Die Zeit heilt nicht alle Wunden

 

 

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Kapitel 6

 

Es ist wirklich brillant, dachte Hermine. Sie hatte immer schon seine Intelligenz und seine Fähigkeit erkannt, aber nun, da sie ihn eher aus der Perspektive der Zaubertränkemeisterin sah als aus der des Lehrlings, konnte sie erst wirklich seinen Genius in diesem Gebiet einschätzen.

Besonders war sie an der Mischung von Muggel-Biologie und organischer Chemie mit magischen Elementen interessiert. Es sah so aus als hätte er einigen ihrer Ideen, Muggel-Wissenschaften einzubinden, die sie als Lehrling hatte, Aufmerksamkeit geschenkt. Und wie es aussah, war er tiefer in die DNA-Analyse eingestiegen, als Hermine es sich je zu träumen gewagt hatte. Absolut brillant. Severus hatte es geschafft die DNA-Sequenzen zu isolieren, die verändert waren, und dann einen Trank gebraut, der nur diese Sequenzen anpasst.

Hestia neben ihr sah beeindruckt aber auch etwas verwirrt aus. Die Erklärungen der Muggel-Wissenschaften gingen über ihren Horizont hinaus. Wahrscheinlich über den Horizont der meisten Anwesenden, sagte sich Hermine. Einige gehen selbst über meinen hinaus.

***


Unabhängig von ihr hatte Severus ähnliche Gedanken über die Fähigkeit der Teilnehmer seinen Streifzug in die Muggel-Wissenschaften zu verstehen. Er hielt den Spott kaum zurück als er seinen Zauberstab schwang, um das Bild, das über der Menge schwebte, anzupassen. Jetzt erschien ein Diagramm der modifizierten Werwolf-Sequenz. Diese Versammlung soll die hervorragendsten Köpfe unter den Zaubertränkemeistern repräsentieren? Die meisten wissen selbst mit meinen präzisen Erläuterungen nicht einmal, was dieses Diagramm zeigt. Obwohl alle Zuhörer ihn mit leeren Blicken ansahen musste er anerkennen, dass sie in ergriffener Stille dasaßen und aufsaugten, was ihre trägen Geister konnten.

Es gab ein paar Ausnahmen - er war seit über zwanzig Jahren Lehrer und hatte die Fähigkeit erworben den Grad des Verstehens bei seinen Zuhörern genau zu erkennen. Sein Kollege von der Londoner Zauber-Universität nickte sich selbst zu und starrte mit zusammengekniffenen Augen auf das neue Diagramm. In der zweiten Reihe sah er Hestia Jones mit zusammengezogenen Brauen - sie verstand nicht jedes Detail, aber sie schien die Grundannahme zu erkennen. Und neben ihr...

Hermine Granger. Nein, verdammt noch mal - Hermine Krum. Sie schien keinerlei Probleme zu haben seiner Logik zu folgen. Sie nickte hier und da und lächelte, als sie sah wohin sein Gedankengang führte. Sie war wahrscheinlich die einzige Person im ganzen Vorlesungssaal, außer ihm selbst, der die Details, wie er die Heilung gefunden hatte, wirklich verstand. Plötzlich drehte sie ihren Kopf; ihre funkelnden Augen bohrten sich direkt in seine. Ein Schock durchfuhr ihn wie einen Blitz bei diesem Augenkontakt und er blickte schnell weg. Er räusperte sich und fuhr mit der Präsentation fort.

***


Severus demonstrierte nun das Brauen des Tranks. Da es zwei Wochen dauerte, den Trank herzustellen, hatte er eine Reihe von Beispielkesseln mit dem Trank in verschiedenen Stadien der Herstellung mitgebracht. Wie eine Muggel-Kochsendung, dachte Hermine lächelnd. Das Lächeln wankte, als sie auf seine Hände schaute, die geschickt mit den Zutaten hantierten. Diese Hände.

Sie hatte diese Hände immer geliebt. Wenn ich nur seine Hände nicht auf ihr gesehen hätte, dachte Hermine wütend. Sie hatte Remus und Susan nicht alles erzählt. Als sich Hermine vor fast sechs Jahren an Harry gewandt hatte, um ihr Herz auszuschütten wegen ihrer verwirrten Gefühle für Viktor und ihrem Verlangen nach Severus, hatte er die Bombe platzen lassen. Er hatte Severus mit Tonks gesehen, kaum einen Monat nach ihrem Weggang. Sie hatte ihm nicht geglaubt, hatte gedacht es wäre ein Trick, um sie Severus vergessen zu machen, war überzeugt, dass er eine Situation missverstanden habe. Bis er sie gezwungen hatte in das Denkarium zu sehen. Oh Merlin, warum habe ich da hinein geschaut? Warum habe ich nicht einfach Harrys Worten geglaubt? Was sie gesehen hatte, war für immer in ihr Gedächtnis eingebrannt.

***


Sie konnte ihn nicht sehen, aber sie wusste, dass Harry ganz nah war in seinem Tarnumgang. Sie war ja schließlich in einem Denkarium, das seine Erinnerung enthielt. Sie ging durch einen Gang, den sie aus dem Hauptquartier des Ordens kannte. Eine Tür öffnete sich vor ihr und sie ging durch bevor diese sich schloss.

Harry und sie waren in einem der vielen leeren Räume von Grimmaulds Platz 12. Es war niemand dort. Dem Murmeln nach zu schließen, hatte sich Harry in einen Stuhl gesetzt, um nachzudenken.

Plötzlich wurde die Tür geöffnet. Tonks kam herein, gefolgt von Severus. Sie hatte den irrationalen Drang zum Bild von Snape zu stürmen und ihn zu umarmen, aber sie hielt sich zurück. Wie auch immer. Es schien, dass Tonks einen ähnlichen Gedanken gehabt hatte. Sie drehte sich zu Severus und schlang ihre Arme um ihn. Hermine hörte sie flüstern. "Mach dir keine Sorgen. Ich habe mich um alles gekümmert."

Sie konnte Severus' Gesicht nicht sehen und sie war wie versteinert. Sie hörte ihn antworten. "Ich kann dir nicht sagen, was es mir bedeutet, Nymphadora. Bist du bereit?" Tonks nickte und ihre Haare schienen sich zu glänzendem Gold zu verändern. Mit einer abrupten Bewegung schwang Severus sie herum und küsste sie intensiv.

Hermine schrie bei diesem Anblick laut auf. Tränen brannten in ihren Augen. Sie wollte wegsehen, irgendwohin, nur nicht auf die Szene vor ihr. Sie sah sich verzweifelt um und bemerkte, dass die Tür verschlossen und gesichert war.
Darum konnte Harry nicht gehen, bemerkte sie. Sie versuchte das Paar, das nicht mal drei Meter von ihr entfernt war, zu ignorieren.

Sie schaute zurück, nicht länger dem Drang widerstehend, und schluchzte. Seine Hände, seine wunderschönen Hände fuhren in verwirrend gewohnter Weise den Körper der anderen Frau entlang. Das Paar bewegte sich Richtung Bett. Hermine wirbelte herum und versuchte verzweifelt die Tür zu öffnen. Sie bewegte sich in Harrys Erinnerungen genauso wenig, wie sie es in der Realität getan hätte. Die Geräusche hinter ihr wurden unregelmäßiger, aber sie vermied es zu gucken. Stattdessen rollte sie sich schluchzend neben der Tür zusammen, die Hände auf die Ohren gepresst. Aber ihre Hände konnten die Geräusche nicht unterdrücken, die aus Richtung Bett kamen. Sie konnten auch die Worte nicht unterdrücken, die ihr mehr wehtaten, als sie es sich je hätte vorstellen können: "Ich liebe dich."

Gott sei Dank erschien Harry - der echte Harry - plötzlich neben ihr und schaute traurig auf sie. Ohne ein Wort zu sagen zog er sie heraus aus dem Denkarium.

***


Über die Jahre hatte sie versucht damit klar zu kommen, was sie gesehen, was sie gehört hatte. Sie fand es einfach, wirklich, zu akzeptieren, dass er eine körperliche Beziehung zu einer anderen Frau aufgenommen hatte, kurz nachdem sie sich getrennt hatten. Sie war selbst damals erwachsen genug, um zu verstehen, dass Sex nicht immer mit Liebe gleichzusetzen ist. Aber egal wie sehr sie es auch versuchte, sie konnte nicht verstehen, wie er sich so schnell wieder hatte verlieben können. Dies ließ zwei Möglichkeiten offen: Er war nicht in Tonks verliebt oder er hatte sie nie geliebt.

Und nun, plötzlich, wollte sie es wissen. Sie musste es einfach wissen. Remus und Susan hatten Recht - sie musste mit ihm sprechen. Nachdem sie sich entschlossen hatte war sie in der Lage, ihre komplette Aufmerksamkeit aufs Podium zu richten, wo die Herstellungsdemonstration gerade abgeschlossen worden war.

Nach der Demonstration begann die Frage-Antwort-Stunde. Remus begab sich, etwas nervös, zu Severus auf das Podium. Zu seinem Erstaunen ermutigte ihn Severus mit einer Handbewegung bevor er sich den Zuhörern widmete.

Die Fragen der Teilnehmer prasselten auf sie ein. Von der Frage wie der Trank schmeckte (scheußlich) bis zur Frage, wie sich Remus fühlte (wundervoll). Mehr Fragen kamen auf zum Herstellungsprozess und Severus musste einen Hauptschwachpunkt zugeben - der Trank musste innerhalb von 24 Stunden verabreicht werden. Danach war er nicht mehr wirksam.

Als Severus dies erklärte, bemerkte Remus, dass Hestia Hermine aufgeregt anstupste. Die beiden Hexen flüsterten kurz und schienen zu einer befriedigenden Lösung gekommen zu sein, da sich es sich beide auf ihren Stühlen bequem machten und der nächsten Frage zuhörten. Hestia lächelte und Remus war kurzzeitig in ihrem Blick gefangen. Warum waren ihm diese Augen vorher noch nicht aufgefallen? Als hätte sie seine Gedanken gehört, zwinkerte ihm Hestia zu. Er antwortete mit einem Lächeln. Vielleicht würde der Rest der Konferenz doch nicht so langweilig werden, wie er angenommen hatte.

***


Endlich war die Präsentation vorbei. Severus stieg vom Podium herunter, nur um von einigen Angestellten des Ministeriums angesprochen zu werden. Severus versuchte einen interessierten Gesichtsausdruck zu wahren als Cornelius Fudge darüber faselte, wie gut die Präsentation gewesen sei. In Wahrheit hörte er nur mit einem Ohr auf die Worte des Ministers. Seine Augen suchten unbewusst die Menge nach einem bestimmten Gesicht ab. Dann zog etwas was gesagt wurde, seine Aufmerksamkeit wieder zum Minister. "Ah, wo ist sie denn? Ah hier - Frau Krum! Ihre Hilfe bitte!" Der Minister winkte energisch und traf Remus fast am Kopf. Remus sah mit verdrehten Augen über des Ministers Schulter zu Severus und machte einen Schritt zurück.

Hermine und Hestia kämpften sich ihren Weg durch die Menge, um zu ihnen zu stoßen. "Ja, Herr Fudge. Wie kann ich Ihnen helfen?" fragte Hermine den Minister respektvoll.

Fudge lächelte breit. "Frau Krum, einige Ihrer Kollegen -", er deutete hinter sich. Justin wich seiner Hand aus und grinste Hermine an, -"habe mir erzählt, dass Sie einen neuen Trank entwickelt haben - der Man-man..."

Hermine unterbrach den Minister-"der Manere-Trank, ja. Frau Jones und ich haben die mögliche Applikation zur Lycanthropy bereits diskutiert. Leider ist er noch in der Erforschungsphase und es würde einige Zeit dauern, ihn für den Lycanthropie-Trank anzupassen." Hermine vermied angestrengt Severus' Blick und fixierte sich stattdessen auf den Minister.

Fudge nickte zustimmend. Severus hätte fast laut geschnaubt. Als hätte der Trottel eine Ahnung wovon Miss Gran - Frau Krum sprach.

Fudge lehnte sich verschwörerisch nach vorne und bedeutete mit einer Kopfbewegung den anderen ihm zu folgen. Severus lehnte es ab wie ein dummer Muggel-Rugbyspieler auszusehen und blieb gerade stehen. Neugierig rückte er allerdings etwas näher. "Hört zu, Leute - das Heilmittel für Lyanthrophie ist der bedeutendste Durchbruch im Gebiet der Zaubertränke während meiner Amtszeit. Wie mir zugetragen wurde, wird es aufgrund der langen Herstellungszeit und des knappen Zeitfensters zur Verabreichung des Tranks schwierig, alle bekannten Werwölfe zu impfen. Ich brauche Sie -", sagte Fudge und deutete auf Hermine, "um mit ihm zusammenzuarbeiten-", diesmal auf Severus deutend, "-um die Haltbarkeit zu erhöhen. Ihr da-", er zeigte auf die anderen aus der Zaubertrankabteilung des Ministeriums, "-werden solange ohne Frau Krum auskommen müssen, bis der Trank funktioniert."

Bedeutet das, was ich glaube, dass es bedeutet?, dachte Severus wild. Sein Blick schoss rüber zu Hermines Gesicht, um festzustellen, ob sie die Verwicklung verstand.

Sie schien verwirrt. "Minister, es tut mir leid, aber ich kann Ihnen nicht ganz folgen - warum werden Sie ohne mich auskommen müssen? Ich werden an der Anpassung des Manere-Tranks in den Labors des Ministeriums arbeiten und wenn Sie etwas von mir benötigen…"

Der Minister schüttelte den Kopf. "Nein, nein, das würde nicht funktionieren. Ich möchte, dass die beiden besten Köpfe Europas auf dem Gebiet der Zaubertränke zusammen arbeiten. Falls Sie die Bedeutung nicht verstanden haben - ich meine Sie und Severus - zumindest wurde es mir so berichtet. Ich bin nur froh, dass Sie beide in meinen Zuständigkeitsbereich gehören."

Hermine war wie festgewachsen. Sie vermied noch immer den Blickkontakt mit Severus.

"Und ich denke, dass die Laboratorien in Hogwarts für diesen Zweck viel besser ausgerüstet sind. Justin hier hat mir versichert, dass wir in den Laboratorien des Ministeriums nicht die Ausrüstung haben." Der Minister drehte sich zu Justin um und bedeutete ihn mit einer Geste, weiterzumachen.

Justin nickte. "Der Manere-Trank ist transportfähig - die benötigte Ausrüstung findet sich in jedem Labor. Auf der anderen Seite wäre die Analyse des Zieltranks in den ministerialen Laboratorien unmöglich. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, benötigt der Lycanthropie-Trank einiges an wissenschaftlicher Muggel-Ausrüstung, die in Hogwarts vorhanden ist, richtig?"

Severus nickte. "Das ist richtig, Mr. Finch-Flechtley."

Fudge strahlte. "Wunderbar, dann ist es also ausgemacht. Sie beide treffen die Vorkehrungen - ich erwarte, dass Sie direkt nach der Konferenz damit beginnen. Dank sei Merlin, dass jetzt gerade Sommerferien sind - keine Schüler, die Ihnen in den Weg kommen, eh, Severus? Und Hermine - Ich will Sie nicht eher im Ministerium sehen, bis Sie mir gute Neuigkeiten überbringen." Fudge hatte ein zufriedenes Lächeln auf den Lippen. "Ich denke, es ist jetzt Zeit fürs Mittagessen. Sie entschuldigen mich bitte." Damit drehte er sich um und begab sich auf die Suche nach dem französischen Minister.

Hermine schaute Severus nun mit einem rätselhaften Ausdruck in den Augen an. Er atmete tief ein und hielt seine Stimme sanft als er fragte: "Würden Sie mich heute Abend zum Essen begleiten, um unsere… Arrangements zu treffen, Frau Krum?"

Sie nickte und antwortete ebenso sanft: "Das ist eine wundervolle Idee, Professor Snape. Treffen wir uns vor dem Vorlesungssaal um, sagen wir, sechs Uhr? Das gibt uns genug Zeit unsere… Arrangements zu treffen und zu essen." Er nickte. Ihr Blick fiel über seine Schulter hinweg und sie grinste. "Oops. Jemand hat mir mal gesagt, dass Ruhm eine Last sei… Ich denke, dass Sie es gleich am eigenen Leib erfahren werden, Professor Snape." Mit diesem verwirrenden Kommentar drehte sie sich um und verließ den Saal.

Als er hinter sich sah, wurde ihm die Bedeutung ihrer Worte schnell klar. Lieber Merlin - Ich werde hier nie wegkommen! Es bildete sich eine Schlange von Menschen, die ihm weitere Fragen über das Lycanthropie-Heilmittel stellen wollten. Er suchte nach Remus und stellte fest, dass er verlassen worden war. Mit einem Stirnrunzeln bedeutete er der ersten Person in der Reihe ihre Frage zu stellen. Zumindest konnte er sich auf heute Abend freuen.

***


Severus wartete bereits vor dem Vorlesungssaal, als Hermine eintraf. Immer noch pünktlich, wie ich sehe, dachte sie mit einem Grinsen. Das Grinsen gefror ein wenig, als er auf sie zukam. Er bewegt sich noch immer wie ein Panther, bemerkte sie. Ihr Mund wurde trocken. Sie hatte immer die fließende Art seiner Bewegungen geliebt, jede sanft und kalkuliert.

Sie wischte die unangebrachten Gedanken weg und lächelte zu ihm auf, "Hallo. Haben Sie irgendwelche Vorschläge wohin wir gehen könnten?

Er lächelte sie an. Seine Augen glitzerten belustigt. "Nun, ich hatte daran gedacht Muggel-Paris zu besuchen - ist das annehmbar, Frau Krum?"

Sie war geschockt. "Muggel-Paris?" Lachend fuhr sie fort: "Professor Snape, ich muss zugeben, dass hört sich wundervoll an - aber sehr überraschend. Seit wann haben Sie Freude daran, sich in die Muggelwelt herauszuwagen?" Er lächelte sie lediglich an. Sie schüttelte den Kopf und sagte: "Einige Dinge haben sich anscheinend verändert."

Er sah sie durchdringend an. "Einige Dinge, ja… aber nicht alles." Sie wusste nicht, was sie antworten sollte. Ihre Blicke waren aufeinander fixiert und er versuchte etwas zu vermitteln… ihr Atem stockte. Die Anspannung wurde dadurch gebrochen, dass Severus sich räusperte. Mit erhobener Augenbraue sagte er: "Vielleicht sollten wir unsere Gewänder in etwas Passenderes verwandeln?"

Dankbar für die Ablenkung stimmte sie zu und verwandelte ihr Gewand in ein burgunderrotes Kleid. Sie betrachtete das Outfit, das Severus verwandelt hatte und dachte: Nun, das hat sich nicht geändert. Es scheint so als bevorzuge er noch immer schwarz. Er trug nun einen schwarzen Rollkragenpullover und schwarze Hosen. Sie musste zugeben, dass ihm die Farbe stand.

Sie nahm den Arm, den er ihr bot und versuchte den Wärmeblitz zu ignorieren, der sie bei seiner Berührung durchzuckte, als sie sich ins Muggel-Paris aufmachten.

***


Severus war verwirrt. Die Frau, die ihm gegenüber am Tisch saß, lachte über etwas das er gesagt hatte und er brauchte seine ganze Willenskraft nicht hinüberzufassen und diese Lippen mit den seinen zu verschließen.

Nicht zum ersten Mal an diesem Abend sagte sich Severus: Sie ist verheiratet. Sie lebt ihr Leben. Wie ein Mantra wiederholte er es sich immer wieder und hoffte, seine Sehnsucht zu bezwingen. Gleichzeitig aber war er durch die Art wie sie ihn anlächelte und ansah verwirrt… es sah fast so aus, als hätte sie noch Gefühle für ihn. Ab und zu nahmen ihren Augen einen schmerzerfüllten Ausdruck an und ihre Unterhaltung stockte für einen Moment, bis sie sich wieder unter Kontrolle bekam. Er nahm an, dass sie an ihren Mann dachte.

Es war so eine Erleichterung wieder mit ihr zu sprechen. Sie hatte zusätzlich zu ihrer Brillanz einen erstaunlichen Sinn für Humor und er bemerkte zufrieden, dass ihr Enthusiasmus in den Jahren nicht weniger geworden war. Es fühlte sich… gut an, mit ihr zu sprechen. Das einzige, das sich besser anfühlen würde, wäre sie in die Arme zu nehmen, sie…

Aber nein. Das wäre falsch. Das Schicksal hatte sich gegen ihn verschworen, wieder einmal. Sie hatte Krum zwei Monate vor der Letzten Schlacht geheiratet - er konnte sich noch immer an die Bilder des berühmten Paares auf den Titelblättern des Tagespropheten erinnern. Wenn sie nur zwei Monate länger gewartet hätte, wären sie frei gewesen zusammen zu sein. Es wäre sicher gewesen. Aber er hatte ihr gesagt, dass sie nicht auf ihn warten solle und sie hatte es nicht getan. Er war so ein Idiot.

Sie würde niemals wissen, welche Opfer er gebracht hatte, um sie in diesen Jahren zu beschützen - die Opfer, die andere gebracht hatten. Er würde für immer in Nymphadoras Schuld stehen - sie hatte buchstäblich sein Leben gerettet und, was für Severus viel wichtiger war, Hermines Leben. Auch wenn es Hermine nicht einmal wissen würde, wissen konnte. Er würde sie nicht mehr ansehen können, wenn sie wüsste, was er und Tonks getan hatten, auch wenn es nur dazu diente Hermine und ihn selbst vor Voldemort und seinen Anhängern zu schützen.

Erschrocken bemerkte er, dass er die ganze Zeit still gewesen war und Hermine gedankenverloren betrachtet hatte. Sie hielt seinem Blick leicht errötend stand. "Ich glaube, wir sind hier fertig - sind Sie fertig?" Sie nickte. Er beglich die Rechnung und sie verließen das Restaurant.

Beide gingen langsam, sie wollten den Abend noch nicht beenden. Plötzlich blieb sie stehen und legte eine Hand auf seinen Arm. "Severus? Ich denke… ich denke, wir müssen reden."

"Ja, Hermine?" Er drehte sich zu ihr.

"Was ist mit Frau Krum passiert?" stichelte sie.

"Worüber möchtest du sprechen, Hermine?" blaffte er sie an. Sie starrte ihn ungläubig an, er atmete irritiert aus. "Wenn du es unbedingt wissen musst, ich ertrage es nicht, dich bei… diesem Namen zu nennen. Ich hasse es nur daran zu denken, dass du diesen Nachnamen hast. Bist du nun zufrieden?"

Hermines Gesicht wurde dunkel. "Severus, du warst derjenige, der darauf bestanden hat, dass ich nicht auf dich warten, dass ich weiterleben soll. Wie glaubst du habe ich mich gefühlt, als das Letzte Gefecht kaum zwei Monate nach meiner Heirat mit Viktor stattfand?"

Er antwortete nicht. Er starrte über ihre Schulter, seine Gesichtsmuskeln zuckten.

Sie fuhr fort: "Wie glaubst du habe ich mich gefühlt als ich von Harry erfuhr, dass du selbst 'weitergelebt' hast, noch nicht einmal einen Monat nachdem ich gegangen war?" Ihre Stimme hob sich am Ende der Frage und einige Menschen auf dem Bürgersteig starrten sie für einen Moment an bevor sie weitergingen. Severus versuchte sie zu unterbrechen, aber sie machte weiter: "Wenigstens er hat gewartet… er wollte mich nicht verletzen. Er hat es mir nicht erzählt bis ich eine Nacht zu ihm kam, heulend, weil ich mich schuldig fühlte - schuldig - weil ich mit Viktor zusammen war…"

Sie schritt auf dem Bürgersteig auf und ab. "Ich wusste, dass Viktor mir bald einen Antrag machen würde und ich hatte meine kleine Rede darüber, dass ich ihn sehr gerne mochte aber ich meine Liebe zu dir nicht vergessen könnte, bereits fertig. Ich war entschlossen auf dich zu warten. Und dann fand ich heraus, dass das einzige, was ich jemals von dir, von uns haben würde, Erinnerungen waren. Verdammte Erinnerungen!" Sie holte tief Luft und flüsterte: "Also sagte ich ja. Ich heiratete Viktor. Du hast weitergelebt, also tat ich es auch." Tränen liefen ihr über das Gesicht.

Severus war geschockt und versuchte zu verdauen, was sie im gerade gesagt hatte. Eine Sache war klar. Potter. "Du sagst Potter hat es dir erzählt. Dieses verdammte, freche Gör! Er wusste nichts darüber!"

"Oh, er wusste genug, Severus! Es hat euch beide gesehen. Er hatte die Angewohnheit unter seiner Tarnumhang herumzuwandern, wenn er nachdenken wollte", sagte sie mit blitzenden Augen. "Er hat dich gesehen und er hat gehört, als du Tonks sagtest, dass du sie liebst. Es war nicht einmal einen Monat her, seit ich gegangen war, und du warst in jemand anderen verliebt, Severus? Wie kann das möglich sein?"

Severus fasst sie energisch an den Armen. "Es ist nicht das, was du denkst. Harry wusste nicht, was er sah…"

Hermine riss sich von ihm los. "Glaubst du, dass ich dumm bin? Oder leichtgläubig? Ich habe es zuerst nicht geglaubt - er hat dann seine Erinnerung in ein Denkarium gegeben. Ich habe hineingesehen. Ich wünschte mir, ich hätte es nicht getan." Sie würgte, um ein Schluchzen zu unterdrücken. "Harry war nicht der einzige, der es gesehen hat, er war nicht der einzige, der gehört hat, was du sagtest."

Severus hätte sich vor Frustration am liebsten die Haare ausgerissen. Plötzlich bemerkte er, dass sie ein Schauspiel boten. Fluchend nahm er ihren Arm und zog sie die Straße herunter bis er eine Bank an einem Stück Rasen sah. "Setz dich." Sie schaute für einen Moment rebellisch und er wiederholte: "Setz dich." Mit einem finsteren Blick gab sie nach. Sie sah ihn nicht an.

"Nun werde ich dir etwas erzählen. Ich möchte dass du nur zuhörst, keine Unterbrechungen. Verstehst du mich?" Severus nahm ihr Kinn in die Hand und brachte sie dazu, ihm in die Augen zu sehen. "Verstehst du mich?" Sie nickte leicht. Er atmete tief ein und starrte vor sich hin durch die Autos hindurch, die auf der Straße fuhren. Es hatte angefangen leicht zu regnen, das Wasser glitzerte auf seinen schwarzen Haaren.

"Du wusstest von Voldemorts Plan. Was du nicht wusstest war, dass jemand - ich bin mir nicht sicher wer - Voldemort von unserer Beziehung erzählt hat." Severus schaute hierbei zu Hermine. Sie war geschockt. Er nickte bedächtig. "Sie erzählten ihm nicht wer - sie wussten es wohl nicht, denn für diese Information wären sie reich belohnt worden - aber sie erzählten ihm, dass es da jemanden gab. Glücklicher Weise erfuhr ich davon, bevor er mich zum nächsten Treffen rief, so dass ich mich vorbereiten konnte."

Es schüttelte ihn leicht, und er fuhr fort: "Ich traf mich mit dem Orden, das heißt mit den Mitgliedern, die verfügbar waren. Es gab nicht viele Optionen. Voldemort würde ohne Zweifel seine Fähigkeit Gedanken zu lesen benutzen, um die Identität der Frau herauszufinden. Er würde dazu die Bilder in meinen Gedanken lesen."

"Aber du bist ein Meister der Occlumency!"

Bei dieser Unterbrechung runzelte er die Stirn und Hermine ließ ab. "Denk nach, Hermine. Voldemort wusste nicht von meinen Verhüllungskünsten. Wenn er herausgefunden hätte, dass ich in der Lage bin, die Identität… meines Partners… vor ihm geheim zu halten, hätte er gewusst, dass ich ebenfalls in der Lage war, andere Geheimnisse vor ihm zu verbergen. Und vertraute mir, Hermine; er hätte keine Schwierigkeiten gehabt, diese zu enthüllen, wenn er von ihrer Existenz gewusst hätte. Es gibt andere Methoden als Gedankenlesen. Ich hätte niemals den Orden verraten, ich hätte niemals dich verraten, aber es wäre mein sicherer Tod gewesen. Mein sofortiger, schmerzerfüllter Tod." Sie nickte verständnisvoll und zitterte. Der Regen fiel nun stärker, aber keiner der beiden bemerkte es.

"Es war Nymphadora Tonks, die auf die Lösung kam. Sie schlug vor, dass ich dem Dunklen Lord sage, dass ich in jemanden verliebt bin, aber dass es vorbei sei - die Frau hätte mich verlassen und ich hätte einen Brief per Eule erhalten, dass sie gestorben sei. Sie hatte selbst einen Plan dafür, wie ich die notwendigen Erinnerungsbilder bekommen würde, um die Geschichte zu untermauern - denn Voldemort würde, ohne Zweifel, meine Gedanken lesen, um die Geschichte zu verifizieren." Severus holte tief Luft und schloss die Augen. "Du weißt, dass sie ein Metamorphmagus ist, richtig? Sie änderte ihr Aussehen und…"

Hermines Augen wurden groß. "Du meinst…"

Severus nickte und sah ihr in die Augen. "Es war alles nur gespielt, Hermine. Eine Szene. Um mir die notwendigen Erinnerungen zu verschaffen, damit ich Voldemorts Prüfung überstehen konnte. Selbst Dumbledore hatte eine Rolle - er war derjenige, der zu mir kam und mit die Nachricht von ‚Eloises' Tod überbrachte.

Ich hasste, was ich tun musste und ich denke, dass Tonks auch nicht gerade begeistert war, aber wir taten, was wir tun mussten. Für den Orden. Für dich. Ich habe dich geliebt, Hermine." Er schloss die Augen. "Ich tue es immer noch."

Hermine konnte kaum glauben, was sie gehört hatte. Sie hätte Viktor niemals geheiratet, egal wie gern sie ihn mochte, hätte sie das gewusst. Verdammter Harry! Merlin verdamme ihn! Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie schaute Severus an, sein Haar nass vom Regen und sie tat das einzige, was ihr richtig erschien.

Sie nahm seine Hände, zog ihn neben sich auf die Bank und schlang ihre Arme um ihn. Er umarmte sie ebenfalls und rückte dann leicht weg, um ihr tief in die Augen zu schauen. Ihre Augen schlossen sich und er lehnte sich langsam zu ihr.

In Paris, im Regen - trafen sich ihre Lippen zum ersten Mal nach sieben Jahren.




 

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