Geheimnisse

 

 

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Kapitel 33: Gewissheit



Weisheit entspringt nicht so sehr aus dem Verstande als aus dem Herzen.

Rosegger



Severus versuchte Luft zu bekommen, doch so recht klappte es nicht. Er versuchte zu weinen doch es klappte nicht. Er versuchte sich auf Voldemort zu stürzen doch seine Muskeln versagten ihm den Dienst. Der Atmen des Dunklen Lords wich von ihm.
Das war es also gewesen, Voldemort hatte heraus bekommen, dass Hagrid in ihm einen Freund sah? War er unvorsichtig geworden? Hatte sie jemand in der Senke gesehen? Oder hatte er sich einmal versprochen?
„Komm“, hörte er über sich und wie durch ein Wunder schaffte es Severus sich zu erheben und seinen Platz neben dem Thron einzunehmen.
Der Schock saß tief und wollte seinen Verstand gar nicht mehr loslassen.
Voldemort stand vor seinem Thron und erhob wieder seine unwirklich klingende Stimme: „Nun meine getreuen Anhänger ist es an der Zeit. Es ist an der Zeit, dass ich beende, was ich vor so vielen Jahren hätte beenden sollen. Damals stand mir ein dummes Mädchen im Wege. Hier und jetzt jedoch nicht mehr. Heute Nacht werde ich den Getreuen rund um den Muggel- und Halbblutfreund Dumbledore das nehmen, was ihnen so lange als geistige Galionsfigur gedient hat. Um unserem Feind eine Wunde zu schlagen, von der sie sich nie, vielleicht nie mehr herholen werden.“
Stille. Kein Applaus, kein Gemurmel.
Es gab keine Zweifel, der Dunkle Lord sprach von Harry Potter.
An der Tür entfernten sich vier Todesser und Severus Snape wusste, der Junge hatte nur noch eine begrenzte Lebenszeit. Als das Tor hinter ihnen zufiel wurde die Welt um einiges kälter und dunkler.

***

Sirius kam außer Atem aus seinen Räumen zurück. Er hatte zwar keinen Zauberstab mehr, aber er hatte Pfeil und Bogen. In diesen Zeiten war es unklug weiter unbewaffnet zu sein. Firenze stand auf der höchsten Plattform des Schlosses und sprach die weitere Bewachung des Schlosses mit allen geflügelten Wesen des Waldes ab. Als Black kurz einen Blick aus dem Fenster warf hatte er das Gefühl der dunkle Nachthimmel sei lebendig geworden. Schwärme von allen möglichen magischen und nicht magischen Wesen umkreisten das Schloß und boten ein schauriges Bild. Hier und da ertönte der Schrei eines Tieres oder das Krächzen eines Greifes. Die Eulen und Minisphinxe wurden mit Patroullienflügen durch das Schloß beauftragt, Sirius musste darauf achten, nicht mit ihnen zusammen zu stoßen. Moray und seine Freunde sahen dies mit Unbehagen. Bald zog sich Moray aus Hogwarts zurück und die Lehrer, die auf seiner Seite standen, gingen schmollend in ihre privaten Wohnräume zurück.
Innerlich lächelte der ehemalige Gefangene von Askaban darüber, das war nur gerecht, jetzt sahen alle, dass Dumbledore doch nicht so auf einsamem Posten stand. Doch wurde es ihm auch flau im Magen, als er vor dem Torwächter zu Dumbledores Büro einen fremden Hippogreif und einen Greifen sah. Eine etwas komplizierte Situation, Greife sahen kriechende und überhöfliche Zauberer als Verräter an und die stolzen Hippogreife wollten eine Verbeugung sehen, da sie schnell beleidigt waren. Sirius beschloß einen Mittelweg zu wagen, höflich nickte er dem Hippogreif zu und sah den Greifen trotzig und stolz an. Er hatte einfach nicht genug Zeit sich zu groß mit den weiteren Wächtern auseinander zu setzen. Der Torwächter sprang gehorsam aus dem Weg als er das Passwort genannt hatte. Währenddessen ließ er die zwei Wesen nicht aus den Augen. Der Greif scharrte nervös mit seinen Vogelkrallen und der Löwenschwanz peitschte in der Luft, und der Hippogreif gab ein krächzendes Wiehern von sich. Schnell, jedoch nicht zu schnell, um keinen Angriffsgrund zu geben, betrat Sirius das Treppenhaus und kurz darauf Dumbledores Büro.
Wenn die Lage nicht so ernst gewesen wäre, hätte Sirius jetzt laut gelacht. Moody kniete vor dem Kamin und sprach mit jemandem über das Flohnetzwerk. Das Feuer brannte merkwürdig grell, was von einer Art Abhörschutzzauber kommen konnte. Die Hauslehrer von Gryffindor und Ravenclaw standen beisammen, wobei der kleine Lehrer Flitwick dabei auf einem Abstelltischchen stand und McGonagall leicht gebeugt. Sie schienen beide in ein ernstes Gespräch vertieft. Der Zauberstab von Flitwick, welchen der kleine Zauberer fest in den Händen hielt, versprühte dabei immer wieder Sterne. Pomfrey stand im Hintergrund und begann eine magisch vergrößerte Tasche zu packen. Der Direktor von Hogwarts selber stand am Fenster und warf eine Eule in den Nachthimmel. Auf den fragenden Blick von Sirius hin antwortete er leise: „Arthur und Molly Weasley, sie sollten wissen was geschehen ist. Wobei ich glaube, dass sie es schon längst wissen. Arthur hat vor einigen Tagen die Familienuhr erweitert. Harry ist nun auch....“
WUSCH!
Moody schrie auf und fiel unelegant nach hinten auf seinen Allerwertesten.
Arthur Weasley stolperte bleich und zittrig aus dem Kamin. Mit einem zweiten WUSCH! tauchte seine Frau auf, genau so bleich, aber mit einer Entschlossenheit in den Augen, die selbst Sirius den Kopf einziehen ließ. Diese Frau war jetzt für alles bereit!

***

Snape starrte auf den Boden und hörte nichts außer seinen eigenen Atem. Nach endlosen Minuten, die Snape wie Stunden vorkamen, öffneten sich ein weiteres Mal die großen Tore der Halle.
„LAST MICH LOS!“ schrie Harry Potter und wehrte sich mit Händen und Füßen gegen seine Wärter.
Die Stimme erstarb jedoch als sich der Junge bewusst wurde wo er war und wer hier alles war. Snape wagte es aufzublicken und sah wie Potter sich ungläubig umsah. Was hatte der Junge erwartet? Dass er wieder auf einen Friedhof geführt wird? Nein, das hier wollte Voldemort mit all seiner Kraft und Grausamkeit auskosten und seine Stellung als alleiniger Herr festigen. Es dauerte einige Zeit bis die Wächter den nicht mehr ganz so widerstandsfreudigen, dafür fast zu Stein erstarrten Potter vor den Thron Voldemorts gezerrt hatten.
Mit leeren Augen sah Snape dem Jungen entgegen. Ahnte dieser, dass er nur noch wenige Minuten zu leben hatte? Ahnte er vielleicht, dass sein Tod nicht ganz so schnell sein würde, wie der seiner Mutter?
Harry Potters Augen waren nicht leer, sie sprühten noch vor Leben. Jetzt war er so nahe, dass es auch Severus erkennen konnte. Grüne Augen, so grün wie die von Lilly Potter. Er sah James so ähnlich in Statur und Gesicht, nur die Augen, die Augen hatte er von seiner Mutter.
„Severus ich möchte dir einen Befehl geben“, hörte er wieder.
„Ja, einen richtigen Befehl und ich möchte, dass du ihn ausführst und wenn es dich das Leben kostet!“
Voldemort drehte sich leicht um, auf einem kleinen Samtkissen wurde ihm etwas gereicht. Als sich der Dunkle Lord umdrehte, hatte er einen silbernen Dolch in der Hand. Harry begann am ganzen Körper zu zittern, jetzt stand Panik in seinen Augen.
Voldemort hob den Dolch hoch in die Luft und zeigte ihn allen seinen Anhängern. Die leichte Krümmung blitze gefährlich scharf im Licht der Kohlebecken.
Die Stimme ließ Snape nicht los.
„Ich befehle dir Harry zu beschützen, mit deinem Leben, sollte mir und James etwas geschehen. Du wirst ihn zwar nicht zu dir nehmen können, da er zu Verwandten von mir oder zu Sirius kommen wird. Aber es wird die Zeit kommen wo er deine Hilfe brauchen wird, verwehre sie ihm nicht! Das ist mein Wille, Mein Wunsch, Mein Befehl!“
Befehle! Er hatte immer noch Befehle! Er mußte sie ausführen. Sein Denken setzte wieder völlig ein, setzte sich wieder in gewohnte Bahnen. Bahnen die zwar Voldemort geschaffen hatte, aber so vielen gedient hatten. Selbst in dieser ganz so auswegslosen Situation. Befehle waren nun mal Befehle, und nicht nur das! Es war der Befehl einer Toten! Hier konnte man sich nicht entschuldigen, hier gab es keine Ausflüchte und wenn Severus genau darüber nachdachte, gab es die eigentlich nie. Snape richtete sich leicht auf und tastete mit einer Hand nach seinem Zauberstab. Dieser lag sicher verborgen in seinen Roben. Lautlos formte er Worte der Magie. Wob einen mächtigen Zauber, einen Zauber, der sehr schwer war, besonders wenn man dabei fast lautlos sein musste. Der Zauberstab in seiner Hand wurde warm und würde er ihn sehen, so könnte er ein leichtes Glühen erkennen, das ihn langsam überzog.
Langsam senkte der Dunkle Lord den Dolch. Dann nickte Voldemort den Wächtern zu und sie zerschnitten die Seile, mit denen Potter noch an den Händen gefesselt war. Eine weitere, fast überflüssig scheinende Handbewegung, und die Wächter wurden wieder ein Teil der vielen Todesser. Harry stolpert im Kreis, sah sich hilfesuchend um. Hier gab es keinen Ausweg und die Todesser waren noch zahlreicher als damals auf dem Friedhof.
„Diesmal Potter, keine Zauberkunststückchen. Keine Spielerein“, flüsterte Voldemort und trat einen ersten Schritt auf den Jungen zu.
„Keiner der dich beschützt! Hier sind nur meine Getreuen“, mit einem flüchtigen Seitenblick auf Snape raunte Voldemort weiter, „meine Sklaven.“
Der Junge hörte auf herumzustolpern.
„Ich gebe zu, dies ist normalerweise nicht meine Art.“ Voldemort hob nochmals den Dolch an. „Es wird nicht ganz so sauber sein. Der Tod wird nicht so schnell eintreten, befürchte ich.“
Snape gab nun all seine Kraft, sein Wissen in diesen Zauber. Es galt Wälle zu durchbrechen, die älter waren als alles Leben auf Erden, und er hatte nur diese eine Chance.
Potter hatte beschlossen nicht kampflos unterzugehen und so duckte er sich wie ein Raubtier, das in die Enge getrieben worden war. Gefährlich und bereit sich zu verteidigen.
Langsam verschwamm vor Severus' Augen das Bild, der Zauber verlangte von Ungeübten sehr viel Kraft. Voldemort stand vor ihm, jede Minute der Panik des Jungen genießend.
Es war Zeit.
Der Zauber war gesprochen und jetzt war alles nur noch eine Frage des Verstandes des Jungen und seiner Zauberkräfte.
Voldemort baute sich vor Harry auf und wandte Snape den Rücken zu, den Dolch in seiner Hand.
Snape holte seinen Zauberstab hervor, er war immer noch warm und wenn man ganz genau hinsah erkannte man dieses eigentümliche Glühen. Elegant wie ein Panter stand Snape auf und stieg ruhig und gelassen von dem Podest herunter, auf dem der Thron stand. Voldemort mußte ihn gehört haben, denn er wirbelte herum. Snape griff mit einer freien Hand nach seiner Maske und riß sie sich vom Gesicht.
Harry klappte die Kinnlade runter und er starrte seinen Zaubertranklehrer an. Doch tat er es nicht weil er nicht damit gerechnet hatte ihn hier zu sehen. Natürlich hatte er damit gerechnet. Seit er wusste, dass Snape ein Todesser war hatte er so etwas fast erwartet. Etwas anderes ließ ihn staunen: das erste Mal in seinem Leben sah er seinen sonst so griesgrämigen Lehrer lächeln.
Es war ein offenes und gleichzeitig unendlich trauriges Lächeln.
Dann streifte Snape sich die Kapuze vom Kopf und er sagte nur zwei Wörter: „Fang Potter.“
Snape gab seinem Zauberstab den letzten Befehl und warf ihn Harry Potter zu. Dieser hob reflexartig die Hand und fing den Stab auf, als sei er ein goldener Schnatz in einem Quidditch-Spiel. Zu verblüfft um etwas zu sagen drehte sich Voldemort um und sah nur noch wie der Portschlüssel seine Arbeit tat.
Voldemort schrie zornig auf, er war um seine Beute, um sein Triumph betrogen worden.
Snape war zufrieden mit sich und als die ersten Flüche gesprochen wurden und er langsam unter dem Hagel an Verwünschungen die Besinnung verlor, glaubte er Lilly Potter zu sehen.
'Eurer Wille, eurer Wunsch und Befehl wurde ausgeführt Herrin', dachte Severus und die Welt wurde schwarz.

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