Devastation

 

 

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Kapitel 2: Abnormität

Warum bist du so grausam?
Bin ich das?
Ja, das bist du. Du hasst die Menschen um dich herum.
Hass und Grausamkeit sind nicht das gleiche.
Doch, durch deinen Hass übst du die Grausamkeit aus.
Es liegt in meiner Natur
Liegt es auch in meiner?
Es liegt in unserer Natur


***




Ich schloss die Augen und lauschte den Schreien. Haben Sie jemals eine Stimme gehört, die das Blut in den Adern gefrieren ließ? Ich hörte sie, und nicht nur einmal. Ich hörte sie Tag für Tag, Nacht für Nacht. Sie gehörten hier nach Askaban, so wie ich anscheinend hierher gehöre. Diese Stimmen, die an dem Geist zerren, sämtliche Gedanken zerpflügen, bis nur noch ein winziger irrer Rest übrig bleibt. Sie stammen von Menschen, deren Verstand zu Brei zermürbt worden war. Die Laute geschwängert von Wahn- und Irrsinn hallten durch die Gänge, trieben jedes menschliche Wesen in den nervlichen Ruin. Sie waren der Grund warum Askaban ein Ort der Verzweiflung, ein Ort ohne Wiederkehr war.

Es waren nicht die Dementoren, die herumschlichen, und das Blut durch ihre Emotionslosigkeit zum Stocken brachten. Es war auch nicht die Gewissheit, dass es kein Entkommen aus diesem Gefängnis gab. Es waren allein die unmenschlichen Geräusche. Nicht selten hallte das dumpfe Plong durch die Flure, wenn wieder ein Gefangener mit dem Kopf gegen die Wand rannte. Es war mitunter die häufigste Art sich diesen Schrecken hier zu entziehen. Es dauerte nicht allzu lange und nicht sonderlich vieler Versuche, und die Gehirnschäden waren irreversibel. Selbst die besten Ärzte konnten dann keine Heilung mehr vollführen. Diese armen Seelen blieben sabbernd und stumpfsinnig vor sich hinblickend in ihren Zellen, und warteten bis sich der erlösende Tod einstellte. Wenigstens mussten sie den Wahnsinn, der sich um sie scharrte, nicht mehr ertragen.

Doch ich will mich nicht beklagen. Schließlich habe ich mein Schicksal selbst gewählt. Ich wollte für Sünden bestraft werden, die meine Seele vergifteten. Die sich tief in mein Inneres fraßen und mich nicht mehr schlafen ließen. Ich weiß, ich habe den Tod gewählt und ich bin mir auch bewusst, dass er wohl kaum mehr lange auf sich warten lassen würde.

Ich habe Angst vor dem das dann kommen wird. Ich fürchte den Tod, doch noch mehr als fürchte ich das Sterben. Wie es wohl sein wird, den letzten Kuss meines erbärmlichen Lebens zu empfangen? Wenn sich die grausame Abnormität über meinen Kopf stülpt und mir den letzten Rest Leben aussaugt? Ich schaudere vor den Schmerzen die unweigerlich auf mich zukommen werden. Doch es ist der einzige Weg der mir bleibt. Der mir geblieben war.

In stummen Schweigen gedenke ich derer, die ich liebe und liebte. Ich habe ihnen Schmerz und Leid zugeführt. Nicht absichtlich, doch dies ist keine Entschuldigung. Doch ich bin zu müde, zu müde um mich noch gegen dieses grausame Leben zu behaupten. Mich gegen Mächte zu stellen, die immer größere Macht gewinnen je mehr man sich gegen sie zur Wehr setzt. Meine Zeit des Kampfes ist vorüber. Die Zeit für jüngere Krieger ist gekommen. So wie Harry. Mein Herz schmerzt allein bei dem Gedanken an ihn. Ich habe ihn enttäuscht, ihn im Stich gelassen. Doch ich hoffe er wird verstehen. Eines Tages. Und ich hoffe ihm bleibt meine Wahl erspart.


***



Sirius stand in der Mitte des trostlosen Raumes und blickte dem kleinen Fenster entgegen, das kaum genug Licht spendete um die restliche spärliche Einrichtung zu beleuchten. Außer einer spartanischen Holzpritsche war noch ein einzelner Sessel an einem noch primitiveren Tisch vorhanden. Warum sie überhaupt zum Mobiliar gehörten, war Sirius ein Rätsel. Sie luden weder zu angenehmen Unterhaltungen ein, sollte überhaupt Besuch erlaubt sein, noch war hier Schreibwerkzeug gestattet. Dienten sie nur dem Schein?

Sirius konnte einen zarten Lufthauch in seinem Nacken spüren, der ihm sagte, dass jemand seine Zelle betreten haben musste. Doch es interessierte ihn kaum. Es würde sich höchstwahrscheinlich um Albus handeln. Niemand sonst hatte genügend Einfluss um ein Besuchsrecht zu erwirken. Der alte Zauberer würde ihm Hoffnungen vermitteln wollen, und dabei würde er geflissentlich die Tatsache ignorieren, dass Sirius sich auf eigenen Wunsch hier befand.

Der Animagus mochte den Direktor von ganzem Herzen, und auch wenn er ihm zu ewigem Dank verpflichtet war, er bezweifelte, dass Albus seine Beweggründe verstehen würde. Der Schuldirektor, so weise er auch sein mochte, sein Denken war vom Schwarz-Weiß-Sehen geprägt. Für ihn existierte nur Gut und Böse, und genau danach richtete er sein gesamtes Handeln.

Ein leiser Seufzer hinter ihm bestätigte seine Vermutung eines Besuchers. Doch er machte keinerlei Anstalt sich umzudrehen und den Gast zu begrüßen. Wozu auch? Er wollte nicht reden, er wollte nicht diskutieren. Er wollte nicht bemitleidet oder sogar getröstet werden.

„Ich wusste bisher gar nicht, wie dumm du wirklich bist!“, hörte Sirius die dumpfe wohlbekannte Stimme, die keineswegs zu der des Direktors gehörte. Auf gewisse Weise erleichtert, doch vorrangig resigniert, senkte Sirius seine Augenlider und schluckte hart. Er hatte nicht erwartet, dass er Severus so schnell wieder sehen würde. Und wenn er ehrlich zu sich selbst war, hatte er gehofft, dass der Zaubertränkemeister keine Gelegenheit mehr bekommen würde ihn zu besuchen.

Doch anscheinend war dessen Macht doch größer als Sirius erwartet hatte. Betont emotionslos antwortete er: „Nun, jetzt weißt du es! Also, was willst du?“ Noch immer weigerte er sich, sich umzudrehen und Severus in die Augen zu sehen. Teils aus Furcht diesen Augen, die ihn schon einmal in ihren Bann gezogen hatten, zu erliegen. Dass er erneut in ihnen versinken und seinen Entschluss doch noch bereuen würde. Doch zum größeren Teil vermied er den Blickkontakt mit dem Zaubertränkemeister aus Wut. Wie konnte er es nur wagen, ihn zuerst zu verlassen, ihn von sich zu stoßen, und ihm jetzt auch noch Vorwürfe zu machen.

Das leise Rascheln eines Umhanges verriet Sirius, dass Severus sich bewegte. Fast erwartete er, nein, eher erhoffte er, dass sich die starken Arme um seine Schultern legten und ihn festhielten. Er sehnte sich nach der Berührung, wie sich ein Verdurstender in der Wüste nach Wasser sehnte.

Doch nichts dergleichen geschah. Enttäuscht drehte er sich um und konzentrierte seinen Blick auf en dunkelgewandeten Mann. Severus hatte an dem unbequemen Tisch Platz genommen. Eine Hand lag lässig auf der Tischplatte, doch in seinem Gesicht spiegelte sich die Anspannung, in der er sich befand, wider. Sein Gesicht wirkte noch eingefallener als beim letzten Treffen, und dunkle Augenringe hatten sich unter seinen Augen gebildet.

„Ich denke, ich wollte einfach nur wissen warum?“, antwortete er mit ermüdeter Stimme. „Warum wählst du freiwillig den Tod?“ Seine schwarzen Augen brannten auf Sirius’ Haut, schienen ihn vollkommen zu durchdringen.

Plötzlich schien die Last auf Sirius’ Schultern unerträglich zu sein. Als würde ein tonnenschweres Gewicht auf ihm lasten, und er würde jeden Moment zusammenbrechen. Anscheinend brachte ein einziger Blick des Zaubertränkemeisters das zustande, was das jahrelanges Martyrium in Askaban nicht geschafft hatte. Er fühlte sich gebrochen.

Langsam ging er auf die Pritsche zu, die dem Tisch gegenüber lag, und ließ sich darauf nieder. „Ich dachte wirklich, du wärst tot. Ich wachte in der Nacht auf, und jede Faser meines Körpers sagte mir, du wärst gestorben. Warum bist du weggegangen?“, brachte er heiser hervor. Noch immer fixierten ihn Severus’ schwarze abgründige Augen, hielten den Bann zwischen ihnen aufrecht.

„Ich musste mich entscheiden. Ich bin weder einer der Guten noch einer der Bösen. Und ich hatte keine andere Wahl, als die, mich für eine Seite zu entscheiden. Ich sagte dir, nicht in diesem Leben. Doch in gewisser Weise hoffte ich, dass .....“ Der Zaubertränkemeister bracht ab, und schlug müde die Lider nieder. „Mit deiner Weigerung mich zu töten, wurde ein weiteres Leben in Hogwarts unmöglich. Der gesamte Hass, von dem ich all die Jahre gezehrt hatte, war einfach weg. Ich ging in meine Kerker, und die ganzen Ausmaße meiner Trostlosigkeit wurden mir mit einem Schlag bewusst. Es war ein seltsames Gefühl“ Er schüttelte leicht seinen Kopf. „Ich wollte nicht, dass es so weit kommt.“ Es kam einer stillen Entschuldigung gleich, und Sirius musste unweigerlich gequält lächelnd. Er ahnte nur, welche Überwindung es Severus gekost haben mochte, dieses Geständnis über die Lippen zu bringen.

Der Mann vor ihm war nicht länger der hasserfüllte, zornige Mensch, den alle fürchteten. Noch immer war die Zerrüttung in seinem Inneren extrem stark, wenn nicht sogar stärker, doch er schien zum ersten Mal auch begriffen zu haben, dass ihm nicht alle Menschen so egal waren, wie er es immer gedacht hatte. Es war seltsam Severus’ Mienenspiel zu beobachten. Wie die einstige Emotionslosigkeit von Resignation abgewechselt wurde, um dann wieder zur gewohnten Gleichgültigkeit zurückzukehren.

„Nun ja, nun ist es anscheinend zu spät.“ Eine Eiseskälte durchzog Severus' Stimme, und ließ den Animagus schaudern. Severus hatte die endgültige Tatsache ausgesprochen. Es gab keine Hoffnung. Weder für ihn noch für Sirius. Sie konnten ihren Schicksalen nicht entfliehen. Sirius würde bald den Dementoren überlassen werden, und Severus .... Nun, entweder er würde beim Sieg über Voldemort untergehen, oder mit ihm einer trostlosen Zukunft entgegensteuern.

Warum hatte es so weit kommen müssen? Wann war alles aus der Bahn gelaufen? War es an dem Abend, an dem sie sich geprügelt hatten? An dem sie sich geküsst hatten? War es dieser Moment, der ihre Grundfesten erschütterte, der sie stolpern ließ? War es der Bruch des Vertrauens, das Severus dem Animagus entgegengebracht hatte? Ein fataler Fehler vor langer Zeit?

Sirius stand auf, und ging mit langsamen Schritten auf den Zaubertränkemeister zu. Knapp vor ihm blieb er stehen und sah lediglich in dessen dunklen Augen. Sie brannten noch immer in einem Feuer, das alles verzehren konnte, das alles unter sich begrub, doch das so faszinierend war, dass niemals jemand wieder davon loskommen konnte. Ja, er sah es in diesen dunkelschwarzen Augen, er sah die Hoffnungslosigkeit, die Verzweiflung. Er sah sich selbst darin.


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