Die Medaillons der Gründer

 

 

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Kapitel 8 - Eine Schlange im Gras

 



Als sie in den Kerkern angekommen waren, hatte Snape es aufgegeben, herausfinden zu wollen, wo Slytherin sie hinführte. Wenn die Gründer den Aufenthaltsort ihrer eigenen Medaillons erspüren konnten, wie sollte es Slytherin möglich sein, sie an sich zu nehmen? Offensichtlich konnte er sie nicht verstecken. Sie vielleicht zerstören?

Er fühlte seinen Vorfahren frustriert den Kopf schütteln. "Mein lieber Junge, ich hatte gedacht, dass du klüger als das bist", sagte er. "Ich sagte, Dumbledore kann sie nicht verstecken. Ich kann es sicherlich tun! Und niemand, noch nicht einmal ich, kann die Medaillons zerstören, solange ihr Besitzer am Leben ist. Nur Helgas Medaillon könnte jetzt zerstört werden und ich habe nicht das Bedürfnis, dies zu tun."

Sehr zu Snapes Überraschung stoppte Slytherin vor seinem eigenen Klassenzimmer und öffnete die Tür mit einer Floskel. Der Gründer trat ein und sah sich interessiert um. "Hmm. Nicht viel anders, als wenn ich hier unterrichte."

‚Das war Slytherins Klassenzimmer?', dachte Snape ehrfürchtig erstaunt. All diese Jahre hatte er in dem Raum unterrichtet, in welchem der Gründer seines Hauses einst unterrichtet hatte. Aus welchem Grund auch immer, aber er hatte sich nie gefragt, was der Mann in seinen Tagen eigentlich unterrichtet hatte. War er ebenfalls ein Meister der Zaubertränke gewesen?

Slytherin grinste verschmitzt, als er auf Snapes Schreibtisch zuging. "Unter anderem. Ich habe viele nützliche Dinge unterrichtet. Die meisten von ihnen sind offensichtlich mittlerweile ziemlich illegal."

‚Ah', dachte Snape, ‚Dunkle Künste.'

Slytherin trat hinter Snapes langen, schwarzen Schreibtisch, der unheilvoll über das Klassenzimmer ragte, blickte auf die Oberfläche, die noch immer übersäht mit Schülerarbeiten war, welche Snape gerade korrigiert hatte. "Wir vier haben eine Gruppe von Schülern ausgewählt, denen wir dann alles beibrachten, was wir für wissenswert hielten. Wir haben nicht die Schüler der anderen unterrichtet."

Snape nickte innerlich. ‚Natürlich', dachte er. ‚So hatten die vier Häuser begonnen. Als separate Einheiten. Kein Wunder, dass die Integration untereinander immer so schwierig war. Die Häuser waren niemals dazu gedacht gewesen, untereinander kooperativ zu sein.'

Salazar griff in seine Tasche, zog sein Schlangenmedaillon heraus und sah hinunter auf den Schreibtisch. Mit einer schnellen Bewegung seiner Hand räumte er die Oberfläche von den Schülerpapieren frei. Sanft hielt er das Medaillon und fuhr damit über die schwarze Oberfläche, einen Fluch murmelnd, den Snape nicht erkannte.

Als Salazar zurück trat, senkte sich Snapes Schreibtisch plötzlich in den Boden und verschwand schließlich geräuschlos in der Dunkelheit unter ihnen. Snape konnte nur schwach einige Steinstufen ausmachen, die vom Rand der Öffnung aus hinunter führten. Er konnte es nicht fassen, dass er über zwanzig Jahre an diesem Schreibtisch gesessen hatte, und niemals vermutet hatte, dass er der Eingang zu einer verborgenen Kammer sein könnte. Unmittelbar dachte Snape an die Kammer des Schreckens und fragte sich, ob Slytherin vielleicht zwei davon gemacht hatte.

Salazar zischte verdrießlich als er eine Fackel von der Wand hinter ihm packte und die Treppen hinunter ging. "Bitte erinnere mich nicht daran. Ein totes Schlammblut und eine versteinerte Katze." Er schüttelte den Kopf. "Enttäuschend. Wirklich, sehr enttäuschend."

Die Wendeltreppe schien sich endlos in die Dunkelheit zu winden bis sie schließlich in einem langen gewölbten Korridor mündete. Die Bearbeitung der Steinwände ließ Snape darauf schließen, dass dieser Teil des Schlosses vor sehr langer Zeit erbaut wurde. Ausladende Wölbungen am Ende des Gangs ließen vermuten, dass es wahrscheinlich während der römischen Besetzung erbaut worden war. Snape fand diese Tatsache sehr interessant, da Schottland, wo sich Hogwarts befand, eigentlich nie von den Römern besetzt worden war.

Snape fühlte etwas Aufgeregtes in Slytherins Geist bei seinen Gedanken, aber er konnte nicht sagen, was es war. Da es ohne eine weitere Ahnung verging, schob er es kommentarlos beiseite.

Der Gang schien sich in mehrere verschiedene Richtungen zu schlängeln und biegen ehe er sich in zwei Tunnel teilte. Slytherin führte sie mit großer Sicherheit durch den Irrgarten, offensichtlich sehr vertraut mit den Gängen. Snape fragte sich, ob eigentlich irgendjemand von diesen Gängen wusste.

"Nein, lieber Junge", erwiderte Slytherin. "Nur ich. Dies waren meine persönlichen Räumlichkeiten." Snape vermutete, dass Slytherin damit nicht seine Wohnung meinte.

"Wieder richtig." Slytherin lächelte während er sie durch besonders komplizierte Biegungen und Drehungen führte. "Wir alle hatten unsere eigenen Räume, in denen wir ungestört arbeiten konnten. Die Lage war den anderen nicht bekannt obwohl ich vermute, dass Rowena eine Art Turm hatte, der nur erschien, wenn sie es wollte. Ich bin mir sicher, dass ich eines Abends, als ich zum Schloss zurückkam, einen großen kupferfarbenen Adler gesehen habe, der von einem Turm flog, den ich nie zuvor bemerkt hatte.

Snape horchte auf. Ein großer Adler? Waren die Gründer auch alle Animagi?

Slytherin rümpfte irritiert die Nase. "Natürlich waren wir das. Es gibt nichts, was Hexen und Zauberer heutzutage können, was wir nicht besser konnten", sagte er entrüstet. Schließlich zuckte er mit den Schultern und sagte: "Wohlgemerkt, wir können uns nicht mehr verwandeln, da wir nicht in unseren eigenen Körpern sind."

Eine mächtige, hölzerne Tür erschien aus dem Dunkel des schwach erleuchteten Gangs vor ihm und Salazar hielt an. Wieder hob er seinen fest umfassten Anhänger und hielt ihn gegen die Tür. Ein weiterer gemurmelter Zauberspruch rief ein tiefes Rumpeln unterhalb von ihnen hervor und der Klang von tausend Schlössern, die sich irgendwo hinter der Tür knackend öffneten. Mit einem Ächzen schwang die schwere Tür langsam in den Raum dahinter zurück und Slytherin schritt selbstsicher vorwärts. Sobald sein Fuß den Boden des Zimmers betrat, flackerten einige Fackeln an den Wänden auf und tauchten den Innenraum in undeutliches Licht.

Der Raum war irgendwie genau das was Snape erwartet hatte. Ein dunkles, jedoch luxuriöses Areal lag vor ihm, dekoriert mit üppigem Grün und stumpfem Silber. Dick gepolsterte Möbel konkurrierten mit Schreibtischen, Bücherregalen und Arbeitsflächen um Platz. Eine Wand war exklusiv für alle möglichen grotesken verschiedenen Einmachgläser mit eingemachten Kreaturen reserviert, welche normalerweise auch in Snapes eigenem Büro zu finden waren. Diese allerdings waren meist verdunkelt, um den Inhalt zu verbergen und meist hinter einer weichen Tapete verborgen. Snape konnte bloß erahnen, an welchen "Dingen" Slytherin in diesem Zimmer gearbeitet hatte.

Slytherin entschied sich offensichtlich dagegen, ihn aufzuklären und trat stattdessen in die Mitte des Raumes. Er drehte sich auf der Stelle und sog jedes Detail um ihn herum in sich auf. "Es hat sich überhaupt nicht verändert", staunte er. "Noch nicht einmal Staub."

Mit einem in Erinnerung schwelgenden Seufzer ging Salazar zu einem mächtigen, schwarzen Schreibtisch, praktisch einem Duplikat zu dem, hinter welchem Snape sich in seinem Büro irgendwo über ihnen setzte. Ohne Zeremonie oder Kommentar griff Salazar in seine Tasche, holte die Medaillons von Ravenclaw und Gryffindor hervor und ließ sie auf die glänzende Oberfläche fallen. Um sein eigenes Medaillon auf den Schreibtisch zu legen, gebrauchte er jedoch entschieden mehr Sorgfalt, drehte die Schlange so, dass ihr smaragdgrünes Auge im Fackellicht zu ihm hoch blinzelte. Er lächelte ein wenig bei dem Anblick und drehte sich zurück zur Tür.

Snape konnte nicht anders und fragte sich, was mit dem Verstecken der Medaillons in Slytherins persönlichen Räumen erreicht werden sollte. Wenn die Gründer den Standort ihrer eigenen Medaillons spüren konnten, würden sie dann nicht einfach selber den Weg hier herunter finden?

"Wie üblich hast du nicht zugehört, mein Junge", schalt Salazar, noch immer mit einem Lächeln, das seine Lippen umspielte. "Als wir unsere persönlichen Räume geschaffen haben, haben wir uns alle auf einen Bindefluch geeinigt, der es verhindern würde, dass die anderen einen finden konnten und der uns ein Privatleben garantierte. Einmal in dieser Kammer verschwinde ich vom Dasein, zusammen mit allem was ich mit mir führe.

Snape fühlte sich selbst seufzen. Dieser alte Gründer trug sicherlich den Titel "Echter Slytherin" zu recht. Die Umschreibung "Verschlagen" wurde ihm nicht einmal annähernd gerecht.

Mit einer erneuten verschnörkelten Welle mit seiner langfingrigen Hand öffnete Slytherin die Kammertür und trat hindurch, sein Kinn entschlossen erhoben.

"Nun, da Dumbledore sich nicht mehr einmischen kann, haben wir ein paar Dinge zu tun, mein Junge."

Snape machte sich große Gedanken darüber welche "Dinge" Slytherin mit seinem Körper plante zu tun. Da das Medaillon von Slytherin jetzt tatsächlich außerhalb der Reichweite Dumbledores war, wusste er, dass seine Zeit auf dieser Erde sich dem Ende neigte. Nicht dass dieses Gefühl ihm unvertraut war. Er hatte jetzt für viele Jahre gefühlte, dass seine Rolle als Spion zu seinem zeitigen Abgang führen würde. Aber er hätte niemals erwartet, dass jemand mit seinem Körper am Ende davon gehen würde.

Obwohl er sein ganzes Leben damit verbracht hatte, alles daran zu verabscheuen, begann Snape plötzlich neu abzuschätzen, wie er sich in seinem Körper fühlte, jetzt wo jemand von ihm wollte, diesen aufzugeben. Ja, seine Nase war ziemlich lang, aber sie passte definitiv zum Rest des Gesichts, oder nicht? Und warum hatte er seine Zähne nicht schon vor langer Zeit hergerichtet? Der Zauberspruch, um sie zu reparieren, war so einfach und die daraus resultierenden perlweisen Zähne waren wirklich ziemlich eindrucksvoll, wenn man so sagen wollte. Er wollte noch nicht einmal an seine Haare denken. Nur weil sein Vater ständig von ihnen als "Fettiges Pferdehaar" gesprochen hatte, bedeutete das nicht, dass es tatsächlich so war. Er fragte sich wie viele kahlköpfige Männer mittleren Alters ihm ihren linken Arm für seinen Kopf mit dichtem, glänzendem schwarzen Haar hergegeben würden. Warum hatte er den alten Bastard als Recht habend bewiesen, indem er sich weigerte anständig darauf aufzupassen? Und seine Stimme. Eine Frau, die er einst kannte (und letztlich durch eine widerliche Bemerkung vertrieben hatte) hatte sie tatsächlich so beschrieben, wie Seide klingen würde, wenn sie reden könnte.

"Verdammt!", schrie er innerlich. "Ich will meinen Körper nicht verlieren."

Slytherin war still und antwortete nicht auf Snapes plötzlichen Ausbruch voll rasender Verzweiflung. Stattdessen bewältigte er gemächlich seinen Weg zurück durch die irrgartengleichen Korridore und summte beim Gehen leise vor sich hin.

"Zuerst in die Bibliothek, denke ich", sagte er ruhig. "Da ist etwas, was ich nachprüfen muss. Wenn ich Recht habe, und ich weiß, dass dem so ist, ist für Viele der Tag der Abrechung gekommen."

Snape fühlte wie eine Alarmglocke in seinem Inneren zu läuten begann. Abrechung? Abrechnung für was?

Salazar ballte seine Fäuste, Wut durchströmte ihn. "Einige haben mir Unrecht getan, Severus. Haben mir ziemlich heftig Unrecht getan. Und heftig werden sie dafür bezahlen."

‚Wer wird bezahlen?', dachte Snape verzweifelt.

Slytherin grinste. "Menschen, die dir sehr nahe stehen, mein lieber Junge. Es ist Zeit, die Verantwortlichen zu Rechenschaft zu ziehen und ich denke nicht, dass sie das was kommen wird, mögen werden." Er schüttelte grimmig den Kopf, seine Nasenflügel zitterten vor Wut. "Nein, ich denke nicht, dass sie das mögen."

Snape schluckte unbewusst. Er war nicht der Einzige, der in Gefahr war. Er musste Dumbledore warnen. Aber wie?


 

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