Geheimnisse

 

 

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Kapitel 32: Zweifel



Zweifel muß nichts weiter sein als Wachsamkeit, sonst kann er gefährlich werden.

Lichtenberg



Snape blieb den restlichen Tag wie angewurzelt auf dem Boden sitzen und starrte vor sich hin. Der Vormittag verging ereignislos. Durch den Boden spürte er wie Personen an seiner Tür vorbei eilten. Manchmal schnappte er sogar ein paar Worte auf, doch so recht zu ihm durchdringen wollten sie nicht. Seine Gedanken waren seltsamerweise auch zum Stillstand gekommen. Fast war es wie vor Jahren, als er sich „unsichtbar“ gemacht hatte in Dumbledores Büro um nicht aufzufallen. Doch so recht gelingen wollte es ihm nicht. Wenn er seinen Geist so weit beruhigt hatte, kurz vor dem Punkt wo er zu einem Ding wurde, hatte er das Gefühl nicht allein zu sein.
Der Mittag verstrich, keiner kümmerte sich darum, dass er etwas zu essen bekam, auch roch er nichts dergleichen im Schloß. Um so etwas banales kümmerte sich der Dunkle Lord nicht.
Der Nachmittag kam und Snape wurde langsam unruhig. Bald würde man ihn rufen, bald würde er Harry Potter wiedersehen. Bestimmt führte Voldemort seinen Gefangenen vor, erniedrigte ihn vor all seinen Anhängern, demonstrierte seine Macht - verzweifelt schloss Severus die Augen -, wie er seine Macht an ihm demonstriert hatte. Snape war eine lebende Warnung an alle damals gewesen: keine Geheimnisse, keine Ausflüchte und erst recht kein Ungehorsam.
Die Sonne ging langsam unter und warf ihr herrliches Abendrot in Snapes Raum. Snape sah auf, die Wolken waren blutrot verfärbt und fast schien es als ob der Himmel in Brand geraten war.
Ein Gong erklang. Der Ton war tief und sehr mächtig. Immer und immer wieder schlug jemand auf den Gong ein und wie als ob jemand an einem unsichtbaren Faden zog, zog es Severus aus seinen Räumen. Das Dunkle Mal brannte überraschenderweise nicht, Voldemort verzichtete darauf, statt dessen verließ er sich darauf, dass all seine Anhänger im Schloß waren und dem Gong folgten.
Snape reihte sich in eine Gruppe von anderen Todessern ein und zog seinen Umhang enger um sich. Wie gut es tat wieder in die anonyme Gruppe abzutauchen, einer unter vielen zu sein. Sie kamen auf die große Halle zu, jemand hatte davor den Gong aufgestellt und schlug regelmäßig darauf ein. Snape spürte das tiefe „Dong“-„Dong“ bis in die Eingeweide als er an dem übermannsgroßen Gong vorbei ging. Er reihte sich ein und wartete mit gesenktem Kopf. Immer mehr Anhänger strömten herein. Etwas war Snape doch überrascht, Voldemort war nicht untätig seit seiner Auferstehung gewesen, viele Hexen und Zauberer hatten sich im angeschlossen. Wobei auch die Gerüchte umher gingen, dass sich ihm einige nicht ganz freiwillig angeschlossen hatten. Das letzte „Dong“ erklang und wie auf das Stichwort hin wallten weiße Nebelschwaden in die Halle. Die Temperatur sank um einige Grad und dann kam er.
Seine Präsenz war vernichtend, tödlich und steckte voll kranker schwarzer Magie.
Voldemort betrat die Halle.
Wie auf ein Kommando hin fielen alle seine Anhänger auf die Knie und neigten ihre Köpfe vor dem mächtigen Dunklen Lord.

***



Sirius war froh als sich endlich die Reihen in Dumbledores Büro lichteten. Peter Moray hatte nichts erreicht und er hatte bemerkt, dass seine Vorschläge bei Dumbledore auf Granit stießen. Genauso gut hätte er mit einem Felsen über das Wetter reden können. Enttäuscht und sehr wütend verließ die Gruppe rund um Moray den Raum. Jedoch blieb in Sirius das dumme Gefühl, dass diese Hexen und Zauberer an einem anderen Ort weiter beraten würden. Mit tiefer Erleichterung schloss Black die Tür hinter der letzten Aurorin von Moray und als die Tür endlich ins Schloss fiel atmete er auf. Das gleiche taten die wenigen Dumbledore-Treuen, die noch geblieben waren. Es schmerzte Black zu sehen wie wenige es waren. Wobei er sich innerlich verbesserte, Lupin war nicht bei ihnen, Morgen würde Vollmond sein und einen Tag vor seiner Verwandlung in einen Werwolf mußten einfach bestimmte Vorkehrungen getroffen werden. Dumbledore wirkte zwar immer noch sehr stark und mächtig, doch glomm auch Schwäche und unendliche Sorge in seinen Augen. Harry war neben Severus einer der wenigen wunden Punkte im Leben des Direktors und Voldemort hatte in diesem Punkt voll angesetzt und den ersten Vorteil erhalten. Einige Minuten, die Sirius wie Stunden vorkamen, standen sie im Raum und versuchten ihre Gedanken zu ordnen. Plötzlich klopfte es leise an der Tür. Erschrocken wandte sich der ehemalige Gefangene von Askaban um und starrte diese an. Dann wandelte sich sein Schreck in Genervtheit um.
'Verdammt', dachte er und riss die Tür auf, 'denen werde ich jetzt die Meinung sagen.'
Die ganzen Stunden über war er ruhig gewesen doch jetzt war genug! Pomfrey hatte ihn zurück gehalten und sogar der warnende Blick von McGonagall hatte in aufgehalten. JETZT NICHT MEHR!
„Was...“ Der Rest des Satzes blieb ihm im Hals stecken.
Fawkes im Hintergrund zirpte einen Willkommensgruß.
Firenze!
Der Zentaur hatte einen Bogen und einen Köcher voll mit Pfeilen geschultert. Ruhig wanderten die Augen von Firenze von einer Hexe zur anderen, von einem Zauberer zum anderen.
„Wie erwartet“, murmelte er und betrat den Raum.
Völlig überrascht starrte Sirius dem Zentauren hinterher.
Firenzes Gegenwart schien die letzten bösen Geister, die noch in dem Raum zu wohnen schienen, zu vertreiben. Die Magie des Waldes war offiziell nach Hogwarts gekommen. Selbst Moray und seine Gruppe mußten den Zentauren gesehen haben.
Ein Lächeln stahl sich über das Gesicht von Dumbledore. „Es tut gut Sie zu sehen Firenze.“
„Ich bin hier mit einer Botschaft aus dem Wald.“ Kurz stockte das magische Wesen. „Wobei ich sagen muss, ich kann nicht für alle sprechen. Einige meinen, wir sollten uns nicht einmischen. Aber die anderen...“
Firenze richtete sich nun zu seiner ganzen stattlichen Größe auf. „Wir stehen hinter Harry Potter. Wir stehen hinter Albus Dumbledore. So beschlossen es die Einhörner, die Hippogreife, die Greife...“
Und die Liste wuchs, wenn sich eine komplette Gruppe NICHT hinter Dumbledore stellte, so nannte Firenze Namen, oder erklärte, wer die Betreffenden waren. Auch erwähnte er, dass einige Wesen schlichtweg den Ernst der Lage nicht erkannten und man solle ihnen vergeben. Gegen Dummheit sei nun mal kein Kraut gewachsen.
Langsam hatte Sirius das Gefühl, dass sie nicht nur einige Wenige waren, nein, sie waren um so viel mehr gewachsen! Auch wenn einige Bekundungen eher rein symbolischer Natur waren, Sirius war sich bewusst, dass ein Greif wohl kaum groß in eine Schlacht eingreifen konnte die magisch war. Der Zentaur sprach weiter mit seiner wohlklingenden Stimme. Wobei Black sich bei den Zentauren nicht sicher war. Der Bogen auf Firenzes Schulter sprach Bände und diese Wesen konnten sehr aktiv sein.
Als Firenze geendet hatte, stand Dumbledore auf und reichte dem Zentauren die Hand.
„Sie sind nicht allein Direktor“, sagte Firenze fest. „Sie waren es nie! Und werden es nie sein!“
Für Sirius hörte es sich an wie ein altes Versprechen, das wieder erneuert wurde.
Im Hintergrund wischte sich Madame Pomfrey eine Träne aus dem Augenwinkel.

***



Voldemort stand bei seinem Thron und sah auf sie alle herab. Noch im Stehen erhob er seine so unnatürliche Stimme, die er seit seiner Wiederauferstehung hatte. „Meine Todesser.“
Ein Rauschen wie durch einen Blätterwald ging durch die Halle, die Anhänger und Gefolgsleute Voldemorts erhoben sich. Dicht an dicht standen sie nun. Sie waren alle da und warten nun auf die Worte ihres Herrn und Meisters.
Der Dunkle Lord sah hochmütig auf sie herab, er wusste, dass sie ihn fürchteten, liebten und gleichzeitig hassten - eine Mischung, die er sichtlich genoß.
„Heute Abend ist Zeit, dass wir die unter uns ehren, die mir unter den widrigsten Umständen treu blieben. Lord Voldemort vergißt nie...“
In Gedanken fügte Snape hinzu: Genauso wenig wie er vergibt.
„... Also tritt vor, Lucius Malfoy.“
Snape schüttelte innerlich den Kopf, natürlich Malfoy. Ein Feigling war er zwar gewesen, kurz nach dem Sturz des Lords, aber dennoch war er den Idealen treu geblieben und hatte so dem Dunklen Lord viele Kanäle in das Ministerium verschafft.
Eine Gestalt löste sich aus der Masse von Kapuzen und Masken. Sofort war Malfoy seiner Sicherheit der Gruppe beraubt, doch er ging nicht vorsichtig oder gar verängstigt, nein, stolz schritt er vor den Dunklen Lord und als er ihm seine Ehrerbietung zollte, schwang kein Funken Schwäche mit. Mit einer Handbewegung, die fast überflüssig schien, gestattete Voldemort Malfoy neben seinem Thron zu knien. Voldemort nannte noch zwei weitere Namen und wie bei Malfoy vollzog ich das gleiche Ritual. Fast hätte Severus seinen eigenen Namen überhört, zu sehr hing er dem Gedanken nach, wo nur Harry Potter steckte, doch als sein Name fiel ging ein leises Murmel durch die Menge. Fast glaubte er sein Herz würde stehen bleiben, Voldemort hatte seine Worte doch ernst gemeint! Hölzern stolperte er hervor, löste sich wie ein Tropfen schwarzer Tinte aus dem Meer von Schwarz. Seine Bewegungen waren nicht so geschmeidig oder strotzten nur so vor Stolz und Wagemut. Doch den Kniefall bekam er so elegant wie immer zustande.
„Mein Severus. So viele Jahre musstest du unter dem Muggelfreund Dumbledore dienen. Dich so viele Jahre verstellen. Dein wahres Ich verbergen.“ Voldemorts Stimme sank auf ein Beinaheflüstern, so dass nur noch Snape und die wirklich nahe stehenden Personen ihn verstanden. „So viel mußte ich dir zeigen, dich immer wieder vor dir selbst retten. So viele Fehler wie du begangen hast und ich sie dir vor Augen halten mußte.“
Snape schrie innerlich auf. NEIN! NEIN! Er gehörte Dumbledore. Dumbledore hatte ihm viel gezeigt, viel erlaubt zu lernen, zu erkennen. Und Hagrid war sein Freund gewesen, sein einzig wahrer Freund. Voldemort hatte ihm nichts gegeben, ihn nicht lernen lassen, außer dass er wertlos war, dass er als Spielball seiner Launen herhalten mußte.
Innerlich zitternd vor Angst und Zorn und immer noch auf den Knien und den Kopf demütigst gesenkt, ballte Snape im Inneren seiner Roben die Hände zu Fäusten. Lüge! ALLES Lüge!
Jetzt spürte er den kalten toten Atem von Voldemort. „Mein demütigster Sklave. Sklaven dienen nur ihrem Herrn, ihr komplettes Denken gehört ihrem Herrn. Keinen Halbblütern und Muggelfreunden. Selbst vor dieser schwächlichen, falschen Freundschaft des Halbriesen Hagrid mußte ich dich bewahren.“

Und Severus glaubte sein Herz setze aus.


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