herziehen. Aber es gab Schlimmeres, viel Schlimmeres sogar. Zum Beispiel, Lucius Malfoy nicht zu gehorchen. Wenigstens sah Emily jetzt halbwegs präsentabel aus...



*~*



„Was wollte diese Kröte denn von dir?“ Ron und Hermine hatten Malfoys Anwesenheit bemerkt und kamen jetzt zu Emily hinüber.

„Das glaubt ihr nicht!“ Emily schüttelte fassungslos den Kopf. „Er hat mich doch tatsächlich gefragt, ob ich mit ihm zur Halloweenparty gehe. Könnt ihr euch das vorstellen?“

Ron fiel beinahe von der Bank und auch Hermine schaute völlig verblüfft drein. „Was für einen Zaubertrank hatte er wohl intus, dass er auf solche Ideen kommt?“

„Fragt mich nicht“, meinte Emily nur. „Es kann doch unmöglich an einem Paar enger Hosen liegen?“

„Sollte man eigentlich meinen“, befand Hermine. „Obwohl… wenn ich’s mir genau überlege, wird das sicher nicht dein einziges Angebot bleiben…“ Sie zwinkerte Emily zu.

„Gott versteh einer die Männer“, stöhnte Emily. „Haben die denn nur Augen für Oberflächlichkeiten?“

„Manche schon“, meinte Hermine und warf Ron einen bedeutungsschweren Blick zu, was ihn erröten ließ.

„Aber du hast seine Einladung doch nicht etwa angenommen?“, wollte er dann wissen.

„Ich habe gesagt, ich werde drüber nachdenken“, sagte Emily. „Zumindest ist er der erste, der mich fragt.“

„Man braucht nicht mit Begleitung zu erscheinen, wenn man nicht möchte“, sagte Hermine. „Und bevor du mit Malfoy…“

Emily lachte. „Ich kann es mir, ehrlich gesagt, auch nicht vorstellen“, meinte sie. „Aber witzig ist es schon.“

„Das muß ich Harry erzählen!“ Ron winkte eifrig seinem Freund auf dem Spielfeld zu. „Wetten, dass ihn das vom Besen haut?“

„Nicht nur ihn“, vermutete Hermine. „Das dürfte halb Hogwarts aus den Socken hauen.“

„Ich hab’s langsam satt, immer das Hauptgesprächsthema zu liefern“, jammerte Emily. „Immer passieren mir solche Sachen.“

„Da hast du aber größtenteils selbst Schuld daran“, entgegnete Hermine freundlich. „Du bist nun mal nicht wie alle anderen und so was fällt zwangsläufig auf.“

„Ja, ich weiß“, seufzte Emily. „Manchmal ist es ja auch ganz nett, aber dauernd…“ Sie stand auf. „Ich glaube, ich gehe besser rein, bevor mich hier alle mit Fragen löchern.“

„Damit schiebst du’s nur bis zum Abendessen auf“, hielt Hermine dagegen. „Spätestens dann wird jeder von dir wissen wollen, ob du mit Malfoy zur Party gehst.“

Emily lächelte ein wenig. „Ich bin Spezialist in Sachen Gnadenfristen“, meinte sie, und Hermine wusste nicht so recht, was sie von dieser Bemerkung halten sollte.



*~*



Sie schlenderte zum Schloß zurück, obwohl sie eigentlich noch gar keine so rechte Lust hatte, in Hogwarts dunklen Gängen zu verschwinden. Also sah sie sich nach einer Alternative um - und fand auch eine.

Im Gewächshaus würde sich um diese Zeit kaum jemand aufhalten und der angrenzende Kräutergarten dürfte sogar völlig menschenleer sein. Vielleicht konnte sie sich dort noch ein Weilchen ins Gras setzen und ungestört die Sonne genießen.

Sie bog kurz entschlossen in Richtung Professor Sprouts Revier ab und freute sich über die Stille, die sie umgab. Bis sie plötzlich Schritte hinter sich vernahm. Bei Merlins Knochen, hatte man denn hier wirklich nirgendwo seine Ruhe? Genervt drehte sie sich um - und sah sich Professor Snape gegenüber.

„Was wollen Sie denn hier?“, rutschte es ihr überrascht heraus.

„Dasselbe könnte ich Sie auch fragen“, entgegnete Snape. „Ich bin dabei, meine Kräutervorräte für den Winter aufzufüllen. Aber Sie…“

„Ich wollte eigentlich nur ein bisschen alleine sein - bevor ich wieder von allen angestarrt werde.“ Wieder fühlte sie, wie sich ihr Herzschlag beschleunigte, doch es war ein angenehmes Gefühl.

Snape blickte etwas freundlicher drein. „Nun, wenn Sie sich so anziehen, werden Sie sich daran gewöhnen müssen. Sie bieten so nämlich einen ziemlich reizvollen Anblick, was kaum jemandem von Ihren männlichen Kollegen entgangen sein dürfte.“

„Nein, nicht deswegen.“ Emily nahm das Kompliment freudig zur Kenntnis. ‚Wie es scheint, nicht nur meinen Schulkollegen’, dachte sie. „Es geht um etwas ganz anderes“, fügte sie dann hinzu.

Snape seufzte. „Was ist denn jetzt schon wieder los?“

Sie berichtete kurz von Malfoys Angebot und entlockte dem Zaubertrankmeister damit ein Kopfschütteln. „Es geschehen noch Zeichen und Wunder“, meinte er spöttisch.

„Es sieht so aus, denn das kann ich mir beim besten Willen nicht erklären.“ Emily war nach wie vor ziemlich ratlos, doch Snape lächelte säuerlich. „Ich schon“, meinte er. „Auch Draco Malfoy ist nämlich imstande, einen Cruciatus zu erkennen - und seien Sie versichert, dass er seinem Vater davon erzählt hat.“

Emily sog scharf den Atem ein. „Sie meinen…“

„Aber natürlich, Lucius Malfoy wäre nicht er selbst, wenn er nicht alles daransetzen würde, zu erfahren, was es damit auf sich hat. Und da er das nicht selbst in die Hand nehmen kann, hat er höchstwahrscheinlich seinen Sohn damit beauftragt, etwas Licht in diese Angelegenheit zu bringen.“

„Der erfährt von mir kein Wort“, sagte Emily erbittert. „Hätte ich mir ja denken können, dass das nur ein Vorwand war! Dieser Mistkerl, der kann was erleben…“

„Vorsicht, Miss McElwood, mit den Malfoys legt man sich besser nicht an“, entgegnete Snape ernst. „Besonders nicht, wenn der gute Lucius mit im Spiel ist.“

Er wagte gar nicht daran zu denken, was Lucius Malfoy mit ihr anstellen würde, wenn er sie in die Finger bekommen würde. Malfoy kannte unzählige Möglichkeiten, jemanden zum Sprechen zu bringen - und die wenigsten davon waren angenehm. Solange Emily hier in Hogwarts blieb, wäre sie vor ihm wohl ziemlich sicher, doch wenn sie das Schulgelände verließ…

„Solange ich in Hogwarts bin, kann keiner der Malfoys viel ausrichten“, meinte Emily, als ob sie seine Gedanken gelesen hätte. „Und so wichtig ist das ja eigentlich auch nicht. Ich wollte Sie aber fragen, ob…“

Weiter kam sie nicht, denn eine weitere Person hatte sich dazugesellt.

„Ich störe doch nicht?“

Emily verdrehte die Augen gen Himmel, als sie Miss Twinkletos kieksige Stimme vernahm.

Laryssa wartete keine Antwort ab. „Sie hatten doch versprochen, mir einmal Ihr Labor zu zeigen, Professor Snape.“ Sie lächelte den Zaubertrankmeister schmelzend an und ignorierte Emily vollkommen. „Und jetzt hätte ich gerade etwas Zeit. Wäre es vielleicht möglich…“

Snape schluckte schwer. Wie sie so dastand, strahlend in der Nachmittagssonne, hätte man denken können, ein Engel wäre erschienen. Das wunderbare Lächeln und ein unschuldiger Augenaufschlag mit langbewimperten Lidern taten ein Übriges: Snape vergaß wieder einmal den Rest der Welt um sich herum, sogar Emily.

„Aber mit dem größten Vergnügen“, brachte er mit heiserer Stimme hervor und ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus.

Laryssa ergriff seinen Arm. „Gehen wir?“

Sie gingen - und ließen die verdatterte Emily einfach stehen. Emily sah ihnen hinterher, hörte Laryssas penetrantes Geplapper und Snape sogar ab und zu lachen.

Etwas in ihr zerbrach und ihre Augen füllten sich mit Tränen. Wie konnte er es wagen, sie so zu behandeln? Sie war anscheinend nur der Lückenbüßer, bis die wunderschöne Miss Twinkleto sich dazu herabließ, ihm ihre kostbare Aufmerksamkeit zu schenken.

Emily blickte wieder einmal an sich herunter. Auch, wenn sie jetzt ‚ganz nett’ aussah, neben Laryssa musste sie nach wie vor wie eine dürre Krähe wirken, da hatte Pansy gar nicht so unrecht.

Zumindest hatte sie Snape mittlerweile soviel Intelligenz zugetraut, dass er nicht mehr auf dieses Püppchen hereinfallen würde - anscheinend ein Trugschluß. Ein Lächeln von der Twinkleto reichte völlig, und bei Snape setzte das Denken aus. Restlos.

‚Er hat mich nicht einmal mehr angeschaut’, dachte Emily verbittert. ‚Und mich dann einfach wortlos stehen lassen, wie einen Gegenstand, dem man sich wieder zuwendet, wenn man gerade nichts Besseres vorhat.’

Die ersten Tränen kullerten ihre Wangen hinab, doch sie wischte sie zur Seite. ‚Nein’, versprach sie sich. ‚Diesen Triumph gönne ich ihm nicht. Wenn er die Twinkleto mir vorzieht - bitteschön, kann er haben. Aber er soll ja nicht glauben, dass ich mich jemals wieder in seinem Labor blicken lasse, er kann seinen Effingo in Zukunft alleine brauen!’ Sie schnaubte. ‚Und ihm hätte ich beinahe alles erzählt … na, dass kann er sich ebenfalls abschminken.’

Emily machte sich mit festen Schritten auf den Weg ins Schloß. Sie würde sich nichts anmerken lassen, beschloß sie. Besonders vor Snape nicht. Und nie wieder auch nur in Erwägung ziehen, jemandem zu vertrauen.

Und sie würde sich ab sofort um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern, die waren in letzter Zeit sowieso viel zu kurz gekommen. Sie war jetzt wieder absolut auf sich alleine gestellt. Wie hatte sie nur so verblendet sein können zu glauben, das Leben wäre nicht immer unfair?

Ihr glücklicher Traum hatte nur kurz gedauert - bevor er zum Albtraum geworden war. Niemand machte sich wirklich etwas aus ihr, alle wollten sie nur be- oder ausnutzen.

Mochten die Götter wissen, was sie für ein Karma zu tragen hatte, denn anscheinend verdiente sie nicht einmal ein kleines bisschen Glück. Wenn schon. Sie würde ihr Möglichstes tun um ihren Plan zu vollenden - und wenn sie dann dabei auch mit drauf ging, konnte es ihr eigentlich nur Recht sein.


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