Des Giftmischers Herz

 

 

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Kapitel 23: Der Junge, der überlebte

 



"Meister." Lucius trat mit einer triumphierenden Miene vor den Dunklen Lord und verbeugte sich ehrfürchtig. Lord Voldemort sah seinen Diener leicht verärgert an. Er war schlechter Laune und das schon seit vielen Wochen, wenn es nicht sogar schon Monate waren. Und in dieser Stimmung konnte er es gar nicht leiden, wenn jemand so fröhlich oder gar triumphierend aussah wie Lucius im Moment. Er hatte besser grandiose Nachrichten für ihn oder er würde für sein dummes Gegrinse sehr lange unter dem Cruciatus-Fluch leiden.
Lucius schien bemerkt zu haben, daß seine Miene den Lord verärgerte, denn das Lächeln verschwand fast vollständig, wenn auch noch ein letzter Rest übrig blieb.
"Was gibt es, Lucius?" fragte der Lord und der gereizte Unterton in seiner Stimme, ließ sogar Lucius erschaudern.
"Ich habe jemanden gefunden, dessen Anwesenheit Euch sicher erfreuen wird, Mylord." Bei diesen Worten verbeugte er sich noch ein wenig tiefer. Voldemorts Blick war noch immer skeptisch, doch er wandte sich zur Tür um und sah die kleine, dickliche Gestalt, die sich dort etwas ängstlich in den Schatten zu drücken versuchte. Voldemort schien im ersten Moment überrascht und runzelte die Stirn.
"Komm näher!" zischte er den kleinen Mann an und langsam schob dieser sich von der Tür weg und näher an den Dunklen Lord heran. Ein wenig Licht erhellte sein Gesicht und sofort durchzog ein breites, kaltes Grinsen das Gesicht des Dunklen Lords.
"Peter Pettigrew!" Er klang fast schon freudig erregt. Peter schluckte heftig. Er war sich nicht sicher, was er hier eigentlich tat, warum er es tat. Aber er tat es und er wußte, jetzt gab es für ihn kein Zurück mehr. Er straffte sich, ein kläglicher Versuch ein wenig Haltung anzunehmen.
"Was hast du mir zu sagen, kleiner Peter?" Voldemort stützte sich mit dem Kinn auf seine Hand und lächelte den jungen Mann süffisant an. Peter räusperte sich kaum hörbar.
"Ich habe Informationen über den Aufenthaltsort von Lily und James Potter." Das Lächeln wurde wieder zu einem Grinsen, die roten Augen des Lords blitzten auf.
"Das klingt so, als wolltest du mir deinen Freund Sirius Black ans Messer liefern, du Wurm." Peter spürte die Panik in sich aufsteigen. Die Nähe des Dunklen Lords bedrückte ihn und nahm ihm die Luft.
"Besser", preßte er hervor und versuchte, dem furchterregenden Blick standzuhalten. "Ich bin der Geheimniswahrer der Potters." Ein eiskaltes, grausames, wahnsinniges Lachen hallte durch den Raum.

***



Irgendwie lag etwas seltsames in der Luft an diesem Abend, auch wenn Lily ihre dunkle Vorahnung nicht richtig einordnen konnte. Sie stand mit Harry auf dem Arm am Fenster des Kinderzimmers und starrte in die Dunkelheit hinaus.
Harry grabschte mit seiner kleinen Hand in ihre langen, roten Haare und zog mit wachsender Begeisterung daran. Doch Lily merkte es nicht. Zu stark war die Beklommenheit, die sich um ihr Herz legte.
Sie sah eine Bewegung in dem leicht verwilderten Garten vor dem Haus und wurde aufmerksam. Rasch lief sie zum Lichtschalter hinüber und löschte das Licht, damit sie besser sehen konnte, was in dem dunklen Garten vor sich ging.
Sie erkannte gleich mehrere merkwürdige Gestalten, die um das Haus geschlichen kamen und jetzt auf die Haustür zugingen. Lily stockte der Atem. Sie glaubte, in einem dieser schleichenden Kreaturen Peter Pettigrew zu erkennen, doch sie wußte, daß er es nicht sein konnte. Er, Sirius und Remus waren schon seit einem Jahr nicht mehr in England.
Ein unschöner Verdacht beschlich Lily und gerade, als sie ihn fortwischen wollte, brach der Mond hinter den dichten Wolken hervor und sie erhaschte einen kurzen Blick auf die Männer im Garten. Es war Peter und auch der zweite Mann war ihr nicht unbekannt. Lucius Malfoy.
Ihr Herz blieb einen Moment lang stehen und Panik stieg in ihr auf, als sie die Treppe hinunter ins Wohnzimmer rannte.
James saß vor dem Kamin und war vollkommen in ein neues Buch vertieft, als Lily die Treppe heruntergepoltert kam. Verwundert sah er auf und die Verwunderung wuchs, als er sah, daß sie mit Harry auf dem Arm wie eine Verrückte durchs Haus rannte.
Er suchte ihren Blick und erschrak, als er die Angst in ihren Augen sah.
"James!" Sie schien atemlos zu sein, aber vielleicht war es auch nur die Panik.
"James, draußen im Garten!" Ängstlich zeigte sie hinaus in den Flur auf die Tür und im nächsten Moment gab es einen ohrenbetäubenden Knall und die Haustür flog aus den Angeln. Harry fing sofort an kläglich zu weinen und James sprang aus dem Sessel auf.
Angst legte sich wie eine Eisenklammer um sein Herz und er griff ganz automatisch nach seinem Zauberstab, der neben ihm auf dem kleinen Beistelltisch lag. Eine düstere Gestalt trat durch die Tür in das Haus der Potters und im nächsten Moment tauchte James' Welt in einen Wirbel. Ihm wurde schwindelig und er hatte das Gefühl, als wäre all das nicht mehr real, sondern nur ein böser Traum. Er starrte in die roten Augen, die ihn fixierten, sah das furchtbare Grinsen auf dem Gesicht des Dunklen Lords...
Und dann sah er Peter, der versuchte, sich hinter seinem neuen Meister zu verstecken. James spürte die Erkenntnis wie einen Schlag in seinen Magen und legte den Kopf ein wenig schief. Tränen traten ihm in die Augen.
"Peter?" hauchte er ungläubig, doch der ehemalige Freund wich dem gebrochenen Blick James Potters aus. Voldemort machte einen weiteren Schritt auf die Potters zu und in dem Moment erwachte James aus seiner Trance.
"Lily, nimm Harry und lauf! Er ist es! Schnell fort, ich halte ihn auf!" schrie er Lily in seiner Panik zu und stellte sich schützend zwischen Voldemort und seine Familie. Lily hielt Harry noch ein wenig fester und rannte die Treppe hinauf.
Das war das Ende! Die Tränen brannten ihr in den Augen und als hinter ihr das grüne Licht des Todesfluchs aufblitzte, wußte Lily, es gab kein Entkommen und James hatte sein Leben für sie geopfert. Für eine Frau, die ihn jahrelang nur betrogen, belogen und ausgenutzt hatte. Lily fühlte sich in diesem Moment so unendlich schmutzig und elend, aber sie durfte jetzt nicht aufgeben, durfte nicht sterben. Sie mußte Harry in Sicherheit bringen.
Harry war wichtiger als alles andere, wichtiger als jedes Gewissen.
In Harrys Zimmer war ihre Flucht zu Ende. Sie setzte ihn auf dem Boden ab und wollte gerade die Tür verbarrikadieren, als sie sich dem Dunklen Lord gegenüber sah.
Sie erschrak heftig und im ersten Moment spürte sie, wie Panik in ihr aufstieg, doch dann war das Gefühl weg. Alle Gefühle waren weg. Sie fühlte keine Angst. Es war die selbe Furchtlosigkeit, die sie stets gefühlt hatte, wenn sie Barabas Snape gegenüber getreten war.
"Aus dem Weg!" zischte Voldemort ihr zu. Und sofort kehrte die vertraute Angst zurück. Nicht die Angst um ihr Leben, aber die um ihr Kind. Er wollte Harry! Er wollte nur James und Harry töten! Eine wilde Entschlossenheit trat in ihre Augen. Er würde Harry niemals bekommen!
"Nicht Harry!" schrie sie und breitete schützend die Arme aus. Voldemort machte einen weiteren Schritt auf sie zu. Sein Blick war ärgerlich.
"Nicht Harry, nicht Harry, bitte nicht Harry!" flehte sie mit all ihrer Verzweiflung, die sie noch aufbringen konnte, doch sie fühlte, wie auch dieses Gefühl langsam abstumpfte und sie in eine tiefe Leere fiel.
"Geh zur Seite, du dummes Mädchen...", knurrte er sie an. Er konnte nicht fassen, daß diese Hexe wirklich so dumm war, nicht wegzulaufen, wo er ihr diese einmalige Chance bot. Lily preßte die Lippen zusammen und schüttelte stur den Kopf. Sie wich keinen Zentimeter, obwohl Voldemort immer näher kam.
"Geh jetzt weg!" fauchte er und Lily wußte, wenn sie diese letzte Chance nicht ergriff, würde sie in diesem Raum sterben. Doch ihr Leben war ohne Harry nichts wert. Wo sollte sie hingehen? Zu Severus? Sie konnte Severus nie wieder gegenübertreten, wenn sie jetzt ihren Sohn opferte und ihr Leben rettete.
"Nicht Harry, bitte nicht, nimm mich, töte mich an seiner Stelle!" Sie wußte genau, wie töricht ihre Worte waren. Er würde sie beide töten. Er tötete Harry, weil er glaubte, einen Grund zu haben. Denn wenn er nur gekommen war, um des Tötens wegen zu töten, hätte er ihr nicht die Möglichkeit geboten, ihr Leben zu retten.
"Nicht Harry! Bitte verschone ihn... verschone ihn..." Voldemort wußte nicht, ob er diese junge Mutter für dumm oder sehr mutig halten sollte, aber sie berührte ihn für den Bruchteil einer Sekunde. Es war kaum zu fühlen, aber doch war es da.
Nur würde es ihr nicht helfen! Mit einem kalten Lächeln hob er den Zauberstab.
Die Tränen liefen über Lilys Wangen und sie wandte sich ein letztes Mal um, um ihren Sohn anzusehen.
"Bitte verzeih mir, Harry! - Severus! Ich konnte ihn nicht retten, aber ich habe alles getan, was ich konnte. Ich gebe sogar mein Leben für ihn, wie ich es versprochen habe! Wenn ich euch beide nur nicht so lieben würde!"
Sie wandte sich wieder Voldemort zu und schloß die Augen. Als der Fluch sie traf, fiel sie in eine tiefe schwarze Leere und fühlte, wie alle Sorgen, die ganze Last von ihrer Seele genommen wurde. Sie fühlte sich frei und leicht und ihr letzter Gedanke galt Harry und Severus.
Wenige Sekunden später stürzte das Haus der Potters unter einem gewaltigen fehlgeschlagenen Fluch zusammen und als der Staub sich legte, war nichts mehr übrig als der Tod und ein kleiner Junge von einem Jahr, der mit großen geschockten Augen inmitten der Trümmer saß und seine tote Mutter ansah, die vor ihm lag.
Auf seiner Stirn hatte sich ein blitzförmiger Riß gebildet, der ein wenig blutete. Und als der Junge ängstlich mit seiner kleinen Hand nach seiner Mutter tastete, langsam zu ihr herüberkroch und immer wieder auf ihr Gesicht patschte, um sie zu wecken, wußte er noch nicht, daß er in diesem Augenblick zu einer Berühmtheit geworden war.
Der Junge, der überlebte.

***



Es war Halloween und eigentlich war das ein Tag, an dem sämtliche Todesser für gewöhnlich bester Laune waren und all ihren dunklen Fantasien freien Lauf ließen. Doch Severus gehörte nie zu ihnen. Er war schon immer zu solchen Gelegenheiten in sein Labor abgetaucht, um sich aus solchen Dingen herauszuhalten. So auch an diesem Tag.
Er arbeitete verbissen an seinem neuesten Auftrag für den Dunklen Lord und es war schon weit nach Mitternacht, als plötzlich jemand die Tür zu seinem Labor aufriß und er so heftig erschrak, daß er fast die hochgefährliche Flüssigkeit in dem Gläschen, das er in der Hand hielt, verschüttete. Wütend funkelte er den Jungen an, der in seiner Tür stand.
"Idiot!" fauchte er den Erstsemester an, der blaß wurde.
"Verzeihung, Sir. Ich wollte Ihnen nur die gute Nachricht mitteilen." Severus hob skeptisch die Augenbraue. Er versuchte, den Jungen, sein Gesicht, irgendwie einzuordnen, schaffte es aber nicht. Er war also kein Todesser.
"Wovon sprechen Sie?" fuhr er ihn immer noch unfreundlich an. Der junge Mann strahlte weiter, ohne Severus' kalten Ton zu beachten.
"Sie-wissen-schon-wer wurde gestürzt!" rief er aufgeregt. Beim Klang seiner Worte zuckte Severus zusammen. So viel Angst, daß sie ihn nicht einmal bei seinem Namen nannten. Dann realisierte er langsam, was der Junge ihm gesagt hatte und seine Augen wurden groß vor Fassungslosigkeit.
"Gestürzt?" fragte er und sofort fühlte er ein Gewicht von mehreren Tonnen von sich abfallen. "Aber wie?" Der junge Mann strahlte noch immer.
"Man sagt, er ist nach Godric's Hollow gegangen, um dort Lily und James Potter zu töten, was er auch getan hat. Aber als er versuchte, das Kind, Harry Potter, zu töten, soll sein eigener Fluch auf ihn zurück geprallt sein und ihn vernichtet haben. Der Junge hat überlebt, aber Voldemort wurde vernichtet!!" Eisige Kälte breitete sich in Severus bei diesen Worten aus. Das Glas in seiner Hand entglitt ihm und er sah, wie es in Zeitlupe auf den Boden fiel. Es zerbarst mit einem lauten Knall und dicker giftiger Dampf erfüllte das Labor. Der junge Mann schrie erschrocken auf. Das letzte, was Severus spürte war, wie er auf den Boden aufschlug. Seine Lunge schmerzte, sein Herz hämmerte und in seinem Kopf kreisten die einen Worte, die ihm in diesem Moment mehr die Luft abdrückten als es die giftige Substanz tun konnte, die er gerade einatmete. Lily war tot! Das war nicht möglich! Und dann wurde alles um ihn herum schwarz.


 

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